12. November 2019
Fachkräfte gesucht ist gut. Besser sind Argumente für die Bewerbung
Lesezeit: 10 Min. PersonalmarketingRecruiting
Wenn Unternehmen in den Medien erzählen, sie würden “händeringend” Fachkräfte suchen, so ist das zumeist eine Lüge. Das habe ich bereits in diversen Artikeln eindrucksvoll belegt, zuletzt bspw. beim “Fachkräftemangel” in Kommunen. Denn wenn die Unternehmen eins nicht tun, ist das “händeringend suchen”. Vielmehr verharren sie in Inaktivität. Nun ist das mit dem Suchen ja auch so eine Sache. Es ist zwar gut, wenn ersichtlich wird, dass Unternehmen Fachkräfte oder Azubis suchen. Aber es ist nur ein erster Schritt.
Offenbar haben immer noch nicht alle Unternehmen da draußen mitbekommen, dass Hände in den Schoß legen und auf Bewerber warten, nicht mehr fruchtet. Genau wie bei der Partnersuche auch, ist ein gewisses Maß an Aktivität notwendig, um die Traumfrau oder den Traumprinzen zu finden. Wenn ich nur zu Hause sitze und darauf warte, bis er oder sie an meiner Tür klingelt, kann ich warten, bis ich schwarz werde. Selbst wenn ich eine App wie Tinder nutze, kann es nicht schaden, das Profil mit Inhalten zu füllen, welche das “Warum” erlebbar machen. Warum soll ich gerade für dich swipen? Während sich viele Nutzer bei Dating Apps ganz auf die Macht der Bilder verlassen (und das hier sogar erstaunlich gut funktionieren kann), sieht das bei der Bewerberansprache in (und außerhalb) der Regel etwas anders aus.
Antworten auf das “Warum bewerben” liefern
Ein Bild sagt zwar mehr als 1.000 Worte – das war nicht nur Kurt Tucholsky bewusst – nichtsdestotrotz helfen zusätzliche Botschaften weiter. Ein Bild sollte nie ersetzen, sondern maximal eine Botschaft ergänzen. Insbesondere, wenn es um die Ansprache potenzieller Bewerber geht. Schließlich möchte ich als Kandidat wissen, was mich im Unternehmen erwartet und vor allem: WARUM ich mich ausgerechnet bei Arbeitgeber XY bewerben sollte. Stichwort: Nutzenargumentation, Eingehen auf die Bedürfnisse der Nutzer. Die sollten Sie natürlich schon kennen und sich bevor Sie auf die Suche gehen, mal überlegen, wen Sie eigentlich mit Ihren Kommunikationsmaßnahmen erreichen wollen – und wen nicht. Die Jobs to be done-Methode bspw. ist dabei hilfreich.
Wie gesagt, es schadet nicht, zu zeigen, dass man auf der Suche ist. Da sind Sie schon um Längen weiter, als so viele Ihre Mitbewerber. Aber es reicht einfach in Zeiten nahezu leer gefegter Bewerbermärkte nicht aus.
Der wichtigste Job der Welt
In den letzten Tagen bin ich über verschiedene Beispiele gestolpert, die genau das sehr schön illustrieren. Fangen wir an am Montag, als ich auf den Bus wartend folgendes Foto schießen konnte:
Nun ist natürlich der Job der Pflegefachkraft unbestritten mit Sicherheit einer der wichtigsten Jobs der Welt. Vor allem im Hinblick auf die demografische Entwicklung. Im Gegensatz zu so manchen Bullshit-Jobs wie etwa dem Data Scientist, diversen Sachbearbeiter- oder auch Beraterjobs leider aber keiner, der entsprechend dem Wert für die Gesellschaft annähernd dotiert wird. Aber das ist ein anderes Thema.
