Der Mensch im Recruiting

Lesezeit: 6 Min. Employer BrandingHRPersonalmarketingRecruitingStellenanzeigen

“Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt” schreit es von manchen Karriereseiten und Stellenanzeigen. Dass man dann allzu oft keinen dieser Menschen zu Gesicht bekommt, hatte ich bereits geschrieben. Nun taucht der Mensch im Recruiting an anderer Stelle auf: Als smarte (und nahezu alternativlose) Alternative für das wenig sympathische m/w/d.

Seitdem ich das erste Mal ein (m/w/d) in Stellenanzeigen gesichtet hatte, habe ich dagegen aufbegehrt. Zum einen, weil es wenig sinnvoll ist, eine (vermeintlich) im Unternehmen gelebte Diversität unter dem Deckmäntelchen eines “d” zu transportieren, zum anderen, weil ich anhand der Zugriffe auf meinem Blog und Äußerungen online wie offline festgestellt habe, dass diejenigen, die durch das “d” adressiert werden, also die potenziellen Bewerber, verunsichert reagierten. Die wohl krasseste Interpretation des m/w/d lautete “männlich/weiß/deutsch”. Nicht nur in Zeiten von Black Lives Matters ein Schlag ins Gesicht.

Der Asterisk als alternativlose Alternative zum m/w/d

Meine Empfehlung lautete von Beginn an, einen Asterisk zu verwenden, auf gut Deutsch: das Erklärsternchen. Was eignet sich besser, als über eine Erklärung zu transportieren, was oder wen man eigentlich sucht? Tatsächlich findet sich aber das m/w/d in den meisten Stellenanzeigen wieder. m/w/d steht übrigens weder für “männlich/weiß/deutsch” noch für “männlich/weiblich/deutsch”, sondern für “männlich/weiblich/divers”. Wohlgemerkt: Es wird nicht etwa mit “w/m/d” geworben, sondern explizit mit “m/w/d”. Der Mann im Mittelpunkt sozusagen. Die Frau immer noch als untergeordnetes Heimchen. Und das im Jahr 2020, nach all den Jahren, in denen wir für Gleichberechtigung und Emanzipation gekämpft haben.

Manche Unternehmen setzen auch auf “m/w/x”. Wobei das ja eigentlich doppelt gemoppelt ist, steht doch das “x”(-Chromosom) für ein eines der beiden Geschlechtschromosomen. Die Frau besitzt zwei X-Chromosomen (XX), der Mann je ein X- und ein Y-Chromosom. Möglicherweise steht das “x” auch für “xtraordinär” oder “xtraterrestrial”. Tatsächlich aber steht das x für alle weiteren geschlechtlichen Formen jenseits von männlich und weiblich. Ganz krude Ausmaße nimmt es an, wenn der Stellenntitel um ein “gn*” ergänzt und die Abkürzung noch erklärt werden muss (geschlechtsneutral). Interessanterweise gibt es hier eine Erklärung, bei m/w/d scheint jeder vorauszusetzen, dass klar ist, wofür das “d” steht. Ist es nicht, siehe oben.

Ein Zimmermädchen wird nicht zum Zimmerjungen, eine Krankenschwester nicht zum Krankenbruder

Viele Unternehmen sind meiner Empfehlung gefolgt, bei der ein weiterer Vorteil klar auf der Hand liegt. Während bspw. ein Kaufmann nicht zu einer Kauffrau wird, ein Zimmermädchen nicht zum Zimmerjungen (das heißt dann tatsächlich “Roomboy”, was für mich irgendwie diskriminierend klingt), eine Krankenschwester nicht zum Krankenbruder und eine Empfangsdame nicht zum Empfangsherren, wenn man nun ein (“m/w”) anfügt, ist das Sternchen absolut geschlechtsneutral!

Sie können sogar, wenn das gewünscht ist, gezielt weibliche Kandidaten ansprechen, ohne dabei in irgendeiner Form auch nur ansatzweise das AGG zu verletzen. Bspw. “Verkäuferin*”, “Medizinisch-Technische Assistentin*”, “Personalreferentin*”, “Nachwuchskräftegesamtkoordinatorin*” oder auch “PHP-Entwicklerin*”, schließlich liefert der Asterisk die Erklärung gleich mit. Sie müssen nicht mehr explizit und raumgreifend darauf hinweisen, dass die Bewerbungen von Frauen oder Schwerbehinderten bevorzugt behandelt werden oder dass die Religionszugehörigkeit keine Rolle spielt. Kurz: Das Sternchen, der Asterisk, ist das Patentrezept für, die smarte Alternative zum m/w/d. Allerdings sollten Sie immer darauf achten, dass diejenigen, die Sie adressieren, sich auch anderweitig in der Stellenanzeige wiederfinden. So ist es bspw. wenig sinnvoll zu schreiben, dass die Bewerbungen von Frauen ausdrücklich erwünscht sei, das Bild aber ausschließlich Männer zeigt.

