24. März 2021
Signaltheorie: Die geheimen Signale der Arbeitgeber oder warum ein kandidatenzentrierter Ansatz so wichtig ist
Lesezeit: 31 Min. Employer BrandingKarriere-WebsitesPersonalmarketingRecruitingSocial MediaStellenanzeigen
Glaubt man den blumigen Versprechungen vieler Arbeitgeber, stehen Mitarbeiter dort im Mittelpunkt. Ob das wirklich so ist, lässt sich wohl nur überprüfen, wenn man dort anheuert. Was sich aber unmittelbar überprüfen lässt: Wie man mit dem potenziellen Mitarbeiter umgeht. Und schnell stellt man fest: Von einem kandidatenzentrierten Ansatz ist der Großteil der Unternehmen Lichtjahre entfernt. Fatal, denn jedes Signal – ob bewusst oder unbewusst – von Arbeitgebern ausgesandt, entfaltet seine Wirkung beim (potenziellen) Mitarbeiter und straft die für viel Geld produzierte Employer-Branding-Scheinwelt Lügen. In diesem Artikel erfahren Sie, was die Signaltheorie ist und welche Auswirkungen sie auf Recruiting und Employer Branding hat.
Die Signaltheorie (“Signaling Theory”) im Employer Branding
Signaling ist ein Teil der Informationsökonomie und versucht die Probleme der sogenannten Principal-Agent-Theorie zu lösen. Der “Agent” (in diesem Fall der Arbeitgeber, nicht James Bond) hat mehr Informationen über einen Sachverhalt (in diesem Fall das Unternehmen, den Arbeitsplatz, die Kultur, die Benefits etc.) als der “Principal” (in diesem Fall der potenzielle Bewerber bzw. potenzielle Mitarbeiter) und versucht daher, dem Principal Signale zu senden, die dessen Unsicherheit nach Möglichkeit verringern und diesen zu einer Bewerbung bewegen.
Ziel dabei ist es, eine Negativauswahl zu verhindern und ein für beide Seiten befriedigendes Ergebnis herzustellen (quasi das Einstellen eines zum Unternehmen passenden Mitarbeiters bzw. das Eintreten in eine Organisation, dessen Kultur und Werte zu einem passen, neudeutsch: Cultural fit). Begründer dieser sogenannten Signaltheorie (Signaling Theory) ist Michael Spence, der seine Theorie zum Arbeitsmarkt 1973 veröffentlichte (sie aber genau gegensätzlich formuliert hat – nun, der Arbeitsmarkt hat sich seitdem eben gedreht).
Informations-Asymmetrie im Bewerbungsprozess
Denn tatsächlich ist es ja so, dass potenziellen Mitarbeitern vor einem Eintritt ins Unternehmen nur wenige Informationen zur Verfügung stehen und viele Arbeitgeber ihre Karten erst im Vorstellungsgespräch auf den Tisch legen. Ob sie da dann mit gezinkten Karten spielen, also Dinge schönreden oder verschweigen, die sich dann erst im Arbeitsalltag herausstellen, steht auf einem anderen Blatt (dazu weiter unten mehr). Diese Informations-Asymmetrie im Bewerbungsprozess hat also zur Folge, dass sich potenzielle Bewerber zur Beurteilung des potenziellen Arbeitgebers häufig nur auf die wahrgenommene Attraktivität bzw. das Image eines Unternehmens – etwa auf Basis von Stellenanzeigen, der Karriere-Website oder auch den Bewertungen auf kununu & Co stützen können.
Unbewusst ausgesandte Signale werden von potenziellen Mitarbeitern empfangen
Unternehmen setzen (im Idealfall, denn wir wissen ja, dass dem nicht so ist) diese Situation des unvollständigen Wissens potenzieller Bewerber gezielt ein. Manchen Unternehmen ist bewusst, dass potenzielle Mitarbeiter keine umfassenden Informationen über sie haben können; darum senden sie gezielt Signale und geben Informationen, um sich als Arbeitgeber zu positionieren. Man nennt das dann Employer Branding. Oder Personalmarketing, je nach Definition oder Glaubensrichtung, der Sie angehören. In der Regel fokussieren Unternehmen dabei auf bunte Bilder und lustige Claims. Was Arbeitgeber dabei außen vor lassen: Sie senden deutlich mehr unbewusste Signale aus, die zu dieser Positionierung beitragen.
Alles, was Bewerber beobachten, entscheidet über den Rekrutierungserfolg
Denn alles, was (potenzielle) Bewerber im Rahmen des gesamten Bewerbungsprozesses an allen Kontaktpunkten (neudeutsch: “Touchpoints”) beobachten und erleben, fließt in die Wahrnehmung eines Unternehmens als Arbeitgeber ein, entscheidet maßgeblich über den Rekrutierungserfolg und stärkt oder schwächt Ihre “Arbeitgebermarke”.
Der Mensch im Mittelpunkt
Viele Arbeitgeber werben damit, dass bei ihnen der Mitarbeiter oder sogar der Mensch im Mittelpunkt stehe. Ein Blick in die Google-Suche offenbart eine Fülle von Treffern. Da brüsten sich Unternehmen damit, dass Mitarbeiter ein “Wettbewerbsvorteil” seien, der “täglich mit vollem Engagement arbeitet”, damit man sich am Markt erfolgreich abhebt, weswegen der Mensch im Mittelpunkt stehe. Für andere wiederum sind “Mitarbeiter keine Ressourcen, sondern Individuen, deren Fähigkeiten und Fertigkeiten” in ihrer Organisation als “größter Wert anerkannt sind”. Und bei anderen wiederum steht der “Mensch im Mittelpunkt”, “sowohl als Kunde wie auch als Mitarbeiter”.
Sind Bewerber keine Menschen?
Wer ganz offenbar nicht im Mittelpunkt steht, ist der potenzielle Mitarbeiter, nennen wir ihn (oder sie) Bewerber. Denn der empfängt jede Menge unbewusst ausgesandte Signale, die entgegen all der blumigen Employer-Branding-Versprechen leider häufig wenig positiv sind. Wobei wir uns ohnehin fragen müssen, warum Bewerber aka potenzielle Mitarbeiter eigentlich weniger wertschätzend behandelt werden, als Mitarbeiter aka ehemalige Bewerber. Warum werden in vielen Fällen Bewerber als lästige Bittsteller behandelt, denen man erst im Falle einer Zusage den roten Teppich auszurollen bereit ist? Eine Frage, auf die es keine zufriedenstellende Antwort gibt. Fontane mag auch hier gelten:
Halte dich still, halte dich stumm,
Nur nicht forschen, warum? Warum?
