09. Februar 2021
Hat das Geschlecht des Recruiters Auswirkungen auf den Rekrutierungs-Erfolg?
Lesezeit: 16 Min. PersonalmarketingRecruitingStellenanzeigen
Dass die inhaltliche Gestaltung von Stellenanzeigen maßgeblich den Erfolg beim Recruiting beeinflusst, sollte hinlänglich bekannt sein (ich schreibe bewusst sollte, denn ein täglicher Blick in die Jobbörsen dieser Republik zeigt mir, dass dem nicht so ist). Dass aber auch das Geschlecht des Recruiters Auswirkungen auf die Bewerbungsabsicht hat und damit den Erfolg beim Recruiting beeinflusst, war bisher wohl nur den wenigsten bewusst. Eine aufsehenerregende Forschungsarbeit sollte das nun ändern. Grund genug, sich durch das Papier zu arbeiten und Ihnen hier die wesentlichen Erkenntnisse zu präsentieren.
Formulierungen in Stellenanzeigen und das Geschlecht des Recruiters haben Auswirkungen auf den Rekrutierungs-Erfolg
Gestolpert über den Artikel “Sounds like a fit! Wording in recruitment advertisements and recruiter gender affect women’s pursuit of career development programs via anticipated belongingness” bin ich im Rahmen der Recherche zu meinem neuen Buch. In einem gemeinsamen Forschungsprojekt von Tanja Hentschel (Universität Amsterdam), Susanne Braun (Universität Durham), Claudia Peus (TU München) und Dieter Frey (LMU München) wurde der Frage nachgegangen, ob und inwieweit das Geschlecht des Recruiters und die Verwendung geschlechtsstereotypischer Formulierungen in der Ansprache potenzieller Bewerber Einfluss auf das Bewerbungsverhalten von Frauen haben.
Um es kurz zu machen: Ja, dem ist so. Das Geschlecht des Recruiters hat Auswirkungen auf den Rekrutierungs-Erfolg. Genauer: Sowohl das Geschlecht des Recruiters als auch der Inhalt der Botschaft, mit der um potenzielle Bewerberinnen und Bewerber geworben wird, hat nicht nur Auswirkungen auf Bewerbungsabsicht und Bewerbungserfolg, sondern auch auf die antizipierte Zugehörigkeit zum Unternehmen. Auch wenn sich diese Ergebnisse auf ein konkretes Szenario beziehen (die Bewerbung auf ein Karriereentwicklungsprogramm), so lassen sich die hier gewonnenen Erkenntnisse meiner Ansicht nach mit großer Wahrscheinlichkeit auf andere Bereiche übertragen.
Warum ich der Ansicht bin und um den Hintergrund dieser Forschungsarbeit und deren Ergebnisse verstehen zu können, muss ich ein wenig weiter ausholen. Aber glauben Sie mir, die knapp 18 Minuten Lesezeit sind nichts im Verhältnis zum Durchackern des 32-seitigen englischsprachigen Original-Artikels des im November in der Zeitschrift Human Resource Management erschienenen Artikels, den Sie auf Researchgate einsehen können.
Warum “Diversity-Recruiting” oft nicht funktioniert
Sie kennen das möglicherweise aus Ihrem eigenen Unternehmen. Sie wollen Ihre Frauenquote (nicht nur in Führungspositionen, sondern auch in Bereichen, die typisch “männlich” geprägt sind, etwa Softwareentwicklung, Ingenieur- oder andere technische Berufe) ausbauen und die Resonanz beim weiblichen Geschlecht will sich einfach nicht einstellen. Dabei hatten Sie doch extra ein Diversity-Programm aufgesetzt, werben jetzt mit der Abbildung von Frauen in Stellenanzeigen für Ihre Jobs und haben dem (m/w) sogar extra ein d angefügt.
Trotz dieser Maßnahmen klappt es nicht mit der Förderung von Vielfalt und auch der Karriereaufstieg von Frauen im Vergleich zu Männern ist nicht vergleichbar. Das Problem: Neben den externen Vorurteilen, mit denen Frauen konfrontiert sind (oder einer Riege alter weißer Männer in den Führungsetagen), sind es auch Prozesse der Selbststereotypisierung, die dazu führen, dass Frauen seltener Karrierechancen wahrnehmen und dadurch in ihrem beruflichen Aufstieg eingeschränkt werden.
