Social Media Personalmarketing: An der Zielgruppe vorbei?

Lesezeit: 5 Min. PersonalmarketingRecruitingSocial Media

Wie war es einst gehypt worden, das “Social Media Personalmarketing”. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, wo darüber diskutiert wurde, ob denn die Facebook Karriereseiten die Karriere-Website ablösen würde (die noch längst nicht in jedem Unternehmen etabliert ist). Mit entsprechenden Konferenzen verdienten sich entsprechende Anbieter eine goldene Nase. Und heute? Was ist übrig geblieben vom Hype, vom vermeintlichen Königsweg Social Media in der Ansprache der Kandidaten?

Darüber gibt nun bereits das vierte Mal die Social Media Personalmarketing Studie der Hochschule RheinMain unter Leitung von Prof. Thorsten Petry Auskunft. Spannend an der Studie: Hier wird sowohl die Kandidaten- als auch die Unternehmensperspektive beleuchtet. Und bei den Kandidaten werden sowohl die Meinungen der Studenten & Absolventen als auch die der Fach- & Führungskräfte abgefragt. Das bietet sonst keine Studie und ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal. 2016 haben 487 Personen teilgenommen.

Fach- und Führungskräfte aktiver als Gen Y

Jedes Jahr greift die Studie neue Trendthemen auf. Dieses Jahr wollten wir wissen, wie es um die Nutzung von Arbeitgeberbewertungsportalen geht. Welche Bedeutung eigentlich Active Sourcing für die Kandidaten hat. Und natürlich: Welchen Stellenwert die Candidate Experience bei Unternehmen und Kandidaten einnimmt. Hierbei kamen wirklich spannende Erkenntnisse zutage. Wer beispielsweise glaubt, die legendenumwobene und ach so online-affine “Generation Why” sei hyperaktiv im Social Web, muss eines Besseren belehrt werden. Denn es sind eher die alten Hasen, die hier den Ton angeben. Sowohl was die Nutzung der Kanäle für die Suche nach Informationen über den Arbeitgeber oder die Jobsuche angeht als auch was die Pflege der Social Media Profile auf XING und Linkedin angeht: Beides ist Fach- und Führungskräften deutlich wichtiger. Und zwar durch die Bank auf allen Kanälen: Ob Facebook, XING, Youtube oder kununu – Fach- und Führungskräfte haben die Nase vorn.

Allerdings, eine Tatsache überrascht noch mehr: Die Unternehmen selber nutzen noch mehr Kanäle und sind in Summe aktiver, als die Kandidaten selber. Nur 14 Prozent der befragten Unternehmen nutzen Social Media gar nicht. Grundsätzlich bedarf es also eines kurzen Innehaltens und der Besinnung und der Überlegung, ob viel wirklich viel hilft oder ob es nicht sinnvoller ist, sich auf bestimmte (bitte schön von der Zielgruppe genutzte) Kanäle zu fokussieren, anstatt mit Kanonen auf Spatzen schießen. Zum Beispiel Jobmessen auf Twitter einfach zu lassen. Und ob eine Bündelung der Aktivitäten nicht eher zum Ziel führt. Apropos Ziel 1: Die Top 3-Ziele der Personalmarketing-Maßnahmen sind

  1. Unternehmensbekanntheit steigern bei pot. Mitarbeitern (74 Prozent)
  2. Arbeitgebermarke aufbauen bzw. stärken (64 Prozent)
    Bewerbungen auf offene Stellen generieren (64 Prozent)
  3. Potenzielle Mitarbeiter aktiv suchen / ansprechen (Active Sourcing) (53 Prozent)

Social Media Personalmarketing an der Zielgruppe vorbei

Apropos Ziel 2 bzw. am Ziel vorbei: Viele Bemühungen der Unternehmen gehen komplett an der Zielgruppe vorbei. So sind beispielsweise 58 Prozent der Unternehmen auf Arbeitgeberbewertungsportalen präsent. Allerdings steht die Nutzung durch Bewerber selbst in keinem Verhältnis. Hatte dies seinerzeit schon eine Studie zum Stellenwert von Arbeitgeberbewertungsportalen und Arbeitgebersiegeln ermittelt, so bestätigt diese Ergebnisse auch die Social Media Personalmarketing Studie. So nutzen nur 5 Prozent der Studenten & Absolventen sowie 23 Prozent der Fach- und Führungskräfte kununu & Co. Es gibt allerdings durchaus gute Nachrichten für Arbeitgeber: Auch schlecht bewertete Unternehmen haben eine Chance – allerdings nur, wenn diese ernsthaft auf die Bewertungen eingehen und Stellung beziehen. Und daran hapert es ja bekanntlich.

