12. März 2020
Ansprechpartner top, Chatbot auf Karriereseiten flop
Lesezeit: 4 Min. Karriere-WebsitesPersonalmarketingRecruiting
Bewerber haben ein sehr großes Bedürfnis, vor einer Bewerbung (oder auch danach) mit potenziellen Arbeitgebern in Kontakt zu treten. Das ist seit Jahren bekannt, logisch und nachvollziehbar und durch diverse Studien untermauert. Unternehmen haben ein sehr großes Bedürfnis, bloß keine Kontakte preiszugeben, lieber mit Anonymität zu glänzen und verfolgen eine sehr erfolgreiche Kontaktvermeidungsstrategie. Um den schönen Schein zu wahren, setzen immer mehr Unternehmen Alibi-mäßig auf Chatbots, die in die Karriereseiten implementiert werden. Doch was halten Bewerber eigentlich davon?
Fragt man Bewerber nach den wichtigsten Inhalten einer Karriere-Website, so landen die Infos über Ansprechpartner mit 63 Prozent nach der Jobsuche an zweiter Stelle. Andere Studien und Untersuchungen kommen da auf ähnliche Ergebnisse. Klar, wer möchte nicht eine Frage zur Stelle, zum Bewerbungsprozess, zum Inhalt des Traineeprogramms, zum Stand der Bewerbung oder Ähnliches stellen. Zumal Unternehmen in der Regel alles dafür tun, diese Frage überhaupt erst aufkommen zu lassen. Etwa durch mangelhafte Stellenanzeigen, die in einem Gros deutscher Unternehmen nach wie vor Usus sind.
Chatbots auf Karriereseiten sind für Unternehmen der heiße Scheiß
Für viele Unternehmen stellen Bewerber und potenzielle Mitarbeiter nach wie vor ein notwendiges Übel dar, welches den Rhythmus des gut durchstrukturierten Tagesgeschäfts durcheinander bringt. Dem muss dann natürlich Einhalt geboten werden. Deshalb und weil man ja zeigen muss, wie innovativ man ist, um in Karriereseiten-Rankings Punkte zu sammeln und möglicherweise tolle Preise einzuheimsen, die Bewerbern so was von latte sind, sind Chatbots auf Karriereseiten der heiße Scheiß. Zumindest, wenn es nach den Unternehmen geht. Anstatt dass diese bspw. in zielgruppengerechte Karriereseiten mit intuitiver Nutzerführung, einfache, mit Liebe und Wertschätzung gestaltete Bewerbungsformulare und -prozesse oder gar in Google for Jobs investieren, setzen viele Unternehmen zunehmend auf die fleißigen Helferlein.
Was theoretisch an sich okay wäre, wenn es denn wirklich fleißige Helferlein wären. Das, was sich aktuell auf den Karriereseiten der Unternehmen findet – heißen sie nun Anilina (BASF), Bobby (Bayer), KATE (Telekom), KATY (T-Systems), E-Von (Evonik) oder wie auch immer, eignet sich eher dazu, Bewerber für immer zu verprellen, als ihnen eine gute Candidate- geschweige denn User Experience zu liefern.
Recruiting-Chatbots, die Gurkenwitze erzählen
Nachfolgendes Beispiel mag das neben anderen veranschaulichen. Sie sehen einen Dialog mit dem Chatbot der Evonik-Karriereseite, der sich so wirklich zugetragen hat. Offensichtlich hat man sich bei Evonik zwar die Mühe gemacht, möglichst umgangssprachlich und damit “menschlich” zu agieren – was ja die Eigenschaft eines guten Chatbots sein sollte -, der Nutzen aber ist gleich null. Denn auf die Idee, einen Job über das Unternehmens-Stellenportal zu finden, wäre man selbst gekommen. Und auf einen (schlechte) Gurkenwitze erzählenden Chatbot kann wohl ohnehin jeder verzichten.
Auch wenn ein Chatbot keine gescheite Antwort auf die Frage nach der Stelle eines PHP-Entwicklers hat – und das bei einem Unternehmen wie T-Systems, welches zu dem Zeitpunkt entsprechende Stellen ausgeschrieben hatte – darf man sich schon die Frage nach dessen Daseinsberechtigung stellen:
Nutzer: Ich suche eine Stelle als PHP-Entwickler
Chatbot: Sorry, leider kann ich Ihre Frage noch nicht beantworten. Ich melde mich hier, sobald mir die Antwort beigebracht wurde. Am besten schauen Sie in den nächsten Tagen noch einmal vorbei. Danke für Ihr Verständnis!
Bewerber mögen keine Chatbots
Bobby, der Chatbot, der es sich auf der Karriereseite von Bayer gemütlich hat und dort Bewerber in die Flucht schlägt, schafft es nicht einmal, auf die Frage “Ich suche eine Stelle im Controlling” zu antworten. Vor lauter Schreck hängt er sich auf. 12 Stunden nach meiner Anfrage sucht er immer noch eine Antwort. Was nicht weiter tragisch ist.
Kontaktformular beliebter als Chatbot und Live-Chat
Denn Bewerber mögen keine Chatbots. Das belegt eindrucksvoll eine gemeinsam mit softgarden durchgeführte Erhebung unter 1.624 Bewerbern. Auf die Frage, welche Form der Kontaktaufnahme auf der Karriereseite sie bevorzugen, gaben lediglich 1,7 Prozent der 1.594 Teilnehmenden dem Chatbot eine Stimme. Immerhin mehr als doppelt so viel (3,5 Prozent) würden sich freuen, wenn sie sich mittels Live-Chat an einen Ansprechpartner wenden könnten. Für mich überraschend: Selbst ein Kontaktformular ist für 15,6 Prozent der Befragten angenehmer, als Chatbot und Live-Chat zusammengenommen. Man lese und staune!
Die große Mehrheit bevorzugt den Kontakt zu einem konkreten Ansprechpartner
Aber, und das ist wenig überraschend, vor allem der Kontakt zu einem konkreten Ansprechpartner mit vollständigem Namen, E-Mail-Adresse und möglicherweise XING- oder LinkedIn-Profil (wobei ein vernünftiges Profil bei XING bzw. LinkedIn Pflicht für einen Recruiter, der als Markenbotschafter das Unternehmen an vorderster Front vertritt, eigentlich selbstverständlich sein sollte) steht bei der überwältigenden Mehrheit von 73,7 Prozent auf Platz 1.
Meine Empfehlung: Berücksichtigen Sie die Bedürfnisse Ihrer Nutzer. Sorgen Sie mit einer bestmöglichen User Experience und auf die Bedürfnisse Ihrer Zielgruppe zugeschnittene Inhalte sowie einem niedrigschwelligen Bewerbungsprozess dafür, dass aus Nutzern, aus den Besuchern Ihrer Karriere-Website, Bewerber werden. Es lohnt sich! Und wenn Sie Hilfe bei der Konzeption Ihrer Karriere-Website benötigen – zögern Sie nicht, mich zu kontaktieren. Ich beiße nicht! ;-)
Auch in meinem Buch “Karriere-Websites mit Wow!-Effekt” habe ich dem Thema Chatbots und Kontaktaufnahme ein ganzes Kapitel gewidmet. Lesen und Befolgen der Empfehlungen lohnt.