Jobsuchende bevorzugen generisches Maskulinum

Lesezeit: 10 Min. HRPersonalmarketingStellenanzeigen

Befragt man Menschen in Deutschland, was sie eigentlich so vom Gendern halten, so lehnt die überwiegende Mehrheit das ab. Dessen ungeachtet, setzen immer Medien auf eine alles andere als “inklusive” oder “geschlechtergerechte” Sprache. Auch im Personalmarketing, insbesondere in Stellenanzeigen und auf Karriere-Websites versucht man sich an einer “geschlechtsneutralen”, alle Geschlechter inkludierenden Ansprache. Die Betonung liegt auf versucht, denn was man da zu lesen bekommt, lässt einem mitunter die Rückenhaare zu Berge stehen. Insbesondere das “m/w/d” lässt sich kaum aus einer Stellenanzeige wegdenken – und zwar genau in dieser Reihenfolge. Was aber wollen eigentlich Jobsuchende? Welche Form von Stellentitel bevorzugen diese? Ist es das generische Maskulinum oder doch eher “was mit Sternchen“?

Schon seit langem (weit bevor die Diskussion um das “m/w/d” auch nur zu erahnen war) plädiere ich für einen geschlechts”neutralen” Stellentitel. Bzw. für einen Stellentitel, der die Zielgruppe adressiert, die für die Stelle und für die Teamzusammensetzung wünschenswert wäre. Oder einer, der die Frauenquote erhöhen könnte. Was, das wissen wir alle, dank AGG erfolgreich konterkariert wird, aber auch durch zwanghaftes “Gendern” nicht erreicht werden kann. Denn bei allen Vorteilen, die das AGG gebracht hat, letztendlich, machen wir uns doch nichts vor, konterkariert das AGG zielgerichtetes Recruiting und raubt darüber hinaus vielen Bewerbungsprozessen Individualität und Ehrlichkeit. Aber das ist ein anderes Thema.

Wie kann die “geschlechtergerechte” Ansprache von Bewerbern gelingen?

Natürlich stelle ich mitunter mit dem Stellentitel schon die Weichen, wen ich mit meiner Stellenanzeige erreiche. Ob ein “m/w/d” aber zielführend ist, um Frauen oder gar non-binäre Menschen anzusprechen? Wie kann eine “geschlechtergerechte” Ansprache von Bewerbern gelingen? Genau das wollte ich wissen. Gemeinsam mit Softgarden bin ich dieser Frage (und weiteren) nachgegangen. Teilgenommen haben an dieser Umfrage, die von März bis April 2021 lief, 1.442 Menschen jeden Geschlechts. Da die Umfrage anonym war, gibt es keinerlei Rückschlüsse, welchen Anteil Frauen bzw. Männer respektive nonbinäre Menschen haben. Ebenso gibt es keine Informationen zum Alter.

Zuvor werfen wir aber einen Blick auf andere Umfragen, um ein Gefühl für die Thematik zu bekommen.

Gendersternchen bei Deutschen nicht beliebt

Insgesamt vermitteln die Ergebnisse unserer Umfrage zu Stellenanzeigen (dazu in Kürze mehr) ein ähnliches Stimmungsbild wie diverse andere aktuelle Umfragen.

Welche Form sollte man in der deutschen Sprache wählen, um alle Geschlechter anzusprechen?

So antworten bspw. auf die Frage “Welche Form sollte man in der deutschen Sprache wählen, um alle Geschlechter anzusprechen?” am Beispiel “Lehrer” (in einer aktuell noch laufenden Umfrage) knapp die Hälfte (49,8 Prozent; Frauen: 46,1 Prozent, Männer: 52,1 Prozent) mit “Lehrer/Lehrerin”. Die männliche Form (“Lehrer”) bevorzugen 21,3 Prozent der Befragten (Frauen: 21,3 Prozent, Männer: 21,2 Prozent). Auch wenn das Stimmungsbild je Altersklasse und je nach dem, ob Frauen oder Männer befragt wurden, leicht abweicht, so ist das Ergebnis immer nahezu gleichwertig. Das Gendersternchen (“Lehrer*innen) etwa bevorzugen nur 6,8 Prozent der Befragten. Der Gender-Gap (“Lehrer_innen”) fristet mit 1,2 Prozent ein unglückliches Dasein auf dem letzten Platz.

