22. April 2015
Bewerbermanagementsysteme: Frust statt Lust bei Recruitern
Lesezeit: 7 Min. Karriere-WebsitesPersonalmarketingRecruiting
Alle Welt spricht ja von der Candidate Experience, also den Erfahrungen, die ein Bewerber während des gesamten Bewerbungsprozesses an jedem nur denkbaren Berührungspunkt sammelt (Erstkontakt bspw. via Stellenangebot oder Gespräch auf der Masse, Aufmachung und Inhalt der Stellenanzeige, Bewerbung, Bewerberkorrespondenz, Gespräch, Warten auf den Gesprächspartner, Räumlichkeiten etc. pp. – um nur einige zu nennen). Ganz klar: Der Bewerber steht im Mittelpunkt der Bemühungen (sollte er zumindest). Was aber ist mit dem gemeinen Recruiter? Wie ist es um ihn, um seine „Recruiter Experience“ bestellt? Einen wesentlichen Erfolg zu seinen Bemühungen, tragen E-Recruiting-Software oder auch Bewerbermanagementsysteme bei. Oder eben auch nicht. Denn diese sind leider oft eher mangelhaft.
Diese Erkenntnis liefert zumindest der neueste Report aus dem Hause ICR, dem Institute for Competitive Recruiting von Wolfgang Brickwedde. Das ICR konnte die Meinungen von über 300 Kunden von Bewerbermanagementsystem-Anbietern einsammeln (u. a. SAP E-Recruiting, d.vinci, REXX, Taleo (Oracle), Successfactors, Persis, Umantis, Beesite (Milch&Zucker), Talentlink Lumesse, Peoplesoft, P&I LOGA, Concludis) und eine detaillierte Beurteilung über die von ihnen genutzte Lösung zum Management von Bewerbern ermitteln. In der Summe sind die Ergebnisse für die Anbieter wenig schmeichelhaft. Da gibt’s also noch viel zu tun, bis der Recruiter und schlussendlich dann der Bewerber zufrieden gestellt sind.
E-Recruiting-Software eher mangelhaft
Demnach verfügt nämlich lt. ICR E-Recruiting Software Report 2015 nicht einmal jedes vierte Unternehmen über ein wirklich „sehr gutes“ Bewerbermanagement-System. Also ein System, welches sowohl die Bedürfnisse des Recruiters als auch die des Bewerbers zur „vollsten Zufriedenheit“ erfüllt. Schlimmer noch: Fast 30 % bezeichnen die Leistung ihrer E-Recruiting Software gar als „sehr schlecht oder schlecht“.
Das ist nicht gut. Denn wo die positive „Recruiter Experience“ auf der Strecke bleibt, kommt es beim Bewerber nicht zum Candy Date. Und dass das dann wiederum negativ auf die Arbeitgebermarke einzahlt, ist auch kein Geheimnis.
Zufriedenheit der Recruiter bleibt auf der Strecke
Ein vertiefender Blick auf die Zufriedenheit mit den einzelnen Funktionen der E-Recruiting-Software zeigt den großen Unmut der Nutzer. Denn lediglich vier von 19 Funktionen werden im Durchschnitt mit der Ausprägung „zufrieden“ bewertet, 15 bleiben zum Teil sogar deutlich darunter. Umso erschreckender, wenn man bedenkt, dass solche E-Recruiting Lösungen teilweise schon jahrelang am Markt sind. Welche desaströsen Auswirkungen diese Lösungen auf den Bewerber haben bzw. auch nicht, denn so manch Bewerber nimmt Reißaus, sobald er eines SAP-Recruitingsystems gewahr wird (dann sind die Auswirkung dummerweise auf das Unternehmen desaströs. Einer bleibt also immer auf der Strecke). Bspw. in dem er das System nicht einmal in seinem Browser aufrufen kann ;-).
Woran liegt diese Unzufriedenheit? Sind die Lösungen wirklich nicht gut genug oder sollte der Recruiter etwa zu anspruchsvoll sein? Klar, wir wissen alle. Patentlösungen sind gefragt. Und möglichst wenig Aufwand soll das Ganze machen. Logisch, wir haben ja alle keine Zeit.
