09. Februar 2018
m/w/x oder divers? Das “dritte Geschlecht” und die Stellenanzeigen
Lesezeit: 9 Min. PersonalmarketingRecruitingStellenanzeigen
Sind Sie Ihnen auch schon aufgefallen, die Stellenanzeigen, mittels derer nun auch “diverse” oder “andere” Mitarbeiter gesucht werden? Ob “diverse” Controller, “diverse” Recruiter oder “diverse” kaufmännische Sachbearbeiter, nach den wohlbekannten “m”s und “w”s gesellt sich nun noch das “divers” oder – je nachdem – das “x” bzw. “a” in den Stellentitel, weil wegen des “dritten Geschlechts” alle in AGG-Panik verfallen. Ob das wirklich sinnvoll ist, darüber scheint sich keiner Gedanken zu machen.
Dank eines in seinen Ausmaßen wohl vielen noch nicht bewusst erscheinendem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (wohl auch den urteilssprechenden Richtern selbst), wird nun neben Frau und Mann auch noch die “Intersexualität” als eigenes, “drittes” Geschlecht anerkannt. Was war geschehen – und welche Folgen hat das fürs Personalmarketing respektive das Gestalten von Stellenanzeigen?
Die Karlsruher Richter hatten im November im Fall eines Intersexuellen, der (oder die… oder das?) beim Standesamt seinen Geburtseintrag korrigieren lassen wollte, sich aber weder als männlich noch als weiblich etikettieren lassen wollte, entschieden, dass nun auch eine dritte geschlechtliche Identität akzeptiert werden müsse. Das betrifft zunächst das Personenstandsrecht, der Tatbestand verletzt aber auch das im Grundgesetz verankerte Diskriminierungsverbot – und damit auch das AGG.
Berufsbezeichnungen sind eigentlich (geschlechts)neutral
Und diese Ungleichbehandlung von Menschen wegen ihres Geschlechts haben wir ja nun dank AGG bereits seit über 10 Jahren vor Augen. Zwar wird bei uns bereits seit 1979 geregelt, dass in Ausbildungsordnungen männliche und weibliche Berufsbezeichnungen verwendet werden und auch das Bürgerliche Gesetzbuch wurde schon 1980 um den Paragraphen § 611b BGB ergänzt, indem eine geschlechtsneutrale Arbeitsplatzausschreibung verankert wurde. Dennoch war es wohl das AGG und auch die schon lange tobende Genderdebatte, welches in deutschen Personalabteilungen zunächst zu einer Schockstarre und in der Folge zu blindem Aktionismus führte. Denn fortan wurden sämtliche Stellen, die bisher lediglich die neutrale Berufsbezeichnung bspw. eines “Sachbearbeiters” oder “Buchhalters” oder “Personalleiters” trugen, plötzlich gegendert.
Laut Wikipedia benennt eine Berufsbezeichnung einen Beruf. Jeder Beruf beinhaltet demnach “Tätigkeitsüberbegriffe bzw. Berufsgruppen, z. B. „Sachbearbeiter“, „Techniker“, „Handwerker“, „Gestalter“, „Designer““. “Sprachwissenschaftlich gesehen“, so Wikipedia weiter, “sind Berufsbezeichnungen eine Untergruppe der Personenbezeichnungen, d. h. der Nomen Agentis, die einen der Haupttypen der Substantive darstellen“.
Und obwohl Berufsbezeichnungen an sich ja geschlechtsneutral sind, hieß es auf einmal “Controller/in”, “Controller (m/w)” oder ähnlich. Besonders perfide Ausmaße nahm das Ganze dann an, wenn trotz der bewussten Adressierung des Geschlechts bereits im Stellentitel dann auch im weitergehenden Text von “m”s und “w”s die Rede war, etwa, wenn man etwas von den Mitarbeitern schrieb. Also “Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter” etwa. Oder eben Mitarbeiter (m/w). Spannend daran übrigens, dass sich tatsächlich die Schreibweise “m/w” etabliert hat – und nicht etwa “w/m”.
Genderwahn in Stellenanzeigen
Schwierig wird das Ganze dann zudem bei solchen Positionen, die den “Mann” quasi im Titel tragen. Während eine “Versicherungskauffrau” noch einfach darzustellen ist, wird es bei einer Position eines “Kaufmännischen Leiters” schon schwieriger: “Kaufmännischer Leiter (m/w)” (oder auch “w/m”) bringt uns irgendwie nicht weiter. Auch kein “Kaufmännische/r Leiter/in”. Ein Mann ist per se männlich. Da hilft auch ein w nicht weiter – denn folgen wir der Regel der Stellenausschreibenden, müsste es ja sogar “Kaufmännin” heißen. Oder im Falle eben dieses Kaufmännischen Leiters, Kauffrauliche Leiterin. Was, da stimmen Sie mir mit Sicherheit zu, wenig sinnvoll ist.
