24. Oktober 2017
Online Recruiting Studie zeigt (traurigen) Status quo bei Karriereseiten
Lesezeit: 7 Min.
Karriere-WebsitesRecruiting
Wie ist es eigentlich um die Karriereseiten (korrekter Begriff: Karriere-Websites) deutscher Unternehmen bestellt? Mit dieser Thematik setze ich mich bereits seit 2004 auseinander. Seinerzeit war mein Fazit: Da ist noch verdammt viel Luft nach oben. Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2017 und immer noch ist verdammt viel Luft nach oben. Insbesondere, wenn es um die Auffindbarkeit, Reichweite und den Bewerbungsprozess geht. Diese Erkenntnis untermauert auch die neue Wollmilchsau Online Recruiting Studie und verweist auch auf die mangelhafte Einbindung bzw. Aufbereitung der Jobs durch E-Recruiting-Software-Anbieter. Aber eins nach dem anderen….
Bereits zum fünften Mal wurden nun die Karriere-Websites (oder das, was man dafür halten könnte – deswegen ist in der Analyse offensichtlich auch von “Karriereangeboten” die Rede) der 160 im DAX notierten Unternehmen unter die Lupe genommen und der Status quo des Online-Recruitings in Deutschland erhoben. Während bei der Online Recruiting Studie von Beginn an ursprünglich der Fokus auf dem Thema Mobiloptimierung lag, wurde die Untersuchung u. a. um die folgenden erfolgskritischen Faktoren ergänzt:
- Sichtbarkeit des Karrierebereichs auf der Unternehmensseite
- Geräteübergreifender Bewerbungsprozess
- Länge des Bewerbungsformulars
- Auslesbarkeit und Messbarkeit der Stellenanzeigen
- Implementierung von Web-Analytics auf der Karriereseite
Hier nachfolgend die Kernergebnisse nebst einiger Anmerkungen.
Der Status Quo im Online Recruiting
Zugriff auf die Karriere-Website
Bei rund 90 Prozent der untersuchten Unternehmen ist ein Zugriff auf die Karriere-Website mit nur einem Klick möglich (was aus der Untersuchung leider nicht hervorgeht: Ist die Karriere-Website jederzeit aus der Hauptnavigation erreichbar? Genau hier trennt sich nämlich die Spreu vom Weizen. In der Meta-Navigation oder auch im Footer versteckte Karriere-Links sind quasi nicht sichtbar – insbesondere für die, die nicht gezielt nach Jobs suchen). Da es nicht oft genug gesagt werden kann, wiederhole ich meine Botschaft hier mantraartig: JEDER BESUCHER IHRER WEBSITE IST EIN POTENZIELLER BEWERBER. JEDER. Oder zumindest ein Multiplikator. Es ist schon unglaublich, wie grob fahrlässig bspw. Unternehmen wie die Deutsche Bahn oder auch die Telekom – die u. a. zu den 10 Prozent der Unternehmen gehören, bei denen der Karriere-Bereich nicht unmittelbar zugänglich ist (und darüber hinaus pro Monat mehrere Millionen Zugriffe auf ihren Websites haben), Potenziale verschenken. Ich gehe jede Wette ein, dass die Bewerbungseingänge exponentiell anstiegen, wenn man einen Hinweis auf den Arbeitgeber bzw. die Karriere-Website im sichtbaren Bereich platzieren würde. So konnte bspw. ein Versicherungsunternehmen viermal so viele Zugriffe auf die Karriere-Website verzeichnen, als man für eine Woche einen Karriere-Teaser mit auf die Produktseite aufnahm.
Mobiloptimierung der Karriereseiten und Stellenbörsen
Ca. 80 Prozent der analysierten Unternehmen verfügen über Karriereseiten, die für mobile Endgeräte optimiert wurden. Wenn man bedenkt, dass bereits seit 2013 Google Unternehmen abstraft, die über keine mobil optimierte Website verfügen und mobil optimierte Websites mittlerweile selbst bei Homepage-Baukästen Standard sind, ein verstörendes Ergebnis. Ich meine, wir reden von DAX-Unternehmen – nicht vom Handwerksbetrieb um die Ecke.
- Ca. 78 Prozent stellen außerdem eine für mobile Endgeräte optimierte Jobbörse zur Verfügung.
- Bei 71 Prozent der Unternehmen sind die Stellenanzeigen ebenfalls mobiloptimiert.
- Nur 44 Prozent ermöglichen eine mobile (Vor-)Bewerbung. Hier findet der Bewerbungsprozess also in den meisten Fällen ein vorzeitiges Ende. Das allerdings liegt auch an den Bewerbungsformularen. Wenn selbige denn überhaupt erreichbar sind…