Und gerade darum geht es ja: E-Recruiting-Systeme sollen Effizienz UND Effektivität steigern. Das zeigt sich dann in weniger Kosten und schnelleren Recruitingprozessen. Im Idealfall zumindest.
Nutzerfreundlichkeit das Top-Kriterium für Zufriedenheit bei Bewerbermanagementsystemen
Statt umständlich mit E-Mail (die Mehrheit – 51 Prozent – der eingehenden Bewerbungen wird gemäß Social Media Recruiting-Studie über den E-Mail-Posteingang gesteuert), Excel-Listen (26,5 Prozent) oder kleineren Datenbanken zu arbeiten, kann der gesamte Prozess von der Stellenausschreibung über das Active Sourcing von Kandidaten bis hin zum Bewerbungseingang, zur Vorselektion und Interview-Vereinbarung bis hin zur -durchführung komplett in einem System abgebildet werden. Aber genau so wenig wie es die gern gesuchte eierlegende Bewerber-Wollmilchsau gibt, gibt es auch offenbar auch das eierlegende Bewerbermanagementsystem. Zumal hier ja gleich verschiedene Parteien berücksichtigt werden müssen (IT, Recruiter, Fachvorgesetzte, Bewerber – dazu weiter unten mehr).
Schauen wir uns also mal an, wie die Rangfolge der einzelnen Aspekte aussieht:
Nun ist das eine ja das, was man sich wünscht. Und dann gibt es da noch das, was wir Realität nennen. Und da klaffen oftmals Lücken. Wie im richtigen Leben, so auch hier. Denn schaut man sich einmal die Differenz zwischen der Wichtigkeit der genannten Funktionen an und vergleicht diese mit der durchschnittlichen Zufriedenheit, so erkennen wir die Funktionen mit dem vom ICR sog getauften größten „Enttäuschungspotential“:
Unschwer zu erkennen, dass bei Nutzerfreundlichkeit für Recruiter (wie wir gelernt haben, der wichtigste Zufriedenheitsfaktor!), Kommunikation mit den Bewerbern und Durchsuchung des Bewerberpools die Enttäuschung vorprogrammiert ist.
SAP meistgenutzte E-Recruiting-Software
Das dürfte Bewerbern wie ein Schlag ins Gesicht vorkommen. Denn nicht nur gefühlt, auch tatsächlich ist SAP E-Recruiting die meistgenutzte Lösung für das Management von Bewerbern. Was das heißt, weiß jeder, der schon mal Erfahrungen mit dieser nicht nur aus Bewerbersicht nutzerunfreundlichsten Bewerbermanagement-Software gesammelt hat (die angebotenen Softwarelösungen von SAP oder auch Taleo finden nicht die versprochene Zufriedenheit und haben es nicht unter die TOP 5 geschafft. Kleiner Trost: Gänzlich unzufrieden sind diejenigen, die überhaupt gar keine Softwarelösung haben). Auf Platz zwei folgen dann Excel-Blätter oder Accessdatenbanken vor Eigenentwicklungen. Auch interessant: Fast 34 % der teilnehmenden Unternehmen nutzt erst gar keine Software-Lösung.
Wie oben schon geschrieben, sind die Anforderungen hoch an Bewerbermanagementsysteme. Nicht nur Recruiter wollen zufriedengestellt werden: Auch Fachvorgesetzte, die IT-Abteilung (ich sage nur: Datensicherheit!) und natürlich letzten Endes der Bewerber wollen ein positives Erlebnis haben. Die Bedürfnisse dieser Zielgruppen unter einen Hut zu bringen, ist also eine echte Herausforderung!
Die Kollegen aus der IT bevorzugen eine Lösung, die sich einfach in bestehende Systeme integrieren lässt oder idealerweise sogar Teil einer bereits vorhanden IT-Infrastruktur ist (was wohl auch den Erfolg von SAP begründet. Und da die IT ja in vielen Unternehmen ihre Machtposition ausspielt, schaut Kollege in vielen Fällen in die Röhre), damit der Pflegeaufwand gering ist und die Schnittstellenprobleme minimiert werden können.