Social Media Personalmarketing Studie - Studenten und Unternehmen sind z.T. auf deutlich unterschiedlichen Kanälen unterwegs

Und so wundert es kaum, dass auch bei der Kandidatenansprache viel Potenzial nach oben ist. Obwohl 87 Prozent der befragten Unternehmen einer konsistenten und ganzheitlichen Bewerbererfahrung („Candidate Experience“) an allen Kontaktpunkten eine sehr große Bedeutung beimessen, sind die Aktivitäten – nach Aussage der Kandidaten und Unternehmen selbst – nur bei knapp jedem dritten Unternehmen auch tatsächlich auf diesen Idealzustand abgestimmt. Das Candy Date ist also nach wie vor mehr Wunsch, als Realität.

Linkedin beats XING – vor allem bei Studenten

Das schlägt sich auch nieder bei der Nutzung von Business-Netzwerken. Zwar wird hier eine aktive Ansprache mehrheitlich von den Kandidaten begrüßt. Allerdings hapert es an einer professionellen Kontaktaufnahme seitens der Unternehmen. Auch wenn bei den Unternehmen ein Zuwachs der Aktivitäten um 25 Prozent gegenüber 2014 zu verzeichnen ist. Aber es kommt eben wie so oft nicht darauf an, ob man etwas macht, sondern wie… Spannende Notiz am Rande: XING büßt Nutzer ein, Linkedin gewinnt stark an Bedeutung. Während dessen Nutzung bei Studenten beispielsweise um 40 Prozent gestiegen ist, ging diese bei XING um 18 Prozent zurück.

Social Media Personalmarketing Studie 2016 - XING verliert, Linkedin gewinnt

Übrigens: So sehr eine (professionelle!) Ansprache via XING und Linkedin auf Zustimmung stößt, Finger weg von einer Ansprache auf privaten Sozialen Netzwerken (aka Facebook). 47 Prozent der Kandidaten lehnen  diese strikt ab.

Social Media Personalmarketing Studie 2016 - Nutzung von Social Media

Auch wenn Social Media Kanäle sowohl von Unternehmens- als auch von Kandidatenseite weiterhin stark genutzt werden, geht kein Weg an den “klassischen” Kanälen vorbei. Auch 2016 sind Karriere-Website und Jobbörsen die favorisierten Kanäle. 90% der Kandidaten suchen auf Karriere-Websites nach Informationen über den Arbeitgeber. Umgekehrt sind es 95% der Unternehmen, die auf diesen Kanal setzen. Von wegen, die Facebook-Karriereseite löst die Karriere-Website ab. Selten so gelacht!

Social Media Personalmarketing Studie 2016 - Kanäle bei der Jobsuche bzw. Ansprache durch Arbeitgeber

Zusammenfassend zeigt ein Vergleich der Studienergebnisse über die Jahre nach einem deutlichen Anstieg des Reifegrades von 2010 bis 2014 eine weitgehende Stagnation auf dem erreichten Niveau (von Stillstand auf hohem Niveau kann nicht die Rede sein). Das soll jetzt kein Freifahrtschein für alle Social Media-Verweigerer sein, sich nicht mit diesen Kanälen auseinanderzusetzen. Im Gegenteil. Auch wenn der Social Media Hype im Personalmarketing endgültig vorbei ist, heißt dies keinesfalls, diese Kanäle zu ignorieren. Viel mehr gilt es, diese sinnvoll in den Personalmarketing-Mix zu integrieren und zielgruppenspezifisch und konsistent im Sinne einer positiven Candidate Experience mit wirklich relevanten Inhalten zu bespielen. Worin, das ist durchaus klar, eine gewisse Herausforderung besteht.