Das Problem der geschlechtsspezifischen Stereotypisierung
Geschlechterstereotypen sind verallgemeinernde Wahrnehmungen von Männern und Frauen. Bei Männern scheinen sogenannte “agentische” Eigenschaften stärker ausgeprägt zu sein als bei Frauen (z. B. Durchsetzungsvermögen, Dominanz, Unabhängigkeit), während das bei Frauen für die sogenannten “kommunalen” Eigenschaften gilt (etwa die Sorge um andere, Freundlichkeit, emotionale Stabilität). Wichtig dabei ist – nicht nur in Bezug auf die Forschungsarbeit -, dass Menschen diese Stereotypen auch in Bezug darauf anwenden, wie sie sich selbst sehen (das mag auch eine Erklärung dafür sein, welchen Stellenwert HR sich selbst zuschreibt und welche Wahrnehmung innerhalb des Unternehmens daraus resultiert, aber das ist ein anderes Thema).
Agentische und kommunale Eigenschaften
Frauen nehmen sich selbst bei kommunalen Merkmalen höher und bei vielen agentischen Merkmalen niedriger als Männer wahr. Ein Grund, warum sich Männer auch dann auf Stellenanzeigen bewerben, wenn explizit mit kommunalen Formulierungen geworben wird, sich Frauen aber eher abgeschreckt fühlen, wenn explizit mit agentischen Formulierungen geworben wird. Behalten Sie das bitte im Hinterkopf!
Karriereentwicklungsprogramme als Weg für mehr Vielfalt in Führungspositionen
Ein Weg, die Vielfalt in Führungspositionen zu verbessern, ist es, Frauen, die Teilnahme an Karrieremöglichkeiten zu ermöglichen. Sogenannte Karriereentwicklungsprogramme, die von vielen (i. d. R.) größeren Unternehmen angeboten werden, können zukünftigen Hochschulabsolventinnen oder Mitarbeiterinnen den Weg zu einer Führungsposition erleichtern. Die Teilnahme an solchen Programmen wiederum kann Frauen sowohl eine bessere Qualifikation für Führungspositionen als auch eine größere Handlungsfähigkeit in ihrer weiteren Karriere ermöglichen.
Ein Grund, warum Frauen zögern, sich auf solche Programme zu bewerben, liegt nach Ansicht des Forscherteams darin, dass eine mangelnde Passung zwischen Karriereentwicklungsprogrammen und den persönlichen Merkmalen von Frauen wahrgenommen wird (z. B. aufgrund von Stereotypen, s. o.).
Der “Lack of fit” und die Bedeutung der Signaling-Theorie
Die sogenannte “Lack of Fit”-Theorie besagt, dass, wenn Frauen ihre persönlichen Merkmale mit den stereotypisch männlichen Merkmalen von Karrieremöglichkeiten vergleichen, die Nichtübereinstimmung ihr Interesse an der Verfolgung solcher Möglichkeiten verringert. Die “Signaling-Theorie” wiederum besagt, dass praktisch alles, was potenzielle Bewerber während des Rekrutierungsprozesses beobachten, als Hinweis auf die für die Karrieremöglichkeit erforderlichen Eigenschaften dienen kann.
Stellenanzeigen und Recruiter senden Signale aus
Das Forscherteam verbindet diese beiden Theorien und nimmt an, dass je nachdem, welche geschlechtsstereotypischen Signale Unternehmen aussenden, die Wahrnehmung von Karrieremöglichkeiten durch Frauen unterschiedlich ausfällt und somit ihre Bewerbungsabsichten beeinflusst. Zwei sehr verbreitete Signale während des Recruiting-Prozesses sind die Formulierungen in den Stellenanzeigen bzw. wie solche Programme beworben werden – und die Recruiter selbst. Geschlechtsstereotype Formulierungen und das Geschlecht des Recruiters, so das Forscherteam, dienen als Signale im Recruiting-Prozess und fördern oder unterbinden damit das Streben von Frauen nach Karrierechancen respektive einer Bewerbung.
Think manager, think male?
Dass Führungspositionen und Karrieremöglichkeiten oft als agentisch oder stereotypisch männlich wahrgenommen werden (think manager, think male), kann sich nachteilig auf die Karriereentscheidungen von Frauen auswirken. Da Frauen sich selbst als hochgradig kommunal wahrnehmen (zumindest diverser Studien zufolge, möglicherweise ist das ja bei Ihnen anders) und glauben, dass sie in Führungspositionen oder Karrieremöglichkeiten dem männlichen Ideal (respektive hochgradig agentischen Eigenschaften) entsprechen müssen, erleben sie einen Mangel an Passung zwischen ihrer Selbstwahrnehmung und der Position.
