Gendergerechte Stellenanzeigen: Wie eine “geschlechtsneutrale” Bewerberansprache gelingen kann

Lesezeit: 30 Min. PersonalmarketingRecruitingStellenanzeigen

Dass es gute Gründe gibt, das Gendern in Stellenanzeigen respektive im Recruiting zu unterlassen, hatte ich in meinem letzten Blogartikel ausreichend dargelegt. Aber wie kann dann eine gendergerechte respektive “geschlechtsneutrale” Bewerberansprache gelingen? Wie sieht der schmale Grat zwischen diskriminierungsfrei und zielgruppengerecht aus (denn um die Zielgruppe geht es letztendlich im Recruiting. Immer.)? In diesem Blogartikel möchte ich dazu Vorschläge machen, die einzelnen Stellschrauben dar- und verschiedene so genannte “Gender-” oder “Job Ad”-Decoder vorstellen, die Sie beim Erstellen “geschlechtsneutraler” und zielgruppengerechter Stellenanzeigen unterstützen und einen “Gender Bias” reduzieren sollen.

Gendern im Recruiting führt zu unlesbaren Texten und schließt Millionen Menschen aus

Ich weiß, es gibt Sie da draußen – auch wenn sie im Vergleich zur Gesamtbevölkerung eine eher elitäre Minderheit darstellen – die Befürworter einer Gendersprache, auch im Recruiting. Seit Veröffentlichung meines letzten Blogartikels untermauern zwei weitere große Umfragen die große Ablehnung des Genderns in Deutschland. Hier (MDR-Umfrage) und hier (ZDF Politbarometer) nachzulesen. Und ich weiß, es gibt diejenigen, die der Meinung sind, ein (mittel)alter und dann auch noch weißer Mann könne so etwas gar nicht beurteilen. Nun, erstens sind das die üblichen Einwände, die nicht ernst zu nehmen sind, weil es schlicht an Argumenten fehlt, zweitens erlaube ich mir das einzusetzen, was viele leider immer wieder vergessen: den gesunden Menschenverstand. Denn es kann keiner ernsthaft wollen, dass (grammatisch falsche, unlogische und unlesbare) Sätze oder Jobtitel wie diese

“Es kommt nur dann zu einem Folgegespräch, wenn wir im Erstgespräch von der*vom Bewerber*in und ihren*seinen Qualifikationen überzeugt sind und sie*er einen positiven Gesamteindruck hinterlassen konnte.”

Der*die Stelleninhaber*in vertritt die Didaktik der Chemie in Forschung und Lehre. Der Forschungsschwerpunkt soll […] zur Professionalisierung der Lehrer*innenbildung beitragen.

“Die Ausschreibung richtet sich an Bewerber*innen mit einem nachgewiesenen Abschluss als geprüfte*r Meister*in für Veranstaltungstechnik.”

“Im Stadtplanungs- und Bauordnungsamt der Stadt Dortmund ist im Bereich der Denkmalbehörde zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Stelle eines*r technischen Sachbearbeiters*in (m/w/d) […] zu besetzen.

“Betreuung und fachliche Beratung von denkmalpflegerischen, hochbaulichen und stadtgestalterischen Fragestellungen in Kooperation mit Bauherr*innen, Fachplaner*innen, Fachbehörden und Fachunternehmer*innen.”

Hausmeister*innendienste (m/w/d)

Einzug halten in unsere Lese- und insbesondere Sprachgewohnheiten – und damit einen großen Teil unserer Bevölkerung und damit auch potenzieller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausschließen.

Nochmal: Gendersprache führt nicht dazu, dass die Welt besser wird. Gleichberechtigung lässt sich so nicht erreichen. Vielfalt auch nicht. Wenn Sie unbedingt wollen, dass man Ihr Unternehmen als Arbeitgeber wahrnimmt, der Diversity und Gleichberechtigung ernst meint, verstecken Sie sich nicht hinter Gendersprache, sondern glänzen mit Taten. Etwa, indem Sie durch Gehaltstransparenz den Gender Pay Gap aushebeln, Sie Angebote für “vielfältige” Menschen schaffen und darüber berichten, indem Sie Arbeitsbedingungen schaffen, die Gleichberechtigung sichtbar machen, indem Sie Mentorenprogramme einrichten, die die Perspektiven von Frauen fördern etc. pp.

“Man weiss, dass Umbenennungen noch nie etwas an den wirklichen Sachverhalten bewirkt haben. Ein Altenheim, das in Seniorenstift umbenannt worden ist, bleibt für die Insassen weiterhin ein reichlich tristes Ambiente. Und da die gendergerechte Sprache nichts anderes ist als eine fehlmotivierte Umbenennung von bestimmten Bezeichnungen, wird sie ausser einer Menge stilistischer und ästhetischer Entgleisungen nichts Positives und schon gar nichts Fortschrittliches hervorbringen.”

Josef Bayer, emeritierter Professor für allgemeine und germanistische Linguistik (Universität Konstanz)

Wir müssen uns meines Erachtens davon lösen, in vorauseilendem Gehorsam es (vermeintlich) allen recht machen zu wollen und es vermeiden, mit aufgrund mangelnder Akzeptanz zum Scheitern verurteilten Sprach-Experimenten potenzielle Mitarbeiter in die Flucht zu schlagen. Stattdessen sollten wir uns aufs Wesentliche konzentrieren: Auf eine zielgruppengerechte, diskriminierungsfreie und den Zielen des Unternehmens gerecht werdende Kandidatenansprache.

Wie kann eine “gendergerechte” bzw. “geschlechtsneutrale” Bewerberansprache gelingen?

Denn Fakt ist auch, dass es im Recruiting immer um die Zielgruppe geht. Und nicht darum, es allen recht zu machen. Dass wir also im Zweifelsfall auf bestimmten Positionen und aus bestimmten Gründen gar keine Männer oder gar keine Frauen haben möchten – bzw. umgekehrt. Oder dass wir gezielt unterrepräsentierte Anteile von Frauen (oder Männern oder non-binären Menschen) fördern wollen. Sicher, das AGG macht es uns nicht unbedingt leicht. Aber es gibt Mittel und Wege, selbiges (mehr oder minder) subtil zu umschiffen (ich weiß, dass jetzt wieder der eine oder die andere Schnappatmung bekommt, aber mal ganz im Ernst: bei allen Vorteilen, die das AGG mit sich gebracht hat, konterkariert es in vielen Fällen gezielte Recruiting-Bemühungen) bzw. Stellenanzeigen zu erstellen, die für unsere Vorhaben geeignet sind. Gendern mit unlesbaren Sprach-Experimenten gehört allerdings nicht dazu. Aber was dann?

