22. November 2018
Fehlende Ressourcen im Recruiting als Grund für schlechte Stellenanzeigen und Fachkräftemangel
Lesezeit: 5 Min. Employer BrandingHRRecruitingStellenanzeigen
Zu wenig Ressourcen sind also der Grund für schlechte Stellenanzeigen – und damit in der Folge natürlich für den “Fachkräftemangel“. So zumindest könnte man eine Umfrage des Stellenmarkts von meinestadt.de unter 116 Personalern interpretieren. Denn als Hauptgrund, warum man gerne mit Copy & Paste in Stellenanzeigen arbeitet, wird Zeitmangel angegeben. Und so greifen vier von fünf der Befragten beim Erstellen von Stellenanzeigen auf Textbausteine und Vorlagen zurück. Aber das ist längst nicht alles …
Was die Umfrage von meinestadt.de – so wenig repräsentativ die Stichprobe auf den ersten Blick auch sein mag – da zutage fördert, ist einfach haarsträubend und bestätigt das, was ich in meiner alltäglichen Beratungspraxis und beim Studieren der meisten Stellenanzeigen erlebe. Employer Branding per Copy & Paste sozusagen. Auf die Zielgruppe beziehungsweise das Jobprofil zugeschnittene Inhalte? Fehlanzeige! Kein Wunder, schließlich gibt jeder Fünfte der befragten Personaler an, unabhängig von der Stelle die gleichen Argumente und sich wiederholende Textbausteine in Stellenanzeigen zu verwenden. Schuld daran sei der hohe Anteil an administrativer Arbeit in den Personalabteilungen. Und weil man sich mehr Zeit für das Recruiting und die Bewerber wünscht, muss eben die Qualität der Stellenanzeigen respektive der Bewerberansprache leiden. Finde den Fehler.
Hoher Anteil an administrativer Arbeit ist der Grund für schlechte Stellenanzeigen
Nicht nur die Nutzung von Textbausteinen ist ein Problem, auch die Attribute, mit denen Personaler versuchen, den Arbeitgeber schmackhaft zu machen, gehen an den Bedürfnissen der Bewerber vorbei. Positiv sei anzumerken, dass es überhaupt Unternehmen gibt, die Mitarbeitervorteile benennen. Denn wie ja auch eine Untersuchung der Hochschule RheinMain von 1.000 Stellenanzeigen zeigt, ist das eher die Ausnahme, als die Regel. Und welche Argumente werden nun am häufigsten genutzt, wenn Personaler für ihr Unternehmen werben?
- Das gute Arbeitsklima liegt unangefochten auf Platz 1 der Nennungen.
- Platz 2 teilen sich “Karriereoptionen” und “Aufstiegschancen”.
- “Flexible Arbeitszeiten” landen auf Platz 3.
Spannend in diesem Zusammenhang finde ich immer, dass “spannende Aufgaben” oder eine “Arbeit mit Sinn” offenbar gar keine Rolle zu spielen scheint. Aber das nur am Rande. Viel interessanter ist die Tatsache, dass insbesondere das zweite Argument bei vielen ins Leere läuft, hat die klassische Karriere doch ausgedient. Und, ebenso interessant: Die Angabe einer konkreten Gehaltssumme oder zumindest einer Zusammensetzung des Gehaltes, ist immer noch Mangelware. Dabei könnten Unternehmen hier echt punkten. Aber, wie heißt es so schön: “Man macht das nicht” oder “Das haben wir immer schon so gemacht, damit fangen wir gar nicht erst an”.
Mangelhafte Stellenanzeigen führen zu mangelhaftem Bewerbungseingang führen zu entgangenen Wachstumschancen
Logischerweise führen mangelhafte Stellenanzeigen zu mangelhaftem Bewerbungseingang. Gut, dass man das auf den so genannten Fachkräftemangel zurückführen kann, der hat übrigens gerade in der CFO Survey Herbst 2018 die geopolitischen Risiken als größte Bedrohung überrundet. Für 65 Prozent (Vorjahr 51 Prozent) stellt der “Fachkräftemangel” für Unternehmen die größte Unwägbarkeit dar.
