Eine kleine Geschichte vom Nachwuchskräftegesamtkoordinator

Lesezeit: 7 Min. RecruitingStellenanzeigen

Heute erzähle ich Ihnen zur Abwechslung mal eine kleine Geschichte vom Nachwuchskräftegesamtkoordinator. Sie haben noch nie von einem Nachwuchskräftegesamtkoordinator gehört? Nun, da geht es Ihnen wie mir. Und wie vielen Tausend anderen Menschen da draußen auch, für die eine Stelle als Nachwuchskräftegesamtkoordinator durchaus infrage käme. Nur: diese Menschen werden diese Stelle nie finden. Und so bleibt diese Stelle lange unbesetzt. Zumindest aber tut man sich unnötig schwer, diese Stelle zu besetzen. Das ist aber kein Einzelfall. Denn wie Sie wahrscheinlich schon geahnt haben, geht es bei der kleinen Geschichte vom Nachwuchskräftegesamtkoordinator eigentlich um die große Geschichte des richtigen Stellentitels.

Der Nachwuchskräfte-Gesamtkoordinator und die Bedeutung des Stellentitels für die Auffindbarkeit

Ich wollte meinen Augen nicht trauen, als ich durch Zufall über die Stelle des Nachwuchskräftegesamtkoordinators stolperte. Natürlich war meine Neugierde entflammt und ich wollte wissen, was es damit auf sich hat. Wenn man diesen Begriff googelt, findet man sehr wohl Einträge dazu (auch dank dieses Artikels erhält dieser Begriff die verdiente Popularität) und bekommt eine Ahnung von dem, was sich hinter diesem etwas merkwürdig anmutendem Stellentitel verbirgt. So findet sich bspw. unter dem Titel “Der perfekte Bewerber ist freundlich und kommunikativ” ein Interview mit einem “Nachwuchs-Koordinator” der Bahn, der über die Job-Offensive der Bahn berichtet.

Die Bahn im “War against Talents”

Bei dem “Nachwuchskräftegesamtkoordinator” kommen mir glatt wieder der “Regionale Ressourcen-Manager” und der “Referent Europäische Korridoraktivitäten Fahrplan” in den Sinn, letzterer fand auch Einzug in mein Buch Karriere-Websites mit Wow!-Effekt. Ob Nachwuchskräftegesamtkoordinator (den es auch in getrennter Variante gibt, also Nachwuchskräfte-Gesamtkoordinator, was es aber auch nicht besser macht), Ressourcenmanager oder Referent Europäische Korridoraktivitäten Fahrplan, alle Stellentitel haben eins gemeinsam: sie stammen aus der Stellenbörse der Deutschen Bahn. Und sie führen zu erschwerter Auffindbarkeit. Zwei Dinge muss man der Deutschen Bahn auf jeden Fall neidlos anerkennen:

  1. Sie verfügt zweifelsohne über bemerkenswertes Talent für kreative Stellentitel.
  2. Sie zeigt wieder einmal, wie man eine Bewerbervermeidungsstrategie auf unnachahmliche Weise perfektioniert. Es ist wirklich bemerkenswert, welche Geschütze die Deutsche Bahn auffährt, um von Bewerbern nicht gefunden zu werden. Oder anders gesagt: Die Bahn führt keinen “War for Talents”, also einen Kampf um die Talente, sondern einen “War against Talents”, sie kämpft also (erfolgreich!) gegen Bewerbungen.

Aber sprechen wir nicht über die Deutsche Bahn, sprechen wir über den Nachwuchskräfte(-)Gesamtkoordinator und warum solch ein Stellentitel oder auch Titel wie “Vision Cleaning Engineer”, “Wildlife Control Operator” oder “Referent Reservierung Spezial AVB/K” nicht zum Erfolg führen. Eigentlich ist es ganz klar und ich gehe jede Wette ein, dass Sie die Antwort bereits kennen: Weil kein potenzieller Bewerber je nach solchen Stellentiteln suchen würde. Weder in Stellenbörsen noch bei Google (for Jobs). Und selbst Google, das dank Machine Learning und Cloud Talent Solution viele Alternativen zu Stellentiteln berücksichtigen und verrückteste Dinge und Begriffe kombinieren und Bedeutungen verstehen kann, käme nie auf die Idee, dass es sich beim Vision Cleaning Engineer um einen Fensterputzer, beim Wildlife Control Operator um einen Förster und beim Referent Reservierung Spezial AVB/K um einen Aktuar handelt. Wie auch? Google kann einiges. Aber noch lange nicht durchschauen, was in den Köpfen mancher Personalmarketiere, ÄitschAarrlern und Hiring Manager vorgeht.