Meines Erachtens haben wir verschiedene Stellschrauben, an denen wir bezüglich einer geschlechter”gerechten” bzw. “geschlechtsneutralen” Ansprache in Stellenanzeigen und im Recruiting drehen können (wobei sich “geschlechtergerecht” auf “dem Geschlecht gerecht werdend” bezieht, also auf das Geschlecht der adressierten Zielgruppe):

Nachfolgend will ich die einzelnen Punkte erläutern.

Ein zielgruppen- (bzw. gendergerechter) Stellentitel

Sicher, eigentlich sollte ein Stellentitel immer geschlechtsneutral sein. Das ist er sogar streng genommen von Haus aus, ist eine Berufsbezeichnung doch immer im generischen, also inklusiven Maskulinum verfasst. Aber irgendwann kam man auf die Idee, dem sei nicht so und man müsse eben kenntlich machen, dass sich die Stellenausschreibung sowohl an Eva als auch an Adam richtet. So erblickte dann das Unschöne “m/w” – übrigens genau in dieser Kombination – das Licht der Welt. Alternativ auch die Beidnennung, also bspw. “Personalreferent/Personalreferentin” bzw. “Personalreferent/-in”. Vor gar nicht allzu langer Zeit gesellte sich dann auch noch ein “d” hinzu, was seitdem bis heute für viel Verwirrung sorgt. Dieses “d” hat es sogar bis vors Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein geschafft (Aktenzeichen 3 Sa 37 öD/21, II, 3.).

Viele Frauen fühlen sich von (vermeintlich) männlichen Stellentiteln nicht angesprochen

Es gibt nun diverse Forschungen, die uns weismachen wollen – und ich will diese – auch wenn es sämtlichen dieser Forschungsansätze an Repräsentativität mangelt – nicht in Abrede stellen -, dass sich Frauen von ausschließlich “männlichen” Stellentiteln nicht angesprochen fühlen. Männer hingegen sind schmerzfrei, die bewerben sich selbst bei Stellentiteln wie “Empfangsdame” oder “Krankenschwester” (auch das belegen einzelne Forschungsergebnisse, die man allerdings nicht verallgemeinern sollte). Das soll nun wiederum dazu führen, dass Stellen nicht mit Frauen besetzt werden, weil sich selbige erst gar nicht bewerben (das hat noch andere Gründe, aber dazu weiter unten mehr).

Die Sache mit dem Gender Bias in Stellenanzeigen

Unter “Gender Bias”, also der “geschlechtsspezifischen Voreingenommenheit” versteht man die Tendenz, ein Geschlecht gegenüber einem anderen zu bevorzugen. Es handelt sich um eine Form der unbewussten Voreingenommenheit (aka “unconscious bias”) oder impliziten Voreingenommenheit, die auftritt, wenn eine Person unbewusst bestimmte Einstellungen und Stereotypen einer anderen Person oder einer Gruppe von Menschen zuschreibt. Diese zugeschriebenen Verhaltensweisen wirken sich darauf aus, wie die Person andere versteht und mit ihnen umgeht. In unserem Falle also, dass bestimmte Formulierungen in Stellenanzeigen Frauen ausschließen. Ohne einer böser Absicht zu folgen, versteht sich. Unbewusst eben. Spannend ist ja, dass der überwiegende Teil in HR Frauen sind. Frauen also Frauen ausschließen. Unbewusst natürlich. Weil die alten weißen Männer in den Fachabteilungen den jungen Recruiterinnen diktieren, was sie in die Stellenausschreibung zu schreiben haben.

Was also tun, sprach Zeus? Am Beispiel der Stellenbezeichnung “Personalreferent” will ich einmal darstellen, welche Varianten eines Stellentitels möglich sind. Wobei wir hierbei von verschiedenen Szenarien ausgehen, die ich jeweils erläutern werde.

Generisch inklusiv 1: Personalreferent (m/w/d)

(Leider) der Klassiker und bei Jobsuchenden gemäß Umfrage die beliebteste Variante. Die Berufsbezeichnung wird um m/w und seit einiger Zeit ums d ergänzt, was entgegen weitverbreiteter Vorurteile nicht für “deutsch” oder “dumm”, sondern für “divers” steht. Wobei “divers” eben alles ist, was nicht klar einem “m” bzw. einem “w” zuzuordnen ist. Wenn Sie diese Schreibweise wählen, schließen Sie gemäß o. g. Forschungsergebnisse möglicherweise Frauen aus, weil die Stellenbezeichnung im generischen Maskulinum männlich konnotiert sei. Letztendlich hängt es immer von jeder Einzelnen und jedem Einzelnen ab, was er oder sie sich bei einem solchen Stellentitel denkt. In die Köpfe schauen kann gottlob keiner. Rechtlich gesehen sind Sie mit dieser Schreibweise auf jeden Fall auf der sicheren Seite und diskriminieren auch niemanden.

Generisch inklusiv 2: Personalreferent (w/m/d)

Im Grunde genommen das gleiche Spielchen wie oben, nur dass Sie hier den Fokus (vermeintlich) auf weibliche Bewerber setzen (vermeintlich deshalb, weil es weit mehr als nur den Stellentitel gibt, den man zielgruppen-, respektive gendergerecht gestalten kann). Auch konform, aber im Verhältnis zur obigen Variante eher selten in den Jobbörsen anzutreffen.

Generisch inklusiv 3: Personalreferent (d/w/m)

Ich glaube, Sie haben das Prinzip verstanden. Ganz Mutige trauen sich, dass “d” an den Anfang zu packen und signalisieren damit noch mehr “Diversität” als es die anderen tun. Ob die Unternehmen wirklich so divers aufgestellt sind und entsprechend handeln, steht allerdings auf einem ganz anderen Blatt.

Generisch inklusiv 4: Personalreferent*

Im Grunde signalisieren Sie bei allen oben genannten Stellentiteln (und auch bei Variante 4) eher nicht, dass Sie Frauen gezielt ansprechen wollen. Möglicherweise wollen Sie das auch nicht, weil Sie fürs Team doch lieber einen Mann hätten. Durch den Asterisk (Achtung, nicht der Genderstern!) haben Sie nun die Möglichkeit, mehr Diversität zu zeigen – und das absolut gesetzeskonform und diskriminierungsfrei. Sogar diskriminierungsfreier als es jedes m/w/d jemals vermag. Etwa in der Form:

*Für uns zählt der Mensch mit seiner Persönlichkeit und seinen Stärken. Geschlecht, Hautfarbe und Herkunft sind uns egal.”

