16. Mai 2013
Mitarbeiter als Markenbotschafter im Employer Branding: Ist das Testimonial wirklich tot?
Lesezeit: 10 Min. Employer BrandingPersonalmarketingRecruiting
Vor einiger Zeit postulierte ein ehemaliger, von mir geschätzter Kollege aus Minga einmal sehr provozierend das Testimonial sei tot. Seiner Ansicht nach setzen derzeit fast alle Unternehmen auf Testimonials von Mitarbeitern auf ihrer Karriere-Website. Dies sei ein großes Manko, da alle auf das gleiche Stilmittel setzen würden. Zudem sei auf diese Weise keine Positionierung mehr möglich, da die Aussagen allesamt ähnlich und austauschbar seien.
Liegt er da wirklich richtig? Wer, wenn nicht die Mitarbeiter, soll hinter welcher auch immer gearteten Personalmarketing- respektive Employer Branding-Maßnahme eines Unternehmens stehen?
Nun, klar. Der gute alte Burn-E wollte damit provozieren. Ob ihm das gelungen ist, weiß ich nicht. Zumindest hatte das Thema dann seinerzeit auch Jo Diercks in seinem Blog aufgenommen und gleich ein schönes Gegenbeispiel vorgestellt. Mitarbeiter als Testimonial und damit als Markenbotschafter respektive Arbeitgeberbotschafter einzusetzen, halte ich persönlich für sehr gut. Kein anderer kann so gut das Unternehmen nach außen präsentieren, wie ein Mitarbeiter selbst. Grundsätzlich geht es aber auch bei diesem Thema, wie so oft, nicht darum, OB man etwas macht, sondern WIE man etwas macht. Solche Videos oder auch Bilder müssen immer im Kontext stehen. Und sie müssen ehrlich und authentisch sein und insbesondere im Falle des Videos natürlich auch eine Botschaft transportieren. Sie müssen den Mitarbeiter, seine Aufgaben oder sein Arbeitsumfeld und idealerweise auch die Unternehmenskultur und die gelebten Werte transportieren. Das ist gar nicht so einfach, zugegeben. Aber da mir gerade in den letzten Wochen das eine oder andere Beispiel über den Weg lief, möchte ich diese gerne in diesem Kontext vorstellen.
Ich bin Vodafone
Grundsätzlich gefällt mir diese Kampagnenseite recht gut. Die Videos zeigen echte Mitarbeiter – im Arbeitsumfeld, aber auch in privater Umgebung. Emotionale Nähe wird nicht nur durch unterschiedliche Kameraeinstellungen erreicht, sondern auch durch die unverfälschten Aussagen. Hier wurde kein Text auswendig gelernt, sondern spontan agiert.
(Ich bin jetzt mal ganz mutig und werde an dieser Stelle ein Youtube-Video einbinden, auch wenn der EUGH noch nicht sein vielleicht vernichtendes Urteil abgegeben hat :). Mal ganz ehrlich, kein Mensch zwingt Sie, ein Video bei Youtube hochzuladen. Und selbst wenn – Sie haben es in der Hand, ob das Video eingebettet werden kann oder eben auch nicht. Und wenn Sie das nicht wollen, setzen Sie einfach Ihr Häkchen an der richtigen Stelle.)
Wenn ich sage, dass mir die Seite grundsätzlich recht gut gefällt, so heißt das, dass ich der Meinung bin, dass da noch viel Luft nach oben ist. Die Seite heißt “Ich bin Vodafone”, ist letzten Monat online gegangen und zeigt mal gerade drei Mitarbeiter. Etwas enttäuschend, wie ich finde. Wenn ich auch aus eigenen Beratungsprojekten weiß, dass es nicht immer ganz so einfach ist, Mitarbeiter dafür zu begeistern vor der Kamera zu agieren und Gesicht nach außen zu zeigen, so sollte man doch bei einem so großen Unternehmen davon ausgehen, dass sich mehr Mitarbeiter motivieren lassen. Enttäuschend auch, dass diese Kampagnenseite nicht auf der Karriere-Website verlinkt wird. Auch hier werden Potenziale verschenkt. Es ist schon komisch. Alle Welt spricht von Employer Branding (und jeder versteht etwas anderes darunter) und überlegt sich, was denn das Einzigartige am Unternehmen ist, was man draußen kommunizieren kann und das, was am nächsten liegt, wird übersehen? Was macht denn Ihr Unternehmen so unique, so einzigartig? Wenn es nicht Ihre Mitarbeiter sind, wer ist es dann?
Und wo wir gerade bei den verschenkten Potenzialen sind: Die werden auch bei der Einbindung des Videos sichtbar.
Haben wir nicht gerade gelernt, was so wichtig ist, wenn man ein Youtube- (oder auch Vimeo)-Video einbettet. Haben wir. Wenn nicht, hier nachlesen!
Aber auf der Website gibt’s ja auch den Mitmach-Button. Hier kann man sich oder andere vorschlagen, an der Kampagne mitzuwirken.
Also, auf liebe Vodafone-Mitarbeiter! Bewerbt euch!