Stellenanzeige Nachwuchskräftegesamtkoordinator bei der Deutschen Bahn

Bewerber suchen nach Begriffen, die sie (aus ihrem bisherigen Job) kennen

Und weil das so ist, geht bspw. bei einer Karriere-Website kein Weg an einem Jobportal vorbei, das über eine Freitextsuche verfügt, die den gesamten Inhalt einer Stellenanzeige durchsucht, wo also eine direkte Suche nach bestimmten Keywords möglich ist. Schauen Sie sich die meisten E-Recruiting-Software-Lösungen an, so werden Sie feststellen, dass diese die Möglichkeit nicht bieten. Eine Suche nach Keywords, die nicht im Stellentitel vorhanden sind, aber logisch wären, wird also keine Treffer hervorbringen. Und auch so manche Jobbörse kommt bei ihren Suchmechanismen schnell an ihre Grenzen.

Warum ist das so fatal? Weil ein potenzieller Bewerber in der Regel nicht nach Stellentiteln sucht, die der Fantasie überforderter deutscher Personaler entsprungen sind, sondern nach bestimmten Keywords, die in Bezug zur aktuellen Tätigkeit stehen. Oder was glauben Sie, warum an einem Durchschnittstag bei der Jobbörse indeed über 300.000 verschiedene Stellentitel um die Aufmerksamkeit der Nutzer buhlen?

So wird also der Nachwuchskräfte-Gesamtkoordinator nur von denen gefunden werden, die diesen Job bis dato innehatten. Da es diese Jobbezeichnung aber exklusiv bei der Deutschen Bahn gibt, wird die Deutsche Bahn logischerweise nur die erreichen, die ohnehin bei ihr beschäftigt sind. Bei XING finden sich aktuell bspw. 13 Profile. Hinzu rechnen können Sie noch die Azubis und Dualen Studenten, für die dieser Nachwuchskräftegesamtkoordinator zuständig ist. Wobei erstere natürlich gar nicht auf Jobsuche sind, sondern Nachwuchskräfte in ihrer Gesamtheit koordinieren und letztere erst noch als Nachwuchskräfte koordiniert werden müssen. Auch ein Webentwickler, der mit Java entwickelt, würde mit einer Keyword-Suche nach “Java” eine entsprechende Stelle nie finden, wenn diese ausschließlich als Webentwickler ausgeschrieben ist.

EIne Suche nach Nachwuchskräftegesamtkoordinator liefert keine Ergebnisse bei Google Trends

Keine Auffindbarkeit = keine Bewerber

Um es auf einen Nenner zu bringen: Ohne Auffindbarkeit gibt’s keine Bewerber. Der Stellentitel wiederum ist aber das A & O für die Auffindbarkeit im Neuland Internet. Entgegen eines spritzig-witzigen (oder verstörenden) Stellentitels wie “Eierlegende Wollmilchsau” oder “Baggor-Fahror”, die in Print (und nur da!) sehr wohl die Wirkung entfalten, weil sie einem unverhofft ins Auge fallen, funktioniert das online eben nicht. Weil kein Mensch auf die Idee kommen würde, nach einem Baggor-Fahror oder einer Eierlegenden Wollmilchsau zu suchen. Weil kein Mensch auf dieser Welt solch eine Berufsbezeichnung führt. Ohne jede Frage ist der Stellentitel das wichtigste Element einer Stellenanzeige. Das sagt einem nicht nur der gesundeste Menschenverstand, das sagen auch diverse Umfragen, die in den letzten 10 Jahren durchgeführt wurden.

Und was heißt das nun für Sie? Eigentlich ganz einfach:

Eindeutiger und beschreibender Stellentitel

Gestalten Sie einen Stellentitel, der eindeutig, klar und beschreibend ist. Der von der Person, für die dieser Job gedacht ist und von dieser ausgeübt werden soll, gefunden werden kann und verstanden wird (ich weiß, das ist manchmal gar nicht so einfach, weil nur allzu oft das karierte Maiglöckchen gesucht wird. Was einen letztendlich zu der Frage bringen sollte, ob man möglicherweise versucht mit einer Person drei Stellen zu besetzen und man zu dem Schluss gelangen könnte, dass das möglicherweise zu Schwierigkeiten bei der Besetzung führen könnte).