Gezielte Ansprache weiblicher Bewerber: Personalreferentin*

Möchten Sie entweder gezielt Frauen ansprechen oder zumindest signalisieren, dass Ihnen das Thema Gleichberechtigung am Herzen liegt, wäre das meine Empfehlung: Die “weibliche” Berufsbezeichnung, also die inklusive Form, ergänzt durch den Suffix “-in” sowie ergänzt um den Asterik, also das Erklär-, nicht das Gendersternchen. Das Tolle bei dem Asterisk ist seine Flexibilität, sind seine vielfältigen Einsatzmöglichkeiten. Denn im Grunde genommen können Sie hier alles reinpacken, was Sie in die Waagschale werfen wollen. Auch diese Form ist gesetzeskonform (diskriminierungsfrei sowieso), denn gemäß AGG bzw. entsprechender Urteile ist eine Stellenausschreibung dann

“geschlechtsneutral formuliert, wenn sie sich in ihrer gesamten Ausdrucksweise sowohl an alle Personen unabhängig vom Geschlecht richtet. Dem ist zumindest dann Rechnung getragen, wenn die Berufsbezeichnung in geschlechtsneutraler Form verwendet wird. Es genügt, dass der Gesamtkontext der Ausschreibung ergibt, dass eine Geschlechtsdiskriminierung nicht beabsichtigt ist (vgl. ArbG Gießen v. 19.05.2020 – 9 Ca 8/20, Rn. 27; MüKoBGB/Thüsing, 8. Aufl. 2018, AGG § 11 Rn. 5)”. Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, 3 Sa 37 öD/21

Verwenden Sie den Asterisk und verweisen Sie darauf, dass alle Geschlechter willkommen sind, so sind Sie also auf der sicheren Seite.

Einmal “geschlechtsneutral” reicht

Warum der Genderstern eher ein ungeeignetes Mittel ist, hatte ich bereits in meinem letzten Blogartikel dargelegt, der Stellentitel “Hausmeister*innendienste (m/w/d)” mag als weiteres plakatives Beispiel für diesen Unfug dienen. Und noch etwas: Entscheiden Sie sich aus welchen Gründen auch immer doch für das Sternchen oder welches Satzzeichen auch immer, so können Sie auf das “m/w/d” verzichten. Einmal “geschlechtsneutral” reicht. Gleiches gilt für Beidnennung und “m/w/d”, eine Kombination, die ebenfalls weitverbreitet, aber genauso unsinnig ist.

Hinweis auf “Geschlechtsneutralität” muss gegeben sein

Wichtig ist, dass kenntlich gemacht werden muss, dass natürlich alle Geschlechter herzlich willkommen sind. So ist bspw. eine Ausschreibung wie “Geschäftsführer” ohne entsprechende Kenntlichmachung nach Ansicht der Gerichte als diskriminierend einzuschätzen, da sich diese nach deren Auffassung explizit an Männer richtet – auch wenn die Bezeichnung sowohl für Frauen wie für Männer gang und gäbe ist. Auch wenn sich das “m/w” eingebürgert hat – es gibt keine Vorschrift, wie diese Kenntlichmachung auszusehen hat.

“Frauenförderung” als mögliches Mittel zur Ansprache weiblicher Bewerber

Dennoch ist eine gezielte Ansprache einzelner Zielgruppen respektive Geschlechter möglich, etwa der von Frauen – und das sogar ganz ohne Asterisk! Vorausgesetzt, Sie können es gut begründen (aber nur dann). So, wie es etwa ein Kölner Autohaus 2017 gemacht hat, das im Rahmen der “Frauenförderung” explizit “selbst­be­wuss­te, en­ga­gier­te und er­folgs­hung­ri­ge Verkäufe­rinnen” für seine weiblichen Kunden gesucht hatten.

“Verfolgt die Beklagte mit ihrer Stellenanzeige den Zweck, das Spektrum ihrer Beratungsleistungen dadurch zu erweitern, dass auf Wunsch auch weibliches Verkaufsberatungspersonal zur Verfügung steht, so bedingt das Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle, dass das weibliche Geschlecht eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die zu erwartende Tätigkeit darstellt; denn im Zeitpunkt der Stellenanzeige und auch in der Zeit zuvor beschäftigte die Beklagte ausschließlich männliches Verkaufs- und Servicepersonal und keine einzige Frau in diesem Tätigkeitsbereich. Die Beklagte verfolgte mit ihrer auf weibliche Personen zugeschnittenen Stellenausschreibung in Abstimmung mit ihrem Betriebsrat das Ziel, dem Zustand, ihre Verkaufs- und Serviceleistungen ausschließlich durch Männer anbieten zu können, ein Ende zu bereiten. […]

Das übergeordnete Anliegen der Beklagten, dessen Verwirklichung die hier streitige Einzelmaßnahme dienen sollte, deckt sich in vollem Umfang mit dem Sinn und Zweck des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, die Gleichbehandlung der Geschlechter im Berufsalltag zu fördern. Gemessen an Sinn und Zweck des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erschiene es geradezu kontraproduktiv, die Beklagte dafür zu sanktionieren, dass sie eine gezielte Maßnahme ergriffen hat, künftig in einem Berufsfeld, das grundsätzlich ebenso gut von Frauen wie von Männern ausgeübt werden kann, nicht mehr nur ausschließlich Angehörige eines  einzigen Geschlechtes zu beschäftigen.

Schon das Arbeitsgericht hat schließlich zu Recht ausgeführt, dass durch ein solches Verständnis von § 8 Abs. 1 AGG nicht – auch nicht unter Rückgriff auf tatsächliche oder vermeintliche Kundenerwartungen – die Möglichkeit eröffnet wird, durch ein – eventuell sogar nur vorgeschobenes – unternehmerisches Konzept das Verbot des § 7 Abs. 1 AGG zu umgehen. Maßnahmen, wie die hier in Rede stehende Stellenanzeige, können nur in Ausnahmefällen nach § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt werden. Eine solche Ausnahmekonstellation besteht vorliegend eben darin, dass die Beklagte bisher in ihrem gesamten Verkaufs- und Servicebereich ausschließlich Mitarbeiter des männlichen Geschlechts beschäftigt hat.” Landesarbeitsgericht Köln, 7 Sa 913/16

Wie gesagt, es muss schon sehr gut begründet werden, warum man eine explizite Ansprache von Frauen wählt, aber ich denke, dass der “Fachkräftemangel”, bzw. das, was wir als solchen empfinden, in Zukunft vieles möglich machen wird. Umgekehrt natürlich auch, denn es gibt ja die “typischen” Frauenberufe, in die sich nur selten Männer verirren. Versuch mach kluch, also seien Sie mutig und gehen Sie andere Wege! Lassen Sie sich im Zweifelsfall im Vorfeld aber juristisch beraten ;-).

