07. Juni 2024
Streichen Sie “Wie sind Sie auf uns aufmerksam geworden?” im Bewerbungsformular
Lesezeit: 7 Min. Karriere-WebsitesRecruitingStellenanzeigen
Ob „Wie sind Sie auf uns aufmerksam geworden?“, „Wie haben Sie von uns erfahren?“ oder welche Formulierung auch immer: Diese Frage in Bewerbungsformularen ist und bleibt überflüssig – und kann Bewerber kosten. Denn bei vielen, die eben noch an einer Stelle interessiert waren, setzt ein natürlicher Fluchtreflex ein und potenzielle Bewerber sind schneller weg, als ein Recruiter einen Prompt bei ChatGPT schreiben kann. Besonders kritisch ist es, wenn ein Formular direkt mit dieser Abfrage startet und es sich dabei auch noch um ein Pflichtfeld handelt.
Dies ist bspw. bei “Bewerbers Worst Day”, dem ATS Workday der Fall (ATS = Applicant Tracking System, also Bewerbermanagement-Software). Aber selbst, wenn es kein Pflichtfeld ist, sondern optional ausgewählt werden kann: Sie können – und sollten – diesem Feld getrost den Garaus machen. Warum? Nun, das erkläre ich Ihnen gerne.
Das Bewerbungsformular entscheidet maßgeblich über den Recruiting-Erfolg
Oft wird vergessen (oder ignoriert), dass das Bewerbungsformular ein elementarer Bestandteil einer Karriereseite ist und neben der Auffindbarkeit der Stellenangebote selbst maßgeblich über den Recruiting-Erfolg entscheidet. Umso wichtiger ist es, dass das Formular (aus Bewerbersicht!)
- benutzerfreundlich gestaltet ist,
- den Nutzer bei seiner Eingabe unterstützt
- und ihm den Weg bis zum Absenden der Bewerbung so leicht wie möglich macht.
Wirkt ein solches Bewerbungsformular unübersichtlich und wenig strukturiert oder weist eine Unmenge an (auch optionalen oder überflüssigen Pflicht-)Eingabe- und/oder Upload-Feldern auf, weiß der Nutzer im Zweifelsfall nicht, was er zu tun hat und bricht im schlimmsten Fall die Bewerbung ab.
Schnell erfassbare Oberfläche, klare Struktur, eindeutige Beschriftung und nur wenige Eingabefelder sind das A & O beim Bewerbungsformular
Eine schnell erfassbare Oberfläche mit klarer Struktur, gut erkennbaren und eindeutig beschrifteten Eingabefeldern sowie klar gekennzeichneten Pflichtfeldern erleichtert Jobsuchenden das Leben (und ist Grundvoraussetzung für eine positive Candidate Experience!). Grundsätzlich sollten Formulare immer so kurz wie möglich gehalten und keine unnötigen Daten abgefragt werden. Je kürzer das Formular ist, desto schneller kann der Nutzer das Formular überblicken und erkennen, was von ihm verlangt wird, und umso größer ist die Chance auf einen gut gefüllten Bewerbungseingang. Geht es um die zu streichenden Eingabefelder, so stehen “Wie haben Sie von uns erfahren?” oder “Wie sind Sie auf uns aufmerksam geworden?” oder wie auch immer die Felder heißen, die einem Recruiter eine (vermeintliche) Auswertung der Quellen ermöglichen sollen (oder vom ATS-Anbieter vorgegeben sind), über die ein Stellensuchender auf das Stellenangebot gestoßen ist, ganz oben auf der Liste.
Jedes Formularfeld mehr ist immer eins zu viel und kann Bewerber kosten
Grundsätzlich ist jedes Formularfeld mehr immer eins zu viel. Je schlanker und übersichtlicher das Formular ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie potenzielle Bewerber nicht verschrecken und sie das tun, was Sie sich so sehr wünschen: sich bewerben. Felder für Name (Vorname, Nachname), E-Mail-Adresse, Telefonnummer sowie ein (optionales) Upload-Feld reichen im ersten Schritt in 99 Prozent der Fälle völlig aus. Darüber hinaus gilt die Regel:
Jedes Formularfeld, das ohnehin kein Pflichtfeld ist, sollten Sie ausblenden.