Welche Form sollte man in der deutschen Sprache wählen, um alle Geschlechter anzusprechen - Quellle Civey

Mehr als die Hälfte der Deutschen hält nichts vom Gendern

Auch einer anderen Umfrage zufolge lehnt die Mehrheit eine (vermeintlich) geschlechtergerechte Sprache ab: Laut Welt am Sonntag halten 56 Prozent der Bevölkerung nichts vom „Gendern“ von Begriffen durch ein großes Binnen-I, ein Gendersternchen oder einen Unterstrich in journalistischen und literarischen Texten sowie in politischen Reden. Selbst die Frauen wenden sich dieser Umfrage zufolge mehrheitlich gegen eine „geschlechtergerechte“ Sprache (52 Prozent).

Nur 14 Prozent befürworten eine “gendergerechte” Sprache

Gemäß einer weiteren Umfrage befürworten nur 14 Prozent der Befragten eine gendergerechte Sprache. 41 Prozent finden das Thema wichtig, es kommt aber auf die richtige Umsetzung an. Denn, so bringen es die Befragten richtig auf den Punkt: „Man kann es auch übertreiben“. Mehr als ein Drittel der Befragten spricht sich klar gegen das Gendern aus. “Sie wollen, dass alles bleibt, wie es ist – generisches Maskulinum also.“, fasst es die Pressemitteilung zur Umfrage zusammen.

Welche Form eines “geschlechtergerechten” Stellentitels bevorzugen Jobsuchende?

Insgesamt alles sehr spannende und auch ziemlich eindeutige Werte, wie ich finde. Die Frage ist: Spiegelt sich das auch in der Umfrage unter “echten” Jobsuchenden wider? Denn während bei allen anderen Umfragen quasi “alle” befragt wurden (die Civey-Umfrage etwa wird auf den Websites verschiedener Medien eingebettet und jeder Nutzer kann daran teilnehmen), wurde unsere Umfrage nur an Jobsuchende ausgespielt, nämlich Menschen, die sich über Softgarden E-Recruiting bewerben. Wollen die Menschen – in diesem Falle jobsuchende Menschen – wirklich, dass alles bleibt, wie es ist?

Wollen die Menschen wirklich das generische Maskulinum?

Um eine Antwort auf diese Frage zu erhalten, haben wir am Beispiel des Berufs “Verkäufer” die Befragten um eine Einschätzung gebeten,  welche Form von Stellentitel sie bevorzugen:

Menschen werden immer sensibler im Umgang mit Geschlechtern. Das schlägt sich auch im Stellentitel nieder. Welche Form einer „geschlechtsneutralen“ Formulierung bevorzugen Sie (am Beispiel des Berufs Verkäufer)?

Zur Auswahl standen in etwa die Varianten “Verkäufer (m/w/d)”, “Verkäufer (w/m/d), “Verkäufer*”, “Verkäuferin*”, “Verkäufer:in” und andere. Das Ergebnis ist mehr als eindeutig und hat mich ehrlich gesagt überrascht.

Jobsuchende bevorzugen bei Stellenbezeichnungen das generische Maskulinum

Über 50 Prozent der Jobsuchenden präferieren beim Stellentitel das generische Maskulinum

Das “generische Maskulinum” dominiert ganz klar das Ranking, ob in der Version “Verkäufer (m/w/d)” (28,65 Prozent) oder “Verkäufer (w/m/d)” (22,11 Prozent), in Summe präferieren mehr als die Hälfte der Befragten den Verkäufer, bzw. genauer gesagt: die Berufsbezeichnung Verkäufer. Selbst in der (von mir und vielen anderen Unternehmen präferierten) “Erklärversion” liegt der Verkäufer mit dem Asterisk vor der Verkäuferin mit dem Asterisk. “Ist mir egal”, sagen übrigens 16,34 Prozent der Befragten.