Auch einen Versuch wert wäre es, non-binäre Menschen explizit anzusprechen:

Gezielte Ansprache non-binärer Bewerber: Personalreferente*

Der “Verein für geschlechtsneutrales Deutsch” setzt sich dafür ein, “dass die deutsche Sprache um neue geschlechtsneutrale Begriffe und Formen erweitert wird“. Im Rahmen einer Umfrage wollte man wissen, welche Endungen bei Substantiven eine mögliche Alternative zum (ohnehin geschlechtsneutralen) generischen Maskulinum darstellen können. Herauskam, dass der Suffix “-e” den Befragten am besten gefällt, dicht gefolgt vom Gendersternchen. Die Frage ist, ob diese Endungen den Betroffenen selbst so geläufig sind. Aber auch hier gilt: Wer etwas nicht probiert, weiß auch nicht, ob es funktioniert. Das Prinzip ist das Gleiche: Stellentitel, ergänzt um das Erklärsternchen. Die Neugierde der Jobsuchenden ist Ihnen zumindest gewiss.

Damit das Sternchen auch in Suchergebnissen bzw. gecrawlten Ergebnislisten oder beim Transfer Ihres E-Recruiting-Systems in das CMS Ihrer Karriere-Website übernommen wird, sollte es übrigens – wie das eben so üblich ist beim Asterisk – direkt an das Wort angeschlossen werden. Oft sieht man einen Leerschritt zwischen Stellenbezeichnung und Sternchen, was in einigen Fällen dazu führt, dass dieses in Suchergebnissen nicht angezeigt wird.

Funktionsbezeichnung als neutrale Schreibweise

Manche Jobtitel funktionieren auch in einer neutralen Version, etwa indem Sie anstatt “Personalleiter” oder “Personalleiterin” “Personalleitung” schreiben. Schön ist das nicht, zumal der Bezug zum Menschen hier verloren geht (der ja beim Recruiting immer im Mittelpunkt stehen sollte, Stichwort Candidate Centricity). Zudem funktioniert das nur vereinzelt. So macht es bspw. wenig Sinn, aus lauter Political Correctness aus einem “Personalreferent” eine “Personalkraft”, “Personalfachkraft”, “Personalperson” oder (in der Mehrzahl) “Personalleute” (einen “Personalleut” gibt es bis dato nicht, aber auch den wird die Genderlobby möglich machen) zu machen.

Denn, auch wenn das viele nicht wahrhaben wollen: Menschen suchen im Rahmen der Jobsuche nach Titeln, Bezeichnungen und Tätigkeiten, die ihnen geläufig sind. Und das ist in diesem Falle eben das generische Maskulinum, also Personalleiter. So sind “geschlechtsneutrale” Personenbezeichnungen, wie “Mitglied”, “Persönlichkeit” oder Wortzusammensetzungen mit “-person”, “-kraft”, “-hilfe”, “-leute in den seltensten Fällen geeignet, zumal sie den Menschen zum Objekt degradieren (z. B. Arbeitskraft, Auskunftsperson, Lehrkraft, Führungskraft) und Sprache die Lebendigkeit entziehen. Eine Ausnahme könnte ggf. die “Ansprechperson”  darstellen.

Der Stellentitel allein macht keine zielgruppen-, bzw. geschlechtergerechte Bewerberansprache

Was grundsätzlich häufig wenig beachtet wird: Der Stellentitel allein macht noch keine zielgruppen-, respektive geschlechtergerechte Bewerberansprache. Wie im wahren Leben kommt es auf die inneren Werte an, sprich die Inhalte der Stellenanzeige. Dass die im Recruiting grundsätzlich nicht sonderlich wertschätzend behandelt werden – natürlich gibt es Ausnahmen, aber die bestätigen leider nicht die Regel -, ist kein Geheimnis. Schauen Sie spaßeshalber einfach mal hier in die Jobs.

Zielgruppengerechte (bzw. geschlechtergerechte) Stellenanzeigen-Inhalte

Abgesehen davon, dass viele Stellenanzeigen ohnehin lieblos getextet sind, vor Worthülsen nur so strotzen und an den Bedürfnissen und Erwartungen potenzieller Mitarbeiter vorbeigehen, schlummern hier hinsichtlich einer geschlechtergerechten Bewerberansprache immense Potenziale, die die wenigsten bis dato gehoben haben. Umso wichtiger, sich das Ganze einmal genauer anzuschauen.

Direkte Ansprache

Viel Sternchen-, Beidnennungs- und Partizip-1-Geschwurbel lässt sich bspw. umgehen, indem Sie die Leserin bzw. den Leser Ihrer Stellenanzeigen direkt mit “Sie” oder “Du”, je nachdem, was bei Ihnen im Unternehmen eben so gang und gäbe ist, ansprechen. Tun Sie einfach so, als ob der oder die Neue bereits vor Ihnen sitzen würden und texten Sie entsprechend. Oft respektive meistens werden Texte eher passiv und aus Unternehmensperspektive getextet, anstatt die Perspektive der potenziellen Mitarbeiter einzunehmen. Da liest man dann bspw. so was wie “Unsere Mitarbeiter profitieren …” bzw., natürlich “Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter…” oder “Unsere Mitarbeiter*innen …”. Dabei könnten Sie sich und Ihrer Leserschaft das Leben so einfach machen, indem Sie “Sie” oder “Du” schreiben.

Nur am Rande sei erwähnt, dass auch die Verwendung des Partizip I keine zufriedenstellende Lösung darstellt. Warum hatte ich bereits an anderer Stelle ausreichend ausgeführt (zur Erinnerung: Mitarbeitende sind nur so lange mitarbeitend, solange sie mitarbeiten, Studierende solange studierend, solange sie studieren und Fahrradfahrende nur dann Fahrrad fahrend, wenn Sie Fahrrad fahren.).

