27. April 2015
Arbeitgebermarke: Employer Branding macht jeder. Oder?
Lesezeit: 7 Min. Employer BrandingPersonalmarketingRecruiting
Genau wie Sie “nicht nicht kommunizieren können”, können Sie nicht nicht Employer Branding betreiben. Sie kennen doch das Buch von Paul Watzlawick “Anleitung zum Unglücklichsein“, oder? Bestimmt war das auch bei Ihnen auch Pflichtlektüre im Schulunterricht. Vor allem die Geschichte mit dem Hammer ist bei mir hängen geblieben. Und dass man nicht nicht kommunizieren kann. Und genau das Gleiche gilt auch für Sie als Arbeitgebermarke. Selbst, wenn Sie kein Employer Branding “betreiben” – ob Sie es wollen, oder nicht – Sie tun es doch!
Für alle, die das Buch bzw. Zitat von Paul Watzlawick nicht kennen:
“Man kann nicht nicht kommunizieren, denn jede Kommunikation (nicht nur mit Worten) ist Verhalten und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren.”
Bewerberkommunikation zahlt immer auf die Arbeitgebermarke ein
Stimmt auffallend. Und das nicht nur im “echten Leben”, sondern auch in der Kommunikation mit dem Bewerber. Oder der Nicht-Kommunikation. Denn egal, was Sie machen – ob Sie nun um Bewerber werben oder nicht – Sie betreiben damit Employer Branding. All das, was Sie an jedem x-beliebigen Touchpoint Berührungspunkt gegenüber Bewerbern von sich geben (oder eben auch nicht) zahlt, ob gewollt oder nicht, zu 100 Prozent auf Ihre Arbeitgebermarke, also ihre “Employer Brand” ein.
Definition Employer Branding
Wir erinnern uns, per Definition beschreibt Employer Branding alle Maßnahmen, die ein Unternehmen ergreifen kann, um sich gegenüber potenziellen Bewerbern (und seinen Mitarbeitern gegenüber) als attraktiver Arbeitgeber darzustellen.
Wenn man so möchte, machen sich Unternehmen beim Employer Branding Konzepte aus Marketing und Markenbildung zu Nutze, um sich bei potenziellen Bewerbern (und den Mitarbeitern) als attraktiver Arbeitgeber positionieren. Die so genannte Arbeitgebermarke (oder neudeutsch Employer Brand) soll bewirken, dass potenzielle Bewerber auf das Unternehmen aufmerksam werden und Mitarbeiter sich ihrem Arbeitgeber verbunden fühlen (also nichts anderes, als diverse Personalmarketing-Ansätze dies auch tun. So viel zum Thema alter Wein in neuen Schläuchen bzw. warum Raider jetzt Twix heißt). So zumindest die grobe Theorie, letztendlich beschränkt sich Employer Branding in vielen Unternehmen aber auf eine Bunte-Bildchen-Kampagne. Außen hui, innen pfui.
Jegliche Maßnahmen, die nicht ergriffen werden, sind auch Employer Branding
Nehmen wir uns Watzlawicks These nun wieder an, bedeutet das bezogen aufs Arbeitgebermarketing, dass jegliche Maßnahmen, die nicht ergriffen werden, auch Employer Branding sind. Nur eben kein so gutes :). Insofern sollten wir uns also bemühen, möglichst offen und ehrlich mit Bewerbern zu kommunizieren. Also nicht, dass es nicht offen und ehrlich wäre, nicht zu kommunizieren. Das wäre genauso authentisch, als wenn Sie dem Bewerber den roten Teppich ausrollen und ihm bildlich gesprochen die Füße küssen (nennen wir es neudeutsch einmal Candidate Centricity), um ihm damit die (in den meisten Fällen zumindest) notwendige Wertschätzung entgegen zu bringen. Klar, viele sind auf der Suche nach einem Job. Auf der anderen Seite aber sind auch viele Unternehmen auf der Suche nach Bewerbern. Und wäre es unter eben dieser Voraussetzung nicht gut, alles dafür zu tun, um diese immer rarer werdenden Talente zu umgarnen? Und den Bewerber nicht als lästigen Bittsteller zu sehen? (Umgekehrt sehen so einige die Arbeitgeber schon als lästige Bittsteller beim Bewerber).
Eben. Wenn dann aber Personaler also – wie so viele da draußen – gar nichts tun, um auf sich als Arbeitgeber aufmerksam zu machen (und stattdessen lieber den so genannten Fachkräftemangel für die nicht vorhandenen Recruitingaktivitäten als Schuldigen ins Feld führen), kommunizieren sie trotzdem etwas. Nämlich schlicht und einfach, dass gar kein Interesse an den Bewerbern besteht. Egal, welche HR-Maßnahme Sie ergreifen, es lässt sich an diesen wunderbar ablesen, welchen Stellenwert Mitarbeiter und Bewerber einnehmen und welche Wertschätzung man ihnen entgegen bringt – oder aber welchen Stellenwert das Personalmarketing (respektive Employer Branding) im Unternehmen einnimmt.
Die Stellenanzeige als Indikator für die Unternehmenskultur?
Vor Kurzem erzählte mir ein Freund, der sich gerade im Bewerbungsprozess befindet, welche Faktoren seine Auswahl nach seinem künftigen Brötchengeber beeinflussen. Er schaut sich gut an, wie Stellenanzeigen, Karriere-Website oder auch die Social-Media-Präsenz gestaltet sind und schließt von diesen auf die Unternehmenskultur und die Wertschätzung, die Mitarbeitern und Bewerbern entgegen gebracht wird. Sie dürfen raten, wo er sich bewirbt.
