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weiterlesen10. November 2022
Lesezeit: 8 Min. Employer BrandingPersonalmarketingRecruiting
Lassen Sie uns über Recruiting-Chatbots sprechen. Wie ist es eigentlich um die Akzeptanz der putzigen kleinen Kerlchen sowohl bei potenziellen Bewerbern als auch bei Unternehmen bestellt? Welche Typen von Recruiting-Chatbots gibt es und sind solche Helferlein eigentlich Pflicht – oder können die weg? Antwort darauf geben zwei in jüngster Zeit erschienene Studien und – wie so oft – der gesunde Menschenverstand. Spoiler: Recruiting-Chatbots, zumindest die, die auf Karriereseiten ihr Unwesen treiben, können Sie getrost links liegen lassen.
Bevor wir in die Thematik einsteigen, ist es hilfreich, erst einmal ein Grundverständnis darüber zu schaffen, was ein Recruiting-Chatbot ist. Was er (in den meisten Fällen) nicht ist, auch wenn man ihm gerne das Etikett verpasst: “Künstliche Intelligenz”. Denn von der Intelligenz der (meisten) Menschen sind diese “Assistenten der Recruiting-Abteilung” Lichtjahre entfernt. Obwohl… was habe ich da gerade geschrieben? Manchmal bin ich mir da doch nicht so sicher. Aber Spaß beiseite. Also, was ist ein Recruiting-Chatbot?
Im Grunde genommen ist ein Recruiting-Chatbot ein technisches Dialogsystem, das eine Konversation zwischen Mensch – das kann entweder ein potenzieller Bewerber, ein Recruiter oder auch ein Vertreter der Personalabteilung sein – und diesem technischen System ermöglicht. Die Konversation erfolgt dabei entweder via Text oder Sprache. Das kennen Sie von jedem x-beliebigen Messenger, wie etwa WhatsApp oder der besseren Alternative Signal. Im Wesentlichen bietet ein Recruiting-Chatbot vier Einsatz-Szenarien:
Im Grunde genommen die häufigste Variante. Hier dient die Technologie in den meisten Fällen dazu, eine schlechte UX und mangelhafte Jobsuche ohne Volltextsuche zu kaschieren. Auf diese Weise wird versucht, dem Nutzer die gut versteckten Informationen und Jobs doch irgendwie zugänglich zu machen. Von KI sind diese Tools mindestens so weit entfernt wie der Halleysche Komet im Durchschnitt von der Erde (ca. 150.000.000 km). In den meisten Fällen handelt es sich um regelbasierte Chatbots, also Lösungen, die auf einen Katalog von definierten Fragen und Antworten zurückgreifen. Die meisten davon beherrschen aber selbst die einfachsten Regeln nicht, funktionieren weder in noch außerhalb der Regel und kommen bei der geringsten Abweichung ins Schleudern. Ein KI-basierter (genauer auf Machine Learning basierender) Chatbot hingegen kann im Idealfall anhand der Dialoge dazu “lernen”.
Diese kleinen Helferlein können Bewerber bei (komplexen) Bewerbungsprozessen unterstützen und werden sowohl auf Karriereseiten als auch in Kombination mit Messengern wie WhatsApp – sogar als Alternative zum Bewerbungsformular – eingesetzt. Hier gibt es bspw. auch sprachbasierte Systeme, die sich die Eigenart der Menschen zunutze machen, per Sprachnachricht miteinander zu kommunizieren.
Hier unterstützt der Recruiting-Chatbot den Jobsuchenden, die passenden Jobs zu finden, in dem dieser durch Fragen (auch) an Jobs herangeführt wird, die er qua seiner ursprünglichen Suchintention (und der Neigung der Unternehmen, Jobtitel zu vergeben, nach denen ein Stellensuchender nicht suchen würde) nicht finden würde. Ein auf künstlicher Intelligenz basierender Dialog zwischen Chatbot und potenziellem Bewerber ermöglicht es diesem, auf Jobangebote zu stoßen, ohne selbst aktiv danach zu suchen. Die Technologie zieht Schlüsse aus dem Gespräch mit dem Kandidaten und schlägt dann passende Jobs vor. Sofern die Technologie funktioniert, durchaus ein sinnvolles Einsatz-Szenario.
Der wohl sinnvollste Einsatzbereich für die kleinen Helferlein. Hier werden Recruiter im Tagesgeschäft unterstützt und durch standardisierte Prozesse geführt. Mögliche Szenarien sind das Erstellen einer Stellenanzeige bis hin zur Veröffentlichung, Terminkoordination etc. pp. Bereits 2017 schrieb ich in meinem Artikel Mit Chatbots im Recruiting zur perfekten Candidate Experience:
“Das System erfasst sämtliche Informationen über den Kandidaten, so dass das komplette Recruiting-Team einen Überblick bekommt. Dank schneller und sauberer Vorauswahl durch den Chatbot sind Sie in der Lage, Hunderte von Kandidaten zu handeln und Ihren Bewerbungsprozess so zu beschleunigen. Der Chatbot informiert Bewerber, sobald eine Entscheidung gefällt wurde und informiert über die nächsten Schritte. Der komplette Bewerbungsprozess lässt sich über so ein System abbilden. Natürlich mit Anbindung an Ihr E-Recruiting-System, versteht sich von selbst, oder? Also im Idealfall zumindest ;)”
Dass wir von diesem Idealfall auch 5 Jahre später noch weit entfernt sind, dürfte ziemlich offensichtlich sein. Die Akzeptanz von (Recruiting)-Chatbots war auf Seiten potenzieller Bewerber bisher immer ziemlich verhalten, wie nachfolgend noch einmal zitierte Studienergebnisse belegen mögen:
Die Ergebnisse sind ziemlich eindeutig. Chatbot, nein danke. Doch wie sieht es heute, im Jahr 2022 aus? Hier vermitteln zwei Studien zumindest einen groben Eindruck, das Barometer Personalvermittlung 2022 von BAP (nicht die legendäre Kölsche Rockgruppe, sondern der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister) und index Marktforschung sowie die Auswertung einer Umfrage unter Studenten der Hochschule RheinMain und München, Akzeptanz von Recruiting-Chatbots.