Tja, die mangelnde Resonanz könnte aber auch daran liegen, dass die Mitarbeiter gerade nicht so glücklich sind. Vodafone plant nämlich, fast die Hälfte seiner bundesweit über 200 eigenen Shops mit insgesamt 1300 Mitarbeitern zu schließen und die Gehälter in den Vodafone-Läden zu kürzen. Ja, stimmt, da fällt so eine Kampagne nicht unbedingt auf fruchtbaren Boden. Aber sollte man vor diesem Hintergrund dann nicht lieber ganz die Seite vom Netz nehmen, als mit so einer unausgegorenen, unfertig wirkenden Lösung für sich zu werben? Nun, vielleicht erklärt das aber auch, warum auch auf der Karriere-Website zwar das Top-Arbeitgeber-Siegel prangt, jegliche Infos zu den Hintergründen aber mal wieder fehlen (wenn Sie das Siegel anklicken kommen Sie auf eine Seite mit ganz vielen tollen Siegeln. Und wenn Sie dann auf das Top-Arbeitgeber-Siegel klicken, kommen Sie nicht etwa auf weiterführende vodafonespezifische Infos, sondern auf die Website vom CRF-Institut).
Nestlé – Good Food, Good Life, Good Job?
Schauen wir uns einmal ein anderes, weiteres ganz frisches Machwerk an. Dies kommt von Nestlé. Ein Unternehmen, von dessen Produkten und deren Methoden ich gar nichts halte, was aber natürlich nicht in meine stets neutrale Beurteilung einfließt. Nestlé hat eine neue Karriere-Website an den Start gebracht und auch dort nutzt man Testimonial-Videos, um das Unternehmen und die Mitarbeiter dem (potenziellen) Bewerber näherzubringen. Ob das auch gelingt?
Übrigens ist Nestlé auch – tada! Top Arbeitgeber! – schon unglaublich, wie viele Top Arbeitgeber es in Deutschland so gibt. Selbstverständlich bleibt auch Nestlé direkt auf der Website eine Antwort schuldig, warum denn dem so ist. Warum auch sollte man mit den (vermeintlichen) Pfunden wuchern, für die man viel Geld bezahlt hat?
Ich würde auch hier gerne wieder Videos einbinden, aber leider hat man bei Nestlé scheinbar nicht die Chancen erkannt, welche die Einbettung von Youtube-Videos mit sich bringen. Also keine Videos :-(.
Was hier gegenüber Vodafone sofort auffällt: Die Spots sind deutlich kürzer und haben damit Werbefilmcharakter. Eine wirkliche Botschaft kommt da nicht rüber. Auch sind alle Testimonials alle in der gleichen Umgebung geshootet. Einblicke in den Arbeitsalltag? Fehlanzeige? Aufbau einer Emotionalität, Spürbarmachen der Unternehmenskultur, Schaffen von menschlicher Nähe? Fehlanzeige. Schade. Da wäre mehr drin gewesen. Zumal ein Unternehmen wie Nestlé ein deutlich größeres Budget haben dürfte, als ein mittelständisches Unternehmen, zu dem ich weiter unten kommen werde. Nun gut, aber zumindest bekommt man ein ungefähres Gefühl von den Leuten, die dort arbeiten.
Hier geht’s zwar um die Karriere-Website von Nestlé Deutschland, aber wie wir ja alle wissen, sitzt die Konzernmutter in der Schweiz. Und die Schweizer haben uns ja nicht nur DJ Bobo, Ricola und Heidi gebracht – nein, sie sind auch dafür bekannt mit frischen Ideen und viel Frechmut im Personalmarketing die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Nun, sagen wir zumindest ein Unternehmen. Nämlich die Verkehrsbetriebe Zürich. Ich glaube, es gibt keinen Verkehrsbetrieb, dem es so gut gelingt, bis weit über die Landesgrenzen hinaus Aufmerksamkeit für seine meist sehr originellen Personalwerbe-Maßnahmen zu sorgen. Und so heißt es nun seit Neuestem:
Employer Branding bei den VBZ: Wir bewegen Zürich – täglich 24 Stunden
Hierbei handelt es sich um eine Microsite (also eine vom eigentlichen Unternehmensauftritt losgelöste Website), auf der der Betrachter sich einen Eindruck über die Vielfalt der Menschen und der Berufe bei den VBZ machen kann.
Folgende drei Ziele werden mit dieser Kampagnensite verfolgt:
- Die grosse Vielfalt an Berufen und spannenden Menschen anschaulich machen.
- Schichtarbeit und ihre Vor- und Nachteile aufzeigen.
- Die guten Anstellungsbedingungen und die Vorzüge der Arbeitgeberin VBZ authentisch, ja fast schon spielerisch, kommunizieren.
24 ganz unterschiedliche Mitarbeiter lassen Interessierte genau eine Stunde an ihrem Berufsalltag teilnehmen.
Jeweils eine Stunde aus dem realen Berufsalltag der Mitarbeiter ist mit einem kurzen “Protokoll” beschrieben und wird entweder durch Fotos oder Videos aus dem Arbeitsalltag oder sogar mit Comics bebildert.