Nur nicht bittre Fragen tauschen,
Antwort ist doch nur wie Meeresrauschen.
Wie’s dich auch aufzuhorchen treibt,
Das Dunkel,
das Rätsel,
die Frage bleibt.
Oder, weniger tiefgehend:
Und warum?
Nur für den Kick – für den Augenblick?
Und warum?
Nur ein Stück – von dem falschen Glück?
Und warum?
Nur für den Kick – für den Augenblick?
Und warum?
Schauen wir uns also einmal 12 dieser unbewusst ausgesandten Signale im Detail an. Teilweise strahlen einzelne Signale auf andere aus, sodass nicht überall eine strikte Trennung möglich ist.
Signal #1: Abwehrhaltung
Ein sehr häufig von Unternehmen ausgesandtes Signal ist das der Abwehrhaltung, wir kennen das schon von Baustein 1 der perfekten Bewerbervermeidungsstrategie. Dieses Signal äußert sich u. a. auf folgende Weise:
Das Unternehmen verfügt über keine Karriereseite
Das Signal ist eindeutig. Bewerbungen sind nicht erwünscht. HR hat keinen allzu hohen Stellenwert.
Die Karriereseite ist gut versteckt
Das Signal ist ähnlich eindeutig. Bewerbungen scheinen nicht erwünscht. HR hat keinen allzu hohen Stellenwert oder kann sich gegen Marketing & Co. nicht durchsetzen. Es besteht nicht wirklich Interesse, neue Mitarbeiter einzustellen.
Es gibt keine Ansprechpartner bzw. keine Kontakdaten
Auch dieses Signal ist eindeutig. Ein Kontakt ist nicht erwünscht, man möchte nicht aus dem Tagesgeschäftschlaf gerissen werden und von lästigen Anrufen/Mails potenzieller Bewerber wird auch nicht viel gehalten.
Ablehnendes Verhalten auf Jobmessen
Man trinkt lieber mit den Kollegen entspannt einen Kaffee, sortiert noch mal schnell die Flyer oder schnackt mit dem Standpersonal von gegenüber. Auch dieses Signal lässt sich nur, wie die oben genannten, in eine Richtung interpretieren:
Signal #2: Desinteresse
Eins der am häufigsten Signale, die potenzielle Bewerber empfangen, ist das des Desinteresses. Dieses äußert sich auf vielfältige Weise.
Kein Interesse an der Zielgruppe
In vielen Fällen wissen Unternehmen überhaupt nicht, wer ihre Zielgruppe ist. Man spricht mit der Gießkanne an, etwa “Berufserfahrene”, “Absolventen” oder “Schüler”.
Wer wirklich die Zielgruppe ist, wird nur selten ersichtlich. Das zeigt sich auch darin, dass auf die jeweiligen Bedürfnisse, Wünsche oder Erwartungen nicht eingegangen wird. Dieses “one-size-fits-all” stößt potenzielle Bewerber ab bzw. erreicht diese nicht einmal.
Schlechte Auffindbarkeit
Auch wenn Karriereseiten, Jobs oder Informationen schlecht auffindbar sind, empfangen potenzielle Bewerber das Signal des Desinteresses. Deswegen sind es auch potenzielle Bewerber.
Bunte Bildchen, lustige Claims, heiße Luft
Unternehmen investieren viel Geld in bunte Bildchen, lustige Claims und produzieren viel heiße Luft. Auf die Informationsbedürfnisse der Zielgruppe wird nicht eingegangen (siehe oben), relevante Informationen sind Mangelware. Mit diesem Signal des Desinteresses werden potenzielle Bewerber abermals in die Flucht geschlagen.
L(i)eblose Bewerberkorrespondenz
Ein weiteres Signal des Desinteresses empfangen Bewerber im Rahmen der Bewerberkorrespondenz. Etwa, wenn sie nicht mit Namen angesprochen werden (“Sehr geehrter Bewerber”), wenn kein konkreter Ansprechpartner genannt wird (“Recruiting-Team”, “HR-Abteilung” etc.), keine Informationen zum weiteren Vorgehen mitgeteilt werden, das Schreiben den Charme eines Finanzamt-Schreibens hat etc. Siehe auch Signal des mangelnden Respekts.
In der Zeit zwischen Vertragsunterzeichnung und Arbeitsbeginn
Viele Unternehmen sind der Meinung, dass sie ihren Job getan hätten, sobald die Tinte unter dem Anstellungsvertrag getrocknet ist. Mitunter verstreichen zwischen Unterschrift und Arbeitsbeginn aber Wochen, wenn nicht sogar Monate. Trotzdem hören viele der neu gewonnenen Mitarbeiter in der Zeit nichts vom Unternehmen. Wer kann ihnen bei all dem Desinteresse da verdenken, wenn sie doch noch woanders unterschreiben?
Unprofessioneller Auftritt auf XING/LinkedIn
Kaum zu glauben, aber wahr: Schaut man sich so manches Profil eines Recruiters, Sourcers oder HR-lers auf XING oder LinkedIn an, sieht man unprofessionelle Auftritte: Unvollständige Profile, keine Profilbilder oder anonymisierte Profile (“Christiane F.”). Wer so viel Desinteresse an einem professionellen Profil als Recruiter hat (der ja immer Markenbotschafter an vorderster Front ist), sendet an potenzielle Mitarbeiter ein ganz klares Signal aus: Desinteresse an dem Job, an der Position.
Unkommentierte Bewertungen auf kununu & Co.
Für nicht wenige Menschen sind kununu & Co. eine wichtige Entscheidungshilfe, um mehr Informationen über einen Arbeitgeber zu bekommen. Viele Menschen sehen von einer Bewerbung ab, wenn das Unternehmen wiederholt schlecht bewertet wurde. Was hingegen gut ankommt: Wenn Unternehmen Stellung beziehen und Bewertungen kommentieren. Bei guten wie schlechten. Das ist ein Zeichen von Wertschätzung (dazu weiter unten mehr). Keine Kommentare werden hingegen als Desinteresse wahrgenommen. An kununu im Allgemeinen, an den Bewertungen im Speziellen.
Signal #3: Ignoranz
Auch das Signal der Ignoranz empfangen (potenzielle) Bewerber häufiger, als es Arbeitgebern lieb sein kann.