Stellentitel sollte eine Länge von ca. 60 Zeichen nicht überschreiten

Wichtig ist, dass der Stellentitel eine Länge von ca. 60 Zeichen (das hängt auch ein wenig ab von der Buchstabenlaufweite – so ist ein “i” schmaler als ein “m” – weswegen es manchmal auch 65 Zeichen sein dürfen) nicht überschreiten sollte, weil Google sonst in der Vorschau den Stellentitel nach 60 Zeichen kappt und ein potenzieller Bewerber nur raten kann, worum es bei der Stelle als “Leistungssachbearbeiter/-innen für die Leistungsgewährung nach dem…..” wohl eigentlich ging. Übrigens ist diese Zeichenlimitierung ein weiterer Grund, warum Sie  auf das “m/w/d” im Stellentitel verzichten sollten und stattdessen auf das globalneutrale Sternchen, bzw, den Asterisk zu setzen.

Relevante Keywords verwenden

Verwenden Sie relevante Keywords (also Schlüssel-/Suchbegriffe), die im Kontext der Aufgabe bzw. des Suchprofils stehen. Und ergänzen Sie das Ganze im Zweifelsfall durch limitierende Eigenschaften. Wenn also bspw. Französischkenntnisse ein limitierender Faktor in der Auswahl sind, sollten Sie das auch direkt im Stellentitel mit aufnehmen. Das bedeutet zwar möglicherweise weniger Klicks auf die Stellenanzeige und weniger Bewerbungen, zieht aber im Idealfall auch nur die an, die über eine entsprechende Qualifikation verfügen. Wenn Sie unbedingt Reichweite und körbeweise Bewerbungen generieren wollen, lassen Sie natürlich sämtliche auf die wirklich gewünschte Zielgruppe zutreffende Begriffe einfach weg.

Testen Sie Ihren Stellentitel!

Und da Sie die Stellen ja online auch auf Ihrer Karriere-Website ausschreiben (und sie fit für Google for Jobs machen), können Sie mit Ihren Stellentiteln ruhig auch ein bisschen experimentieren, also quasi A-/B-Tests durchführen. Anhand der Klickzahlen und Conversion werden Sie schnell feststellen, welcher Stellentitel funktioniert und welcher nicht. Wenn Sie nicht sicher sind, welcher Begriff besser geeignet ist, so hilft Ihnen Google. Entweder mit einer simplen Suche, wobei der Hauptbegriff im Suchfeld unmittelbar um die Begriffe ergänzt wird, nach denen Nutzer am meisten suchen.

Google-Suche nach HR

Übrigens: HR steht hier in Deutschland primär für den Hessischen Rundfunk! Nicht für Human Resources. Daher eignet sich eine Recherche mit Google Trends besser, welches Ihnen noch exaktere Daten liefert. Warum die Suche nach HR? Weil es sich bei dem Nachwuchskräftegesamtkoordinator (ob mit oder ohne Bindestrich) offenbar um eine Mischung aus HR Business Partner und Ausbilder oder um einen Personalreferenten handelt, der für Ausbildungsbelange zuständig ist. Der HR Business Partner wiederum heißt bei der Bahn HR Partner. Auch wieder ein Begriff, der in der freien Wirtschaft im Vergleich eher selten anzutreffen ist und man sich die Suche unnötig erschwert.

HR Partner oder HR Business Partner - Google Trends liefert Auskünfte

Aber wir wissen ja: die Bahn kämpft gegen Bewerber. Insofern ist der Stellentitel gut und richtig gewählt. In diesem Sinne, weiter so!

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Moin! Ich bin Henner Knabenreich. Seit 2010 schreibe ich hier über Personalmarketing, Recruiting und Employer Branding. Stets mit einem Augenzwinkern oder den Finger in die Wunde legend. Auf die Recruiting- und Bewerberwelt nehme ich auch als Autor, als Personalmarketing-Coach, als Initiator von Events wie der HR-NIGHT oder als Speaker maßgeblich Einfluss auf die HR-Welt. Sie möchten mich für einen erfrischenden Vortrag buchen, haben Interesse an einem Karriere-Website-Coaching, suchen einen Partner oder Berater für die Umsetzung Ihrer Karriere-Website oder wollen mit bewerberzentrierten Stellenanzeigen punkten? Ob per E-Mail, XING oder LinkedIn - sprechen Sie mich an, ich freue mich auf Sie!
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