Dann tauchte der Mensch auf

Als das Ganze seinerzeit auch in die Schweiz rüberzuschwappen drohte, scherzte HR-Charmeur Jörg Buckmann, dass man ja nur noch mit dem “m” werben könne. M für Mensch eben (eigentlich war es “a” für “alle”, aber das hätte die Geschichte zunichtegemacht). Während das eigentlich nur als Scherz gemeint war, dachte man anderswo ernsthaft in eine ähnliche Richtung. Etwa bei Convista, einer IT-Beratung. Denn plötzlich tauchte hier der Mensch im Stellentitel auf. Mit Asterisk natürlich. Schließlich muss man sich ja gegenüber Abmahnmesser wetzenden Anwälten, die nur auf AGG-Verstöße lauern, erklären. Und auch Bewerber werden möglicherweise nicht verstehen, warum sie plötzlich vom Bittsteller zum Menschen emporgehoben werden (der ja bekanntlich im Mittelpunkt steht, siehe oben).

Smarte Alternative zu m_w_d - der Mensch

“*Bei uns spielt es keine Rolle, ob Sie weiblich, männlich, divers… sind, wo Sie her­kommen, welche Haut­farbe Sie haben oder wo­ran Sie glauben. In unserem Fokus stehen gegen­seitiger Respekt und Wert­schätzung sowie Spaß und Moti­vation an der Arbeit. Entfalten Sie Ihre Persön­lich­keit, denn bei uns stehen Sie als Mensch im Mittel­punkt.”

heißt es in der Erklärung der Stellenanzeige. Wunderbar! Funktioniert natürlich auch ohne den Zusatz “Mensch” und nur mit Sternchen, macht das Ganze aber vielleicht – Mensch-licher.

m/w/d war gestern, heute steht der Mensch im Mittelpunkt - nicht nur im Stellentitel

“Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein” heißt es auch bei Lucom. Da man über das m/w/d kaum das unternehmenstypische Mindset nach außen sichtbar machen und darstellen könne, dass es eben Wurscht sei, ob man kleine, dicke, dünne oder große Menschen, Weiblein oder Männlein oder welches Geschlecht auch immer adressiere, entschied man sich für die Alternative “Mensch” und liefert die sympathische (und deutlich wertschätzendere) Erklärung, als das mit dem “d” möglich ist, gleich mit:

“*Wir sind Menschen….ganz verschiedene Menschen, alle mit dem Herz am rechten Fleck, die die Unterschiede und Besonderheiten der anderen respektieren und wertschätzen, die gemeinsam leidenschaftlich gerne an IT-Themen tüfteln und die brennen für das, was sie tun. Dabei spielt für uns keine Rolle woher wir kommen, welcher Gruppe wir uns zugehörig fühlen oder woran wir glauben. Wichtig ist für uns nur, dass wir alle an einem Strang ziehen.”

Äußerst sympathisch finde ich auch das durchgestrichene m/w/d. Für mich ist dieser Stellentitel ein klarer Aspirant für den HR Excellence Award.

Auch anderswo entschied man sich für den Menschen und zeigte dem m/w/d den Rücken:

“*Uns ist schnurzpiepe, ob du Mann, Frau, Transgender, intersexuell, … bist, welche Hautfarbe Du hast, wo Du herkommst, woran Du glaubst oder wie alt oder jung Du bist: Wichtig sind uns nur gegenseitiger Respekt und Wertschätzung, Ehrlichkeit, Deine Motivation und der Spaß an der Sache, den Du mitbringen solltest. Sei einfach Mensch, wir sind auch nicht mehr oder weniger.” (Artegic)

“*Wir suchen Menschen! Wenn du engagiert und motiviert bist, unser Team langfristig zu unterstützen, dann spielt Dein Geschlecht für uns keine Rolle.” (Tuxguard)

Gibt’s den Mensch nur in der IT?

Auffällig ist, dass es allesamt Unternehmen aus dem IT-Bereich sind, die auf diese Weise um Menschen werben. Sollte uns das zu denken geben? Vielleicht. Aber ungeachtet dessen lautet mein Appell: Egal aus welcher Branche Ihr Unternehmen ist – gehen Sie hin und machen Sie dem m/w/d endlich den Garaus. Nutzen Sie die Möglichkeit auf sympathische und wertschätzende Weise zu zeigen, wen Sie wirklich suchen!

Der Mensch kostet 6 Zeichen

Der Mensch mit Asterisk hat gegenüber dem reinen Asterisk übrigens einen möglicherweise nicht zu unterschätzenden Nachteil: 6 Zeichen, die Ihnen im Zweifelsfall fehlen, damit Ihr Stellentitel bei der Google-Suche vollständig angezeigt wird.

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Moin! Ich bin Henner Knabenreich. Als Recruiting-Aktivist und Arbeitgebermarkenauftrittsoptimierer helfe ich Unternehmen, mit einer wertschätzenden und menschenzentrierten Ansprache passende Mitarbeiter zu finden. Mein Fokus: Karriereseiten, Stellenanzeigen und eine Bewerbungsarchitektur, die aus Interessenten Bewerber macht. Mein Wissen teile ich auch als Speaker, Personalmarketing-Coach, Berater und als Fachbuchautor der weltweit ersten Bücher über Karriereseiten und Google for Jobs. Ich hinterfrage den Status quo, lege gern den Finger in die Wunde und sage, was ich denke – und nicht, was alle hören wollen. Sie möchten mich für einen erfrischenden Vortrag buchen, eine wirklich funktionierende Karriereseite aufbauen, suchen einen Sparringspartner für Employer Branding oder wollen mit bewerberzentrierten Stellenanzeigen punkten? Dann kontaktieren Sie mich gern per E-Mail oder LinkedIn – ich freue mich auf Sie!
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