Stimmt die Passung nicht, bleibt die Bewerbung aus
Die Einschätzungen der Passung beeinflussen aber nicht nur die Leistungserwartung von Frauen, sondern auch den Grad der erwarteten Zugehörigkeit zum Unternehmen und seinen Mitarbeitern sowie den erwarteten Erfolg einer Bewerbung. Und da haben wir den Salat. Denn wenn Frauen nun das Gefühl haben, dass sie zu einem (vermeintlich) männlich geprägten Karriereentwicklungsprogramm nicht passen bzw. glauben, dass sie nicht über die erforderlichen Kompetenzen verfügen, schätzen sie die Chance auf eine erfolgreiche Bewerbung als eher gering ein. Folge: Sie bewerben sich nicht.
Auswirkungen von Stellenanzeigen und Geschlecht des Recruiters auf den Bewerbungserfolg
Dass stereotypisch männliche Formulierungen in der Bewerberansprache das Interesse weiblicher Fach- und Führungskräfte an bestimmten Berufstypen einschränken können, ist durch o. g. Forschungen mehr als einmal eindrucksvoll belegt worden. Ob sich die Auswirkungen solcher Formulierungen durch die Charakteristika des Recruiters verstärkt (oder abgeschwächt) werden können, war bislang nicht hinreichend erforscht worden. Spannend an dieser Stelle finde ich, dass die Forscher die weitverbreitete Ansicht infrage stellen, dass Frauen andere Karriereentscheidungen oder -pläne treffen als Männer bzw. weniger motiviert sind, eine Führungsrolle zu übernehmen.
Führen fehlgeleitete Recruiting-Maßnahmen zu weniger Bewerbungen von Frauen?
Vielmehr argumentieren Sie, dass es die Mittel und Maßnahmen sind, die Unternehmen im Recruiting einsetzen (Stellenanzeigen, Karriereseiten, Auftritt auf Hochschulmessen etc. und die Recruiter selbst), die Frauen von der Teilnahme an Karriereentwicklungsprogrammen und damit von ihrem beruflichen Fortkommen abhalten können. Eine steile These, die mit Sicherheit für viel Diskussionen sorgen wird und die es umso wichtiger macht, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen.
Wortlaut der Stellenausschreibung
Dass Stellenanzeigen nach wie vor das wichtigste Mittel eines Unternehmens darstellen, um mit potenziellen Bewerbern zu kommunizieren und zu einer Bewerbung zu bewegen (neudeutsch ist die Rede vom Touchpoint No. 1), sollte hinreichend bekannt sein. Für Jobsuchende sind sie ein wichtiges Signal, aus dem sie auf für sie unbekannte Unternehmens- und Stellenmerkmale schließen. Anhand der vermittelten Informationen schätzen Menschen ein, wie gut sie in ein Unternehmen bzw. in ein Jobprofil passen werden, und entscheiden, ob sie sich bewerben oder nicht (dass mangelhafte und/oder unvollständige Stellenbeschreibungen Grund für ausbleibende Bewerbungen und/oder passende Kandidaten sind, scheint vielen mit der Personalgewinnung betrauten Personen aber nicht bewusst zu sein. Oder warum kopieren Recruiter fremde Stellenanzeigen oder passen sie nicht an, selbst wenn sie mit einer Stellenanzeige nicht erfolgreich sind?).
Stellenanzeigen sind meistens männlich formuliert
Das Problem: Stellenanzeigen werden nicht “geschlechtsneutral” formuliert, sie enthalten oft Begriffe, durch die ein Geschlecht stärker angesprochen wird als das andere. Stellen, die typischerweise von Männern ausgeübt werden, werden oft mit stereotyperen männlichen Begriffen beworben als Stellen, die typischerweise von Frauen ausgeübt werden. Diese Erkenntnisse werden eindrucksvoll durch eine Untersuchung von 32.000 Stellenanzeigen bestätigt. Folge des Ganzen: Bewerbungen bleiben aus (natürlich gibt es viele Faktoren, die beeinflussen, ob eine Bewerbung eintrudelt, das ist klar. Klar ist aber auch, dass Formulierungen dazu beitragen).