Trotzdem findet man durchaus in den Tiefen des Internets (oder aber in den immer dünner werdenden Anzeigenteilen einiger Zeitungen) solche Perlen wie “Empfangsdame (m/w)” oder “Krankenschwester (m/w”) oder auch eine “Immobilienkauffrau als Vertriebsassistent” bzw. einen “Immobilienkaufmann als Vertriebsassistentin”, was es noch anschaulicher macht. Besonders abstrus wird es, wenn Unternehmen aus lauter Verzweiflung (oder political correctness, wer weiß das schon) zu Begriffen wie Kaufmensch greifen …
Dank Schreckgespenst AGG hat sich aber diese den Lesefluss nicht gerade fördernde “m-und-w-isierung” der Stellenanzeigen in deutschen Personalabteilungen manifestiert. Und das geht dann eben soweit, dass selbst eine Dame männlich oder weiblich sein kann oder Bezeichnungen wie bspw. die “Managerin” geschaffen werden. Werfen wir einen Blick über den großen Teich, so stellen wir fest, dass es da keine Managerinnen gibt. Manager ist da Manager. Controller Controller. UX Designer UX Designer undswoweiterundsofort. Das haben wir nun von unserem schönen Denglisch-Wahn. Das “(m/f)”, welches man dann und wann in englischsprachigen Stellentiteln sieht, scheint übrigens auch eine Ausgeburt unseres Genderwahns sein. Denn in englischsprachigen Ländern gibt’s das so nicht.
Nach m/w nun das “dritte Geschlecht”?
Während der deutsche Personaler (m/w) also schon all die Jahre seit Einführung des AGG vor der Herausforderung stand, gesetzeskonforme Stellenanzeigen respektive Stellentitel zu gestalten, muss er nun noch eine weitere Klippe umschiffen. Nämlich, die der Intersexuellen bzw. die des dritten Geschlechts. Genau genommen eigentlich des Urteils des BVerfG. Der Anteil der Intersexuellen hier in Deutschland wird auf ca. 80 bis 120.000 geschätzt, das ist zwar nur ein Bruchteil dessen, was es an Frauen und Männern gibt (das sind jeweils ein paar Millionen) und trotzdem verlangen die Richter, dass man diese Bevölkerungsgruppe nun bitteschön auch berücksichtigen möge. Wie gesagt, ich glaube nicht, dass sie sich dessen bewusst waren, welche Büchse der Pandora sie damit öffneten: Wer kümmert sich um geschlechtergerechte Toilettenräume? Duschen? Umkleiden? Wer übernimmt die Sicherheitskontrollen an Flughäfen? Tatsächlich gibt’s in der Uni Bielefeld ab Sommer “All-Gender-Toiletten”. Schließlich entspräche “die binäre Aufteilung der Klos in Frau und Mann nicht der Vielfalt der Geschlechter“, heißt es auf der Facebook-Seite des AStA.
Und natürlich hat dieses bahnbrechende Gerichtsurteil auch Auswirkungen auf die Stellenanzeigen, so zumindest werden Experten (m/w) in der Süddeutschen Zeitung zitiert. “Da es nun ein drittes Geschlecht gebe, reiche das [m/w, Anmerkung des Verfassers] nicht mehr“, wird ein Fachanwalt für Arbeitsrecht (m/w) bei der Kanzlei Bird & Bird zitiert. Schließlich gelte laut Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz, dass der, der das Geschlecht nicht nenne, sich dem Verdacht aussetze, dieses zu diskriminieren. Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS), “staatlicher Hüter der Gleichbehandlung”, so der Artikel in der Süddeutschen weiter, “rät schon mal zur Vorsicht. “Die Arbeitgeber sollten darauf achten, Personen mit einem dritten Geschlecht nicht auszuschließen“, wird ADS-Chefin (m/w) Christine Lüders zitiert.
Der Blog Arbeitsrechtsberater schreibt: “Empfehlenswert ist deshalb, als zusätzliches Geschlecht zum Beispiel “divers” anzugeben. Ein entsprechender Zusatz in einer Stellenausschreibung würde dann lauten “m/w/divers”.” Der Blog der Kanzlei CMS formuliert es so: “Welcher adäquate Zusatz hier in Frage kommt, ist bisher weder rechtlich noch sprachlich geklärt. Denkbar wäre entweder die Ergänzung um ein „d″ für divers (m/w/d) oder die Verwendung von Hilfszeichen „Ingenieur_In″ oder „Ingenieur*In″ um die Einbeziehung zu verbalisieren.”
Welche Folgen hat das “dritte Geschlecht” fürs Personalmarketing respektive das Gestalten von Stellenanzeigen?
Solche Aussagen wiederum führen erneut zu blindem Aktionismus in den Personalabteilungen der Republik. Und so werden jetzt eben nicht nur “m”s und “w”s gesucht, sondern auch noch “diverse”. Schließlich muss man dem Kind respektive dem Geschlecht ja einen Namen geben. Die Kläger (divers) in Karlsruhe hatten solch einen Eintrag als “inter” oder “divers” verlangt, der Deutsche Ethikrat hatte “anders” vorgeschlagen. Die Richter (m/w) haben keine Vorgaben gemacht. Das bedeutet dann in der Folge z. B.