Es bläht ein Bewerbungsformular nur unnötig auf. Zudem neigt der Nutzer bei der Quellen-Abfrage in den meisten Fällen ohnehin dazu, entweder die sozial erwünschte oder die ganz oben platzierte Option auszuwählen. Vor allem dann, wenn das Formularfeld in einer nicht enden wollenden Dropdown-Liste eine ganze Litanei von Kanälen zur Auswahl anbietet. Abgesehen davon, dass der Bewerber im Zweifelsfall gar nicht mehr so genau weiß, wie er eigentlich auf die Stelle aufmerksam wurde …
Ob granular oder generisch: eine valide Auswertung der Kanal-Effektivität ist nicht möglich
Hinzu kommt eine weitere Herausforderung: Entweder sind diese Auswahlkriterien oft viel zu unspezifisch, um den Erfolg einzelner Quellen wirklich beurteilen zu können (was, so wird mir gegenüber immer argumentiert, ja schließlich der Grund dafür ist, warum man so krampfhaft an diesem Feld festhält) oder aber sie sind viel zu granular (was, um die Kanal-Effektivität wirklich beurteilen zu können, eigentlich zwingend erforderlich wäre). Wenn aber jeder einzelne Kanal, jede Jobbörse, jedes (a)soziale Netzwerk, jedes Printmedium, jede Jobmesse, jede(s) … aufgelistet wird, dann wird so ein Auswahlfeld schnell mal gesprengt, was wiederum die Wahrscheinlichkeit von Bewerbungsabbrüchen exponentiell erhöht.
Ob optional oder als Pflichtfeld: Streichen Sie “Wie sind Sie auf uns aufmerksam geworden” aus Ihrem Bewerbungsformular!
Werfen wir einen Blick auf das folgende Bewerbungsformular. Auch hier ist das Feld “Wie sind Sie auf uns aufmerksam geworden?” ein Pflichtfeld. Der Nutzer muss also zwingend etwas auswählen, in den meisten Fällen wird dies wohl “Unternehmens-Websites” sein, weil es die erstbeste Option ist und man ohnehin keine Lust auf diese unnötigen Spielchen hat.
Aber abgesehen davon: Wie aussagekräftig kann eine Auswertung der Kanal-Effektivität sein, wenn einfach nur eine generische Auswahl wie bspw. nach “Job Börsen” (welche genau?), “Suchmaschinen” (welche genau) oder “Sozialen Medien” möglich ist – und das auch noch in fehlerhaftem Deutsch? Wie wollen Sie hier beurteilen, ob bspw. Jobbörse A, Jobbörse B oder Jobbörse C die meisten Bewerbungen liefert und von welcher Sie sich endlich trennen sollten, weil sie zwar unendlich viel Budget frisst, aber keine Bewerber bringt? Ich frage Sie:
Was nützt eine solche Abfrage, wenn sie keine verlässliche und aussagekräftige Auswertung zulässt?
Genau: rein gar nichts.
Auf manchen Bewerbungsformularen erlebt der Bewerber gleich ein zweites blaues Wunder. Hat er aus dem zunächst recht übersichtlich erscheinenden Menü eine Auswahl getroffen, öffnet sich beim Klick auf eine der Optionen ein Untermenü, in dem eine detaillierte Abfrage erscheint, um welche Fachmesse, welche Jobbörse, welches „soziales Medium“, welches was auch immer es sich denn handelt. Hier werden dann ungeniert so viele Auswahlmöglichkeiten präsentiert, dass umfangreiches Scrollen erforderlich ist. Das ist nicht nur auf dem Smartphone Bewerbervermeidung vom Feinsten!
