10. Juli 2017
Mit Chatbots im Recruiting zur perfekten Candidate Experience
Lesezeit: 9 Min. Employer BrandingRecruiting
Chatbots im Recruiting? Vor gut einem Jahr berichtete ich in meinem Artikel Per Chatbot zum Job über den ersten Chatbot im Kontext Jobsuche/Recruiting, der auf Facebook live ging. Seit dem haben sich die Dinge entwickelt und dank Algorithmen, NLP, Künstlicher Intelligenz und Big Data ist so einiges möglich, was den Recruiter-Alltag schon heute deutlich angenehmer und effizienter gestalten lässt. Auch in Sachen Employer Branding und Candidate Experience werden dank Chatbots neue Maßstäbe gesetzt. Aber welche Potenziale haben solche Jobbots eigentlich für HR? Wie ist der Status quo und vor allem: Was ist alles möglich?
Wäre das nicht ein Traum? Endlich ausreichend Ressourcen zu haben, sich um die Bewerber oder um ein richtig gutes Personalmarketing zu kümmern? Eine Candidate Experience zu haben, deren Qualität Ihnen und Ihren Bewerbern feuchte Träume beschert? Employer Branding, das ihre Wettbewerber zu armseligen Trittbrettfahrern degradiert? Der Traum wird nun Wirklichkeit (oder zumindest Teile davon). Technologie, die Künstliche Intelligenz (oder auch AI für Artificial Intelligence) nutzt,macht das möglich und die Kommunikation mit Bewerbern und deren Vorauswahl zum Kinderspiel. Candidate Experience und Employer Branding haben einen neuen gemeinsamen Nenner: Chatbots.
Mit Chatbots im Recruiting zur perfekten Candidate Experience
24/7, rund um die Uhr und am Wochenende erreichbar
Ein wesentlicher Vorteil von Chatbots ist deren Erreichbarkeit. Während Sie als Recruiter irgendwann mal Feierabend haben, gerade ein Vorstellungsgespräch führen oder andere wichtige Dinge erledigen müssen, ist Kollege Roboter dauerhaft, emsig und ohne jede Ermüdungserscheinung online. 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. Und am Wochenende. Urlaub oder Pause braucht er auch nicht. Ihr Jobbot ist immer und überall erreichbar.
Sofortige Reaktion und einzigartige Candidate Experience
Ein Jobbot reagiert sofort. Direkt im Moment der Anfrage erhält der Nutzer eine Reaktion. Stunden-, tage- oder wochenlanges Warten auf eine Rückmeldung seitens des Recruiters gehören der Vergangenheit an. Welche verheerende Auswirkung unzufriedene Kandidaten haben, zeigt die Rejected Candidate Survey von Virgin: 4,4 Millionen Britische Pfund an Umsatzeinbußen kostete das Unternehmen ein schlechter Bewerberservice.
Dank Chatbot liefern Sie nicht nur ein tolles Bewerber-Erlebnis rund um die Uhr, Sie reduzieren auch Ihre “time-to-hire”. Bzw. machen Sie einen Kandidaten durch perfekten Service erst zum Bewerber. Ein Recruiting-Chatbot bietet einen Bewerbungsprozess, der unmittelbar, interaktiv und dialogorientiert erfolgt. Der Chatbot beantwortet automatisch und blitzschnell die Fragen des Kandidaten und sammelt alle Informationen, die für die Bewerbung erforderlich sind. Und ist aktuell kein passender Job dabei, informiert einen der “Roboter-Recruiter” stets tagesaktuell über neue Vakanzen, Veranstaltungen oder News aus dem Unternehmen. So dient der Chatbot also auch noch als Talent Pool.
Der Jobbot erleichtert aber nicht nur den Recruitingprozess. Die Candidate Experience erstreckt sich bis zum Onboarding-Prozess und so kann auch hier das Tool wunderbar unterstützen und den neuen Kollegen mit wichtigen Informationen und News versorgen.
Nutzerfreundlich und intuitiv
Messaging ist die Kommunikationsform schlechthin. Der Facebook-Messenger bspw. ist auf den meisten Smartphones installiert und lässt sich natürlich auch via Desktop nutzen. Gleiches gilt bspw. auch für Skype, Slack oder die gute alte SMS. Ein Installieren einer neuen App ist nicht notwendig und der Zwangs-Login, wie ihn so viele Bewerbermanagement-Systeme für Bewerber verlangen, gehört endlich der Vergangenheit an. Der Kandidat kann sich einfach mit dem Chatbot verbinden. Zudem ist die Nutzung der Chatoberfläche bekannt, ein Umstellen auf eine neue Nutzeroberfläche ist nicht erforderlich. Die Kommunikation erfolgt mobile oder eben per Desktop.
Chatbots beherrschen Multitasking
Während bspw. eine Anfrage eines Interessenten via Telefon, E-Mail oder auch WhatsApp in dem Moment alle Ihre Ressourcen blockiert (Sie können ja schlecht gleichzeitig die Anfragen mehrerer Bewerber beantworten und die Fingernägel lackieren), ist so ein Recruiting-Chatbot ein wahrer Tausendsassa. Er kann ohne Probleme unendlich viele Anfragen gleichzeitig bearbeiten. Und bleibt auch bei mehreren Hundert Anfragen bzw. Bewerbungen am Tag stets gleichbleibend freundlich und hilfsbereit.