Laut Barometer-Studie nutzen 3,7 Prozent der befragten Unternehmen Recruiting-Chatbots auf Karriereseiten “zur Beantwortung von Fragen” (unter den Personalvermittlern sind dies über 10 Prozent). In Bezug auf die zukünftige Nutzung können sich 28,8 Prozent der befragten Unternehmen und 35,7 Prozent der befragten Personalvermittler vorstellen, ein solches Tool zu implementieren.
Unter den befragten Kandidaten sind es 11,1 Prozent, die schon einmal mit “einem Chatbot auf einer Karrierewebsite interagiert” haben. Über die dort erlebte Qualität gibt die Studie leider keine Auskunft. Obwohl die Befragten bisher wenig Erfahrung mit Chatbots im Recruiting-Prozess gesammelt haben, ist die grundsätzliche Nutzungsbereitschaft für zukünftige Bewerbungsprozesse durchaus vorhanden. 51,6 Prozent der Befragten würden einen Chatbot nutzen, wobei der Anteil der jüngeren Zielgruppe hier deutlich überwiegt (61,5 Prozent der bis zu 35-Jährigen können sich im Gegensatz zu 44,9 Prozent unter den über 35-Jährigen für Stanley & Co. erwärmen). Das mag daran liegen, dass Menschen ohne Vorerfahrung mit Recruiting-Chatbots deutlich optimistischer sind, als sie es danach sein werden. Wie wir sogleich sehen werden …
Werfen wir nun einen Blick auf die Akzeptanz unter Nutzern (aka Bewerbern). Befragt wurde hier ausschließlich die jüngere Zielgruppe, also die, denen man nachsagt, sie seien gegenüber allem heißen Scheiß offen und hätten keinerlei Berührungsängste. Konkret waren das hier Bachelor- und Master-Studenten der Hochschule München und der Hochschule RheinMain hier aus Wiesbaden. Von den 349 Teilnehmern der Studie hatten bisher nur 20 Prozent Kontakt mit Recruiting-Chatbots. Aber auch die restlichen 80 Prozent der Befragten haben ihre Erwartungen kundgetan. Das Resümee der Studie ist wenig schmeichelhaft, bestätigt aber letztendlich auch meine Erfahrungen.
Der wesentliche Vorteil, so die Meinung der Befragten, sei die schnelle Auskunft. Da diese aber oft zu wünschen übrig lässt, macht sich der Recruiting-Chatbot mitsamt seiner Technologie also absolut überflüssig. Ohnehin nehme ich die meisten Recruiting-Chatbots als das wahr, was sie in den meisten Fällen sind: Ein Deckmäntelchen, ein Alibi für eine nicht vorhandene nutzerzentrierte Navigationsstruktur sowie eine nicht vorhandene Jobbörse (aka Stellenportal aka Jobboard aka Jobportal aka Job-Übersicht – nennen Sie es, wie Sie es wollen, aber sorgen Sie für eine gute Nutzerfahrung – die im Übrigen mit den wenigsten E-Recruiting-Systemen von der Stange möglich ist) mit einer gewichteten Volltextsuche, deren beides Vorhandensein im Grunde jeden Recruiting-Chatbot auf einer Karriereseite überflüssig machen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass eine negative Erfahrung zu einer geringen Bereitschaft führt, die Tools erneut zu nutzen.
Und die Moral von der Geschicht: Nutze Recruiting-Chatbots nicht. Zumindest die regelbasierten oder auch “KI” ;-)-basierten, die dem Nutzer null Mehrwert bieten. Denn, wir erinnern uns gerne an die Signaltheorie: Auch eine negative Erfahrung mit einem Recruiting-Chatbot ist ein unbewusst ausgesandtes Signal, das sich negativ auf Ihre Arbeitgebermarke niederschlägt. Sie wissen ja, Sie können nicht nicht employerbranden.
Ist der Recruiting-Chatbot also ein Rohrkrepierer? Es kommt, wie so oft, drauf an. Wenn Sie damit, wie bereits beschrieben, eine nicht vorhandene Nutzerzentrierung kaschieren oder einen vermeintlichen Eindruck von “State-of-the-Art” vermitteln wollen, definitiv ja. Insbesondere, wenn sie mit dem Nichterfüllen einer Erwartung potenzielle Kandidaten in die Flucht schlagen. Bietet Ihr Chatbot hingegen einen Mehrwert, etwa im Falle einer Lösung, die bei Jobbörsen, im Rahmen einer Kampagne mit Landing-Page oder (inhouse) im Recruiting-Prozess zum Einsatz kommt, so haben diese Tools durchaus eine Daseinsberechtigung. Ein Must have ist so ein Recruiting-Chatbot allerdings auch nicht, gibt es im Kontext kandidatenzentrierten Recruitings doch weitaus wichtigere Themen, die Sie auf die Agenda setzen sollten.
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