Jeder Besucher Ihrer Website ist ein potenzieller Bewerber

Lesezeit: 7 Min. Karriere-WebsitesRecruiting

Dieses Mantra predige ich ja nun schon geraume Zeit: “Jeder Besucher Ihrer Website ist ein potenzieller Bewerber.” Jeder. Wirklich jeder. Wenn nicht Bewerber, so zumindest Multiplikator. Deswegen ist das wichtigste Kriterium Ihrer Karriere-Website auch, dass man sie findet. Also die Auffindbarkeit. Weshalb der Karriere-Button ja auch unbedingt – und ohne jegliches wenn und aber – in die Hauptnavigation gehört. Dass es darum immer wieder Diskussionen geführt werden, ist mir ehrlich gesagt unverständlich. Denn was ist das wichtigste Gut eines Unternehmens? Und so steht es ja immer wieder plakativ auf vielen seelenlosen Websites – der Mitarbeiter.

Ohne die richtigen Mitarbeiter läuft kein Unternehmen. Insofern sollte ich als Arbeitgeber doch alles in meiner Macht stehende tun, genau diese möglichst frühzeitig anzusprechen. Und was ist dafür besser geeignet, als die eigene Website? Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob Großkonzern oder Kleinunternehmen. Wenn Sie als Unternehmen nicht auf sich als Arbeitgeber aufmerksam machen, werden Sie auch nicht als solcher wahrgenommen. Da gibt es Unternehmen wie bspw. die Telekom, auf deren Website monatlich mehrere Millionen Zugriffe entfallen. Die Telekom sucht händeringend. Bspw. für die ganzen T-Punkte all überall im Land. Wäre es nicht naheliegend, die Besucher der Website, die ja offensichtlich eine gewisse Affinität zu den Produkten hegen, auch auf Jobs – bspw. eben in diesen T-Punkten aufmerksam zu machen? Wäre es. Aber es ist ja viel einfacher, über den so genannten Fachkräftemangel zu jammern, als sinnvolle Wege zu beschreiten. Nur um das richtig zu stellen: Die Telekom ist da nicht alleine. Das trifft auf Tausende von Unternehmen zu.

Differenzieren zwischen aktiv und passiv Suchenden

Es gilt immer zu differenzieren, zwischen den Bewerbern, die Ihre Website bewusst aufsuchen, um dort Informationen über Sie als Arbeitgeber oder “nur” Stellenangebote zu suchen und denen, die nicht aktiv auf Jobsuche sind, aber dankbar sind für den dezenten Wink mit dem Zaunpfahl (also die so genannten passiv Suchenden. Kann man passiv suchen? Ist das nicht ein Widerspruch an sich? Bedeutet Suchen an sich nicht Aktivität? Bin ich dann nicht doch wieder aktiv? Wäre vielleicht “latent” besser? Wie auch immer, wir verstehen uns, oder?). Schließlich haben gemäß Gallup Engagement Index 2015 nur 16 Prozent (in Worten: SECHZEHN!) der Deutschen eine hohe emotionale Bindung an ihren Job.

Gallup Engagement Index Deutschland 2015 - Quelle Gallup

Auch wenn man aus den übrigen 84 Prozent (wovon übrigens 16 Prozent “eine keine” emotionale Bindung aufweisen und die übrigen 68 Prozent eine geringe) nicht unmittelbar darauf schließen kann, dass jeder wechselwillig ist (schließlich gibt es viele, für die der Job eben nur Job ist und die innerlich gekündigt haben, aber einfach den Arsch nicht hoch kriegen oder zufrieden sind, mit dem, was sie haben), dennoch: Wenn Sie diese Menschen mit spannenden Perspektiven locken können, bleibt eine genügende Anzahl an potenziellen Bewerbern übrig. Und die müssen Sie eben auch ködern, sprich einen Impuls setzen, sich mit Ihnen als Arbeitgeber auseinander zu setzen. Und auch wenn man denen, die gezielt auf der Suche nach Jobs sind, etwas mehr Frustrationstoleranz einräumen könnte (selbst wenn diese ja ganz gezielt und bewusst bei Ihnen nach Jobs suchen, sollte man sein Glück nicht überstrapazieren), sollte man auch diesen hoffnungsvollen Menschen den Weg so einfach wie möglich machen.