Begriffe haben unterschiedliche Auswirkungen auf männliche und weibliche Bewerber

Auch gibt es verschiedene Forschungsansätze, die sich mit der Wirkung von Sprache auseinandergesetzt haben. Genauer: mit der Sprache in Stellenanzeigen-Texten und deren Wirkung auf die Bewerbungsabsicht von Frauen und Männern. Dabei kam heraus, dass bestimmte Begriffe auf weibliche Bewerber eher abschreckend wirken, andere wiederum wieder anziehend. In der Folge zeigen sie geringere (oder erhöhte, je nachdem) Bewerbungsabsichten.

Geringere Bewerbungsabsichten zeigen sie vermeintlich übrigens auch dann, wenn sie die Anforderungen als überzogen wahrnehmen bzw. glauben, die Anforderungen nicht zu 100 Prozent zu erfüllen (zum Vergleich: Die ewig unerschrockenen  – oder sollte man sagen: sich selbst überschätzenden? – Männer bewerben sich schon, wenn sie nur 40 Prozent der Anforderungen erfüllen).

👆🏼Achtung! Hierbei handelt es sich um eine Falschaussage ohne jegliche Evidenz! Auch ich bin leider darauf hereingefallen und habe Ihnen dieses Märchen wider besseren Gewissens aufgetischt, wofür ich mich an dieser Stelle entschuldigen möchte. Hier geht’s zu den Hintergründen dieser Behauptung.

Lack-of-fit: Wenn Frauen glauben, Anforderungen nicht zu erfüllen, bewerben sie sich nicht

Die Lack-of-fit-Theorie besagt, dass eine Person ihre Passung für eine ausgeschriebene Stelle ermittelt, indem sie das Anforderungsprofil mit eigenen Eigenschaften und Kompetenzen vergleicht. Je höher das Anforderungsprofil mit den persönlichen Kompetenzen und Fähigkeiten als übereinstimmend empfunden wird, umso wahrscheinlicher ist es, dass sie sich als passend empfindet und sich bewirbt. Nun könnten Sie sagen, na klar, soll ja auch so sein. Ich will ja nur die, die passen. Nur gibt es drei grundlegende Probleme:

  1. Unternehmen packen mehr Anforderungen in Ihre Stellenanzeigen als es für die Zielerreichung der Aufgaben erforderlich wäre oder verwenden generell gerne überzogene Anforderungen,
  2. Frauen, heißt es, sind deutlich kritischer als Männer. (Nicht repräsentativen!) Forschungsergebnissen zufolge wägen Frauen stärker ab, was sie sich zutrauen oder fühlen sich bestimmten Anforderungen nicht gewachsen und bewerben sich nicht (wobei neueste Studienergebnisse das infrage stellen), Männer hingegen überschätzen sich häufig und bewerben sich auf alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Umso wichtiger ist es generell, Stellenanzeigen möglichst präzise zu formulieren, damit eine Selbstselektion überhaupt möglich ist.
  3. Sogenannte agentische Formulierungen überwiegen in vielen Stellenanzeigen, sodass Frauen, die “kommunal” geprägt sind, sich nicht angesprochen fühlen. Insofern kann also allein die Formulierung einiger Anforderungen selbst das Zünglein an der Waage sein (allerdings ist eher eine wertschätzende Formulierung entscheidender als die gezielte Verwendung “männlicher” oder “weiblicher” Begriffe).

So unterscheidet man zwischen sogenannten agentischen, also eher männlich geprägten Begriffen, und sogenannten kommunalen, also eher weiblich geprägten, Begriffen. Ich hatte das an anderer Stelle schon mal erläutert. So, wie das Geschlecht des Recruiters Auswirkungen auf den Rekrutierungs-Erfolg haben kann, so kann auch die Sprache Wirkung entfalten.

Kommunal formulierte Stellenanzeigen bestärken Frauen darin, sich zu bewerben, agentische Formulierungen schrecken eher ab

Überwiegend kommunal formulierte Stellenanzeigen können (!), so die Forschungsergebnisse, Frauen darin bestärken, sich zu bewerben. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass solche Formulierungen kaum Auswirkungen darauf haben, wie attraktiv Männer eine Stelle wahrnehmen. Männer sind eben schmerzfrei. Anders gesagt: Eine kommunale Formulierung Ihrer Stellenanzeige wird Männer vermutlich nicht davon abhalten, sich zu bewerben. Umgekehrt gilt das eher nicht. D. h., wenn Sie also – aus welchem Grund auch immer – eher Männer oder Menschen ansprechen wollen, die eher “hart im Nehmen sind”, so könnten Sie versuchen, Ihre Stellenanzeigen vorwiegend agentisch zu formulieren. Abgesehen davon, dass kommunale Formulierungen generell wertschätzender klingen.

Wobei ich ja immer sage, ich kann noch so viel “geschlechtergerecht” oder “geschlechtsneutral” texten, wenn die Inhalte nicht relevant und auf die Bedürfnisse der Zielgruppe (die Sie natürlich vorher klar definiert haben) zugeschnitten sind, war ohnehin alles für die Katz. Und natürlich kommt es immer auf den Kontext an. Wie  sonst kommt es, dass sich auf die Stellenanzeige des Autohauses trotz agentischer Begriffe wie “Macht”, “selbst­be­wuss­t” und “er­folgs­hung­ri­g” Frauen beworben haben? Noch einmal: Die Zielgruppe macht’s bzw. eine adressatengerechte Ansprache!

Beispiele für agentische (stereotyp männliche) Worte in Stellenanzeigen

Werfen wir dennoch mal einen Blick auf “(stereo)typisch(e) männliche” Begriffe:

ambitioniert, analytisch, aufgabenorientiert, autoritär, beharrlich, Beharrlichkeit, bestimmen, dominieren, Durchsetzungsvermögen, durchsetzungsstark, ehrgeizig, eigenständig, entscheiden, Entschlossenheit, erfolgsorientiert, Führungsstärke, gewinnen, hartnäckig, herausfordernde Tätigkeit, Herausforderung, konkurrenzorientiert, kraftvoll, Leistungsfähigkeit, leistungsorientiert, Leitung, Macht, mutig, risikofreudig, selbstbewusst, selbstsicher, selbstständig, überlegen sein, Wettbewerb, wetteifern, Wettkampf, willensstark, zielorientiert, zielstrebig

Das ist nur ein Auszug, auf der Website der TU München finden Sie eine umfangreiche Liste agentischer Begriffe.