Während ich noch erfahre, dass ich binnen 60 Minuten ein Feedback auf meine Bewerbung bekomme, hält sich das auf dem Hinterteil eines Busses prangende Werbemittel mit weiteren Infos zurück. Ja, ein Link wird genannt. Aber WARUM ich mich bewerben sollte – und ausgerechnet bei Helios, wo die Krankenschwestern entsprechend der Aussage des Firmengründers ohnehin nur Kaffee saufen und dank dieser Aussage die Arbeitgebermarke mächtig geschädigt ist – das bleibt das Unternehmen leider schuldig. Weil Pflegekraft der wichtigste Job der Welt ist? Come on, das geht besser und holt niemanden, der jemals in dieser Branche gearbeitet hat, hinter dem Ofen hervor (auch Neulinge kaum, schaffen es solche Unternehmen doch wunderbar, der Branche selbst ein negatives Image zu geben). Möglicherweise tun das die doch recht umfangreichen Infos, die einen auf der Karriere-Website erwarten. Wenn ich denn jemals so weit vordringe – denn welche Motivation sollte ich haben?
Während ich noch über den Sinn und Zweck und die vertanen Chancen der Buswerbung sinniere, kommt auch mein Bus und weiter geht’s zum Hauptbahnhof.
Hier treffe ich auf das nächste Exemplar von “gut gemeint und schlecht gemacht”, dieses Mal vom Vergleichsportal Check24.
Warum sollte ich mich bei Check24 bewerben?
Geworben wird da für Jobs als Softwareentwickler am Unternehmensstandort Mainz. Und zwar mit Büroarbeitsplätzen direkt am Hauptbahnhof. Als heiß begehrter PHP-, iOS- oder Android-Entwickler sind das natürlich genau die Benefits, die mich umhauen. Nicht. Entwickler haben nämlich ziemlich genaue Vorstellungen von dem, was sie sich von einem Arbeitgeber erwarten und was sie zu einem Jobwechel bewegen könnte. Ein Arbeitsplatz am Hauptbahnhof gehört nicht unbedingt dazu.
Nun könnte man ja erwarten, dass einem unter dem genannten Link entsprechende Infos zum neuen Arbeitsplatz präsentiert werden und vor allem eine Argumentation, WARUM man sich ausgerechnet bei Check24 bewerben sollte. Stattdessen landet der Nutzer auf einer Liste von Stellenangeboten, von denen längst nicht alles Jobs für Softwareentwickler sind. Resultat des Ganzen: Ein Besucher der Website wendet selbiger den Rücken zu und kehrt wahrscheinlich nie wieder. So schnell verbrennt man potenzielle Bewerber.
Der Zug fährt ein und ich fahre nach Verl, wo ich einen Workshop zum Thema Mitarbeitergewinnung im Fahrradhandel durchführe. Ach ja, der Handel, denke ich. Es gibt wohl kaum eine Branche, die so viele unmittelbare Touchpoints am Point of Sales hat, wie der Handel. Nur leider werden diese Potenziale, nach denen sich wohl alle die Finger lecken, nicht ansatzweise genutzt. Warum auch, es gibt ja den Fachkräftemangel, dem man das eigene Versagen in die Schuhe schieben kann.
Bewerben mit überzeugenden Argumenten und per WhatsApp
Zurück in Wiesbaden, fällt mir in einem Café das sogenannte “Mehrwertheft” in die Hände, eine Art Gutscheinheft, in dem sich Wiesbadener Unternehmen jeglicher Couleur präsentieren und um Kunden – oder sogar Bewerber – buhlen. Und hier offenbart sich innerhalb weniger Seiten, wie sich gute Personalwerbung von schlechter unterscheidet. Ich konnte also gar nicht anders, als diesen Blogbeitrag zu schreiben.
Den Anfang macht eine Anzeige von Bäcker Dries, einer Bäckerei aus dem schönen Rheingau.