Fehlende Nutzerorientierung
Dass man die Bedürfnisse der Zielgruppe ignoriert, dieses Signal haben viele potenzielle Bewerber schon erfahren. Aber auch die Nutzerbedürfnisse, etwa eine intuitive, logische Navigation, die eine schnelle Orientierung ermöglicht, egal wo auf der Website man sich befindet, werden ignoriert. Dass man in vielen Fällen auf überflüssige Chatbots setzt, die dieses Navigationschaos kaschieren sollen und damit den Wunsch potenzieller Bewerber nach echten Ansprechpartnern ignoriert, ist ein anderes Thema.
Keine relevanten, auf die Zielgruppen zugeschnittene Infos
Das fehlende Interesse an der Zielgruppe empfangen potenzielle Bewerber als klares Signal der Ignoranz (siehe auch Desinteresse).
Keine mobil optimierte Karriereseite/Stellenanzeige/Bewerbungsprozesse
Wir schreiben das Jahr 2021. Ohne Smartphone scheint das Leben für viele Menschen sinnlos. Viele Menschen besitzen nur noch ein Smartphone, dies stellt die einzige Verbindung ins Internet dar. Man nutzt Online-Banking, Online-Shopping, Online-Dating – alles über schlanke, leicht zu bedienende Apps. Dennoch gibt es Unternehmen, die bis heute über keine mobil optimierte Karriereseite, geschweige einen mobil optimierten Bewerbungsprozess verfügen. Wenn das als Signal der Ignoranz wahrgenommen wird, ist es nur nachvollziehbar. Nachvollziehbar hingegen ist es nicht, wenn es 2021, 14 Jahre nach Erfindung des iPhones, wenn auch Bewerber aufs Smartphone starren, immer noch Karriereseiten, Stellenanzeigen und Bewerbungsprozesse gibt, die sich nicht vernünftig übers Smartphone nutzen lassen.
Langsame Bewerbungsprozesse
Viele Bewerbungsprozesse dauern sehr lange. Manche organisationsbedingt (bspw. im öffentlichen Dienst, wo die sogenannte Bestenauslese der Tod jedes effizienten Recruiting-Prozesses bedeutet), manche prozessbedingt (weil man erst mal wartet, ob nicht noch eine bessere Bewerbung eintrudelt, klar, der erste Bewerber war schon nicht schlecht, aber das geht bestimmt noch besser) oder aufgrund ineffizienter Recruiting-Tools (Excel und Outlook vs. effiziente E-Recruiting-Tools). In manchen Fällen würde ein klares Erwartungsmanagement schon viel bringen. So oder so: Langsame Bewerbungsprozess signalisieren ganz klar: Bewerber, du bist uns nicht wichtig. Oder eben: Ignoranz.
#Signal 4: Verwirrung
Das Signal der Verwirrung empfangen (potenzielle) Bewerber häufig in folgenden Situationen:
Jobs ankündigen, wo keine sind
Wer kennt es nicht, das Spielchen mancher Unternehmen, die potenzielle Bewerber, die bei Klick auf “Jobs” eigentlich Jobs vorzufinden erwarteten, erst mal auf eine Seite weiterleiten, über die der (potenzielle) Bewerber auf eine Seite weitergeleitet wird, auf der die Jobs dann zu finden sind? Indes: Diese Spielchen machen nur die ganz Hartgesottenen mit, die anderen verlieren Sie auf diese Weise schneller, als Sie Blaubeerkuchen sagen geschweige essen können. Eins tun Sie auf jeden Fall: Verwirrung stiften. Und das nicht zu knapp.
Inkonsistente Navigation
Dieses Verwirrspiel treiben Unternehmen aber auch in Bezug auf die restliche Seitennavigation, sodass ein potenzieller Bewerber dann nicht lost in Translation, wohl aber lost in Navigation ist. Resultat: Der potenzielle Bewerber bleibt ein potenzieller Bewerber.
Ellenlange Jobliste ohne (sinnvolle) Filtermöglichkeiten
Ebenfalls ein Klassiker, der Verwirrung beim (potenziellen) Bewerber auslöst: Eine ellenlange Jobliste, die sich nicht filtern lässt. Oder aber wo man sich aus 29 (z. B. Ikea) 42 (z. B. Allianz, wer bietet mehr?) verschiedenen Unternehmensbereichen einen herauspicken kann, der möglicherweise zu den Kompetenzen/zur bisherigen Berufserfahrung/zur bisherigen Stellenbezeichnung des potenziellen Bewerbers passen könnte.
In der Regel nicht, denn Verwirrung stiften Unternehmen nicht nur durch die Vielzahl der Auswahlmöglichkeiten, sondern die Bezeichnung derselben. Denn natürlich arbeitet man hier mit Bezeichnungen, die zwar intern geläufig sein mögen, aber nicht am externen Arbeitsmarkt. Hier empfangen (potenzielle) Bewerber nicht nur das Signal der Verwirrung, sondern obendrein des Desinteresses und der Ignoranz.
Erwartungen schaffen, die nicht erfüllt werden
Oft spiegeln Unternehmen (potenziellen) Mitarbeitern eine Arbeitswelt vor, die sich in der grauen Job-Realität als falsch entpuppt. Das geschieht in Stellenanzeigen genau wie auf Karriereseiten, in Vorstellungsgesprächen genau wie auf gefälschten kununu-Bewertungen. Resultat: Der Mitarbeiter ist verwirrt und frustriert – und im Zweifelsfall die längste Zeit Mitarbeiter gewesen. Hier empfangen (potenzielle) Bewerber und Mitarbeiter dann noch mindestens zwei weitere Signale: Mangelnde Wertschätzung und Unehrlichkeit (siehe dort).
Vom Du zum Sie – oder umgekehrt
Verwirrt umschauen tun sich (potenzielle) Bewerber auch dann, wenn sie zwar auf der Karriereseite oder in Stellenanzeigen die ganze Zeit anbiedernd geduzt wurden, sobald sie aber auf den Bewerbungsbutton klicken, unsanft in der grauen Realität des “Sie” ankommen. Manche Unternehmen lassen sich damit etwas Zeit, etwa indem sie auf das “Sie” erst in der Bewerberkorrespondenz umschwenken – oder noch fataler: Beim ersten Kennenlernen, bspw. im Rahmen eines Telefoninterviews.