Die Social Media Personalmarketing Studie 2018 ergänzt um sechs relevante Erfolgsfaktoren im Personalmarketing kann zum Preis von 199 Euro netto unter social-media-personalmarketing.de erworben werden.

Kommentare (3)

Update Recruiting 16.07 - die Recruiting Topics im Juli 2016

[…] Blog Social Media Personalmarketing: An der Zielgruppe vorbei? von Personalmarketing2null wurden wesentliche Ergebnisse direkt aus erster Hand vorgestellt und […]

Candidate Experience: Tschüss Anschreiben!

[…] die aktuelle Situation am Arbeitgebermarkt beschreiben. Und das spiegeln auch die Ergebnisse der Social Media Personalmarketing Studie 2016 eindrucksvoll (oder erschreckenderweise) wider. Nur wenige haben begriffen, dass es so nicht […]

Anika Zeimke

Hallo Henner! 140 Zeichen bei Twitter waren mir dann doch zu wenig! :-) Toll recherchierter Blogbeitrag mit wichtigen Zahlen auf einen Blick! Dennoch denke ich, dass der Grund für das wenige Interesse an Arbeitgeberbewertungsportalen wie kununu bei Absolventen einfach darin begründet ist, dass die Absolventen eh mehr auf einen Job bei einem "Big Player" abzielen. Und da schaut man dann weniger in die Bewertungsportale, weil der große Name/Image nach außen (was leider nicht immer gleichzusetzen ist mit dem Image nach innen...) zunächst wichtiger erscheint. Da ist es auch egal, wie lange man auf eine Eingangsbestätigung der Bewerbung warten muss oder wie unprofessionell teilweise der Bewerbungsprozess gehandhabt wird, denn das Motto der jungen Leute ist: "ICH WILL ZU BMW, AUDI, SIEMENS, GOOGLE, AIRBUS,ADIDAS...!!!" Wenn die Berufseinsteiger dann mal eine gewisse Zeit in einem der Konzerne gearbeitet haben und das "Konzern-Korsett" kennen-/lieben-/hassengelernt haben, dann erst wird auch mal in Richtung Mittelstand recherchiert. Ein weiteres "Problem" ist, dass in den Konzernen per se erst einmal auch viel mehr Absolventen eingestellt werden können (Trainee-Programme etc.). Das kann der Mittelstand vielfach gar nicht leisten. Hier nochmal ein interessanter Artikel, den ich dazu auf die Schnelle gefunden habe: http://www.manager-magazin.de/unternehmen/karriere/bmw-audi-vw-das-sind-die-beliebtesten-arbeitgeber-deutschlands-a-1088279.html Ich selber erlebe junge Bewerber, die sich sehr wohl über solche Portale über uns informieren und dann auch gezielt Fragen im Interview stellen! So, soll fürs Erste reichen! Ich freue mich auf Feedback und wünsche dir eine schöne Restwoche! LG Anika
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Moin! Ich bin Henner Knabenreich. Als Recruiting-Aktivist und Arbeitgebermarkenauftrittsoptimierer helfe ich Unternehmen, mit einer wertschätzenden und menschenzentrierten Ansprache passende Mitarbeiter zu finden. Mein Fokus: Karriereseiten, Stellenanzeigen und eine Bewerbungsarchitektur, die aus Interessenten Bewerber macht. Mein Wissen teile ich auch als Speaker, Personalmarketing-Coach, Berater und als Fachbuchautor der weltweit ersten Bücher über Karriereseiten und Google for Jobs. Ich hinterfrage den Status quo, lege gern den Finger in die Wunde und sage, was ich denke – und nicht, was alle hören wollen. Sie möchten mich für einen erfrischenden Vortrag buchen, eine wirklich funktionierende Karriereseite aufbauen, suchen einen Sparringspartner für Employer Branding oder wollen mit bewerberzentrierten Stellenanzeigen punkten? Dann kontaktieren Sie mich gern per E-Mail oder LinkedIn – ich freue mich auf Sie!
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