Übrigens, ein Scheinargument, wie ich es einmal gehört habe, möchte ich nie wieder hören. Es handelte sich dabei um ein Einzelhandelsunternehmen mit Online-Shop. Der Marketing-Verantwortliche war der Meinung, dass sich der Jobs-Link eben immer unten im Footer befindet. Das wäre gängige Praxis. Nun, nur weil etwas gängige Praxis ist, ist es noch lange nicht gut. Ist eben immer alles eine Frage der inneren Haltung. Aber das nur am Rande.

Jeder Besucher Bewerber Ihrer Website ist ein potenzieller Bewerber

Witzigerweise habe ich gerade zwei gute Beispiele gefunden, wie man die Aufmerksamkeit der Website-Besucher erlangt. Beide Beispiele kommen aus Österreich, wo ich vor Kurzem acht Tage mehr oder weniger freiwilligen Digital-Detox-Urlaub verbracht habe. Tatsächlich war geplant, die Erreichbarkeit auf ein absolutes Minimum zu beschränken. Das daraus sogar mehr wurde, lag dann an der Tatsache, dass mir mein Smartphone auf dem Weg in den Urlaub ins Klo gefallen ist. Deswegen meine unbedingte Empfehlung: Smartphone nicht in die Gesäßtasche.

Ich machte an einem Ort Urlaub, der doch relativ abgeschnitten ist vom Rest der Welt. Vor allem, wenn man ohne Auto reist. Da muss man sich natürlich im Vorfeld anschauen, wo es das Nötigste zum Leben gibt und wie man da hinkommt. Ich wusste, dass im nächsten Ort ein MPreis ist (eine Art Österreichischer REWE) und brauchte noch die Info, wo genau der ist und wie die Öffnungszeiten sind. Was machte ich also, ich schlauer Fuchs, ich? Ich tat das, was Millionen Menschen rund um den Globus (und mehr Bewerber als Sie denken mögen) tun: Ich googelte. Und wurde fündig. Und obwohl das eigentlich nicht geplant war, bekam ich auch noch eine Steilvorlage für einen Blogartikel. Nämlich diesen.

Nutzen Sie Ihre Unternehmens-Homepage für die Bewerberansprache!

Denn auf der MPreis-Startseite (also der Homepage) prangen gleich mehrere unübersehbare Hinweise auf Jobs und Trainee-Programm bzw. den Arbeitgeber MPreis. So findet man zwischen “Öffnungszeiten” und “Online-Supermarkt” die Hinweise zum Trainee-Programm. Und zwischen “Ihr Metzger vor Ort” und der “Newsletter-Anmeldung” den Link zur Online-Bewerbung. Nun gut, über die Platzierung lässt sich streiten. Vor allem als Flexiganer. Und dass die Navigation dringendst einmal überarbeitet werden müsste und auch die Inhalte dringendst optimiert werden müssten, sei nur am Rande erwähnt. Über die Bewerbung müssen wir auch nicht sprechen.

Aber immerhin – ein Besucher der Website, der sich über was auch immer informieren will – eben bspw. Öffnungszeiten oder den Metzger vor Ort- wird unmittelbar auf Karriere-Möglichkeiten bei MPreis aufmerksam gemacht. Und darum geht es in diesem Artikel. Um Auffindbarkeit unmittelbar von der Homepage (idealerweise sogar von einzelnen Unterseiten). Dies ist gewährleistet durch den Karriere-Link in der Hauptnavigation. Oder eben – wie in diesem Beispiel – zusätzlich im “normalen” Umfeld, zwischen Produkthinweisen und Gewinnspielen.

M-Preis nutzt seine Unternehmens-Website auch zur Bewerberansprache

Nun ist es zwar so, dass der Handel (natürlich nicht nur der) trotz der Tatsache, dass der Beruf des Einzelhandelskaufmenschen der beliebteste Ausbildungsberuf ist (was ich wiederum nicht nachvollziehen kann – und ich muss es wissen, war ich doch über Jahre in meinem ersten Leben eben genau das: Verkaufsberater), lauthals über den so genannten Fachkräftemangel jammert (spannend in diesem Zusammenhang die Antwort auf die Frage, wie Unternehmen “dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel im stationären Handel begegnen wollen“: 21,9 Prozent der Befragten wollen nichts unternehmen. Klar, der Handel schrumpft eh. Warum also noch großartig engagieren? ;-) Herr, lass Hirn vom Himmel regnen!). Und da werden dann wieder Riesen-Budgets in sinnentleerte Employer Branding-Kampagnen gesteckt (wohlgemerkt: in die Kampagnen, aber nicht in am Bewerber orientierte Arbeitgeber-Auftritte), anstatt mal die nah liegenden Dinge zu tun und die vorhandenen Potenziale zu nutzen.