- Sachbearbeiter (m/w/divers)
- Sachbearbeiter (m/w/d)
- Sachbearbeiter (m/w/inter)
- Sachbearbeiter (m/w/i)
- Sachbearbeiter (m/w/anders)
- Sachbearbeiter (m/w/a)
- to be continued…
Durchgesetzt hat sich offensichtlich das “divers”, so zumindest mein Eindruck, wenn ich mir so manche Stellenausschreibungen anschaue. Ob ein “divers” oder “anders” nicht diskriminierender ist, als wenn da gar nichts steht? Kleine Notiz am Rande: Das Bundesverfassungsgericht selbst hat das dritte Geschlecht noch nicht in seinen Stellenanzeigen aufgenommen – weder im Stellentitel (…/in) noch in der Ansprache der Bewerber (m/w), hier heißt es weiterhin, dass man “die berufliche Gleichstellung von Frauen und Männern gewährleiste“.
Ich hatte ja vor einiger Zeit in meinem Artikel zur geschlechtsneutralen Stellenausschreibung mal das “X” vorgeschlagen: “Sachbearbeiterx”, “Personalleiterx”, “Recruiterx” und so weiter. Klingt nicht eben ansprechend, hat aber den Vorteil, dass ein Stellentitel jetzt viel kürzer ausfallen bzw. Platz für das Wesentliche ist. Möglich wäre auch den bisherigen Stellentitel (also die geschlechtsneutrale, siehe oben, Berufsbezeichnung) um ein Sternchen mit Erklärung zu ergänzen. Z. B. “Sachbearbeiter*” und dann im Kleingedruckten “Geschlecht egal. Hauptsache gut.”, so wie es die Aareal Bank aus Wiesbaden in ihren Stellenanzeigen schon lange macht. Alternativ wäre auch ein “Personalleiter (wer, oder alternativ: welchen Geschlechts, auch immer)”. Grundsätzlich scheint mir die Sternchenlösung am verträglichsten, ließe sich diese doch um weitere Aspekte ergänzen: Geschlecht, Religionszugehörigkeit, Gesinnung, Behinderung….
- Sachbearbeiterx
- Sachbearbeiter*
- Sachbearbeiter (wer auch immer)
- Sachbearbeiter (welchen Geschlechts auch immer)
Übrigens: Auswirkungen hat das Urteil natürlich auch auf die Bildmotive. Nur Männer oder nur Frauen oder aber auch beide darzustellen, ist also künftig tabu. Nehmen Sie stattdessen also Symbolbilder, die können Sie auch günstig auf Bilddatenbanken einkaufen und verwendet außer Ihnen garantiert niemand anders!
Und natürlich heißt es ab sofort auch Finger weg von Zusätzen wie diesem: “Wir fördern aktiv die Gleichstellung von Frauen und Männern. Bei entsprechender Eignung werden schwerbehinderte Menschen bevorzugt berücksichtigt“. Abgesehen davon, dass nicht klar ist, was die Schwerbehinderung mit dem Geschlecht zu tun hat, könnten sich jetzt Menschen, die sich weder als Frau, noch als Mann fühlen, davon benachteiligt fühlen und klagen. Aber Spaß beiseite: Was mich ja bei all dem ganzen AGG-Wahnsinn wundert: Hier haben sie alle Panik und reagieren wie der Pawlowsche Hund, wenn es aber um massive Datenschutzverletzungen à la WhatsApp oder Facebook, fehlerhafte Arbeitsverträge oder nicht ausgezahlte Überstunden geht, oder um das Nichteinhalten der DSGVO, so wie es in vielen deutschen Unternehmen an der Tagesordnung ist, scheinen Personaler auf einem Auge blind. Also, auch wenn die binäre Aufteilung von Stellentiteln in Frau und Mann nicht der Vielfalt der Geschlechter entspricht, entspannt euch!
Update: Mittlerweile ist dieser Artikel einer der meistgelesenen in der nun achtjährigen Geschichte dieses Blogs. Das zeigt, welche Relevanz dieses Thema hat. Aber nicht nur für Stellenausschreibende, sondern auch für Bewerber. Insofern habe ich mich entschlossen, dieses Thema erneut aufzugreifen. Mehr dazu lesen Sie in meinem Artikel m/w/d = männlich/weiblich/… deutsch? – Wie das „dritte Geschlecht“ für Verwirrung bei Bewerber*innen und Recruiter*innen sorgt
Update 2: Mittlerweile ist der oben genannte Artikel nun der meistgelesene Artikel innerhalb 8 Jahre Bloggens. Stand heute (12.12.2018) wurde der Beitrag seit Veröffentlichung im Juli 2018 bereits über 160.000-mal aufgerufen – Tendenz weiterhin steigend. Dieser Artikel immerhin über 100.00-mal. Das zeigt, welche Auswirkungen ein so unüberlegtes Urteil bzw. das unüberlegte Adaptieren des “dritten Geschlechts” auf Stellenanzeigen in der Bewerber- und Recruiterwelt hat.
thomas
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