Weiterleiten von der Karriereseite aufs E-Recruiting-System
Das Signal der Verwirrung legt sich auch wie düsterer Schleier über ein Bewerbungsvorhaben, wenn (potenzielle) Bewerber von der Karriereseite auf dem scheinbar aus dem 1999er-Homepagebaukasten stammenden Online-Formular eines Bewerbermanagementsystems landen. Die Verwirrung ist komplett, wenn sie sich von da aus auf die Karriereseite zurücknavigieren wollen, aber plötzlich auf dem (ebenfalls aus dem gleichen Homepage-Baukasten stammenden) Karriereportal des ATS-Anbieters landen.
Signal #5: Diskriminierung
Das Signal der Diskriminierung nehmen (potenzielle) Bewerber leider auf vielfältige Weise wahr.
m/w/d
Leider empfangen (potenzielle) Bewerber auch auf nahezu allen Karriere-Websites und Stellenanzeigen ein starkes Signal der Diskriminierung. Nämlich dann, wenn ausschließlich männliche Bewerber gesucht werden, die zudem noch weiß und deutsch sind – m/w/d eben. Während das eigentlich ein klarer AGG-Verstoß ist, handeln gefühlt 90 Prozent der Unternehmen so – ohne darüber nachzudenken, dass es auch anders und vor allem wertschätzender geht.
m
Tatsächlich diskriminieren der Großteil der Unternehmen (potenzielle) weibliche Bewerber. Denn interessanterweise führen den Großteil der Stellenanzeigen Stellentitel mit der Ergänzung (m/w/d) an. Nicht etwa w/m/d. Oder d/w/m. Sondern m. Damit senden Unternehmen ein sehr klares Signal aus – auch, wenn sie sich dessen offenbar nicht bewusst sind. Allerdings empfangen (potenzielle) Bewerber hier auch ein klares Signal der Gleichgültigkeit (siehe dort).
Männlich geprägte Formulierungen
Manche Unternehmen glauben, wenn sie ihren Stellentitel mit kryptischen Kürzeln versehen, sei der Drops gelutscht. Auch ein Wiederholen des m/w/d hinter jeder (vermeintlich) personenbezogenen Formulierung macht aus einem “männlich” geprägten Text keine Ansprache, die bei Frauen verfängt, die – das sollen diverse Forschungen seit vielen Jahren belegen, für andere Formulierungen empfänglicher sind, als die schlicht gestrickten Männer. Abgesehen davon, dass Frauen sehr viel selektiver Stellenanzeigen wahrnehmen, als Männer. Und sich gemäß einer vermeintlichen HP-Studie, die gerne falsch zitiert wird (genau genommen sogar gar nicht existiert) eben in den meisten Fällen nur dann bewerben, wenn sie der Meinung sind, dass die Stelle zu 100 Prozent passt. Da Unternehmen aber a) dazu neigen, männlich-markant-dreifach-gebrannte Formulierungen zu verwenden und b) mehr Anforderungen in ein Profil reinnehmen, als nötig wäre, werden ganz viele potenzielle weibliche Bewerber nicht erreicht. Was nicht unbedingt schlimm sein muss, denn letztendlich geht es bei all dem immer um die Zielgruppe und deren für die Ziele der Stelle erforderlichen Anforderungen.
Männlich geprägte Rollenbilder und Bildwelten
Ein m/w/d hinter jeder (vermeintlich) personenbezogenen Formulierung oder auch ein “Wir freuen uns insbesondere über die Bewerbung von Frauen” helfen nicht, wenn die Bilder a) ausschließlich Männer zeigen, b) möglicherweise Frauen im Hintergrund zu sehen sind, aber eindeutig in “devoter” Stellung oder c) die Bildwelten ganz klare Rollenbilder verfestigen (so, wie jüngst bei Lidl geschehen etwa). Man spricht dann von einer Bild-/Text-Schere. Eine Schere, die ein klares Signal an die Zielgruppe aussendet.
Im Bewerbungsprozess
Wer in Deutschland Kevin, Chantal, Özgür oder Imre heißt und möglicherweise noch dazu einen fremdländisch klingenden Nachnamen trägt, hat schlechte Karten im Bewerbungsprozess. Auch die Herkunft oder die Hautfarbe oder dass man ein Kopftuch trägt, verschweigt man deutschen Personalern lieber. Denn im Zweifelsfall fliegt man wegen solcher Attribute aus dem Bewerbungsprozess – selbst wenn dies aufgrund unbewusster Vorurteile (neudeutsch: unconscious bias) passiert. Studien untermauern dies eindrucksvoll.
Signal #6: Geheimniskrämerei
Auch das Signal der Geheimniskrämerei wird stark empfangen.
Fehlende Infos zu den Arbeitgebervorteilen (neudeutsch: Benefits)
Wenn es um die Vorteile geht, die ein Arbeitgeber (potenziellen) Mitarbeitern zu bieten hat, flüchten sich viele Unternehmen in Geheimniskrämerei. Maximal im Vorstellungsgespräch wird dann darüber gesprochen. Weil aber viele (potenzielle) Bewerber dieses Signal empfangen und sich von der Geheimniskrämerei abgestoßen fühlen, kommt es gar nicht erst dazu.
Infos zu Kultur, Werten, zum Team zur Arbeitsorganisation
Gleiches gilt, wenn Informationen über die Kultur und die Werte des Unternehmens fehlen, man keine Vorstellung davon vermittelt, wie groß das Team ist oder wie es sich zusammensetzt oder wie man arbeitet. Geheimniskrämerei par excellence!
Fehlende Ansprechpartner
Viele Unternehmen haben Angst vor (potenziellen) Bewerbern, bzw. dass man sie im Tagesgeschäft-Rhythmus unterbricht. Um diese Angst unter Kontrolle zu halten, veröffentlicht man (bis auf die im Impressum oder einer anonymen Hotline) keine Kontaktdaten. Es könnte ja sein, dass jemand anruft. Oder eine Mail schreibt. Oder noch schlimmer: Man auf XING oder LinkedIn kontaktiert wird. Was sich diese Bewerber erlauben – also wirklich.
Die “üblichen” Unterlagen
Unternehmen geben aber nicht nur ungerne die Kontaktdaten ihrer HR- und Recruiting-Kollegen preis. Sie verschweigen auch gerne, welche konkreten Unterlagen sie denn im Kontext einer Bewerbung gerne hätten. Oder in welcher Form. In welchem Dateiformat. Dieses Signal der Geheimniskrämerei verstärkt im Übrigen das Signal der Verwirrung exponentiell.