Auffindbarkeit alleine reicht nicht aus

Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Natürlich reicht es nicht aus, auf sich als Arbeitgeber aufmerksam zu machen, da muss schon mehr kommen. Nämlich sinnvolle Inhalte, die auf Sie als Arbeitgeber und die Jobs, die Sie zu vergeben haben, einzahlen. Aber bevor sich jetzt alle wie blöde auf Snapchat fürs Recruiting oder Pokémon-Go als Ausbildungsmarketing-Kanal stürzen, sollten die Betroffenen einfach mal das Hirn einschalten (zugegeben, die zunehmende Smartphone-Nutzung, ich möchte sagen: -Sucht, führt natürlich dazu, dass das Hirn geschädigt wird und zwar schneller, als so mancher wahrhaben möchte) und die Wege beschreiten bzw. Medien einzusetzen, die ohnehin da sind und von Tausenden, bei größeren (Handels-)Unternehmen sogar Millonen (!) Kunden genutzt werden.

Nicht von ganz so viel Nutzern wird wohl die Seite von Ötztal Bäck besucht (die ich ebenfalls aufsuchte, um nach den Öffnungszeiten zu schauen). Trotzdem – auch bei diesem 60-Mann-Unternehmen versteht man es, gleich auf der Startseite potenzielle Bewerber auf Jobs aufmerksam zu machen.

Ötztal Bäck-Website mit plakativen Hinweisen zu Jobs und Karriere

Was daraufhin folgt, verträgt allerdings doch einige Optimierung. Denn auch wenn die angebotenen Backwaren wirklich fantastisch sind – echte Informationen mit Mehrwert gibt es dort leider nicht. Dafür ist das alles responsive. Und das ist in Summe deutlich mehr, als so mancher DAX-Konzern auf die Beine stellt.

Trotzdem. Jeder Kunde, jeder Besucher Ihrer Website ist ein potenzieller Bewerber. Oder eben Multiplikator. Auch wenn die Inhalte viel Verbesserungspotenzial aufweisen, ein kleiner Bäcker aus dem Ötztal versteht es besser, auf sich als Arbeitgeber aufmerksam zu machen, als so manch Großer. Insofern setzen Sie alle Hebel in Bewegung, um einfache Besucher Ihrer Website zu Bewerbern zu machen. Alle. So richtig erkannt hat das offensichtlich noch keine der großen deutschen Einzelhandelsketten. Und so findet man den Link zur Karriere eben schamhaft versteckt im Footer. Weil man das ja eben so macht.

Kommentare (2)

personalmarketing2null

Hallo Bernd, ja man muss sich schon wundern. Aber es geht noch besser. Gestern sprach ich mit dem Personalleiter eines 600-Mann-Unternehmens - die haben nicht mal eine Website. Unglaublich, aber wahr... Und bei Unternehmen, bei denen es möglich ist, hat Personalmarketing den heiligen Gralshüter Marketing. Oder Unternehmenskommunikation. Und dann wird's schwierig :)

Bernd

Ein schöner Beitrag. Und dennoch: es erstaunt schon, wie viele Unternehmenswebsites nur auf Kunden ausgerichtet und sehr produktlastig sind. Ich stimme zu, der Karriere-Button gehört in die Haupt-Navigation.
Über den Autor
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Moin! Ich bin Henner Knabenreich. Als Recruiting-Aktivist und Arbeitgebermarkenauftrittsoptimierer helfe ich Unternehmen, mit einer wertschätzenden und menschenzentrierten Ansprache passende Mitarbeiter zu finden. Mein Fokus: Karriereseiten, Stellenanzeigen und eine Bewerbungsarchitektur, die aus Interessenten Bewerber macht. Mein Wissen teile ich auch als Speaker, Personalmarketing-Coach, Berater und als Fachbuchautor der weltweit ersten Bücher über Karriereseiten und Google for Jobs. Ich hinterfrage den Status quo, lege gern den Finger in die Wunde und sage, was ich denke – und nicht, was alle hören wollen. Sie möchten mich für einen erfrischenden Vortrag buchen, eine wirklich funktionierende Karriereseite aufbauen, suchen einen Sparringspartner für Employer Branding oder wollen mit bewerberzentrierten Stellenanzeigen punkten? Dann kontaktieren Sie mich gern per E-Mail oder LinkedIn – ich freue mich auf Sie!
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