Mehr zu den Hintergründen und der Idee der Microsite (die im Übrigen auch intern, also von Mitarbeitern “ausgebrütet” wurde und nicht von einer Agentur) finden sich im Blog von personalblogger Jörg Buckmann, also unbedingt lesen! Und apropos Mitarbeiter als Markenbotschafter: Auch der Autor selber ist ein wunderbares Beispiel dafür, welchen Einfluss einzelne Mitarbeiter auf die Außenwirkung und die Bekanntheit eines Unternehmens haben können.
Mitarbeiter als Markenbotschafter
Und wo wir schon gerade dabei sind. Viele Unternehmen erlangen ihre Bekanntheit erst durch das Engagement ihrer Mitarbeiter, die den Namen durch ihren unermüdlichen Einsatz und ihr Engagement nach außen tragen und damit auch Zielgruppen erreichen, denen diese Unternehmen bis dato unbekannt waren. Hier wäre bspw. Florian Schrodt, Kopf hinter der DFS Facebook-Page und Initiator des Azubiblogs. Und apropos Azubiblog: Da sind natürlich auch die Azubis der DFS, die diesen Blog erst möglich machen oder sogar eigene Videos erstellen. In meinen Augen das beste Video, welches anschaulich erklärt, was ein Fluglotse eigentlich so macht. Alles homemade. Großes Kompliment!
Da ist ein Charles Schmidt, ohne den Krones nie die Bekanntheit über die üblichen Zielgruppen hinaus erlangt hätte. Ein Christoph Fellinger, der als Botschafter der Generation Y Beiersdorf potenziellen Bewerbern schmackhaft macht. Oder ein Lukas Zulehner von Brose, der via Facebook und Twitter einen der ganz großen Automobilzulieferer in die Bewerberherzen trägt. Die Blogger von ThyssenKrupp Rasselstein. Nicht zu vergessen auch ein Robindro Ullah, dessen nassforsches Vorgehen in Sachen Twitter oder als “Recruiter Next Generation” für ein positives Außenbild des Arbeitgebers Bahn gesorgt hat. Die Liste ließe sich beliebig fortführen, aber hier soll an dieser Stelle erst einmal genug sein, schließlich möchte ich Ihnen zum krönenden Abschluss noch ein wunderbares Beispiel in Sachen Testimonial-Videos zeigen.
Mitarbeiterportraits bei Immobilienscout24
Ich kann wirklich nichts dafür, dass alle der ausgesuchten Beispiele eines gemeinsam haben: Sie sind alle Top Arbeitgeber. Schon sensationell, oder? Und noch eine Gemeinsamkeit gibt es: Keins dieser Unternehmen verrät, warum es ein solch toller Arbeitgeber ist. Keins. Auch nicht Immobilienscout24 (na gut, ich bin ehrlich. Immerhin erfährt man, dass ImmobilienScout24 besonders in den Bereichen Förderung, Teamgeist, Stolz und Fairness punkten konnte). Und immerhin verweist man dort auf sein kununu-Profil. Alles in allem aber: Perlen vor die (Employer-Branding)-Säue…
Aber auch sonst ist die Karriere-Website eher suboptimal. Auf der Startseite empfangen einen amerikanische Hackfressenzahnpastagrinsegesichter, die man schon auf x anderen Websites gesehen hat. Klar, ist ja auch billiges Stockmaterial von Fotolia. Schade, dass nicht schon auf der Startseite die Potenziale der Mitarbeiterportraits genutzt werden. Ohnehin sind diese unter den 17 (!) Navigationspunkten in der linken Spalte fast nicht aufzufinden. Wenn man sie aber gefunden hat, offenbaren sich einem fünf echte Mitarbeitervideo-Perlen. Hier lernt man nicht nur die Menschen hinter den Kulissen hautnah kennen, bekommt einen Eindruck von den einzelnen Charakteren – toll auch die Vielfalt der hier vorgestellten “Typen” – und auch viel Privates, nein auch die Einblicke in den Arbeitsalltag und die Kultur bei Immobilienscout24 bekommt man zu spüren. Schade nur, dass Immobilienscout24 es nicht versteht, diese Portraits im Rahmen eines klaren Arbeitaufgeber-Auftritts zu nutzen. Ich nutze bewusst nicht den Begriff Employer Branding. Oder können Sie eine klare Linie im Außenauftritt erkennen?
Und mein Favorit, ganz klar Schlomo Schapiro:
Hätte ich einen Preis zu vergeben für das beste Mitarbeitervideo, ich wüsste wer ihn bekäme…
Um auf den Titel zurückzukommen: Nein, das Testimonial ist noch lange nicht tot. Im Gegenteil. Ich glaube, dass die Potenziale da noch lange nicht ausgereizt sind. Wenn mich auch Ihre Meinung dazu interessieren würde – in einem Falle weiß ich es ganz gewiss. Aber bis dahin müssen Sie sich noch etwas gedulden…
Also, was meinen Sie? Haben Mitarbeitertestimonials wirklich ausgedient?
200 Sekunden Time-out: Heute mit Patrick Mollet, Mitgründer von Eqipia | buckmannbloggt.
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