Bemerkenswert auch die Auswirkungen des Fachkräftemangels: Da benennen nämlich 74 Prozent der befragten CFO “Höhere Kosten für Personalgewinnung” oder 41 Prozent einen “stärkeren Fokus auf Employer Branding”. “Entgangene Wachstumschancen” (39 Prozent), eine “geringere Produktivität” (26 Prozent) oder eine “Aufschiebung von Investitionsvorhaben” sehen hingegen deutlich weniger als Auswirkung. Moment mal – ist eine höhere Produktivität oder die Durchführung von Investitionsvorhaben nicht nur möglich, wenn die passenden Mitarbeiter da sind? Wären die Auswirkungen auf die Produktivität respektive das Wachstum nicht deutlich höher, als die Kosten für die Personalgewinnung? Wenn CFO wirklich so denken, wundert es mich nicht, wenn die Maßnahmen in Sachen Recruiting und Personalmarketing nicht ausgeweitet und mehr Budget dafür bereitgestellt wird.
Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel: Personalmarketing und Recruiting ohne Bedeutung?
Tatsächlich aber benennen 45 Prozent der CFO als Maßnahme, um dem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften zu begegnen, eine “Attraktivere Gestaltung des Arbeitsumfelds (Schulungen, Work-Life-Balance)”, 44 Prozent einen “höheren Automatisierungsgrad” (Klasse, Recruiter werden durch KI ersetzt und Bewerber mit Chatbots abgespeist), 27 Prozent Befristete Anstellungen (Praktikanten, Freelancer, Gig Worker), 24 Prozent eine “Verbesserung des Lohnpakets” und 14 Prozent das “Recruiting von neuen Mitarbeitern aus dem EU-Ausland“. Genau. Im Ausland. Da werden dann die mangelhaften Stellenanzeigen in die jeweilige Landessprache übersetzt und ihren Dienst tun. Was mich erstaunt: Investitionen in besseres Personalmarketing oder aber mehr Ressourcen für Personalmarketing oder Recruiting scheinen keine Alternative zu sein.
“Der angebliche Fachkräftemangel […] ist hauptsächlich durch die Gatekeeper in den Personalabteilungen verursacht!” Quelle
Natürlich sind es nicht nur die HR-Abteilungen, die längst nicht alle Register ziehen, wenn es um Bewerberansprache geht (die haben ja keine Ressourcen und machen das deswegen nicht, siehe oben), es sind oftmals eben auch Vorstände, Geschäftsführungen, Führungskräfte oder eben jene für die Studie befragten CFO, die den Zusammenhang zwischen Wachstum und Investition nicht verstehen und nur auf kurzfristige Ergebnisse fokussiert oder anderweitig betriebsblind sind.
Personaler sind mit Bewerbungen nicht zufrieden
Wie auch immer, die von meinestadt.de befragten Personaler sind mit den Rückläufen bei Bewerbungen alles andere als zufrieden:
- 55 Prozent sind unzufrieden mit der Qualität der Bewerbungen,
- fast 40 Prozent mit der Quantität.
Natürlich gilt “wer lesen kann, ist klar im Vorteil”. Natürlich gibt es viele Kandidaten da draußen im leer gefischten Arbeitsmarkt, die des Lesens nicht mächtig sind und ihre Bewerbungen gießkannenmäßig (also auch eine gewisse Art von Copy & Paste) an die Personalabteilungen schicken. Aber es ist wohl keine Frage. Würden Stellenanzeigen zielgruppengerecht und wertschätzend formuliert, würde HR auf die Bedürfnisse der Bewerber eingehen, wäre auch die Qualität der Bewerbungen besser. Das mit der Quantität ist so eine Sache. Mehr Bewerbungen bedeuten nämlich nicht automatisch mehr Mitarbeiter. Im Gegenteil, würde man Stellenanzeigen so vom Profil schärfen, dass sich nur diejenigen angesprochen fühlten, die gesucht werden, könnte der Aufwand, ungeeignete Bewerbungen zu sichten, massiv reduziert werden. Wäre doch prima, wenn sich nur einer bewirbt und der dann passt, oder? Man wird ja mal träumen dürfen….
Da trotz der Angst vor dem Fachkräftemangel aber immer noch keine weitreichenden Konsequenzen gezogen werden, wird sich an der Qualität der Stellenanzeigen wohl nichts ändern.
personalmarketing2null
Axel Haitzer