Geschlecht des Recruiters
Der Begriff des Recruiters wird in dieser Forschungsarbeit sehr allumfassend gesehen. Potenzielle Bewerber sehen Recruiter als Vertreter des Unternehmens, mit dem sie in Kontakt stehen. Sei es via Stellenanzeigen (als vorbildliches Unternehmen geben Sie natürlich Namen und Kontaktdaten nebst Bild des Recruiters an, weil Sie wissen, dass das positiv auf die Candidate Experience einzahlt), sei es im Rahmen von Jobmessen, sei es in Form von Recruiting-Videos oder natürlich beim Vorstellungsgespräch vor Ort (respektive dank Corona zunehmend oder überwiegend auch remote). Tatsächlich haben Recruiter als Markenbotschafter an vorderster Front massiven Einfluss auf die Entscheidung bezüglich einer Bewerbung bzw. einer Einstellung.
Menschen fühlen sich durch Ähnlichkeit angezogen. Die Forscher führen aus, dass Bewerber möglicherweise Situationen oder Berufe auswählen, in denen sie auf Menschen treffen, die ihnen ähnlich sind. Aufbauend auf der Signaling-Theorie wird angenommen, dass Recruiter analog zu Stellenanzeigen & Co. potenziellen Bewerbern die Unternehmenskultur oder die gewünschten Eigenschaften eines erfolgreichen Kandidaten signalisieren. Durch den Einsatz weiblicher Recruiter kann Frauen ein besseres Zugehörigkeitsgefühl vermittelt und dadurch der Wunsch gesteigert werden, sich zu bewerben.
Das Forscherteam geht davon aus, dass die von Frauen wahrgenommene und mangelnde Passung mit Karriereentwicklungsprogrammen verringert wird, wenn Unternehmen Anzeigentexte verwenden, die mit der Selbstcharakterisierung von Frauen übereinstimmen (also stereotyp weibliche statt männliche Formulierung). In der Folge werde die Passung und damit antizipierte Zugehörigkeit zum Programm sowie der erwartete Erfolg einer Bewerbung erhöht und in der Folge die Bewerbungsabsicht steigen. Umgekehrt vermitteln stereotypisch männliche Merkmale eine mangelnde Passung, antizipieren eine geringere Zugehörigkeit und verringern die Aussicht auf Bewerbungserfolg.
Die Interaktion mit anderen Recruiting-Signalen, so die Forscher – in diesem Fall das Geschlecht des Recruiters -, sei entscheidend für die Vorhersage, ob, wann und wie die Formulierung das Interesse von Frauen an Karrieremöglichkeiten beeinflusst. Insbesondere ein geschlechtsspezifisches Signal – wie z. B. ein weiblicher Recruiter – könne mögliche negative Effekte eines anderen geschlechtsspezifischen Signals – wie die stereotype männliche Formulierung der Anzeige – reduzieren.
Das Studiendesign im Detail
Um ihre Thesen zu verifizieren, führte das Forscherteam zwei Studien durch.
Studie 1: Videobasiertes Experiment unter Universitätsstudenten
In Studie 1 wurde im Rahmen eines videobasierten Experiments unter 329 Universitätsstudentinnen und -studenten getestet, ob die Formulierung des Textes und das Geschlecht des Recruiters Einfluss auf die Bewertung von entsprechenden Programmen durch junge Frauen haben. Die Teilnehmer wurden gebeten, sich ein kurzes Video anzusehen, in dem das Karriereentwicklungsprogramm durch einen Recruiter beworben wurde. Die Studenten sahen entweder männliche oder weibliche Recruiter, die das Programm entweder mit stereotypisch männlichen oder weiblichen Formulierungen beschrieben.
Von den Studienteilnehmern wurden erwartete Zugehörigkeit, Bewerbungserfolg und die Absicht, sich zu bewerben im Rahmen einer Likert-Skala abgefragt.
Das Ergebnis aus Studie 1 zeigt, dass die Formulierung der Anzeige und das Geschlecht des Recruiters die Bewertung und Verfolgung von Karrieremöglichkeiten durch weibliche Universitätsstudenten beeinflussen. Stereotypisch männliche Formulierungen senkten die antizipierte Zugehörigkeit, den erwarteten Erfolg und die Absicht der Frauen, sich auf ein Programm zu bewerben, wenn der Recruiter männlich war, aber nicht, wenn dieser weiblich war. Die Abbildung zeigt die Bewertungen der Bewerbungsabsichten von Frauen für das Karriereentwicklungsprogramm, wenn sie von einem männlichen oder weiblichen Recruiter mit stereotypisch männlichen versus stereotyp weiblichen Formulierungen beworben wurden.