Signal #7: Mangelnde Wertschätzung
Das möglicherweise stärkste Signal, dass (potenzielle) Bewerber und Mitarbeiter empfangen und das viele andere Signale in sich vereint, ist das Signal der mangelnden Wertschätzung. Kaum eines äußert sich so vielfältig, wie dieses und es ist nahezu unmöglich, alle Punkte aufzuführen, wo dieses Signal ausgesandt wird.
Inhaltsleere Stellenanzeigen ohne Aussagekraft
Von Bewerbern werden “aussagekräftige” Bewerbungsunterlagen verlangt. Wie wäre es dann zur Abwechslung mit aussagekräftigen Stellenanzeigen, die wirklich vermitteln, worum es in der neuen Stelle geht, was das Ziel der Stelle ist, was der neue Mitarbeiter wirklich mitbringen muss, wie das Unternehmen tickt, was der Arbeitgeber bietet und warum man sich eigentlich bei diesem Unternehmen bewerben soll? Weil es an Wertschätzung mangelt, ziehen wenig aussagekräftige Stellenanzeigen im Zweifel wenig aussagekräftige Bewerbungen nach sich. Wenn es die denn überhaupt gibt. Sie wissen schon: Potenzieller Bewerber. Warum Stellenanzeigen so wenig aussagekräftig und beliebig sind, liegt wohl unter anderem auch daran, weil viele Personaler lieber voneinander abkupfern, als sich etwa mit der Fachabteilung zusammenzusetzen.
Fehlende aktive Ansprache
Viele Unternehmen trauen sich nicht, ihre neuen Kolleginnen und Kollegen direkt anzusprechen. Denn letztendlich ist ein (potenzieller) Bewerber immer auch ein (potenzieller) Mitarbeiter. Warum also behandelt man sie nicht so? Warum legt man so viel Distanz an den Tag? Warum neigen Unternehmen dazu, sich selbstbeweihräuchernd über den grünen Klee zu loben, sich hinter passiven Worthülsen zu verschanzen aber nicht auf den potenziellen Mitarbeiter einzugehen? Warum? Für den Kick, den Augenblick? Nur nicht forschen, warum? Warum? Siehe oben.
Ausschließlich die Unternehmensperspektive einnehmen
Selbstbeweihräucherung aller Orten. Gleiches gilt auch für die Perspektive, die Unternehmen als Arbeitgeber einnehmen. Und die ist meistens sehr einseitig. Nämlich die des Unternehmens, so gut wie nie die des potenziellen Bewerbers. Aber das nehmen potenzielle Bewerber und Mitarbeiter auch in Form anderer Signale wahr. Etwa Desinteresse. Oder Ignoranz.
Unprofessionelle Bewerbungsprozesse
Das Signal mangelnder Wertschätzung erhalten potenzielle Bewerber auf vielfältige Weise, bspw.
- wenn der Bewerber als lästiger Bittsteller betrachtet wird
- wenn’s mal wieder etwas länger dauert (mit der Rückmeldung, der Absage, dem Warten auf den Ansprechpartner im Vorstellungsgespräch)
- wenn man keine faire Absage erhält (oder auch keine, je nachdem) und man sich selbst nach einem Zweitgespräch nicht traut, den Telefonhörer in die Hand zu nehmen.
Mangelnde Empathie
An Empathie mangelt es leider auch recht häufig. Etwa im Vorstellungsgespräch, in der Bewerberkorrespondenz, bei Remote-Bewerbungsgesprächen, auf Jobmessen, in Social Media, im Sourcing.
Signal #8: Blockadehaltung
Manche dieser unbewusst ausgesandten Signale werden tatsächlich erst mit Beginn der eigentlichen Bewerbung empfangen, also von Bewerbern. Dafür ist das Signal der Blockadehaltung umso fataler, werden hier doch im Zweifelsfall sämtliche Rekrutierungsbemühungen im Keim erstickt. Dass das Employer-Branding-Budget, für das man so lange gekämpft hatte, ebenfalls im Papierkorb landet, ist ein anderes Thema. Die letzte Meile ist nicht nur bei der Paketzustellung ein Problem, sondern im Recruiting.
Zwangsregistrierung
Bewerbungskiller Nr. 1 ist ohne Frage die Zwangsregistrierung. Viele Menschen, die auf einem guten Weg zu Ihnen waren und die Ihre nächsten Mitarbeiter hätten werden können, werden brachial ausgebremst. Mit fatalen Folgen für Sie. Denn wer einmal mit aller Gewalt vor die Wand gefahren wurde, kehrt nie wieder. Im Zweifelsfall versetzt Mundpropaganda Ihren Rekrutierungsbemühungen hier einen zusätzlichen Dolchstoß. Denn wer solch widrigen Bewerbungsprozesse erlebt, erzählt auch gerne im Freundes- und Bekanntenkreis davon. Unter denen sich möglicherweise weitere potenzielle Mitarbeiter befunden hätten. Wer weiß das schon.
Ellenlange Formulare, die das abfragen, was ohnehin schon im Lebenslauf steht
Im Grunde könnte ich hier das tun, was so viele andere Unternehmen auch tun, etwa beim “Gestalten” und “Verfassen” von Stellenanzeigen-Texten: Copy & Paste. Selbst wenn es keine Zwangsregistrierung gibt, stoßen potenzielle Bewerber auf abstoßende, ellenlange Formulare. Das Paradoxe: Diese Formulare verlangen die Daten, die man ohnehin schon im Lebenslauf stehen hat. Folge dieser Gängelei: Bewerber drehen den Spieß um. Dann heißt es nicht mehr, hau ab Bewerber, sondern: Hau ab, (potenzieller) Arbeitgeber. Das Fatale: Die hier ausgesandten Signale haben eine so nachhaltige Wirkung, dass man sich nie wieder bei Ihnen bewerben wird. Nie wieder. Mit diesem Verhalten hinterlassen Sie verbrannte Erde.
Stellenanzeigen als PDF
Alle Welt nutzt heute ein Smartphone. Für manche scheint ein Leben ohne Smartphone zwar möglich, aber sinnlos. Ebenso sinnlos ist es, Stellenanzeigen (ausschließlich) als PDF zur Verfügung zu stellen. Denn die bereiten insbesondere auf dem Smartphone eine helle Freude, weil sie sehr gut zu lesen und nutzbar sind. Nicht. Abgesehen davon, dass Sie bspw. von Google for Jobs nicht auszulesen sind.