Bewerbungsprozess
34 Prozent der Unternehmen erzwingen von ihren potenziellen Bewerbern eine Registrierung vor Beginn des eigentlichen Bewerbungsprozesses – und schlagen somit viele in die Flucht, bevor der Bewerbungsprozess überhaupt begonnen hat. Zwar hat die Studie Recruiting Trends seinerzeit ermittelt, dass lediglich 6,8 Prozent der Befragten sich dann nicht bewerben würden. Das mag zwar Peanuts erscheinen, nur wäre es schon ziemlich blöd, wenn unter diesen 6,8 Prozent dann genau die gewesen wären, die Sie schon so lange gesucht haben. Ergo: Verzichten Sie auf umständliche Registrierungsprozesse und unnötigen Schnickschnack! Ermöglichen Sie eine One-Click-Bewerbung und halten Sie ein schlankes Bewerbungsformular bereit.

- Über 10 Pflichtfelder verfügen die Bewerbungsformulare dann im Durchschnitt (und damit deutlich zu viel, reicht doch das Erfassen des Namens, der E-Mail-Adresse und ggf. einer Telefonnummer sowie ein Upload-Button für die benötigten Unterlagen). Abgesehen davon, dass alles, was kein Pflichtfeld ist, auch nicht unbedingt im Formular erscheinen muss, bläht es dieses doch nur unnötig auf….
- 14 Prozent der Unternehmen ermöglichen eine “One-Click-Bewerbung” mittels XING, immerhin 19 Prozent via LinkedIn. Wie viel Unternehmen das so genannte Auslesen per CV-Parsing ermöglichen, wurde leider nicht erhoben. Bei einer Erhebung von Textkernel waren es seinerzeit 21 Prozent. Warum tun sich Unternehmen so schwer, einen gescheiten, einfachen und damit bewerberfreundlichen Bewerbungsprozess zu ermöglichen? Wobei durchaus die Frage erlaubt ist, warum selbst bei Unternehmen, die eine solche Bewerbung (theoretisch) ermöglichen, das Befüllen weiterer Formularfelder erforderlich ist…

Web-Analytics
81 Prozent haben auf ihrer Karriere-Website zwar ein Analytics-Programm zur Erfassung von Nutzerdaten für die Verhaltensanalyse implementiert, ob diese aber auch ausgewertet werden, darf an dieser Stelle stark bezweifelt werden.
In den Fängen der E-Recruiting-Software-Anbieter
Am gravierendsten sind die Schwächen aber bei der Implementierung der Stellenangebote. Zwar binden 56 Prozent der Unternehmen ihre Stellenanzeigen auch direkt messbar in die unternehmenseigene Webseite ein (ohne z.B. iFrames zu nutzen oder die Stellen über Drittanbieter darzustellen).

Für die übrigen 44 Prozent wird eine konsequente Optimierung der Candidate Journey dank Einbindung der Jobs mittels iFrame oder ähnlicher Lösungen aber unmöglich. Auch vom Einsatz so genannter “Karriere-Portale”, wie sie von einigen E-Recruiting-Software-Anbietern bereitgestellt werden, kann nur abgeraten werden. Die Bequemlichkeit, die diese Portale vermeintlich bieten, erkaufen Sie sich als Nutzer zu einem hohen Preis: Dem Preis der absoluten Abhängigkeit von diesen Anbietern. Sollten Sie sich bspw. überlegen, den Anbieter Ihrer Bewerbermanagement-Software zu wechseln, würde das für Sie bedeuten, dass Sie von heute auf morgen ohne Karriere-Website dastehen. Davon abgesehen, sind die Lösungen dieser Anbieter zwar beliebig und austauschbar, bieten aber hinsichtlich Funktionalität und Layout kaum Flexibilität und noch weniger Anpassungsmöglichkeiten. Da bleibt von Ihrem Employer Branding dann nichts mehr übrig.