Beispiele für kommunale (stereotyp weibliche) Worte in Stellenanzeigen

Dies ist eine Auswahl eher weiblich konnotierter Wörter:

angenehm, aufrichtig, beraten(d), betreuen, Betreuung, Beziehungen, dankbar, Dankbarkeit, ehrlich, Ehrlichkeit, Einfühlungsvermögen, emotional, empathisch, Empathie, engagieren, familienorientiert, familienfreundlich, fleißig, fördern, freundlich, fürsorglich, gefühlvoll, gemeinsam, gemeinschaftlich, Gruppe, Harmonie, helfen, herzlich, hilfsbereit, kollegial, kooperativ, kümmern, liebenswert, loyal, miteinander, Mitgefühl, partnerschaftlich, pflegen, rücksichtsvoll, sozial, Team, teamorientiert, umgänglich, umsichtig, unterstützend, verantwortungsvoll, verlässlich, verständnisvoll, vertrauensvoll, zugehörig, Zusammenhalt, zuverlässig

Mehr davon auf der Website der TU München.

Die TU München respektive der Lehrstuhl für Forschungs- und Wissenschafts­management unter der Leitung von Prof. Dr. Claudia Peus ist auch die Einrichtung, die Treiber in Bezug auf Forschung zum Thema geschlechtergerechter Bewerberansprache ist.

Gegen den Gender Bias: Tools für geschlechter”gerechte” Stellenanzeigen

FüHR Mint-Gender Decoder der TU München

Gegen den so genannten “Gender Bias”, der Frauen vermeintlich davon abhalten soll, sich wegen bestimmter Formulierungen auf Stellen zu bewerben, hat die TU München den sogenannten Gender Decoder entwickelt, mit dessen Hilfe Sie (zumindest in einem ersten Schritt) Ihre Stellenanzeigen nach agentischen bzw. kommunalen Begriffen durchsuchen lassen können und erste Empfehlungen für die Optimierung bekommen.

Geschlechtergerechte Stellenanzeigen - Der Führ MINT Gender Decoder der TU München gibt erste Hinweise

Hier finden Sie den FüHR Mint Gender Decoder, die Nutzung ist kostenlos.

StepStone GenderBias Decoder

Ebenfalls kostenlos ist der StepStone GenderBias Decoder, dessen Nutzwert mangels echter Unterstützung und oberflächlichen Hinweisen aber sehr überschaubar ist.

JADE – Job Ad Decoder der Universität Innsbruck

Einen echten Nutzwert bietet hingegen “JADE” der Job Ad Decoder der Universität Innsbruck. Im Gegensatz zu den anderen Tools bietet JADE nicht nur die Möglichkeit, eine Stellenanzeige nach “männlich” und “weiblich” konnotierten Formulierungen zu scannen, sondern auch nach Formulierungen, die eher jüngere oder ältere Bewerber ansprechen sollen. Auf diese Weise erfahren Sie, welche Begriffe Sie ggf. streichen oder ändern könnten, um die Sprache in Ihrer Stellenanzeige (vermeintlich) “geschlechts- und/oder altersneutraler” zu gestalten. Spannend bei JADE ist auch für diese Tools einzigartige Unterteilung zwischen Aufgaben, Anforderungen, Benefits etc. Die wissenschaftlichen Analysen der Uni Innsbruck haben ergeben, “dass in vielen Fällen ein- und dasselbe Wort in unterschiedlichen Zusammenhängen (z. B. Merkmal von Bewerber/innen oder Merkmal des Unternehmens) unterschiedlich konnotiert sind. Würde man den gesamten Text in dasselbe Feld einfügen, käme es teilweise zu falschen Ergebnissen, die nicht mit unseren erhobenen Daten übereinstimmen.”

Auszug aus den Ergebnissen einer Stellenanzeigen-Analyse mit JADE - Job Ad Decoder

Eine Nutzung des JADE – Job Ad Decoders ist nach vorheriger Registrierung kostenlos möglich. Die Usability lässt etwas zu wünschen übrig, der Nutzwert ist im Verhältnis zu den zuvor genannten aber deutlich höher. Allerdings darf man nicht nur an so manchen Alternativ-Vorschlägen zweifeln, sondern an der Einteilung von “männlich”, “weiblich”, “jung” und “alt”.

Nichtsdestotrotz, ein nettes Gimmick, um seine Stellenanzeigen auf “Gendergerechtigkeit” und “Altersgerechtigkeit” zu prüfen.

Mit dem diversifier Stellenanzeigen gendergerecht(er) formulieren

Auch das Tool diversifier baut auf den Studienergebnissen der TU München auf. Im Gegensatz zum Führ MINT Gender Decoder, der lediglich Stellenanzeigen mit den Listen agentischer und kommunaler Formulierungen abgleicht und die jeweiligen Wörter zählt, setzt der diversifier auf Machine Learning, achtet auf Wortwiederholungen, Stil, abschreckende Begriffe und vieles mehr und gibt überdies Empfehlungen für eine bessere Formulierung (inklusive Begründung), die man dann per Mausklick bestätigen kann.

Das Tool diversifier hilft beim Erstellen gendergerecht formulierter Stellenanzeigen

Auch wenn der diversifier in meinen Augen man(n)chmal etwas überempfindlich reagiert – so solle bspw. selbst der “Partner” in HR Business Partner ausgetauscht werden, weil der Begriff “Partner” männlich konnotiert sei, ist das Tool ist eine klare Empfehlung für alle im Recruiting, die Ihre Stellenanzeigen gendergerecht(er) und ansprechender formulieren wollen. Die Nutzung für 7 Tage ist in einer Basis-Version kostenlos, die Preise für die weitere Nutzung sind absolut fair – auch im Hinblick auf den hohen Nutzen dieses Tools. Ein Browser-Plugin soll die Gestaltung geschlechtergerechter Stellenanzeigen noch einfacher machen.

Mit BetterAds zu bessseren Stellenanzeigen?

Auch die Software-Schmiede milch & zucker bietet mit BetterAds ein vergleichbares, kostenpflichtiges Tool an. Eine Testphase wie beim diversifier gibt es hier aber nicht.

Was bringen die “Gender-Decoder” zur Erstellung von Stellenanzeigen?