Bewerbermanagementsysteme nur mit bestimmten Browsern nutzbar
Unglaubliches Erstaunen rufen auch Bewerbermanagementsysteme hervor, die nur mit bestimmten Browsern funktionieren. Die gibt es tatsächlich. Bewerbermanagementsysteme, die reibungslos auf dem Smartphone funktionieren, sind übrigens immer noch kein Standard. Dass wir das Jahr 2021 schreiben, ficht viele Anbieter solcher Systeme (oder HR-Verantwortliche) nicht an. Aber es geht noch schlimmer: Bewerbermanagementsysteme, die nur mit Flash funktionieren. Die sterben zwar aus (was sie auch müssen, da Flash von modernen Browsern nicht mehr unterstützt wird), aber die Dinosaurier sind auch nicht von heute auf morgen verschwunden. Das Fatale: Das ruft nicht nur Erstaunen hervor, sondern sendet auch ein klares Signal der Blockadehaltung.
Anschreiben erforderlich
Obwohl das Anschreiben in den allerwenigsten Fällen Auskunft über die Eignung gibt, es sogar wissenschaftlich erwiesen ist, dass sie keine personaldiagnostische Relevanz besitzen, verlangt ein Großteil der Unternehmen ein ebensolches. Und da eben noch kein Meister vom Himmel gefallen ist und man ohne nachzudenken den Empfehlungen aus Bewerbungsratgebern folgt, fallen viele Anschreiben ebenso aus, wie die Stellenanzeigen, auf die man sich bewirbt. Inhaltslos und blutleer. Und während Rechtschreibfehler nach wie vor der Hauptabsagegrund in Unternehmen sind (ernsthaft!?), wimmelt es auf manchen Karriereseiten nur von solchen. Was glauben Sie, welches Signal mit solchen Botschaften aussenden?
Signal #9: Ablehnung
Das Signal der Ablehnung empfangen Bewerber in der Regel, nachdem sie sich beworben haben. Also wenn aus einem Interessenten das wurde, was wir uns alle wünschen: Ein Bewerber. Und möglicherweise sogar ein potenzieller Mitarbeiter. Nur: Es gibt auch hier jede Menge Probleme.
Keine Rückmeldung
Der Klassiker: Was viele nur vom Online-Dating kennen, praktizieren viele Unternehmen fröhlich (und desinteressiert, respektlos, nicht wertschätzend …) und mit bestechender Konsequenz. Die Rede ist vom Ghosting. Man bewirbt sich und wartet. Und wartet. Und wartet. Und wartet. Und wartet. Und wartet. Und wenn man nicht gestorben ist, wartet man noch heute. Nein, es ist wohl eher so, dass man als Bewerber bei einem Unternehmen landet, welches viel Wert auf faire, schnelle und transparente Bewerbungsprozesse legt. Die soll es ja geben. Und, wie ist das so bei Ihnen?
Verspätete Rückmeldung
Ähnliches Szenario wie oben. Man wartet. Und wartet. Und wartet. Und wartet. Und wartet. Und erhält sogar nach wenigen Wochen (vier oder mehr) oder sogar Monaten eine Rückmeldung. Im Zweifelsfall liegt die Bewerbung so lange zurück, dass man sich gar nicht mehr erinnern kann, dass man sich überhaupt mal beworben hat. Oder man ist längst im neuen Job untergekommen. Weil siehe oben.
Mangelnde Erreichbarkeit
Ein klares Signal der Ablehnung empfangen (potenzielle) Bewerber auch dann, wenn sie sich bei einem Unternehmen melden (ja, es gibt sie, die Unternehmen, die einen Ansprechpartner benennen), aber keine Rückmeldung erhalten. Die Klassiker: Unbeantwortete E-Mails (Stichwort Ghosting, siehe oben), eine nicht erreichbare Telefonnummer, unbesetzte Hotline oder aber eine erreichbare Telefonnummer, über die man aber nur bei der Zentrale landet, wo ein Mensch sitzt, der keine Ahnung hat und einen im Zweifelsfall abwimmelt, weil man es ja mit einem lästigen Vertriebler zu tun haben könnte. Wenn das jemand ist, der ein mangelhaftes E-Recruiting-System verkaufen will, ist das gut und zum Wohl des Bewerbers. Wenn das ein Bewerber ist, tja dann…
Unfreundliche Belegschaft
Und wo wir schon dabei sind: Man landet also tatsächlich irgendwo, wird dann aber abgebügelt, eben aus oben geschilderten Gründen. Oder weil man wenig empathisch ist. Oder weil man einen schlechten Tag hatte und irgendeiner den Frust abkriegen muss. Oder weil man aus dem wichtigen Tagesgeschäft gerissen wird. Oft trifft man auf diese unfreundlichen Mitarbeiter sogar erst am Tage des Vorstellungsgesprächs.
Etwa in Form unfreundlicher Empfangsmenschen. Unfreundlicher, kurz angebundener Gesprächspartner im Vorstellungsgespräch. Oder erlebt das im Umgang der Mitarbeiter untereinander, die einem auf dem Weg von der Unternehmenspforte bis zum Vorstellungsgespräch begegnen und es für überflüssig halten, dem Besucher einen guten Tag zu wünschen. Alles unbewusst ausgesandte Signale. Aber Signale, die das volle Bewusstsein eines Bewerbers erreichen. Und alles andere überstrahlen. Zumindest aber einen schalen Beigeschmack hinterlassen und im Zweifelsfall dazu führen, dass man selbst im Falle einer Zusage einen Rückzieher macht. Warum wohl?
Signal #10: Mangelnder Respekt
Das Signal des mangelnden Respekts senden Unternehmen an vielen Stellen aus, einige sind auch nicht ganz trennscharf zuzuordnen, aber das gilt ja für viele dieser Signale.
XING-/LinkedIn-Spam
Sie haben es wahrscheinlich schon am eigenen Leib zu spüren bekommen: Unerwünschte Nachrichten auf XING oder LinkedIn, die Sie dazu bewegen sollen, sich mit einer Stelle oder einem Unternehmen auseinanderzusetzen. Das Problem: Die Person, die Sie anschreibt, hat sich null mit Ihrem Profil auseinandergesetzt und “spammt” sie regelrecht zu. Diese bewusste Verletzung der Privatsphäre und dieser offensichtlich ausgedrückte Mangel an Respekt ist leider kein Einzelfall und führt das dazu, dass viele fluchtartig das Netzwerk verlassen oder ihr Profil für etwaige Anfragen sperren. Denn das ist die Reaktion auf ein derartiges ausgesandtes Signal. Zudem drehen potenzielle Mitarbeiter hier den Spieß um und senden, allerdings sehr bewusst, das Signal der Ignoranz aus.
