25. Februar 2020
Bewerber sind keine Bittsteller. Bewerber sind Kunden!
Lesezeit: 7 Min. HRPersonalmarketingRecruiting
In meinem letzten Blogartikel hatte ich darüber berichtet, was passiert, wenn man bei Google eine Suche nach “Personaler” startet und welche Begriffe Google beim Autocomplete “vorhersagt”. Besonders schmeichelhaft ist es nicht, wenn der sympathische Datenkrake Begriffe wie “dumm” und “Idioten” ergänzt. Umso spannender ist es, was Google anzeigt, wenn man nach “Bewerber” sucht und sich hier die Ergebnisse anschaut, die Google anbietet. Offenbar ist Google sehr schlau, denn sowohl die Aussage, dass Bewerber keine Bittsteller, als auch die Aussage, dass Bewerber Kunden sind, ist richtig. Warum das so wichtig ist und wie diese Begriffe zustande kommen, lesen Sie hier.
Ich weiß sehr wohl, dass mein letzter Blogartikel auf nicht viel Gegenliebe gestoßen ist. Klar, es schmerzt, so etwas zu lesen. Aber weil die Resultate so erschreckend sind, sie insgesamt ein schlechtes Licht auf die HR-Welt werfen und sie letztendlich das Resultat dessen sind, was Bewerber so erleben und wahrnehmen, ist es umso wichtiger, sich dem zu stellen und gegenzusteuern. Kopf in den Sand und Augen verschließen ist definitiv der falsche Weg. Aufgabe aller Beteiligten muss es sein, dass Bewerbungsprozesse und Personalauswahl so erlebt werden, dass sich das positiv auch in den Suchen niederschlägt.
Was sagt Google über Bewerber?
Wenn die Google-Suche also wenig Schmeichelhaftes für Personaler zum Vorschein bringt, wie ist es dann beim Begriff “Bewerber”? Sind Bewerber genau solche Idioten? Sind sie genauso dumm? Klar, es gibt definitiv genug davon. Das weiß ich, das wissen Sie. Aber erstaunlicherweise bringt es Googles Autocomplete auf den Punkt. Denn natürlich sind Bewerber keine lästigen Bittsteller (auch wenn viele ihre “Bemühungen” um Kandidaten genauso aussehen lassen, ein Blick auf den Großteil an Stellenanzeigen oder Bewertungen bei kununu spiegelt genau das wider). Vielmehr sind Bewerber Kunden. Und zwar jeder, egal wie gut oder schlecht er oder sie (m/w/d) sein mag.
Schauen wir uns auch hier der Vollständigkeit halber an, wie Google bei der Suche agiert (wie bereits im letzten Artikel erwähnt, hängen die gezeigten Vorschläge von verschiedenen Faktoren ab. Möglicherweise werden Ihnen andere Ergebnisse angezeigt, aber abgesehen von lokal unterschiedlichen und aktuell “trendenden” Begriffen, werden Sie früher oder später die gleichen angezeigt bekommen).
Viele Begriffe von “Personaler-Suchen” getrieben
Spannend dabei: Während die “Personaler”-Ergebnisse von Bewerbern getrieben sind, die Ihrem Frust über Erlebnisse im Recruiting-Prozess Luft machen, sind es viele der “Bewerber”-Begriffe offensichtlich von Personalern, die Rat zu Recruiting-Themen suchten. Noch einmal zur Erinnerung: Die Begriffe, die bei Googles Autocomplete angezeigt werden, stammen (primär) aus den Suchen anderer Nutzer.
So finden sich gleich bei der Suche nach Bewerbern Begriffe wie “Bewerber absagen” (hier suchen Personaler offenbar nach Ideen, wie sie Bewerbern absagen können. Durchaus sinnvoll die Suche, denn schaut man sich einmal die Absagen dieser Republik an, so hat man den Eindruck, jeder schriebe beim anderen ab. Oder greift möglicherweise auf das gleiche Google-Ergebnis zu, wo Muster-Absagen gezeigt werden, wer weiß ;-)). Nur am Rande sei erwähnt, dass Texte immer Teil der Arbeitgebermarke sind. Das gilt auch für Absagen!