Hier noch mal die Ergebnisse im Überblick:

  • Verkäufer (m/w/d): 28,65 Prozent
  • Verkäufer (w/m/d): 22,11 Prozent
  • Verkäufer/Verkäuferin: 10,22 Prozent
  • Verkäufer:in: 8 Prozent (enthält auch “Verkäufer_in”)
  • Verkäufer* (ergänzt um einen Zusatz wie: „*Dein Geschlecht ist uns egal, Hauptsache du brennst für deinen Job und passt zu uns!“): 8 Prozent
  • Verkäuferin* (ergänzt um einen Zusatz wie: „*Dein Geschlecht ist uns egal, Hauptsache du brennst für deinen Job und passt zu uns!“): 4,10 Prozent
  • Verkäufer*in: 1,32 Prozent
  • Sonstiges: 1,25 Prozent (hier wurde z. B. “Mensch” genannt, was fast schon wieder an den “Kaufmensch” erinnert. Aber auch “Verkaufsprofi”, “Verkaufstalent” oder “Passionierte Persönlichkeit für Verkauf” wurde hier genannt).
  • Ist mir egal: 16,34 Prozent

Welche Schlüsse können und sollten wir nun daraus ziehen? Sicher, das “m/w/d” (genau in dieser Reihenfolge) ist uns in Fleisch und Blut übergegangen. Leider. Insofern ist das Ganze möglicherweise nicht so überraschend, denn Gewohnheiten verändert man bekanntlich nicht so gerne. Sollen wir also weiter am generischen Maskulinum festhalten?

Oder sollen wir der deutschen Sprache trotz dieser eindeutigen Ergebnisse um Teufel komm raus den Garaus machen und auch die Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung oder der Gesellschaft für deutsche Sprache in den Wind schlagen? Sollen wir weiterhin gendern, bis das medizinische Fachpersonal kommt? Schließlich gewöhnen sich die Menschen irgendwann auch ans Gendersternchen, wenn sie es nur oft genug vorgemacht bekommen.

Nur: Es ist eben ein Unterschied, ob sich bspw. Jugendsprache oder Anglizismen in unseren Sprachschatz durch regelmäßigen Gebrauch einschleichen oder ob man sinnfreie Sprachkonstrukte wie bspw. “Ärzt*innen” (so etwas wie einen “Ärzt” gibt es nicht), “eine*n Mitarbeiter*in” (“eine Mitarbeiter” ist genauso falsch wie “einen Mitarbeiterin”) oder “Als Rektorin*Rektor sind Sie hauptberufliches Mitglied und Vorsitzende* Vorsitzender des Rektorats sowie Dienstvorgesetzte*Dienstvorgesetzter” erzwingen will. In manchen Unis erhalten Studierende sogar schlechtere Noten, wenn sie in ihren Arbeiten nicht gendern, in manchen Städten oder Hochschulen werden die dort arbeitenden Menschen gezwungen, zu gendern. Das gibt zu denken.

Geschlechtergerechte und wirklich inklusive Sprache gibt es nicht

Tatsächlich gibt es eine wirklich “geschlechtergerechte” oder auch “inklusive” Sprache nicht. Das wäre Augenwischerei. Irgendeine Partei wird sich immer benachteiligt fühlen. Frauen (wegen des generischen Maskulinums, das sie vermeintlich nur mitmeint). Männer (schließlich wird trotz Sternchen, Strich oder Doppelpunkt dank des “in” das Weibliche betont). Sehbehinderte (von denen es mindestens eine halbe Million in Deutschland gibt und die auf gut funktionierende Screenreader angewiesen sind. Gegenderte Begriffe erschweren das Verstehen der Texte massiv). Menschen, die mit der deutschen Sprache Probleme haben (immerhin über 6 Millionen Menschen in Deutschland haben Probleme, die deutsche Sprache zu lesen und zu schreiben). Von Gerechtigkeit keine Spur.

Aber es sind ja ohnehin unsere Gedanken, die aus einem Begriff etwas entstehen lassen. Während für den einen ganz klar ist, dass der Begriff “Verkäufer” als Oberbegriff für eine Berufsbezeichnung steht und nichts mit dem biologischen Geschlecht zu tun hat, stellen sich andere unter dem Begriff einen Mann vor. Dieses Rollenbild wird nun sogar durch den Online-Duden manifestiert, der den Begriff Verkäufer als “männliche Person” definiert. Eine Verkäuferin, hingegen ist eine “weibliche Person”, [die (besonders als Angestellte eines Geschäfts, Kaufhauses oder im Außendienst eines Unternehmens) Waren oder Dienstleistungen verkauft (Berufsbezeichnung)]“.