Allerdings ist dies ohnehin eine Spezialität von Workday (und anderen ATS-Anbietern), die sich bequem auf ihren Lorbeeren und ihrer vermeintlichen Unantastbarkeit ausruhen und auch Wünsche und Forderungen aus der Recruiter-Community ungehört verhallen lassen.
Recruiting trägt (Mit-)Verantwortung für (schlechte) Bewerbungsformulare
Aber dieser Artikel ist ja kein Rant auf diese wirklich famose (Bewerbermanagement-)Software, hier geht’s ja vielmehr um das “Wie haben Sie von uns erfahren”-Feld. Abgesehen davon ließe sich der Schwarze Peter natürlich auch an das Recruiting zurückspielen. Denn wer diese Option so nutzt (oder überhaupt nutzt) wie im folgenden Fall (oder sich überhaupt für ein solches ATS entscheidet oder aber nicht die Möglichkeit nutzt, die Schnittstelle des ATS anzuzapfen, um den Bewerber vermeidenden Prozess zu umgehen und eine 1a-Candidate Journey zu gewährleisten), der hat weder die Prinzipien einer guten Candidate Experience verstanden (Stichwort: Candidate Centricitiy), noch ist er sich der gravierenden Auswirkungen einer negativen Candidate Experience (so wie hier) auf den (Miss-)Erfolg des Unternehmens bewusst.
Das Bewerbungsformular als Bewerbervermeidungs-Formular
Nachfolgendes Beispiel zeigt das Bewerbungsformular eines Unternehmens, das die Kunst der Bewerbervermeidung aus dem Effeff beherrscht. Das Feld “Wie haben Sie von uns erfahren” ist direkt das erste, mit dem der Nutzer (ggf. nach dem Hochladen seines Lebenslaufs) konfrontiert wird. Er muss anschließend zwingend eins der Kriterien auswählen, um den Bewerbungsvorgang fortzusetzen. Ob er das bereitwillig tut und vor allem: ob er die “richtige” Quelle auswählt, darf angesichts des Aufwands stark bezweifelt werden, was dieses Feld einerseits für die Auswertung der Kanal-Effektivität absolut überflüssig macht, andererseits aber den Recruiting-Erfolg nachhaltig gefährdet (Stichwort: Bewerbungsabbruch).
Streichen Sie Abfragen aus dem Bewerbungsformular, die ohnehin keine zuverlässige Bewertung zulassen
Ein vernünftiges Tracking (bspw. über UTM-Parameter) liefert verlässliche Daten, die eine Abfrage wie “Wie sind Sie auf uns aufmerksam geworden” von jetzt auf gleich entbehrlich machen. Und: Abfragen, die ohnehin keine valide Bewertung der Kanal-Effektivität zulassen, gehören sowieso gestrichen. Ist die Auswahl des Feldes ohnehin optional, sollten Sie es ebenfalls streichen. Auch hier gibt es einfach keinen Mehrwert, eine Auswertung der Kanal-Effektivität ist schlicht nicht möglich, wenn einige wenige die Option auswählen, andere wiederum nicht. Eine valide Auswertung ist ebenfalls nicht möglich, wenn Sie – um die Abfrage möglichst schlank zu halten – sich auf generische Oberbegriffe (Jobbörse, Jobmesse, Social Media …) beschränken. Wie Sie es drehen und wenden: Das Feld hat einfach keinen Mehrwert, der Schaden, den Sie aber damit anrichten (insbesondere, wenn Sie die Abfrage als Pflichtfeld deklarieren), ist umso größer.
Wenn Sie partout nicht zu überzeugen sind und meinen, Sie bräuchten dieses Feld (aus welchem Grund auch immer) unbedingt, dann setzen Sie es wenigstens an den Schluss des Bewerbungsformulars (oder noch besser: auf die Danke-Seite). Wenn man das Gröbste hinter sich hat, ist man sehr viel eher bereit, auch diese Hürde noch zu überwinden. Zumindest, wenn man das Formular schlank hält. Das macht die Qualität der Kanalauswertung zwar auch nicht besser, aber immerhin wird die Gefahr von Bewerbungsabbrüchen drastisch reduziert.