Die Suche nach “Bewerber finden” offenbart, dass da jemand Ideen sucht, wie man Bewerber finden kann. Wie wäre es, wenn Sie jedem Bewerber 500 Euro zahlen würden? Okay, kleiner Spaß. Aber die Suchen spiegeln sehr gut wider, wer hier sucht. Hier im Übrigen auch schön zu sehen, wie Google aktuelle Trends aufgreift. Also bspw. die Suche nach Bewerbern für die Bürgermeisterwahl im Umkreis.
Auch wenn wir die Suche erweitern, finden wir viele offenbar von Personaler-Seite getriebene Ergänzungen: “Bewerber suchen” (was mag wohl die richtige Plattform sein?), “Bewerber Screening” (wie funktioniert eigentlich die Vorauswahl?), “Bewerbersuche”, “Bewerber sagt ab” (warum passiert so was, wie verhalte ich mich da? Nur am Rande: Laut diverser Studien sind Unternehmen einfach zu langsam im Bewerbungsprozess. So zeigt bspw. eine StepStone-Studie, dass 50 Prozent der Befragten 45 Tage nach Versand der Bewerbungsunterlagen immer noch keine qualifizierte Rückmeldung erhalten haben. Tendenz steigend. In der Folge führt das wiederum zu wenig schmeichelhaften Vorschlägen im Kontext der “Personaler”-Suche.) und “Bewerber suchen Arbeitsamt” (soll’s ich’s wirklich machen oder lass ich’s lieber sein?).
Eine etwas andere Wendung nimmt das Ganze, wenn die Suche um ein “i” ergänzt wird. Plötzlich gibt es Vorschläge wie “Bewerbung Sicherheitsdienst” oder “Bewerbung Sicherheitskraft”. Besonders interessant finde ich “Bewerbung Siemens” oder “Siemens Bewerbung Login”. Hier zeigt sich schön, wie sich Bewerber vergraulende Systeme und hier speziell die Bewerbung bei Siemens in der Suche niederschlagen.
Doch bereits beim nächsten Buchstaben ändert sich das Bild. Hier bereits vermutet Google, dass eine Suche nach “Bewerber sind keine Bittsteller” (hier landet man als erstes auf einem Artikel aus dem Jahr 2001. Fast 20 Jahre alt. Allerdings hat der Artikel noch den Fokus auf der Bewerberperspektive. 14 Jahre später heißt es bereits “Bewerber sind Kunden, keine Bittsteller”) oder “Bewerber sind Kunden” (sic!) der nächste Schritt sein könnte. Gut gefällt mir auch “Bewerbung Single” (hier geht’s um Bewerbungen für fragwürdige Dating-Shows) und “Bewerbungen sinnlos”. Interessant aber auch die Phrasen “Bewerbung sinnvolle Tätigkeit” und “Bewerbung sinnstiftende Arbeit”, die sehr schön zeigen, dass Bewerber gezielt auf der Suche nach Jobs sind, die einen Mehrwert für die Gesellschaft darstellen.
Tja, und bei “Bewerber sind…” heißt es unmissverständlich wieder “Bewerber sind keine Bittsteller” und “Bewerber sind Kunden”.
Bewerber sind keine Bittsteller. Sie sind Kunden!