Studie 2: Befragung von Berufserfahrenen
Um die ersten Ergebnisse zu replizieren bzw. zu erweitern, wurde eine zweite Studie unter Berufserfahrenen durchgeführt. Ziel war es herauszufinden, ob die Ergebnisse aus Studie 1 nur auf jüngere Frauen am Anfang ihrer Karriere zutreffen, oder auch auf ältere, berufserfahrene Frauen.
Hier war das Setting etwas anders. 545 weibliche und männlichen Angestellte (Durchschnittsalter 44,7 Jahre, durchschnittliche Berufserfahrung 23,3 Jahre) wurden online befragt. Hierzu wurden den Teilnehmern analog Studie 1 Screenshots aus den Videos mit einer Sprechblase gezeigt, die die Beschreibung des Programms enthielt – jeweils präsentiert von weiblichen und männlichen Recruitern, jeweils mit männlichen und weiblichen Formulierungen.
Da sich jüngere und ältere Frauen in und außerhalb der Regel in verschiedenen Karrierestufen bewegen und über unterschiedliche Berufserfahrung verfügen, wurde auch untersucht, ob es hier unterschiedliche Ergebnisse gibt. Die Stichprobe der Frauen wurde daher in zwei Altersgruppen unterteilt: jüngere Frauen (< 40 Jahre) und ältere Frauen (>= 40 Jahre).
Für jüngere Frauen konnten die Ergebnisse aus Studie 1 bestätigt werden. Wenn der Recruiter männlich war, führten stereotype männliche Formulierungen dazu, dass Frauen eine geringere Zugehörigkeit und einen geringeren Bewerbungserfolg erwarteten und somit die Bewerbungsabsicht eher gering ausfiel. Wenn der Recruiter weiblich war, gaben jüngere Frauen ähnliche Werte für Zugehörigkeit, erwarteten Erfolg und Bewerbungsansichten an. Ältere Frauen hingegen bewerten Karriereentwicklungsprogramme nicht unterschiedlich in Abhängigkeit vom Geschlecht des Recruiters und der verwendeten Formulierung. Die obige Grafik zeigt, die Bewertung der Zugehörigkeit durch jüngere und ältere Frauen, wenn das Karriereentwicklungsprogramm von einem männlichen oder weiblichen Recruiter mit stereotypisch männlichen versus stereotypisch weiblichen Formulierungen beworben wird.
Männer können alles
Wie schon bei den Forschungen zur Wirkung von Stellenanzeigen, zeigt sich auch hier, dass Männern das Geschlecht eher egal ist. Für die männlichen Teilnehmer zeigen weder die Formulierung der Texte noch das Geschlecht Auswirkungen auf die antizipierte Zugehörigkeit, den erwarteten Bewerbungserfolg oder die Bewerbungsabsichten. Männer sind einfach stumpf. Ob Formulierungen in Stellenanzeigen, ob weiblicher oder männlicher Recruiter – Männern ist es einfach egal. Oder, um es mit Grönemeyer auszudrücken:
Männer können alles, Männer müssen durch jede Wand, müssen immer weiter, Männer sind furchtbar schlau, Männer bauen Raketen, Männer machen alles ganz genau. Männer haben’s schwer, nehmen’s (aber manchmal möglicherweise zu) leicht.
Anders gesagt haben Männer offenbar eine niedrigere Schwelle für die Passungseinschätzung und neigen dazu, mehr Selbstvertrauen zu haben, als Frauen. Möglicherweise neigen sie aber auch zu Selbstüberschätzung.
Was bedeuten die Ergebnisse der Forschung für Ihre tägliche Recruiting-Arbeit?
Die Ergebnisse der beiden Studien zeigen, dass stereotypisch männliche Formulierungen die Bewertung von Karriereentwicklungsprogrammen durch Frauen negativ beeinflussen. Stereotypisch männliche Formulierungen in Stellenanzeigen führten bei Frauen, aber nicht bei Männern, zu einer geringeren antizipierten Zugehörigkeit, einem geringeren erwarteten Erfolg einer Bewerbung und letzten Endes zu einer geringeren Absicht, sich zu bewerben. Diese negativen Effekte der Wortwahl konnten nur bei jüngeren Frauen durch einen weiblichen Recruiter gemildert werden.
Wichtig ist, dass nur bei einem männlichen Recruiter stereotyp-maskuline Formulierungen die Passungswahrnehmung der jüngeren Frauen und folglich ihre Bewerbungsabsichten negativ beeinflussten. Nur wenn beide männlich geprägten Signale kombiniert wurden – maskuline Formulierungen und männlicher Recruiter – wurde die Bewerbungsbereitschaft auf Karriereentwicklungsprogramme gemindert. Bei einem weiblichen Recruiter schien die Formulierung keinen Einfluss auf die antizipierte Zugehörigkeit, den erwarteten Bewerbungserfolg und die anschließende Bewerbungsabsicht zu haben.