Egal, welches Tool Sie nutzen, ob den FüHR Mint Decoder, den GenderBias Decoder oder den JADE Job Ad-Decoder – alle basieren auf Studien, die allesamt nicht repräsentativ sind (sei es von der Anzahl der Probanden, sei es von der Stichprobe, sei es vom Studiendesign). Ohne Frage bieten diese Tools aber interessante Einblicke in die inhaltliche Gestaltung von Stellenanzeigen und können den einen oder anderen sensibilisieren. Aber, noch einmal, entscheidend sind Stellenanzeigen, die der Zielgruppe gerecht werden. Und selbst die noch so “frauenfreundlichste” Stellenanzeige kann schlechte Rahmenbedingungen, eine unzureichende Aufgabenbeschreibung oder überzogene Anforderungen nicht wettmachen.

Gender-Decoder fördern Geschlechter-Stereotype

Ein weiterer Aspekt, der nicht übersehen werden darf: Im Grunde genommen fördern Gender Decoder Geschlechter-Sterotype sogar, weswegen deren Nutzung unter dem Aspekt, “geschlechtergerechte” Stellenanzeigen formulieren zu wollen, eher kritisch zu bewerten ist. Mehr dazu hier.

Zielgruppengerechte (bzw. gendergerechte) Darstellung der Arbeitgebervorteile

Gender- bzw. zielgruppengerechte Inhalte in Einstiegstext sowie bei den Aufgaben und dem Anforderungprofil sind längst nicht die einzigen Aspekte, mit denen Sie bei potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern punkten können. Natürlich sollten Sie auch Ihre Arbeitgebervorteile (aka Benefits) aufbereiten. Sofern Sie die denn überhaupt kommunizieren, ein Blick in die Jobbörse Ihres Vertrauens (möglicherweise auch auf Ihre eigenen Stellenanzeigen?) zeigt, dass da längst nicht alle Ihre Hausaufgaben machen. Aber warum sollte ich mich dann ausgerechnet bei Ihnen bewerben? Wegen der spannenden Aufgaben? Wohl kaum. Da muss Butter bei die Fische. Obligatorisch sollte eine Gehaltsangabe sein, zumindest aber die Angabe einer Gehaltsspanne. Mit mehr Gehaltstransparenz hätten wir auch das Problem des Gender Pay Gap nicht – etwas, was Gendersprache übrigens nicht leisten kann. Abgesehen davon, dass zunehmend Stellenportale Ihren Job übernehmen und auf Werte aus Gehaltsdatenbanken zurückgreifen, wäre es ein Zeichen von Wertschätzung und würde von Augenhöhe zeugen. Aber dann doch lieber gendern, ist eben einfacher, als die Hosen runterzulassen.

Frauen präferieren eher weiche, Männer eher harte Faktoren bei den Arbeitgebervorteilen

Während das Gehalt, der Dienstwagen oder auch die Ausstattung des Arbeitsplatzes eher zu den harten Faktoren gehören – die möglicherweise eher die Herren der Schöpfung ansprechen – zählen Aspekte wie Kultur und Werte, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf  – respektive flexible Arbeitszeiten – oder die Themen Gleichberechtigung und Diversity eher zu den weichen Faktoren, die wiederum primär eher das weibliche Geschlecht ansprechen (wobei es natürlich auch immer eine Frage der Zielgruppe ist – nicht nur, was das Geschlecht angeht, sondern bspw. die Funktion oder die Branche. So können Sie bei Pflegefachkräften egal welchen Geschlechts mit anderen Benefits punkten, als bei Fachkräften der Abfall- und Wasserwirtschaft egal welchen Geschlechts). Dass ausformulierte Hinweise in Stellenanzeigen bezüglich Diversity, “Work-Love-Balance” oder (einer unterstützenden) Kultur und Werten als attraktiver wahrgenommen werden und man sich eher bewirbt, belegen ebenfalls entsprechende Forschungsergebnisse.

Dass man mit den weichen Faktoren auch eher bei non-binären Menschen punkten kann, kann nicht abschließend belegt werden, weil hier noch entsprechende Forschungen fehlen. Aber so sieht man z. B. anhand der letzten Software-Entwickler-Umfrage von Stackoverflow, dass hier teilweise ähnliche Prioritäten wie bei Frauen gesetzt werden.

Die Top-5 der Arbeitgeber-Benefits bei Männern:

  1. Programmiersprachen,
  2. Unternehmenskultur,
  3. Vereinbarkeit von Familie & Beruf/flexible Arbeitszeiten,
  4. Möglichkeit der Weiterentwicklung,
  5. Remote Work-Möglichkeiten

Die Top-5 der Arbeitgeber-Benefits bei Frauen:

  1. Unternehemskultur,
  2. Vereinbarkeit von Familie & Beruf/flexible Arbeitszeiten,
  3. Programmiersprachen,
  4. Möglichkeit der Weiterentwicklung,
  5. Remote Work

Die Top-5 der Arbeitgeber-Benefits bei non-binären Menschen:

  1. Unternehmenskultur,
  2. Vereinbarkeit von Familie & Beruf/flexible Arbeitszeiten,
  3. Programmiersprachen,
  4. Diversity,
  5. Remote Work

Natürlich können Sie abgesehen von den Arbeitgeber-Vorteilen an sich auch hier noch mal ein Sahnehäubchen obendrauf setzen, indem Sie – je nachdem, wen oder was Sie bevorzugt ansprechen wollen – das Ganze kommunal oder agentisch formulieren. War das alles? Nein natürlich nicht. Denn da gibt’s noch einen Punkt, der nur allzu gerne vergessen wird, nämlich eine

Zielgruppengerechte (bzw. geschlechtergerechte) Bildsprache

Es ist schon faszinierend: Da verbiegen sich manche Unternehmen mit Gendersprache oder werben mit Formulierungen, dass Bewerbungen von Frauen ausdrücklich erwünscht seien und die Bildwelt straft diese Aussagen auf einen Blick Lügen. Entweder sind nur Männer zu sehen oder aber es sind zwar Männer und Frauen zu sehen, letztere aber eher dezent im Hintergrund oder in einer devoten Pose. Spricht man auf diese Weise das weibliche Geschlecht an? Eher nicht. Noch weniger wirkungsvoll und aussagekräftig sind Stockfotos – also Bilder aus Bilddatenbanken, die gefühlt jede fünfte Karriereseite zieren. Abgesehen davon, dass die Verwendung solcher Bilder streng genommen den Tatbestand der irreführenden Werbung erfüllen, ist ein authentischer Arbeitgeberauftritt nicht möglich.