Was heißt das denn nun, wenn es heißt, Bewerber seien Kunden? Nun, ganz einfach: Bewerber sind gleich aus zweierlei Sicht Kunden:
1. Bewerber sind Kunden der Personalabteilung, des Recruitings
Bewerber sind Kunden. Bewerber sind die “Kunden” der Personalabteilung, des Recruitings. Und sollten dementsprechend behandelt werden. Zuvorkommend und wertschätzend. Auch die, die Ihnen vielleicht nicht in den Kram passen. Mundpropaganda ist mächtig. Eine schlechte Erfahrung finden Sie rubbeldikatz auf kununu, Glassdoor, in Foren oder noch schlimmer: bei Google My Business – wieder. Oder – was deutlich fataler ist, weil Sie es nicht unmittelbar mitbekommen – im Freundes- und Bekanntenkreis und über die wiederum weiterverteilt im Universum. Und Bewerber sind mehr als nur Kunden: Sie sind Ihre potenziellen Mitarbeiter. Warum behandeln Sie sie also nicht entsprechend? Der erste Eindruck, die erste Erfahrung, den diese wiederum am ersten Kontaktpunkt (und jedem weiteren) sammeln, ist nicht selten der entscheidende. Und der wird dann auch gerne in das weitere Vorgehen oder tatsächliche Arbeitsleben hineinprojiziert. Und dieser ist es im Zweifelsfall auch, der dann zu solch wenig schmeichelhaften “Vorhersagen” bei Googles Autocomplete und der Suche nach “Personaler” führt.
2. Bewerber sind (potenzielle) Käufer oder Nutzer
Bewerber sind Kunden. Insbesondere im direkten Kontakt als Endkunde zum Unternehmen stellt jeder Bewerber auch einen Kunden, einen (potenziellen) Käufer oder Nutzer eines Produkts oder einer Dienstleistung dar. Natürlich gilt das nicht nur im B2C-Umfeld (also Business to Customer), sondern auch im B2B-Umfeld (Business to Business). Klar, der Techniker oder Ingenieur, der eigentlich nur das neueste Antriebslaufwerk mit doppelt vernuteter Flanschtechnologie vom Typ KRS 0185 ordern wollte und über den geschickt platzierten Karriere-Teaser auf den Arbeitgeber aufmerksam wurde, kann ebenfalls schnell vom Kunden zum Bewerber werden. Fakt ist: verprellte potenzielle Mitarbeiter kosten viel Geld. Im Falle von Virgin Media waren es 5 Millionen Euro. Pro Jahr. Nur zur Erinnerung: Im Rahmen einer Studie sagten 60 Prozent der Befragten, dass sie die Produkte eines Unternehmens boykottieren, wenn es einen schlechten Ruf als Arbeitgeber hat. Dieser schlechte Ruf resultiert durchaus auch aus negativen Erfahrungen im Recruiting-Prozess!
Machen Sie sich einmal die Mühe, auszurechnen was es Sie kostet, wenn Sie Bewerber mit einem mangelhaften und wenig wertschätzenden Recruiting-Prozess verprellen. Es lohnt sich! Denn mit den Zahlen können Sie gleich in die nächste Budgetverhandlung gehen!
Respekt und Wertschätzung sind die Währung im Recruiting
Was heißt das nun für Sie? Eigentlich ganz einfach: Stellen Sie den Bewerber in den Mittelpunkt Ihrer Recruiting-Bemühungen. So wie der Kunde König ist, ist es auch der Bewerber. Ganz egal, woher Ihr Bewerber kommt, egal, über welchen Kanal er auf Sie aufmerksam wurde, egal, wie gut oder schlecht er ist: begegnen Sie ihm mit Respekt und Wertschätzung und auf Augenhöhe. Es sei denn, Respekt und Wertschätzung stehen in Ihrem Unternehmen nicht hoch im Kurs. Solche Unternehmen soll es ja durchaus geben. Dann behandeln Sie Bewerber ruhig so, wie Sie Ihre Kunden behandeln: wie Dreck, wie lästige Bittsteller. Wir wollen ja authentisch bleiben.
Sollten Sie allerdings so verfahren und Bewerbern nicht den roten Teppich ausrollen, ihnen nicht die zustehende Wertschätzung, nicht den zustehenden Respekt entgegenbringen, dann dürfen Sie sich auch nicht wundern, wenn bei der Google-Suche aus “Personaler sind…. “dumm” oder “Idioten” wird.