Die Bäckerei sucht Azubis und bietet sogar eine Bewerbungsmöglichkeit per WhatsApp. Für die ganz Dummen ist sogar erklärt, wie das Ganze funktioniert. Das war damals bei Deutschlands erstem Berufsorientierungs-Chat per WhatsApp gar nicht nötig. Aber schön, so fällt die Anzeige wenigstens ins Auge. Was noch ins Auge fällt: Dass man als Azubi bei guter Leistung 13.000 Euro Prämie erhält. Das ist zwar kein echtes Argument für eine erfüllende Arbeit/Ausbildung, dürfte aber dennoch so einige Chats (und Bewerbungen) generieren. Zumindest, wenn jemand das Heft in die Hände bekommt. Alleine die Tatsache, dass man sich per WhatsApp bewerben kann – also die App nutzen kann, auf die kaum noch jemand in seinen Kommunikationsgewohnheiten verzichten mag – generiert Pluspunkte. Mal eben unkompliziert seine Bewerbung einreichen, sich komplizierte Bewerbungsformulare sparen – Bewerberherz, was willst du mehr?
Auch die Karriere-Website liefert interessante Einblicke ins Bäcker-Dries-Leben. WARUM Bäcker Dries allerdings die “Guten Leute” sucht (der Rechtschreibfehler ist gewollt), das bleibt der Handwerksbetrieb einmal mehr schuldig. Möglich, dass die eingebundenen Videos diese Antwort liefern. Aber ich will keine Videos sehen. Ich will es (quer-)lesen. Das funktioniert mit Videos leider nicht. Auch die Azubi-Anzeigen sind so lieblos gestaltet, wie es die Auslage der Bäckerei wahrscheinlich selbst nie wäre.
Dass zwar aussagefähige Bewerbungsunterlagen verlangt werden, aussagefähige Informationen zum Arbeitgeber aber fehlen, trübt das anfänglich positive Bild leider. Da wurde leider mal wieder nicht zu Ende gedacht. Kein Einzelfall.
Bewerberkommunikation oft lieblos
Überhaupt: Warum treten Arbeitgeber nicht in Vorleistung? Wie kann man auf der anderen Seite Dinge fordern, selbst aber ein reines “kununu” = unbeschriebenes Blatt sein? Wie es in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Altes deutsches Sprichwort, welches sich im Personalmarketing millionenfach manifestiert. Wenn Sie also “unbrauchbare” respektive keine Bewerbungen erhalten, könnte und wird das im Zweifelsfall an Ihrem unzureichenden, ja mangelhaften Personalmarketing liegen.
Warum wird Bewerberkommunikation – oder nennen wir es meinetwegen auch Personalmarketing – im Verhältnis eigentlich immer so lieblos gestaltet? Ich denke da an meinen Friseur, dem ich empfahl, seine Suche nach Azubis doch auch im Schaufenster sichtbar zu machen. Was er nach anfänglichen Einwänden dann auch tat. Während er bei der Präsentation seiner Produkte. Frisuren und Werbemittel aber darauf wert legt, das alles bis ins Kleinste durchgestylt ist, erstellte er den Aushang selber mit dem Drucker, packte ihn in eine Din-A4-Klarsichthülle und befestigte das Ganze dann mit Tesafilm im Schaufenster. Übrigens kein Einzelfall. Das zeigt wieder einmal, welchen Stellenwert die Bewerberansprache immer noch einnimmt. Lieber Christian, falls du diese Zeilen lesen solltest, denk mal drüber nach ;-).
Argumente für die Bewerbung liefern
Ich blättere weiter in dem “Mehrwertheft” und stoße schon nach wenigen Seiten auf die doppelseitige Anzeige der ESWE-Verkehr, die auch in diesem Jahr erfolgreich nach Busfahrern suchen. Mit der in Wiesbaden allgegenwärtigen Kampagne konnte das Unternehmen schon mehrfach bei Bewerbern punkten und Busfahrerstellen erfolgreich besetzen. Ein Teil dieses Erfolgs liegt auch der klaren an den Bedürfnissen der Zielgruppe ausgerichteten Argumentation zugrunde, die auf der Karriere-Website noch detaillierter ausgeführt wird.
Nicht ohne Grund ist die Karriere-Website der Wiesbadener Verkehrsbetriebe als “Good Practice” in mein Buch “Karriere-Websites mit Wow!-Effekt” aufgenommen worden und auch in dieser Anzeige werden dem Betrachter reichlich Argumente geliefert, zum Bewerber zu werden.