Rücken Sie die Zielgruppe in den Fokus

Entscheidend ist immer die Botschaft, die Sie transportieren wollen. Möchten Sie nach außen tragen, dass bei Ihnen im Unternehmen die Männer das Sagen haben, können Sie das natürlich. Wenn Sie die Frau in der Ansprache in den Fokus, respektive in den Vordergrund rücken wollen, sollten Sie das tun. Im wahrsten Sinne des Wortes. Entscheidend für die entsprechende Bildwirkung sind Kontext, Perspektive und ggf. der Bildausschnitt. Eine authentische Arbeitssituation hat in und außerhalb der Regel mehr Aussagekraft als künstliche Portraitfotos. Je nach Aussage, die Sie beabsichtigen, sollten auf Bildern keine Hierarchien erkennbar sein, Personen gleich welchen Geschlechts sollten auf Augenhöhe agieren. Wenn Sie bevorzugt Frauen ansprechen wollen, sollten Sie diese natürlich im Vordergrund positionieren und ihr qua ihres Stellenwerts fürs Recruiting die Bühne bereiten.

>>Kennwort: Grüner Schnee<<

Zielgruppengerechte (bzw. geschlechtergerechte) Rollenvorbilder (Testimonials)

Wenn es darum geht, zielgruppengerecht oder auf ein bestimmtes Geschlecht fokussiert zu rekrutieren, ist wohl die wirksamste Waffe das (Rollen-)Vorbild, neudeutsch Role Model. Klar, das funktioniert nur, wenn Sie die entsprechenden Personen am entsprechenden Ort im Unternehmen sitzen haben. Aber solche Personen gilt es zu identifizieren und sie darum zu bitten, stellvertretend für die Zielgruppe als “Aushängeschild” zu dienen und auf diese Weise das Gefühl der Passung bei den adressierten Menschen zu erhöhen (s. o. Lack of fit). Wenn Sie solche Rollenvorbilder nicht haben, wird es natürlich schwer. Dann müssen Sie eben doch in die Trickkiste greifen, wie es das Autohaus aus Köln getan hat (s. o).

“Sprache meint nie etwas, Menschen meinen. Und wenn Menschen meinen, der Held wäre ein Mann, dann muss man eben diese Meinung ändern. Einfach indem mehr Frauen Helden sind.” Quelle

Zielgruppengerechte (bzw. gendergerechte) Ansprechpersonen/Recruiter

Eine Stellschraube haben wir uns noch nicht angeschaut – eine, die gerne übersehen wird – und das ist die Stellschraube des Ansprechpartners, der natürlich politisch korrekt Ansprechperson heißt, weil es ja ein Mensch jeden Geschlechts sein könnte. Wenn Sie also explizit Frauen ansprechen wollen, so ist es definitiv hilfreich, einen weiblichen Ansprechpartner zu nennen und dies idealerweise durch ein Bild zu illustrieren. Neueste Untersuchungen belegen, dass die Bereitschaft sich zu bewerben, auch vom Geschlecht des Recruiters respektive der Ansprechperson abhängen (wobei auch diese Studie hinsichtlich der Repräsentativität zu hinterfragen ist).

Viele Möglichkeiten einer geschlechtergerechten und diskriminierungsfreien Kandidatenansprache

Sie sehen, es gibt jede Menge Möglichkeiten einer gender- (und zielgruppen-)gerechten bzw. diskriminierungsfreien Kandidatenansprache. Ganz ohne Gendern. Nur ganz am Rande: Tatsächlich gibt es sogar unter denen, für die der Genderstern gedacht ist, welche, die sich von eben diesem nicht angesprochen fühlen und Arbeitgeber verklagen, weil sie sich diskriminiert fühlen. Die gute Nachricht für alle, die weiterhin auf den Genderstern setzen: Es ist nun höchstrichterlich anerkannt, dass das Gendersternchen einer geschlechtersensiblen und diskriminierungsfreien Sprache dient und zweigeschlechtlich geborene Menschen nicht diskriminiert. Die schlechte (Vor-)Lesbarkeit, eine mangelhafte Rechtschreibung und die Ausgrenzung von Millionen Bundesbürgern flossen in das Urteil des LAG Schleswig-Holstein übrigens nicht ein.

Hinweis: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 18. September 2021 und wurde am 4. März 2022 u. a. um den Hinweis auf den JADE Job Ad-Decoder ergänzt und aktualisiert.

Kommentare (6)

Ehrlich, lecker und mobile Förster - Mit dem Thema Stellenanzeigen zu Gast bei HR Total und Christoph Athanas

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Genderquatsch mit Stellenanzeigen: Der Kaufmensch

[…] Fertig. So einfach kann das gehen. Das funktioniert sogar umgekehrt sehr gut, also mit einem “weiblichen” Jobtitel. Auf diese Weise transportieren Sie die Aussage, dass jeder bei Ihnen unabhängig vom Geschlecht herzlich willkommen ist (was unter uns gesagt, selbstverständlich sein sollte), mit Sicherheit besser, als mit irgendwelchen Buchstabenkürzeln, die beim Bewerber vor allem für eins sorgen: Verunsicherung und Verwirrung. Insbesondere dann, wenn die restlichen Inhalte Ihrer Stellenanzeige nichts von dieser vermeintlichen Diversität widers…. […]

Gute Gründe, warum Sie aufs Gendern im Recruiting verzichten sollten

[…] ich Ihnen gerne aufzeigen, bevor ich Ihnen in einem zweiten Teil Empfehlungen gebe, wie Sie auch ohne sperriges Gendern trotzdem zielgruppengerecht(er) kommunizieren […]
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Moin! Ich bin Henner Knabenreich. Seit 2010 schreibe ich hier über Personalmarketing, Recruiting und Employer Branding. Stets mit einem Augenzwinkern oder den Finger in die Wunde legend. Auf die Recruiting- und Bewerberwelt nehme ich auch als Autor, als Personalmarketing-Coach, als Initiator von Events wie der HR-NIGHT oder als Speaker maßgeblich Einfluss auf die HR-Welt. Sie möchten mich für einen erfrischenden Vortrag buchen, haben Interesse an einem Karriere-Website-Coaching, suchen einen Partner oder Berater für die Umsetzung Ihrer Karriere-Website oder wollen mit bewerberzentrierten Stellenanzeigen punkten? Ob per E-Mail, XING oder LinkedIn - sprechen Sie mich an, ich freue mich auf Sie!
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