28. September 2015
XING: Ärger mit Jobbörse.com
Lesezeit: 9 Min.
RecruitingStellenanzeigen
Eigentlich sollte es ja die Innovation des Jahres sein. Oder das Ei des Columbus. Eine Revolution, die den Stellenbörsen-Markt umkrempelt – die neue Generation von Stellenanzeigen bzw. die Verschmelzung von XING mit Jobbörse.com zur (zahlenmäßig) größten Stellenbörse in Deutschland. Wie so oft ist aber auch hier – wie schon am Beispiel Glassdoor zu sehen ist – Masse eben nicht Klasse. Im Gegenteil. Das zeigen zunehmend die (charmant umschrieben) “Unmutsreaktionen” einiger Personaler. Von Qualitätsbewusstsein leider keine Spur. Worum geht es genau?
Vor einiger Zeit verleibte sich XING Jobbörse.com ein, ich berichtete dazu. Schon damals war mir die Aussage ein Dorn im Auge, man sei nun die Stellenbörse mit den meisten Stellenangeboten. Was gerne verschwiegen wird: Bei den X Millionen Jobs handelt es sich natürlich nicht um einzelne Stellenangebote, sondern um Dubletten, die von teilweise sehr dubiosen Webseiten gezogen werden. Dazu aber später.
Zur Zukunft Personal läutete XING nun mit Pauken und Trompeten die vermeintliche neue Generation der Stellenanzeigen ein. Offenbar versucht Burda Digital (die ja hinter XING stehen), Axel Springer (die wiederum hinter Stepstone stehen), um jeden Preis Marktanteile abzuluchsen. Dass das schiere Schielen nach Masse respektive Marktmacht oftmals aber nach hinten losgeht, zeigt ja auch das Beispiel Volkswagen, wo pure Gier zu unglaublichem Betrug am Verbraucher und in der Folge zu einem massiven Imageschaden geführt hat. Klar, wo gehobelt wird, fallen Späne. Wenn diese allerdings die Dimension von Holzbalken haben, ist das eher schlecht.
XING gefährdet die Candidate Experience deutscher Unternehmen
Denn genau wie im Fall von Glassdoor auch, scheint man auf die Qualität der eingesammelten Jobs nicht zu achten. Stefan Scheller schrieb seinerzeit, dass Glassdoor die Candidate Experience deutscher Unternehmen gefährde. Abgesehen davon, dass wohl der Großteil der Personaler noch nie was vom Begriff Candidate Experience gehört haben dürfte, hat Stefan leider recht. Und das, was Glassdoor damals verbockt hat, scheint XING jetzt zu wiederholen. Dank der Einbindung von Jobbörse.com. Dementsprechend ist der Unmut in der HR-Community sehr groß. Während im nachfolgenden Beispiel der Name unvollständig wiedergegeben wird, der Einstiegstext unvollständig und das Layout zerpflückt ist,

kommt man hier beim Klick auf “Bewerbungsformular” auf eine Seite, bei der es sich um einen Screenshot handelt. Tatsächlich ist nicht erkennbar, dass man irgendwelche Aktionen ausführen kann. Kann man auch nicht. Aber bei Klick auf selbigen landet man dann doch auf dem Stellenangebot.

Personaler äußern ihren Ärger
Die Begeisterung in der Szene hält sich nachvollziehbarer Weise in Grenzen ;-)
“Ich bin bzgl. XING / jobbörse.com schon am frühen morgen auf 180… Schaut euch mal eure Anzeigen bei “jobbörse.com” an, welche von StepStone, Monster etc. bezogen werden. Bei uns sind erhebliche grafische Fehler drin. Zumal die Integration von “Jobbörse.com” in den “XING Stellenmarkt” eine noch größere Katastrophe ist. Die Anzeigentexte sind komplett fehlerhaft, vom Layout mal ganz zu schweigen. […] Ist ja schön und nett, dass XING/Jobbörse das so aus StepStone/Monster etc. bezieht und das kostenfrei, aber die Fehler sind hochgradig peinlich und werfen ein ziemlich unprofessionelles Licht sowohl auf XING als auch auf uns als Arbeitgeber. Ich bin gestern durch einen Bewerber erst darauf aufmerksam gemacht worden, dem das aufgefallen war…”
Eine andere Spielart stellt folgendes Beispiel dar. Hier sucht Siemens Bewerber für ein Pflichtpraktikum. Das an sich ist schön und gut. Während es sich auf der Website, auf die man durch den Klick auf “Bewerbungsformular” gelangt, ganz offensichtlich um ein Stellenangebot handelt, sieht das Ganze in den Suchergebnissen bei XING so aus:

Begeisterung sieht anders aus, wie dieses Zitat eines Personalmarketing-Verantwortlichen belegt.
“Hallo zusammen, ich möchte hier kurz einkippen, was mir gerade bei XING aufgefallen ist. Gebt mal bei der Stellenbörse “Personalmarketing” ein. Da tauchen jede Menge Angebote auf, die keine Stellenangebote sind, sondern nur ein bisschen Imagetext zu den jeweiligen Unternehmen. OK, das betrifft natürlich nur Leute die Stellen im Personalmarketing suchen. Was aber echt nervt ist, dass z. B. bei unseren Unternehmensneuigkeiten plötzlich Stellen ausgeschrieben sind, deren Link jedoch nicht auf ein Stellenangebot von uns verweist, sondern in der XING Stellenbörse auf das Suchergebnis nach dem entsprechenden Jobtitel. Bei einem anderen Unternehmen habe ich das auch so gefunden, dort landet man dann auch gleich bei gleichnamigen Jobs der Wettbewerber. Herzlichen Dank – so wird das jedenfalls nichts mit der tollen neuen Jobbörse!”
Es kann also auch durchaus mal sein, dass Sie auf einer Seite landen, die zwar den Suchbegriff beinhaltet, aber mit einem Stellenangebot so viel gemein hat, wie VW mit Ehrlichkeit gegenüber Kunden. Oder Lidl mit einem guten Arbeitgeber.

Während ich den nachfolgenden Einwand
“Ich habe noch zwei schöne Dinge entdeckt: Es zieht Firmenprofile als Stellen und es zieht normale Blog-Beiträge (Interviews von unserem Karriereblog) als Stellen. Unglaublich!”
eher als Chance sehe, dass mein Blog demnächst auch über Jobbörse.com und damit über XING lesbar ist, will ich noch einen weiteren Punkt benennen.
Oh, hoppla, sorry, DAS musste ich gerade testen – und bingo!

Gut, wie man es nicht anders erwarten konnte, wurde nicht die Originalquelle gecrawlt, sondern irgend eine Seite, die meinen Artikel gespiegelt hatte.
Mangelhafte Suchergebnisse in der XING Jobbörse
Aber zurück zur Suchqualität. Dass das, was an Ergebnissen angezeigt wird, nicht unbedingt dem gewünschten Resultat entspricht, haben wir anhand der bereits gezeigten Beispiele glaube ich schon gesehen. Aber es kommt noch besser.
So ergab bspw. eine Abfrage nach dem Unternehmensnamen “BFFT” folgendes Ergebnis:

Dass die angezeigten 176 Stellenangebote mit Nichten und Neffen von der BFFT-Website selbst, sondern von irgendwelchen mehr oder weniger dubiosen anderen Websiten stammen, muss ich Ihnen glaube ich an dieser Stelle nicht mehr erläutern. Dass die Schreibweise von “Fah rzeugtechnik” ebenfalls nicht ganz korrekt ist, wohl auch nicht. Wer aber hätte gedacht, dass sich hinter dem Stellenangebot der “Buffetkraft” ein recht anspruchsvolles Stellenprofil verbirgt – in einem ansprechenden Layout, das kennen wir ja schon…

Auch wenn die Jungs von BFFT schon öfter mal mit recht kruden Stellentiteln arbeiten (und postulierten, dass Recruiting auf XING tot sei), bei dem der Suchende garantiert anhand des Stellentitels nicht auf den Job stoßen wird (Stürmer, Spielmacher und Libero werden nicht für die werkseigene Fußballelf gesucht), eine Buffetkraft sucht man dort derzeit nicht. Und selbst wenn – eine Qualifikation als Elektroingenieur müsste sie nicht mitbringen.
Gerade wurde mir noch berichtet, dass Stellenangebote auch mit Orten verknüpft werden, an denen das Unternehmen nicht sitzt. Und wenn Sie bspw. den Namen von Stepstone oder Jobcloud AG in die Suchmaske eingeben, bekommen Sie ebenfalls Stellen ausgespuckt, die überall angesiedelt sind – nur eben nicht bei den ausschreibenden Unternehmen.
Man kann also an dieser Stelle resümieren, dass die Integration von Jobbörse.com voll in die Hose gegangen ist. Und die neue Generation Stellenanzeige, die so marketinggewaltig angekündigt wurde, ebenfalls zu allem möglichen hinreißen lässt – nur eben nicht zu Begeisterungsausbrüchen.
XING setzt auf Klasse statt Masse Masse statt Klasse
Was mir nicht in den Kopf will: Warum hat man nicht aus den gravierenden Fehlern gelernt, die Glassdoor seinerzeit bei seinem verpatzten Deutschland-Start gemacht hat? Warum schielt man nur nach Masse, anstatt nach Qualität? Warum schlägt man den Kunden so sehr vor den Kopf? Will man auf diese Weise seine Marktmacht um jeden Preis ausspielen? Denn es ist auf jeden Fall technisch möglich, zu besseren Ergebnissen zu gelangen. Auf jeden Fall sollte trotz aller aktuell technischen Möglichkeiten ein manueller Check der einzelnen Websites erfolgen, um auf diese Weise für eine bessere Qualität zu sorgen. Auch wäre es wohl sinnvoll, einzelne Begrifflichkeiten unterschiedlich zu gewichten, um zumindest die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass solch unpassenden Ergebnisse vermieden werden:

Offenbar ist Qualität aber nicht das, was man bei XING möchte. So zumindest der Eindruck, den folgende Antwort von XING vermittelt, die einem Betroffenen mitgeteilt wurde und mir vorliegt:
“Vielen Dank für Ihre Nachricht.
Wie bereits seit einigen Wochen angekündigt, haben wir zum 15. September 2015 die neue Generation Stellenanzeigen auf XING eingeführt.
Die neue Generation Stellenanzeigen von XING ermöglicht Recruiting in einer ganz neuen Dimension. XING Stellenanzeigen stehen nicht nur den rund 8,8 Mio. XING-Mitgliedern in DACH, sondern auch allen Nicht-XING-Mitgliedern zur Verfügung. Und weil der XING Stellenmarkt ab sofort immer 1 Mio. Stellenanzeigen bietet, wächst durch die steigende Anzahl der Zugriffe auch die Reichweite der Stellenanzeigen. Und das auch auf allen gängigen mobilen Endgeräten.
Um die Anzahl der Stellenanzeigen auf XING dauerhaft deutlich zu erhöhen, werden ab sofort für unsere Mitglieder potenziell relevante Stellenanzeigen aus allen im deutschsprachigen Raum verfügbaren Quellen ermittelt und zur Veröffentlichung im XING Stellenmarkt aufbereitet. Die dabei verwendete Technologie orientiert sich an rechtlichen Standards. Ziel ist es, ab Herbst 2015 einen für Jobsuchende umfassenden Marktplatz für Stellenanzeigen auf XING anzubieten. Und davon profitieren auch Sie als Unternehmen.
Die XING-Vision „For a better working life“ stellt seit jeher den XING-Nutzer in den Mittelpunkt. Durch die Verfügbarkeit der XING Stellenanzeigen, auch für Nicht-XING-Mitglieder erhöht sich die Relevanz des XING Stellenmarktes bei Jobsuchenden deutlich. Dies werden wir auch durch eine verstärkte Positionierung bei all denen erreichen, die sich aktiv mit ihrer beruflichen Zukunft auseinander setzen. Selbstverständlich bleiben die Vorteile des Netzwerks bestehen und Sie erreichen weiterhin auch die exklusive Zielgruppe der latent Jobsuchenden mit Ihren Stellenanzeigen.
Damit die von Ihnen eingespielten Anzeigen in Ihrem Layout dargestellt werden und alle wichtigen Arbeitgeberinformationen wie z.B. Ihre kununu Mitarbeitervorteile enthalten, können Sie die Anzeigen jederzeit in eine „Professional-Anzeige“ upgraden.
Diese Anzeigen werden dann auch selbstverständlich auf Ihrem Employer Branding Profil dargestellt.
Über den Button „Stellenangebot melden“ können Sie fehlerhafte Anzeigen direkt an unseren technischen Support zur Prüfung melden.
Die Kollegen werden dann schnellstmöglich eine Korrektur vornehmen.”
Ich glaube, die Kollegen werden heute reichlich beschäftigt sein. Und Sie? Sie können ja schon mal in eine “Professional-Anzeige” upgraden. Eins zeigt das Schreiben auf jeden Fall: Auf das eigentliche Problem wird bei XING nicht im Ansatz eingegangen. Eher führt es dazu, den (ohnehin massiven) Unmut zu erhöhen. Schade.
Wie heißt es so schön in der Broschüre zur neuen Generation Stellenanzeigen?
“Mit dem XING Stellenmarkt sind die Stellenanzeigen auch für Nicht-XING-Mitglieder und aktiv Jobsuchende auffindbar.”
Was aber nützen mir erhöhte Reichweite und Sichtbarkeit, wenn die Qualität der gespiegelten Stellenanzeigen so schlecht ist, dass im schlimmsten Falle ein Imageschaden droht (wem, dürfen Sie sich jetzt aussuchen)?
Vielleicht, ganz vielleicht, ist das aber auch nur ein regionaler Test – so wie damals, als man die kununu-Profile nur noch aufrufen konnte, wenn man sich als XING-Mitglied angemeldet hatte ;-)
Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem neuen XING-Stellenmarkt? Ich freue mich auf Kommentare. Insbesondere natürlich auf Positivbeispiele!
Update: So eben habe ich das erste Positivbeispiel erhalten (spannend im Übrigen auch, das vergaß ich zu bemerken, die angezeigten “ähnlichen Jobs”)…

Na also, geht doch! Nicht.
Katja Wehrberger
personalmarketing2null
Julia Legge
personalmarketing2null
Jakob Schulz
personalmarketing2null
Sorry, da habe ich und da hat wohl auch die Community wenig Verständnis für. Ganz zu schweigen vom Imageschaden - sowohl für XING als auch für die "ausschreibenden Unternehmen". So. Und jetzt seht zu, wie ihr die Kuh vom Eis bekommt. Viele Grüße nach Hamburg, Henner
Tobias Ortner
personalmarketing2null
Christoph Richter
Eva Zils