Vorurteilsfreie (Vor-)Auswahl
Ein Chatbot kann wichtige im Kontext der Stelle bzw. des Anforderungsprofils stehende Fragen stellen und eine Vorauswahl der geeigneten Kandidaten vornehmen. So kann er bspw. einem Bewerber mitteilen, dass sich eine Bewerbung aufgrund fehlender Fähigkeiten nicht lohnt. Und das macht er unabhängig von Name, Bild oder Herkunft. Dass ein Bewerber in Deutschland trotz gleicher Qualifikationen sehr unterschiedliche Chancen hat, wenn er oder sie bspw. einen türkisch klingenden Namen hat (oder sogar ein Kopftuch auf dem Bewerbungsfoto trägt) hat ja auch auf sehr eindrucksvolle – um nicht zu sagen: erschreckende – Weise diese Studie belegt. Eine anonyme, vorurteilsfreie Bewerbung: Der Chatbot macht sie möglich!
Schnelle Prozesse
Das System erfasst sämtliche Informationen über den Kandidaten, so dass das komplette Recruiting-Team einen Überblick bekommt. Dank schneller und sauberer Vorauswahl durch den Chatbot sind Sie in der Lage, Hunderte von Kandidaten zu handeln und Ihren Bewerbungsprozess so zu beschleunigen. Der Chatbot informiert Bewerber, sobald eine Entscheidung gefällt wurde und informiert über die nächsten Schritte. Der komplette Bewerbungsprozess lässt sich über so ein System abbilden. Natürlich mit Anbindung an Ihr E-Recruiting-System, versteht sich von selbst, oder? Also im Idealfall zumindest ;)
Kooperation zwischen Mensch und Maschine
Ein Chatbot ist eine grandiose Sache und richtig angewandt, kann er Recruiting-Prozesse drastisch beschleunigen und Bewerbern ein echtes Candy Date liefern. Nichtsdestotrotz ist ein Chatbot kein Mensch und natürlich nicht unfehlbar. Trotz “Natural Language Processing” (mittels Natural Language Processing (NLP) wird natürliche Sprache erfasst und mithilfe von Regeln und Algorithmen computerbasiert verarbeitet) versteht er eben doch nicht jedes Wort und jede Frage. Aber wie ein Mensch auch, lernt er mit jedem neuen “Gespräch”, mit jedem neuen Input dazu: “Oops. Sorry about that. I’m still learning“.
Natürlich kann (und muss) bei Verständnisproblemen oder Fragen, die der Bot nicht beantworten kann, dann nahtlos der Recruiter aus Fleisch und Blut einspringen und das übernehmen. Klar sollte dabei sein, dass das dann wirklich “just in time” erfolgen muss und nicht Tage oder erst 24 Stunden später.
Stärkung der Employer Brand
Selbstverständlich hat ein Chatbot auch Auswirkungen auf die Arbeitgebermarke und ist so ein elementarer Bestandteil Ihres Employer Brandings. Schließlich suggeriert ein (gut umgesetzter und freundlicher) Chatbot eine Art von sozialer Aufmerksamkeit, die das Vertrauen und die Beziehung zum Unternehmen stärkt. Das bedeutet laut (Chat)Bot-Expertin Justine Cassell in der Folge, dass der Bewerber sein Vertrauen automatisch einer (Arbeitgeber-)Marke schenkt, weil er das Gefühl hat, dass sie ihn kennt. Justine Cassell: “Studien zeigen: Verwendest Du Teile von Small-Talk in der Konversation einer Maschine, wird sich der Mensch besser und verstanden fühlen. Wenn eine Marke das schafft, hat sie gewonnen.”
Und wie oben schon erwähnt, wird mit Recruiting Chatbots eine bisher nie da gewesene positive Candidate Experience, quasi ein Candy Date in Reinform, möglich. Und auch die trägt maßgeblich zur Employer Brand bei. Und zwar wirklich. Nicht das, was Sie mit einer für viel Geld erarbeiteten Kampagne gerne vermitteln. Employer Branding ohne Bullshit eben ;).
Status quo bei Recruiting Chatbots
Tatsächlich kann die komplette Candidate Experience via Chatbot abgebildet werden – von der ersten Ansprache des Kandidaten, über die Vorauswahl und Überprüfung der Eignung anhand Kern-Anforderungskriterien über die Bewerbung und weitere Prozesse – Bewerberkommunikation wie Zwischenbescheid, Einladung, Tipps zur Bewerbung und vieles mehr und natürlich interne Prozesse, wie Weiterleitung und Terminfindung – bis hin zum Onboarding. Zumindest wäre das alles technisch möglich. Was heute an Recruiting-Chatbots im Einsatz ist, ist in den meisten Fällen aber noch weit von den Möglichkeiten des Machbaren entfernt.