Die Gedanken sind frei

Da schließe ich mich der Frage an, ob “Berufsbezeichnungen inhärent männlich sind und daher eine parallele weibliche Form brauchen, oder ob sie inhärent generisch sind und nur deswegen männlich wirken, weil sie historisch nur von Männern ausgeführt werden durften?”

Nun, wie auch immer, die Gedanken sind frei. Und jeder denkt etwas anderes. Aber wissen wir, was andere denken? Es heißt, Sprache forme das Denken. Aber das Denken formt auch die Sprache. Nur: Sprechen wir wirklich so, wie es sich viele der Gender-Befürworter wünschen? Leider sind nämlich die wenigsten “geschlechtergerecht” formulierten Texte weder verständlich noch lesbar, noch vorlesbar, noch grammatisch korrekt. Man stelle sich nur einmal einen gegenderten Tatort vor. Oder “Breaking Bad”. Oder “Atemlos durch die Nacht” oder einen Rap-Song wie “Bläulich”, Weihnachtslieder, eine gegenderte Bibel. Das kann kaum einer wünschen.

Sicher, Sprache gehört allen, die sprechen und schreiben. Alle, die sich aktiv am Sprachgeschehen beteiligen, verändern die Sprache mit (also eigentlich jeder Einzelne von uns). Am Ende ist es die Entscheidung jedes einzelnen, wie er schreibt und spricht. Man kann – so wie es die Jobsuchende gemäß dieser Umfrage bevorzugen – bei gewohnten Formen wie dem generischen Maskulinum und dem “m/w/d” bleiben, man kann aber auch versuchen, geschlechtergerecht zu schreiben. Dabei sollte das Ganze aber lesbar, vorlesbar, verständlich und grammatisch korrekt sein. Wäre zumindest meine bescheidene Empfehlung.

Gendern oder nicht gendern: alles eine Frage der Zielgruppe?

Aber vielleicht variiert man auch. Schaut man sich nämlich die Civey-Ergebnisse einmal im Detail an, so lässt sich erkennen, dass es tatsächlich Unterschiede bei den Präferenzen der einzelnen Altersklassen gibt. So sind jüngere Menschen Gendersternchen & Co. gegenüber aufgeschlossener, als Menschen jenseits der 30. Frauen sind es generell. So wäre es also durchaus eine Überlegung, allein durch die Wahl bzw. Form des Stellentitels (respektive der Verwendung einer intelligenten “geschlechtergerechten” Sprache) bestimmte Zielgruppen für sich zu gewinnen. So könnten Sie also bspw. für eine gezielte(re) Ansprache von (jungen) Frauen auf Gendersternchen & Co. setzen, möchten Sie eher bewusst Männer adressieren (und Frauen eher ausschließen), setzen Sie aufs generische Maskulinum. So können Sie ohne schlechts Gewissen das AGG austricksen. Probieren Sie es einfach mal aus!

Andere Stellschrauben sind möglich

Aber möglicherweise gibt es ja andere Stellschrauben, die wir neben dem Stellentitel und einer bis zur Unkenntlichkeit gegenderten deutschen Sprache in den Blick nehmen sollten. Spoiler: Ja, die gibt es. Und zwar nicht zu knapp. Welche das sind, warum Sie im Recruiting aufs Gendern verzichten sollten und wie es gelingt, auch ohne die deutsche Rechtschreibung infrage zu stellen, eine “geschlechtergerechte” Bewerberansprache zu gestalten, verrate ich Ihnen in den verlinkten Blogartikeln.

 

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Moin! Ich bin Henner Knabenreich. Seit 2010 schreibe ich hier über Personalmarketing, Recruiting und Employer Branding. Stets mit einem Augenzwinkern oder den Finger in die Wunde legend. Auf die Recruiting- und Bewerberwelt nehme ich auch als Autor, als Personalmarketing-Coach, als Initiator von Events wie der HR-NIGHT oder als Speaker maßgeblich Einfluss auf die HR-Welt. Sie möchten mich für einen erfrischenden Vortrag buchen, haben Interesse an einem Karriere-Website-Coaching, suchen einen Partner oder Berater für die Umsetzung Ihrer Karriere-Website oder wollen mit bewerberzentrierten Stellenanzeigen punkten? Ob per E-Mail, XING oder LinkedIn - sprechen Sie mich an, ich freue mich auf Sie!
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