05. Juli 2016
Social Media Personalmarketing: An der Zielgruppe vorbei?
Lesezeit: 5 Min. PersonalmarketingRecruitingSocial Media
Wie war es einst gehypt worden, das “Social Media Personalmarketing”. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, wo darüber diskutiert wurde, ob denn die Facebook Karriereseiten die Karriere-Website ablösen würde (die noch längst nicht in jedem Unternehmen etabliert ist). Mit entsprechenden Konferenzen verdienten sich entsprechende Anbieter eine goldene Nase. Und heute? Was ist übrig geblieben vom Hype, vom vermeintlichen Königsweg Social Media in der Ansprache der Kandidaten?
Darüber gibt nun bereits das vierte Mal die Social Media Personalmarketing Studie der Hochschule RheinMain unter Leitung von Prof. Thorsten Petry Auskunft. Spannend an der Studie: Hier wird sowohl die Kandidaten- als auch die Unternehmensperspektive beleuchtet. Und bei den Kandidaten werden sowohl die Meinungen der Studenten & Absolventen als auch die der Fach- & Führungskräfte abgefragt. Das bietet sonst keine Studie und ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal. 2016 haben 487 Personen teilgenommen.
Fach- und Führungskräfte aktiver als Gen Y
Jedes Jahr greift die Studie neue Trendthemen auf. Dieses Jahr wollten wir wissen, wie es um die Nutzung von Arbeitgeberbewertungsportalen geht. Welche Bedeutung eigentlich Active Sourcing für die Kandidaten hat. Und natürlich: Welchen Stellenwert die Candidate Experience bei Unternehmen und Kandidaten einnimmt. Hierbei kamen wirklich spannende Erkenntnisse zutage. Wer beispielsweise glaubt, die legendenumwobene und ach so online-affine “Generation Why” sei hyperaktiv im Social Web, muss eines Besseren belehrt werden. Denn es sind eher die alten Hasen, die hier den Ton angeben. Sowohl was die Nutzung der Kanäle für die Suche nach Informationen über den Arbeitgeber oder die Jobsuche angeht als auch was die Pflege der Social Media Profile auf XING und Linkedin angeht: Beides ist Fach- und Führungskräften deutlich wichtiger. Und zwar durch die Bank auf allen Kanälen: Ob Facebook, XING, Youtube oder kununu – Fach- und Führungskräfte haben die Nase vorn.
Allerdings, eine Tatsache überrascht noch mehr: Die Unternehmen selber nutzen noch mehr Kanäle und sind in Summe aktiver, als die Kandidaten selber. Nur 14 Prozent der befragten Unternehmen nutzen Social Media gar nicht. Grundsätzlich bedarf es also eines kurzen Innehaltens und der Besinnung und der Überlegung, ob viel wirklich viel hilft oder ob es nicht sinnvoller ist, sich auf bestimmte (bitte schön von der Zielgruppe genutzte) Kanäle zu fokussieren, anstatt mit Kanonen auf Spatzen schießen. Zum Beispiel Jobmessen auf Twitter einfach zu lassen. Und ob eine Bündelung der Aktivitäten nicht eher zum Ziel führt. Apropos Ziel 1: Die Top 3-Ziele der Personalmarketing-Maßnahmen sind
- Unternehmensbekanntheit steigern bei pot. Mitarbeitern (74 Prozent)
- Arbeitgebermarke aufbauen bzw. stärken (64 Prozent)
Bewerbungen auf offene Stellen generieren (64 Prozent) - Potenzielle Mitarbeiter aktiv suchen / ansprechen (Active Sourcing) (53 Prozent)
Social Media Personalmarketing an der Zielgruppe vorbei
Apropos Ziel 2 bzw. am Ziel vorbei: Viele Bemühungen der Unternehmen gehen komplett an der Zielgruppe vorbei. So sind beispielsweise 58 Prozent der Unternehmen auf Arbeitgeberbewertungsportalen präsent. Allerdings steht die Nutzung durch Bewerber selbst in keinem Verhältnis. Hatte dies seinerzeit schon eine Studie zum Stellenwert von Arbeitgeberbewertungsportalen und Arbeitgebersiegeln ermittelt, so bestätigt diese Ergebnisse auch die Social Media Personalmarketing Studie. So nutzen nur 5 Prozent der Studenten & Absolventen sowie 23 Prozent der Fach- und Führungskräfte kununu & Co. Es gibt allerdings durchaus gute Nachrichten für Arbeitgeber: Auch schlecht bewertete Unternehmen haben eine Chance – allerdings nur, wenn diese ernsthaft auf die Bewertungen eingehen und Stellung beziehen. Und daran hapert es ja bekanntlich.