10 Prozent der Recruiter setzen auf Chatbots
Überraschend war für mich die Aussage der Jobstairs-Umfrage Recruiter 4.0, dass bereits 10 Prozent der befragten Unternehmen Recruiting Chatbots einsetzen. “Im Data Driven Recruiting setzt bereits jeder zehnte Recruiter (10,53 Prozent) Chatbots ein, beispielsweise für die Ansprache von Talenten und in der Bewerberkommunikation“, heißt es da. Allerdings wurden nur 26 Personalverantwortliche aus den Jobstairs-Partnerunternehmen befragt. Gefunden habe ich drei deutsche Unternehmen: Sixt, Hubraum (Inkubator der Telekom), SalesPotentials und als viertes Trenkwalder aus Österreich. Update: Allianz ist nun auch dabei.
Jobbot bei Sixt
Sixts Jobbot funktioniert (wie alle anderen auch) via Facebook-Messenger, der Bewerbungsprozess hat aber noch diverse Brüche in der User Experience. So erfolgt nach der freundlichen Ansprache durch den Sixt Jobbot und der Auswahl eines potenziellen Jobs eine Weiterleitung auf das Matching von TalentsConnect und von dort aus wiederum die Weiterleitung zur Bewerbung auf die Karriere-Website des Autovermieters. Auch “versteht” einen das System noch nicht so richtig und kommt bald an seine Grenzen. “Die Leute verstehen aber recht schnell, dass sie in der Semantik bleiben müssen“, wurde mir erklärt. Abgesehen davon gibt wohl auch kein echter Bewerber solche Antworten, wie ich in meinem Test ;). Allerdings hat man die Vorteile solcher Chatbots erkannt und arbeitet hinter den Kulissen fleißig an einer Optimierung.
Jobbot bei Hubraum
Auf “dumme” Antworten bzw. Fragen, die nicht unmittelbar im Kontext der Stellenausschreibung stehen, muss auch der Jobbot von Hubraum trainiert werden. Im Gegensatz zum Chatbot von Sixt prüft dieser aber den Bewerber auf seine Eignung. Bei der Skill-Abfrage, die einen Bewerber von vornherein ggf. von einer Bewerbung abrät (und somit das Screenen bzw. Handling unpassender Bewerbungen erspart) ist hier aber meines Erachtens noch Luft nach oben. Der Bot hat ein paar Standard-Antworten parat, alles ist “great” und “excellent”, unabhängig von der Qualität der Antwort bzw. dem Kontext der Antwort.
Trotz dieser Schwächen: Die Resonanz auf den Einsatz des Chatbots kann sich sehen lassen. Sowohl auf Recruiting- als auch auf Kandidatenseite. Anna Ott, verantwortlich für das Recruiting bei Hubraum berichtet in ihrem Blogpost Chat bots in recruiting: some basic thoughts über den Einsatz des Chatbots:
“I truly believe that a bot can enlarge my capabilities through smart automated workflows and thereby enrich the candidate experience immensely.”
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Allerdings gilt auch hier: Die Qualität eines solchen Bots ist maßgeblich davon abhängig, mit welchen Daten er gefüttert und wie er trainiert wird. Je mehr relevante Daten Sie ihm zur Verfügung stellen (und je besser das System ist), um so besser und “echter” wird er interagieren und das Gefühl eines echten Dialogs vermitteln. Umso wichtiger ist also die Qualität der Daten. Das können bspw. Stellenbeschreibungen bzw. -anzeigen, FAQ oder aber auch E-Mail-Verkehr mit Bewerbern sein, Informationen zur Unternehmenskultur, zum Standort, zu den Benefits etc. pp.
Überblick von Jobbots
Hier können Sie ein paar Chatbots im Live-Betrieb auf Herz und Nieren testen:
Sixt Jobbot
Hub-Bot (Hubraum-Chatbot)
Trenkwalder Jobbot
Gobe – The Jobbot
Allie – Chatbot von Allianz Careers
Wenn Sie weitere Jobbots bzw. Recruiting Chatbots kennen bzw. sogar im Einsatz haben, immer her damit!
Alles in allem bieten Jobbots bzw. Chatbots im Recruiting eine Vielzahl an Potenzialen, wenn es um effizientere Recruiting-Prozesse geht. Auch wenn wir erst am Anfang einer Entwicklung stehen, lohnt es sich, dabei zu sein und Erfahrung zu sammeln. Eine Investition in die neue Technologie (die im Verhältnis zum Nutzen gering ist) lohnt auf jeden Fall. Passende Kandidaten, schnellere Recruiting-Prozesse und immense Kostenersparnisse sind schon Gründe genug. Darüber hinaus gelingt es Ihnen dank dieser Technologie ohne jeden Ressourcenaufwand, Kandidaten zu Bewerbern zu machen und mit einer Candidate Experience zu begeistern, die ihresgleichen sucht.
Bewerber können Chatbots auf Karriereseiten übrigens so gar nichts abgewinnen …
Der Recruiting Hype-Cycle – alles für den Trend - Lebenswelt Recruiting.
personalmarketing2null
Personalarbeit digitalisieren: Aber wie anfangen? - Management Circle Blog
Anke