Fachvorgesetzte wollen einen möglichst einfachen Selektionsprozess, damit die Entscheidung für den richtigen Kandidaten schnell getroffen werden kann und man sich dann wieder den eigentlichen, natürlich viel wichtigeren, Aufgaben zuwenden kann.
Für den Kollegen Recruiter stellt die Nutzerfreundlichkeit den wichtigsten Aspekt einer E-Recruiting Software dar. An Platz zwei stehen die Kommunikation mit Bewerbern/Kandidaten, gefolgt von dem Management des Bewerbereingangs.
Und der Bewerber? Der will natürlich ein möglichst einfaches und kurzes Bewerbungsformular. Am liebsten ist es ihm sogar, nur eine E-Mail zu schicken. In der Stellenanzeige soll ein Ansprechpartner mit Namen und Telefonnummer stehen, die Liste der offenen Stellen sollte aktuell sein und der ganze Prozess sollte verständlich beschrieben sein. Und natürlich möchte er über den Bewerbungsprozess möglichst auf dem Laufenden gehalten werden. Und dass der möglichst fix und wertschätzend ablaufen sollte, muss ich mit Sicherheit nicht erwähnen, oder?
Stacheldrahtbewehrte Schutzmauern
Leider ist es aber so, dass die Unternehmen durch viele der heute noch häufig verwendeten Bewerbermanagementsysteme (insbesondere denen mit den besonders umständlichen Formularen) eine Art von Festung aufbauen. Man zieht eine hohe, gewissermaßen mit „Stacheldraht“ bewehrte, Schutzmauer gegen die anstürmenden Bewerbermassen auf. Nur ein ganz geringer Prozentsatz schafft es, nach einem komplizierten Auswahlprozess ins Innere der Festung. Wenn er denn überhaupt die Muße dazu hat. Denn, ich kann es nicht oft genug betonen: Der nächste Arbeitgeber ist nur einen Mausklick entfernt.
Ob dieser Umgang mit dem Bewerber in Zeiten eines gern kolportierten Fachkräftemangels den Anforderungen des Marktes entspricht? Klare Antwort? Nein! Vielmehr sind Bewerbermanagementsysteme im Wettbewerb um die passendsten Bewerber (denn um diese geht es ja) ein entscheidendes Werkzeug, um Bewerber für sich zu begeistern anstatt dieses wertvolle Gut zu vergraulen. Da sind wir uns hoffentlich einig, oder? Tja, und wo wir gerade bei passenden Bewerbern waren – auch das Bewerbermanagementsystem muss zum Unternehmen passen. Lassen Sie sich also nicht von irgendwelchen bunt blinkenden Präsentation blenden, sondern testen Sie das System vorher auf Herz und Nieren. Nicht ohne vorher die Anforderungen ermittelt zu haben, die das System mitbringen soll, versteht sich.
Nicht in die E-Recruiting Falle tappen
Die Auswahl der richtigen E-Recruiting-Software ist mitentscheidend für den Recruitingerfolg eines Unternehmens. Die Entscheidung für das falsche System kann schnell den gegenteiligen Effekt haben: Bewerber finden z. B. die Stellenanzeigen nicht oder nur schwer oder das Online-Bewerbungsformular führt zu hohen Abbrüchen in der Nutzung. Das wiederum führt nicht nur zu frustrierten, sondern deutlich weniger Bewerbern, zu unzufriedenen Fachvorgesetzten und Recruitern und schlussendlich zu einer Verschwendung von Geld und Zeit. Stellt sich also die Frage, welche Systeme werden genutzt und welche sorgen für die größte Zufriedenheit?
Antworten auf diese Fragen liefert der ICR E-Recruiting Software Report 2015, den Sie hier bestellen können. Und für die Leser von personalmarketing2null gibt’s ein besonderes Schmankerl: Über den Aktionscode PM2.0 gibt’s 10 Prozent Rabatt bei einer Bestellung!
Wenn aus Candidate Experience und Recruiter Experience die User Experience wird
Wolfgang Brickwedde
Wolfgang Brickwedde
Uwe Niemiec
Marc Mertens