Unpersönliche Bewerberkorrespondenz
Leider auch alles andere als eine Ausnahme: Unpersönliche Bewerberkorrespondenz. Man wird als “Bewerber” tituliert, obwohl man eigentlich eine “Bewerberin” ist. Abgesehen davon, dass man ja auch einen schönen Namen respektive Vornamen trägt, bei dem man in persönlicher Korrespondenz gerne genannt werden möchte. In der Regel zumindest. Aber diese Regel gilt auch außerhalb derselben. Der mangelnde Respekt zeigt sich im Übrigen auch in unpersönlichen Absendern, also “Ihre Personalabteilung” oder “Das Recruiting-Team”. Dass man keine Kontaktdaten nennt, setzt dem Ganzen die Krone auf und verstärkt das Signal des mangelnden Respekts umso mehr.
Unfreundliche, unprofessionelle Ansprechpartner
Nun ja, das hatten wir schon im Kontext des Signals der Ablehnung. Allerdings spiegelt sich der mangelnde Respekt bspw. auch darin wider, wenn man etwa ein Remote-Vorstellungsgespräch führt, die verwendete Software vorher nicht testet und den Bewerber dann anranzt, Teams würde sonst immer funktionieren. Das Verhalten ist nicht nur unfreundlich, sondern überdies unprofessionell und entfaltet eine fatale Sogwirkung. Siehe oben an diversen Stellen.
Schlecht vorbereitete Vorstellungsgespräche
Das Signal des mangelnden Respekts erfahren Bewerber auch im Kontext schlecht vorbereiteter Vorstellungsgespräche. Bei Virgin Media hat man sich mal den Spaß erlaubt und ausgerechnet, was einen solche imageschädigenden Prozesse kosten. Mehrere Millionen Euro. Pro Jahr. Können Sie gerne hier nachlesen.
Signal #11: Unehrlichkeit
Auch das Signal der Unehrlichkeit empfangen (potenzielle) Bewerber häufiger, als es Arbeitgebern eigentlich recht sein kann.
Stock-Fotos
Der Klassiker. Man gaukelt (potenziellen) Bewerbern “Mitarbeiter” oder “Arbeitsplätze” vor, die es so gar nicht gibt, wohl aber in den Stock-Datenbanken dieser Welt. Das Fatale dabei: Viele Arbeitgeber bedienen sich der gleichen Bilder und so wundert sich ein (potenzieller) Bewerber im Zweifelsfall, dass ein und derselbe “Mitarbeiter” gleich bei mehreren Unternehmen beschäftigt ist. Oder dass es ein und denselben “Arbeitsplatz” in ein und demselben Unternehmen gibt. Wie Sie Stock-Fotos entlarven können? Bei Google ganz einfach: Gehen Sie einfach auf ein Bild, klicken Sie mit der rechten Maustaste auf “mit Google nach Bild suchen” und schon offenbaren sich Abgründe. Respektive jede Menge Suchergebnisse mit ein und dem selben Bild, das auf vielen (Karriere-)Websites verwendet wird.
Bewerber glauben nicht an Echtheit der Inhalte auf Karrierseiten
Kein Wunder, dass (potenzieller) Bewerber nicht an die Echtheit der Inhalte auf Karriereseiten glauben: 60 Prozent halten Inhalte für nicht echt. Abgesehen davon, dass ein glaubwürdiger Arbeitgeber-Auftritt mit Stock-Fotos nicht möglich ist, wird das Vertrauen nachhaltig gestört. Darüber hinaus liegt hier streng genommen sogar der Tatbestand irreführender Werbung vor. Leider hat noch kein Bewerber dagegen geklagt. Zumindest aber erzeugt das Signal, das Unternehmen damit aussenden, auf Seiten von (potenziellen) Bewerbern eins mit Sicherheit. Ablehnung.
Gehalts-Poker
Es tut sich was in Deutschland. Vorreiter war wohl Google for Jobs, dessen Möglichkeit, das Gehalt mittels strukturierter Daten zu hinterlegen, in der HR-Szene für Schockstarre sorgte. Während in den USA und anderswo sich Google die Daten einfach woanders zusammensucht und in den Stellenanzeigen mit ausspielt, ist man hierzulande (noch) nicht so weit. Allerdings können sich Deutschlands Personalisten zunehmend weniger verstecken, spielt doch bspw. StepStone seit 10. März eine Gehaltsspanne bei jedem seiner Stellenangebote aus. Selbstverständlich kann man selbst für Gehaltstransparenz sorgen, so wie etwa bei Indeed auch.
Bewerber sind unfairen Gehaltspoker leid
Allerdings sind wir von Gehaltstransparenz, die ja auch für transparentere und effizientere Recruiting-Prozesse und fairere Bezahlung sorgen würde (Stichwort Gender Pay Gap), noch Lichtjahre entfernt. Warum Sie auf jeden Fall das Gehalt angeben sollten, hatte ich an anderer Stelle explizit für Sie aufbereitet. Dort finden Sie auch alle erdenklichen Pros und Schein-Contras fein säuberlich aufgeführt. Fakt ist: Potenzielle Bewerber wollen Gehaltstransparenz und sind den unfairen Gehaltspoker leid. Denn das Signal, das Unternehmen hier aussenden, Unehrlichkeit, ist hier kaum zu übersehen. Nur am Rande: Eine “gleichberechtigte” Bezahlung wäre deutlich zielführender als sich durch Gendern im Recruiting das Deckmäntelchen einer vermeintlichen Gleichberechtigung überzustreifen.
Absagen
Auch bei Absagen sind die wenigsten Unternehmen wirklich ehrlich. Stattdessen gibt es eine verschwurbelte Standard-Absage, mit der ein Bewerber, der möglicherweise dazulernen möchte, nichts anfangen kann, das aber eins ganz klar ausdrückt: Sorry, wir sind nicht in der Lage und nicht willens, dir eine ehrliche Absage zu erteilen (aka wir zittern ehrfürchtig vor dem AGG und vor möglicherweise eintrudelnden Klagen, weil wir offen, ehrlich und wertschätzend gegenüber Bewerbern waren).
