Hilfe, die Werkstudierenden sind da!

Lesezeit: 4 Min. RecruitingStellenanzeigen

Es ist wirklich unglaublich, welch perfide Auswirkungen das zu Tode gendern der deutschen Sprache hat. Nun sind es nach den Kaufmännern und Kauffrauen also die armen Werkstudenten, die dran glauben müssen. Nachdem ein Student ja sowohl männlich als auch weiblich oder irgendwas dazwischen sein kann, lassen sich Personalabteilungen und -agenturen etwas einfallen, was nun wirklich gar keinen Sinn macht: Den Werkstudierenden.

Ich dachte ich sehe nicht richtig, als ich heute mein E-Mail-Postfach aufmachte und den neuesten Newsletter vom Schlachthof Wiesbaden las. Nein, nicht wegen des Konzertprogramms, da stand bspw. Maceo Parker auf der Liste, sondern wegen der Jobs. Zunächst dachte ich, wow, endlich mal wieder einer der begreift, dass man den Newsletter auch wunderbar nutzen kann, um auf sich als Arbeitgeber und seine Jobs aufmerksam zu machen. Als ich dann aber las, was dort für Jobs zu vergeben sind, war ich kurz davor, in die Tischkante zu beißen: “Wir suchen 2 Werkstudierende (m/w/d) zur Unterstützung der Marketingabteilung“, stand es da schwarz auf weiß.

Werkstudierende verzweifelt gesucht

Stellenangebot Werkstudierende. Grammatikalischer Blödsinn, aber wen juckts

Zunächst wollte ich es nicht glauben, was ich da sah und schrieb das Ganze mangelndem Schlaf zu. Aber auch beim dritten oder vierten Mal blieb es beim “Werkstudierenden”. Nun weiß ich ja, dass der Schlachthof eine Konzert- und Eventlocation ist. Wirklich viel “Werk” gibt’s da also nicht zu studieren. Möglicherweise werden aber (Kunst-)Werke in der Marketingabteilung ausgestellt, die die neuen Hilfskräfte dann studieren sollen. Davon wiederum ist in der Aufgabenbeschreibung nichts zu lesen. Von “Konzeption, Koordination und Budgetierung von Marketingkampagnen“, ist da zu lesen. Von “Koordination des E-Mail-Marketings“, der “Pflege und Weiterentwicklung der Website“, der “Erstellung und Distribution von Werbemitteln” und dem “Mitwirken bei der Betreuung und Weiterentwicklung unserer Social-Media-Kanäle“, ist da die Rede. Von “Studieren des Werks” keine Spur.

Gendern mit aller Gewalt

Es mutet etwas merkwürdig an und klar, man versucht hier mal wieder auf Biegen und Brechen aus einem gängigen Wort ein möglichst geschlechtsneutrales zu kreieren. Ob es sämtliche Regeln der deutschen Rechtschreibung und Grammatik infrage stellt? Ob Sprache unpersönlich und abstrakt wird? Ob Sprache an die Grenzen von Logik stößt? Wen kümmert’s!  Hauptsache “korrekt” gegendert.

Leider ist der Schlachthof kein Einzelfall. Ein Blick auf Google schafft schnell Gewissheit: Unternehmen wie Hochschulen, Gewerkschaften wie “Studierendenwerke” (ja so wird das wirklich genannt), halten Information oder Stellenangebote für “Werkstudierende” vor.

Werkstudierende - Suchtreffer bei Google

Werkstudierender vs. Werkstudent

Apropos Google: Auch die Suchanfragen bei Google sprechen eine deutliche Sprache. Für den Werkstudenten (egal welchen Geschlechts). Der (oder die) Werkstudierende spielt keine Rolle.

Werkstudent vs. Werkstudierender

Bei aller politischen Korrektheit und dem Wahn Wunsch, Diversität in der Sprache ausdrücken zu wollen: Es ist schlicht und einfach absoluter Unsinn, weil kein Mensch nach diesem Begriff sucht. Auf gut Deutsch: Der (oder die) “Werkstudierende” mag in den Köpfen übereifriger Gleichstellungsbeauftragenden (ist das so politisch korrekt? Oder besser “um Gleichstellungbemühende”?), Personalisten, Rekrutierender verankert und korrekt sein – in den Köpfen derer, die solche Jobs ausüben (also Studenten) aka nach (Studenten-)Jobs Suchende ist er das nicht. Gleiches gilt übrigens für das “d” in Stellenanzeigen, welches für viele Stellensuchende Fragen aufwirft (denn erklären tut es ihnen keiner) und entgegen anders lautender Medienberichte nicht verpflichtend ist.