Während sich die Formulierung des Textes auf Frauen aller Altersgruppen auswirkte, milderte eine Recruiterin die negativen Auswirkungen der männlichen Formulierung nur für jüngere, nicht aber für ältere Frauen. Das Ergebnis, dass weibliche Recruiter weniger Einfluss auf die Wahrnehmung älterer Frauen haben, stimmt mit früheren Argumenten überein, dass unerfahrene Personen stärker von Oberflächenmerkmalen wie dem Geschlecht des Recruiters beeinflusst werden.
Da stereotyp weibliche (also kommunale) Eigenschaften im Allgemeinen als inklusiv und sehr positiv wahrgenommen werden, sollten Sie Ihrer Bewerberkommunikation mehr weibliche Attribute widmen. Die hier vorgestellten Ergebnisse, die die Signaling-Theorie unterstützen, legen nahe, dass schon kleine Veränderungen in den Signalen, die Arbeitgeber aussenden, das Interesse an Karrieremöglichkeiten respektive einer Bewerbung erhöhen können.
Abschließende Handlungsempfehlungen
Auch wenn sich die Forschungsergebnisse auf Karriereentwicklungsprogramme beziehen, sollte eigentlich klar sein, dass man die Register einer wertschätzenden Bewerberansprache immer und überall ziehen sollte. Egal für welche Position, welches Alter, welches Geschlecht, welche Branche etc.
Wie heißt es so schön: Wer f….n will, muss freundlich sein. Übersetzt heißt das für Sie: Wenn Sie beim Bewerber egal welchen Geschlechts punkten wollen, müssen Sie ihm mit Wertschätzung und auf Augenhöhe begegnen. Immer. Stichwort Candidate Centricity.
Die Ergebnisse zeigen, dass Karrieremöglichkeiten – oder generell Ihre Jobs – mit kommunaleren und weniger stereotypisch-männlichen Signalen beworben werden sollten. Insbesondere stereotyp weibliche Formulierungen in Stellenanzeigen und auf Karriereseiten sind ein Signal der Geschlechterinklusivität, die Unternehmen aussenden sollten, um die erwartete Zugehörigkeit von Frauen zu erhöhen. Wie das funktioniert, verrate ich Ihnen im Detail in einem weiteren Blogpost. Hier ein paar erste Empfehlungen.
Stellenanzeigen
Stellentitel: Insbesondere dann, wenn Sie gezielt Frauen ansprechen wollen, sollten Sie das bereits im Titel kenntlich machen. Ein Controller (m/w/d) ist definitiv der falsche Weg. Ich appelliere nach wie vor für den Asterisk, also das Erklär-, nicht das Gendersternchen!, den Sie z. B. auch so anwenden können: Controllerin*. Oder meinetwegen auch so: Controller:in. Ergänzt um die entsprechende Erklärung. Siehe dort.
Text/Inhalt: Werben sie mit “kommunalen” Verben. Mit Verben zu werben fördert ohnehin eine wertschätzende Ansprache (die von Frauen wie Männern gleichermaßen geschätzt wird). Durch das Verwenden kommunaler Verwendungen setzen Sie dem Ganzen die Krone auf. Und natürlich sollten Sie den Nutzen von insbesondere für Frauen besonders attraktiven Mitarbeitervorteilen in den Fokus rücken.
Kontakt: Suchen Sie für die Stelle bevorzugt Frauen, sollten Sie eine Ansprechpartnerin benennen, idealerweise mit Bild, das sorgt für zusätzliches Vertrauen und antizipiert eine bessere Passung.
Karriere-Website
Für Ihre Karriere-Website gilt im Prinzip das oben genannte. Werben Sie mit (weiblichen) Verben. Verwenden Sie weibliche Vorbilder (“Role Models”) in Bildern, Employer-Branding-Videos und Testimonials.
Jobmessen
Setzen Sie auf weibliches Standpersonal. Arbeiten Sie an Ihrem Auftreten und Ihrer Wortwahl.
Und nun viel Erfolg bei einem zielführenderen Diversity-Recruiting!
Wenn Sie Lust haben, sich durch den kompletten Artikel zu wühlen, diesen finden Sie auf Englisch auf researchgate.com.
Tobias Riecker
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