Während also bei Bäcker Dries oder eben bei der ESWE durchaus das Interesse geweckt wird, sich mit dem Arbeitgeber genauer auseinanderzusetzen, mangelt es bei den anderen Beispielen an entsprechenden Anreizen. Das gilt auch für die nachfolgende Anzeige.
Austauschbar und ohne “WARUM”
Die dritte Anzeige im Heft ist von der Nassauischen Sparkasse. Von der Sparkasse ist man austauschbares “Employer Blending” gewohnt, insofern wundert es mich nicht, dass auch diese Anzeige entsprechend gestaltet ist und keinerlei Mehrwert bietet. “Der erste Schritt gibt die Richtung vor”, heißt es da. Und genau das trifft den Nagel auf den Kopf! Wäre die Anzeige entsprechend gestaltet, würde ein klarer Nutzen für den Betrachter erkennbar, so würde man weitere Schritte gehen und sich mit dem Ausbildungsangebot des Geldinstituts auseinandersetzen.
Leider fehlen jegliche Gründe, genau das zu tun. Argumente, WARUM man sich für eine Ausbildung bei der Naspa bewerben sollte, fehlen gänzlich. Einen “Karrierestart für engagierte und motivierte Menschen” kann ich als Bewerber in jedem Unternehmen haben. Wenn ich das denn überhaupt will. Denn diversen Studien zufolge ist das Interesse an einer so genannten “Karriere” insbesondere bei jüngeren Menschen einfach nicht mehr vorhanden. Klare, handfeste Argumente wären etwas gewesen, was das Interesse hätte wecken können.
Stattdessen wirbt man mit dem FOCUS Top Arbeitgebersiegel, welches, das wissen wir, weniger wert ist, als benutztes Klopapier (während unbenutztes Klopapier aber für ca. 3 Euro zu haben ist – das dreilagige – ist das bei dem Siegel anders: die Lizenz für dieses nach eigenen Aussagen nicht repräsentative Siegel kostet im Jahr mehr als 10.000 Euro. 10.000 Euro, die die Nassauische Sparkasse in sinnvollere Maßnahmen investieren könnte. Gut gemachte Personalwerbung beispielsweise) und eine der Cash Cows aus der Burda Siegelschmiede ist. Merke: Wo ein Focus-Siegel prangt, kann man selten was Gutes erwarten. Auch hier tut sich die Naspa keinen Gefallen.
Hat man nun also als Betrachter des Mehrwerthefts die Qual der Wahl, sich unter einem der drei dort präsentierten Arbeitgeber/Ausbildungsbetriebe einen auszusuchen – versetzt man sich also einmal in die Lage eines potenziellen Azubi-Bewerbers (oder eines Elternteils) – so wird schnell deutlich, wer wahrscheinlich keine Bewerbungen bekommen wird.
Setzen Sie sich mit Ihrer Zielgruppe auseinander
Und die Moral von der Geschicht’: Setzen Sie sich mit Ihrer Zielgruppe auseinander. Mit ihren Wünschen, Bedürfnissen und Ängsten. Überlegen Sie, was Sie dem als Arbeitgeber entgegenzusetzen haben. Und platzieren Sie diese Argumente bereits am ersten “Touchpoint”. Zumindest die, die dafür sorgen, dass man einen Anreiz hat, sich mit Ihnen als Arbeitgeber auseinanderzusetzen. Verspielen Sie hier Ihre Chancen, wird es keine zweite geben. Sicher, wenn man weiß, dass Sie Fachkräfte oder Azubi-Bewerber suchen, ist das gut. Die Menschen da draußen haben aber die Qual der Wahl. Sie entscheiden, wo sie sich bewerben. Insofern sorgen Sie dafür, dass klar wird, WARUM man sich gerade bei Ihnen bewerben soll. Vergessen Sie teure Arbeitgebersiegel und überzeugen Sie mit einer astreinen Nutzenargumentation. Dann klappt’s auch mit den Bewerbern!
Team Mitarbeitermarketing
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Sara