Gekaufte Arbeitgebersiegel
Ein großes Übel sind auch Arbeitgebersiegel, mit denen sich Unternehmen gerne auf Stellenanzeigen oder der Karriereseite brüsten. Erhalten tun sie diese oft eher dubiosen (nicht repräsentativen) Siegel, etwa Leading Employers, Focus Top Arbeitgeber, Arbeitgeber der Zukunft, Deutschlands begehrteste Arbeitgeber, Höchste Fairness im Job und wie sie alle heißen (und von denen es immer mehr gibt) ohne jegliche Gegenleistung. Ohne dass die Unternehmen irgendetwas dafür tun müssten. Nun gut, das stimmt nicht ganz. Denn eine Gegenleistung müssen sie schon erbringen: Den Geldhahn weit aufdrehen. Denn so ein Siegel kostet die Unternehmen keinerlei Mühe, aber im Schnitt 10.000 Euro für eine Jahres-Lizenz. Dafür, dass man als “Leading Employer” oder “Top” oder “Begehrtester” Arbeitgeber Deutschlands die bunten, wertlosen Siegel auf Stellenanzeigen oder die Karriereseiten heften und (potenzielle) Bewerber verarschen kann.
Mit der gekauften Bewerberverarsche verarscht sich HR selbst
Allerdings verarschen sich die Verantwortlichen hier vor allem selbst. Denn (potenziellen) Bewerbern gehen diese Siegel an eben diesem vorbei. Allerdings nicht ganz. Denn auch in diesem Fall greift die Signaltheorie und das Signal der Unehrlichkeit, dieses Vorspiegeln falscher Tatsachen, das empfangen (potenzielle) Bewerber sehr wohl. Umso peinlicher ist es, wenn sich hochrangige Personalisten in den “sozialen” Netzwerken mit solchen Auszeichnungen brüsten.
Signal #12: Gleichgültigkeit
Ein Signal entfaltet gerade in Zeiten von Corona seine volle Sichtbarkeit: das der Gleichgültigkeit.
Bewerbungsverfahren in Zeiten von Corona
Trotz (mal mehr, mal weniger) steigender Fallzahlen, trotz der Tatsache, dass Remote-Work sogar da funktioniert, wo man es nie für möglich gehalten hätte, trotz remote geführter Bewerbungsgespräche, trotz remote durchgeführten Onboardings: Es gibt sie, die Unternehmen, die Bewerber zum Vorstellungsgespräch antanzen lassen. Viele fühlen sich dabei unwohl, insbesondere wenn
Keine Klarheit über den Bewerbungsprozess
herrscht. Das Signal ist ziemlich eindeutig: Ist mir wurscht, wie du dich damit fühlst, dass du auf dem Weg zum Vorstellungsgespräch möglicherweise mit Corona-Leugnern oder -Trägern in Kontakt kommst, ich will dich hier live und in Farbe sehen, mein Bauchgefühl funktioniert bei diesem Zoom-Schnickschnack nicht so richtig.
Es wäre ja nur fair, zumindest zu kommunizieren, wie denn Präsenz-Vorstellungsgespräche in Zeiten von Corona ablaufen, welche Hygiene-Maßnahmen das Unternehmen getroffen hat etc. Das ist aber tatsächlich alles andere als selbstverständlich. Und so senden Unternehmen ein klares Signal aus: das der Gleichgültigkeit.
Mangelndes Feingefühl in der Ansprache von weiblichen Fach- und Führungskräften, auch im Sourcing
Auch ohne Corona, diese Gleichgültigkeit zeigt sich auch in der (fehlenden, gezielten) Ansprache von weiblichen Fach- und Führungskräften, wie unter Diskriminierung nachzulesen ist. Diese Gleichgültigkeit zeigt sich auch im Sourcing, denn Frauen sprechen Sie eben anders an, als Männer. Und dass Sie im Recruiting weiblicher Fachkräfte im Zweifelsfall auch erfolgreicher sind, wenn sie weibliche “Role Models” (aka Recruiterinnen) einsetzen, hatte ich an anderer Stelle schon geschrieben.
Aber wenn wir ehrlich sind, wird das Thema Recruiting ohnehin in vielen Unternehmen eher gleichgültig betrachtet. Aber das ist ein anderes Thema.
Steht der Mensch nicht im Mittelpunkt des Unternehmens, steht das Unternehmen auch nicht im Mittelpunkt des Bewerbers.
Wie unschwer zu erkennen ist, zahlen all die hier genannten Signale auf die Candidate Experience ein. Und zwar negativ. Und natürlich ist davon betroffen, wie Sie als Arbeitgeber wahrgenommen werden. Ich kann es nicht genug wiederholen, daher hier noch mal zum mitschreiben:
Sie können nicht nicht Employer Branding “machen”.
Die Signaltheorie verdeutlicht eindrucksvoll, dass man als Unternehmen immer Employer Branding betreibt, egal ob man als Arbeitgeber bewusst auftritt oder eher unbewusst handelt. Jedes Signal, ob bewusst oder unbewusst ausgesandt, zahlt ohne Wenn und Aber auf Ihre Arbeitgebermarke ein. Da helfen keine bunten Bildchen, keine lustigen Claims, keine austauschbare EVP. Glauben Sie mir, (potenziellen) Bewerbern ist es vollkommen egal, was Sie sich einfallen lassen, wenn der Rest (siehe oben) für die Füße ist.
Wenn Sie es wirklich ernst meinen mit der Aussage “Der Mensch steht bei uns im Mittelpunkt”, so lassen Sie Ihren Worten Taten folgen. Nur eine (an allen Kontaktpunkten) positiv erlebte Candidate Experience vermittelt echte Wertschätzung des Kandidaten und zeigt, dass Sie es mit der Aussage “bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt” wirklich ernst meinen.
Anders gesagt: Steht der Mensch nicht im Mittelpunkt des Unternehmens, steht das Unternehmen auch nicht im Mittelpunkt des Bewerbers.
Für Sie bedeutet das zusammengefasst:
- Verstehen Sie Ihre Zielgruppe!
- Seien Sie nahbar!
- Zeigen Sie Profil!
- Agieren Sie wertschätzend und auf Augenhöhe!
- Stoppen Sie die Geheimniskrämerei. Sofort!
- Seien Sie ehrlich. Ehrlich währt am längsten!
- Seien Sie relevant.
- Stellen Sie Ihre (potenziellen) Mitarbeiter in den Mittelpunkt. Immer und überall.
Und nun: Überzeugen Sie mit positiven Signalen. Sie werden es merken im Recruiting, glauben Sie mir.
Mensch