Und so wundert es kaum, dass auch bei der Kandidatenansprache viel Potenzial nach oben ist. Obwohl 87 Prozent der befragten Unternehmen einer konsistenten und ganzheitlichen Bewerbererfahrung („Candidate Experience“) an allen Kontaktpunkten eine sehr große Bedeutung beimessen, sind die Aktivitäten – nach Aussage der Kandidaten und Unternehmen selbst – nur bei knapp jedem dritten Unternehmen auch tatsächlich auf diesen Idealzustand abgestimmt. Das Candy Date ist also nach wie vor mehr Wunsch, als Realität.
Linkedin beats XING – vor allem bei Studenten
Das schlägt sich auch nieder bei der Nutzung von Business-Netzwerken. Zwar wird hier eine aktive Ansprache mehrheitlich von den Kandidaten begrüßt. Allerdings hapert es an einer professionellen Kontaktaufnahme seitens der Unternehmen. Auch wenn bei den Unternehmen ein Zuwachs der Aktivitäten um 25 Prozent gegenüber 2014 zu verzeichnen ist. Aber es kommt eben wie so oft nicht darauf an, ob man etwas macht, sondern wie… Spannende Notiz am Rande: XING büßt Nutzer ein, Linkedin gewinnt stark an Bedeutung. Während dessen Nutzung bei Studenten beispielsweise um 40 Prozent gestiegen ist, ging diese bei XING um 18 Prozent zurück.
Übrigens: So sehr eine (professionelle!) Ansprache via XING und Linkedin auf Zustimmung stößt, Finger weg von einer Ansprache auf privaten Sozialen Netzwerken (aka Facebook). 47 Prozent der Kandidaten lehnen diese strikt ab.
Auch wenn Social Media Kanäle sowohl von Unternehmens- als auch von Kandidatenseite weiterhin stark genutzt werden, geht kein Weg an den “klassischen” Kanälen vorbei. Auch 2016 sind Karriere-Website und Jobbörsen die favorisierten Kanäle. 90% der Kandidaten suchen auf Karriere-Websites nach Informationen über den Arbeitgeber. Umgekehrt sind es 95% der Unternehmen, die auf diesen Kanal setzen. Von wegen, die Facebook-Karriereseite löst die Karriere-Website ab. Selten so gelacht!
Zusammenfassend zeigt ein Vergleich der Studienergebnisse über die Jahre nach einem deutlichen Anstieg des Reifegrades von 2010 bis 2014 eine weitgehende Stagnation auf dem erreichten Niveau (von Stillstand auf hohem Niveau kann nicht die Rede sein). Das soll jetzt kein Freifahrtschein für alle Social Media-Verweigerer sein, sich nicht mit diesen Kanälen auseinanderzusetzen. Im Gegenteil. Auch wenn der Social Media Hype im Personalmarketing endgültig vorbei ist, heißt dies keinesfalls, diese Kanäle zu ignorieren. Viel mehr gilt es, diese sinnvoll in den Personalmarketing-Mix zu integrieren und zielgruppenspezifisch und konsistent im Sinne einer positiven Candidate Experience mit wirklich relevanten Inhalten zu bespielen. Worin, das ist durchaus klar, eine gewisse Herausforderung besteht.
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Anika Zeimke