Ich weiß, ich weiß, oft sind Ihnen die Hände gebunden. Sie können gar nichts für diese Misere. Weil sich die Geschäftsführung nicht mal ansatzweise der Wichtigkeit von Personalmarketing (oder nennen wir es “Employer Branding”) bewusst ist. Personalabteilungen als überflüssiges Gedöns gewissermaßen. Personalmarketing? Das ist doch Stellen schalten, wenn es erforderlich ist. Strategie? Brauchen wir nicht. HR? Das sind doch die, die sich um Lohnabrechnung und Zeugnisse kümmern und dann und wann eine Anzeige in der lokalen Presse schalten. Oder je nachdem, wenn es mal eine richtig wichtige Stelle ist, vielleicht auch in der FAZ.
Tatsächlich lässt sich anhand der verschiedenen Personalkommunikationsmaßnahmen wunderbar ablesen, welche Rolle die Mitarbeiter oder aber das Personalmarketing selbst in einem Unternehmen spielen. Wenn also beispielsweise eine Stellenanzeige lieblos gestaltet wurde (was leider kein Einzelfall ist), Mitarbeiter als Ressourcen degradiert werden oder der Karriere-Button gut versteckt ist, wenn ein Social Media-Account total vernachlässigt wird, so lassen sich durchaus Rückschlüsse auf die Wertschätzung bzw. den Stellenwert der genannten Zielgruppen – und damit aufs Employer Branding – ziehen. In den genannten Fällen gibt es die eben nicht.
Employer Branding: Sie können nicht nicht mit dem Bewerber kommunizieren
Selbst wenn Unsummen in eine Employer-Branding-Kampagne investiert werden – wenn der Rest nicht stimmt, waren alle Bemühungen für die Katz. Wobei das Kreieren einer Arbeitgebermarke ohnehin nach hinten losgeht, da das kein nachhaltiger Ansatz ist und ein Claim oder eine Kreativkampagne noch lange keine Arbeitgeberpositionierung und schon gar nicht Employer Branding ausmachen.
Auch wenn Personaler auf einer Jobmesse lieber das Gespräch mit den Kollegen suchen oder sich Smartphone oder Latte Macchiato widmen (oder beides), als sich dem interessierten Bewerber zu widmen, heißt das so viel wie: Lass mich in Ruhe, du störst. Auch hier ist es unmöglich nicht nicht zu kommunizieren. Und nicht nicht auf die Arbeitgebermarke (neudeutsch: Employer Brand) einzuzahlen. Und so denken sich die Bewerber dann eben “Okay, die haben’s wohl nicht nötig” und wenden sich dem nächsten Stand zu. Dessen Standpersonal sich hoffentlich besser bewusst ist, weswegen sie sich da eigentlich die Beine in den Bauch stehen.
Oder nehmen wir die Karriere-Website. Wenn ich denn irgendwann den Karriere-Bereich gefunden habe (warum sollte das auch ein Menüpunkt in der Hauptnavigation sein? Punkte wie Presse oder Kontakt sind ja so viel wichtiger!) lesen Sie dann dort die Floskel “Bei uns steht der Mitarbeiter im Mittelpunkt“ oder “Die Mitarbeiter sind unser höchstes Gut”. Googeln Sie mal exakt diese Phrasen. Sie werden überrascht sein, wie viele Suchergebnisse Ihnen angezeigt werden!
Employer Branding per “Copy and Paste” sozusagen.
Oder aber man sieht Gesichter, die man schon vorher auf anderen Seiten gesehen hat (ich bin immer wieder überrascht, dass ein und die selben Mitarbeiter offenbar in hunderten von Unternehmen arbeiten. Schon sensationell irgendwie) – weil man sich offensichtlich aus der gleichen Bilddatenbank bedient – oder eben gar keine.
Sollten bei Ihnen also die Mitarbeiter wirklich im Mittelpunkt stehen und ihr höchstes Gut sein, so zeigen Sie dies auch. Lassen Sie sie zu Wort (und Bild) kommen und erzählen Sie anhand praktischer Beispiele, wofür Sie als Arbeitgeber stehen. Zeigen Sie, wer Sie wirklich sind und kommunizieren Sie auf Augenhöhe mit den Bewerbern!
Auch der Bewerbungsprozess zahlt aufs Employer Branding ein!
Und vergessen Sie dabei bitte nicht Ihren Bewerbungsprozess. Schon mit einem nutzerunfreundlichen Bewerbermanagement-System kommunizieren Sie etwas: “Ist mir doch egal, ob die Bewerber an unserem Formular oder unseren Bewerbungsprozessen verzweifeln”. Selbst Ihr Bewerbungsformular hat massive Auswirkungen auf Ihre Arbeitgebermarke!
Und dann, wenn er sich bewirbt, erhält er ein liebloses Anschreiben, was eher der Feder eines Finanzbeamten anstatt eines von Leidenschaft getriebenen Personalmarketiers zu entstammen scheint. Vorausgesetzt, er erhält überhaupt eins. Ist ja lange keine Selbstverständlichkeit. Übrigens: Wer sagt eigentlich, dass standardisierte Bewerberschreiben nicht wertschätzend sein können? Eben!
Auch in diesem Falle kommunizieren Sie (bzw. “betreiben” Employer Branding, ob Sie wollen oder nicht. Der Grund: siehe oben.
Bedenken Sie also, dass jeder Kontakt zu Ihrem Bewerber, jede Form der Kommunikation, auch auf Ihr Employer Branding bzw. Ihre Arbeitgebermarke einzahlt. Und ich glaube wir sind uns einig, dass dieser Eindruck positiv sein sollte. Denn das haben wir ja gelernt:
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Bewerbungstipps - für Arbeitgeber
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Peter M. Wind