Werkstudierende spielen bei Suchanfragen keine Rolle

Das zeigt eindrucksvoll die Suche nach “Werkstudent”. Auch ähnliche Begriffe werden gesucht. Aber weit und breit kein Werkstudierender.

Übrigens, das nur am Rande: auch eine Abfrage bei Google (for Jobs) nach “Werkstudenten Jobs” liefert eine Vielzahl an Jobs – die nach “Werkstudierende Jobs” hingegen nicht einen.

Ein Studierender studiert dann, wenn er studiert

Ist ja auch logisch. Schließlich ist ein “Studierender” jemand, der jetzt in diesem Moment studiert. Studenten sind nicht immer studierend, sie haben Freizeit. Oder aber finanzieren sich ihr Studium durch Studentenjobs. Wenn also jemand, egal welchen Geschlechts, im Unternehmen als Mitarbeiter beschäftigt wird, ist er nicht am Studieren, sondern am Arbeiten. Oder eben einen Hiwi-Job ausüben. In diesem Falle wäre er sogar ein “Mitarbeitender”, ein Begriff, den man ja auch immer häufiger zu Gesicht bekommt, weil ja “Mitarbeiter” auch wieder die anderen Geschlechter benachteiligen könnte. Da er aber in diesem Moment mitarbeitet, würde es passen, auch wenn es sehr distanziert und holprig klingt und aussieht. Wenn der studentische Mitarbeitende dann das Unternehmen verlässt, ist er wieder das, was er aufgrund seines (Hochschul-)Studiums per Status quo gerade ist: Ein Student. Egal welchen Geschlechts. Kann also auch Studentin sein. Studierende/r wiederum ist sie oder er wiederum erst, wenn wieder die Vorlesung besucht und – studiert wird!

Wie wäre es denn, wenn wir das Ganze so benennen, worum es eigentlich geht: um einen Studentenjob (und bitte nicht Studierendenjob). Das ist auch das, wonach die Studenten, also die Studierenden – wobei, in diesem Moment sind es nicht Studierende, sondern Suchende – also suchende Studenten – bei Google Ausschau halten:

Studentenjob oder Werkstudent? Google weiß die Antwort

Es kann wohl nur noch eine Frage der Zeit sein, bis aus dem Praktikanten der (die) Praktizierende und dem Trainee der (die) Trainierende wird. Herr (m/w/d), lass Hirn vom Himmel fallen, dass genau das nicht geschieht. Bitte.

Kommentare (1)

Jennifer Morf

Wie immer ein grosses Vergnügen deine Blogbeiträge zu lesen. Eine kleine Anmerkung zum folgenden Kommentar habe ich noch: Gleiches gilt übrigens für das „d“ in Stellenanzeigen, welches für viele Stellensuchende Fragen aufwirft (denn erklären tut es ihnen keiner) … Ganz ehrlich, wenn es jemand interessieren würde, für was das D steht, dann Googlen sie es einfach. Tatsache ist aber, es interessiert keine S**, denn jeder überfliegt den Teil und weiss das Sie/Er damit angesprochen ist. Vertraut endlich auf den gesunden Menschenverstand und sollte sich jemand darüber beklagen ob da nun w,m,d,* oder was auch immer steht, stellt sich dir Frage ob man diese Person wirklich bei sich im Unternehmen will. Im Controlling vielleicht, denn da ist diese, wie man in der Schweiz so schön sagt *Tüpflischiesser* Eigenschaft gefragt.
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Moin! Ich bin Henner Knabenreich. Als Recruiting-Aktivist und Arbeitgebermarkenauftrittsoptimierer helfe ich Unternehmen, mit einer wertschätzenden und menschenzentrierten Ansprache passende Mitarbeiter zu finden. Mein Fokus: Karriereseiten, Stellenanzeigen und eine Bewerbungsarchitektur, die aus Interessenten Bewerber macht. Mein Wissen teile ich auch als Speaker, Personalmarketing-Coach, Berater und als Fachbuchautor der weltweit ersten Bücher über Karriereseiten und Google for Jobs. Ich hinterfrage den Status quo, lege gern den Finger in die Wunde und sage, was ich denke – und nicht, was alle hören wollen. Sie möchten mich für einen erfrischenden Vortrag buchen, eine wirklich funktionierende Karriereseite aufbauen, suchen einen Sparringspartner für Employer Branding oder wollen mit bewerberzentrierten Stellenanzeigen punkten? Dann kontaktieren Sie mich gern per E-Mail oder LinkedIn – ich freue mich auf Sie!
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