Und noch etwas: Jede Änderung lassen sich die Anbieter solcher Systeme gut bezahlen Klar, ein Anbieter von E-Recruiting-Software ist eben ein Anbieter von E-Recruiting-Software. Und nicht eines CMS (Content Management Systems). Und schon lange kein Experte für Suchmaschinenoptimierung. Allerdings wissen die Anbieter solcher Systeme die Unkenntnis der Nutzer sehr wohl auszunutzen. Umso wichtiger ist es für Sie, sich das notwendige Know-how anzueignen. Ich stimme Robindro Ullah zwar nicht zu, dass Personaler programmieren können sollten, aber Recruiting-Verantwortliche, die nicht über das entsprechende Wissen verfügen (oder bereit sind, es sich zu verschaffen), haben ihren Job verfehlt und sind leichte Beute für die fast schon unseriös agierenden Anbieter von schwerfälligen und wenig zeitgemäßen E-Recruiting-Lösungen.

Somit ist also auch vom Einbinden der Jobs mittels iFrame, Popup, PDF oder anderen Lösungen, wie es in solchen Fällen gang und gäbe ist, dringend abzuraten. Aus zwei Gründen:
- Zum einen können die Jobs nicht durch Suchmaschinen ausgelesen werden (was drastisch zu Lasten Ihrer Sichtbarkeit und damit auch Ihrer Reichweite geht!). Das ist besonders dann fatal, wenn Sie eine Vielzahl an Jobs ausgeschrieben haben. Eigentlich sind solche Stellenanzeigen (entsprechend SEO-technisch aufbereitet) gefundenes Futter für Google und könnten Ihre Sichtbarkeit in den Suchergebnissen und damit die Reichweite Ihrer Stellenanzeigen (und Bekanntheit als Arbeitgeber!) exorbitant erhöhen. Aufgrund der Einbindung Ihrer Jobs über die 08/15-Lösungen vieler Anbieter aber, verpufft diese Sichtbarkeit im Orbit.
- Aber auch die Candidate Journey ist dann nicht mehr messbar. Sie haben keine Möglichkeit mehr, Ihren Bewerberfluss vollständig nachzuvollziehen und auf Basis der daraus gewonnenen Erkenntnisse optimieren zu können. In der Folge bedeutet das für Sie: Binden Sie Ihre Stellenanzeigen unmittelbar in Ihre Karriere-Website ein. “Spendieren” Sie jeder Stellenanzeige eine eigene HTML-Seite und optimieren Sie diese für Google.
Und so kommt auch die Studie zu folgendem nüchternen Fazit:
“Knapp die Hälfte der Recruiter scheitert an Stellenanzeigen, die per iFrame eingebunden oder über Drittanbieter bereitgestellt werden und damit schlicht und ergreifend nicht messbar sind. Auch externe Bewerbermanagementsysteme machen den Personalern hier einen Strich durch die Rechnung und unterbrechen die durch Nutzerdaten-Analyse nachvollziehbare Candidate Journey. Eine effektive Optimierung des Recruiting-Prozesses wird dadurch unmöglich”.
Die komplette Wollmilchsau Online Recruiting Studie 2017 kann hier heruntergeladen werden.
Apropos Reichweite: Reichweite bei Ihrer Zielgruppe haben Sie auch, wenn Sie Ihre Personalmarketing-Jobs da schalten, wo sich Ihre Zielgruppe tummelt. Also z. B. hier :). Denn hier gibt’s…
Maria Berentzen
Update Recruiting 17.10 - die Recruiting Topics im Oktober 2017
Teil 3 der Personalmarketing-Serie: Microsites nehmen zu - Mein Tellerrand