16. Januar 2015
Nach Markteintritt von Glassdoor: Deutsche Personaler in Schockstarre
Lesezeit: 6 Min. Employer BrandingPersonalmarketingRecruiting
Gestern war der große Tag. Nach monatelangen Vorbereitungen ging das weltweit größte Arbeitgeberbewertungsportal Glassdoor mit viel Bohei in den Medien auch mit einer deutschen (Internet)präsenz an den Start. Und während ich geblendet davon, dass endlich mal ein Wettbewerber den Monopolistenmarkt aufmischt, einen euphorischen Blogartikel schrieb, hagelte es von anderer Seite Schelte. Ach, was sage ich: Eine Gefahr für das gesamte Abendland, zumindest aber für Bewerber und in der Folge für die armen Unternehmen, wurde ausgemacht. Und da zeigte sie sich wieder, die Fratze des “hässlichen Amerikaners”. Was war geschehen?
Ganz einfach: Der von mir für seine meist kritischen Beiträge sehr geschätzte Blogger Stefan Scheller war über die Eingabe des Unternehmensnamens in die Glassdoor-Suchmaske über eine vermeintlich von seinem Arbeitgeber geschaltete Stellenanzeige gestolpert. Und was er da zu sehen bekam, ließ ihn – das schreibt er selber – in Schnappatmung verfallen. Das Ganze sah dann so aus:
Das vermeintliche DATEV-Stellenangebot zeigt nur einen Bruchteil der Original-Anzeige. Ein Klick auf “Jetzt bewerben” entführt den Bewerber dann auch noch und führt ihn in die Irre, so schreibt Stefan. Denn er landet nicht etwa bei DATEV, sondern auf einer höchst dubiosen Website eines Anbieters aus der Schweiz und erblickt dort Folgendes:
Schon auf den ersten Blick ist zu erkennen, dass es sich
- nicht um die Website von Glassdoor handelt,
- aber auch nicht um die von DATEV,
- sondern um die von einem meines Erachtens höchst dubiosen Nepper, Schlepper, Bauernfänger.
Das, finde ich, lässt sich wunderbar an den Anzeigen, dem fehlenden bzw. unvollständigen Impressum und auch an der mehr als mangelhaften Rechtschreibung erkennen
Wer sich hier nun bewirbt, ist bei aller Liebe, wirklich saudumm. Und wer sich mit seinem Social Media-Profil anmeldet, noch dümmer. Ich will das an dieser Stelle nicht weiter kommentieren.
Stellt sich nun die Frage, was Glassdoor dafür kann. Scrollt man auf der Seite von Arca24 weiter nach unten, werden dort (vermeintlich) weitere Jobs von DATEV angezeigt. Ein Klick auf diese offenbaren ein ähnliches Bild wie oben. Dummerweise werden diese nun aber über Jobaggregatoren (was glauben Sie, wie Glassdoor an so viele Jobs gelangt? Durch Kooperationen mit Adzuna, Stepstone, indeed u. a.) per Schnittstelle an Glassdoor weitergegeben und dann dort angezeigt. Wenn einer Kritik verdient, so wären es wohl in erster Linie Arca24 oder aber die Programmierer :-). Und dann Glassdoor.
Denn zugegeben, dass diese Stellenanzeige mit dem Unternehmensprofil von DATEV zusammengeführt wird, ist nicht besonders glücklich. Stimmt. Problem ist – und das nicht nur bei Glassdoor – dass einige Jobaggregatoren und Suchmechanismen nicht besonders trennscharf sind und solche Suchergebnisse und Schnappatmung fördernde Erlebnisse leider keine Seltenheit sind. Selbst bei Monster bekommen Sie bei Eingabe von “DATEV” nicht nur Jobs bei DATEV angezeigt, sondern alle, die irgendwo in der Anzeige den Begriff DATEV beinhalten. So kann es auch passieren, dass bei einer Suche nach “Koch” auch Stellenanzeigen angezeigt werden, wo der Ansprechpartner mit Nachnamen Koch heißt. Was aber immerhin einen positiven Aspekt zeigt – Stichwort Candidate Experience, die ja als so gefährdet gesehen wird: Dass hier in der Stellenanzeige ein Ansprechpartner genannt wird nämlich.
Übrigens ist das Thema Jobsuche insgesamt nicht ganz so trivial. Problem ist nämlich, dass Sie in der Regel gar nicht wissen, wie der Bewerber nach Stellenangeboten sucht. Der eine sucht nach konkreten Stellenbezeichnungen, der andere wiederum nur nach Schlagworten wie bspw. Personal oder Controlling, der nächste nach dem Unternehmensnamen. Und: Der gemeine Personaler (der eben gerne in Schockstarre fällt, wenn etwas Neues auf den Markt kommt, was er nicht kennt, mit dem er sich auseinandersetzen muss und vor allem: was er nicht steuern kann), der gemeine Personaler also ist nämlich das nächste Problem. Wie meine Artikel zu Referenten oder Ressourcen-Managern denke ich eindrucksvoll untermauern. Und da muss der arme Programmierer also den bestmöglichen Kompromiss finden. Und da wiederum bleibt dann beim Job Scraping im Zweifelsfall mal ein wenig Qualität auf der Strecke.
Während man sich bei Monster & Co. offenbar damit arrangiert hat oder zumindest kein Hahn mehr danach kräht, ist dann ein mit Pauken und Trompeten gestartetes Arbeitgeberbewertungs-Portal, zumal es aus den Staaten kommt und insoweit ohnehin argwöhnisch beäugt wird, natürlich der Buhmann.
Auch dass Inhalte nicht trennscharf zu Unternehmensprofilen aggregiert werden, ist kein Einzelfall. Überhaupt dass jemand ein Unternehmensprofil anlegt. Kaum vorstellbar! Auf einmal hat man als Personaler nicht mehr die Zügel in der Hand, sondern muss sich von Mitarbeitern oder – merklich schlimmer – vom lästigen Bittsteller Bewerber vorführen lassen. Blöd natürlich nur, dass weder Mitarbeiter noch Bewerber oftmals die korrekte Firmierung kennen. Und schon haben wir den Salat. Da gibt’s auf einmal Profile von DATEV, DATEV eG, DATEV Consulting, DATEV Nürnberg etc. pp. Blöd und unerfreulich, klar. Weil so natürlich die Unternehmensprofile nicht die Wirklichkeit widerspiegeln und Informationen, die fürs Gesamtbild wichtig wären (z. B. Mitarbeiteranzahl, Anzahl der Bewertungen (und damit auch deren Durchschnitt, der bitteschön möglichst hoch liegen sollte), Gehaltsangaben), nicht aggregiert werden. Oder schauen Sie mal auf Facebook: Da gibt es Unternehmensseiten, von denen die Unternehmen nicht mal wissen, dass sie existieren. So ist das nun mal im bösen, bösen (irgendwie dann auf einmal gar nicht mehr so) sozialen Internet. Deswegen sage ich bei Facebook ohnehin immer wieder Finger weg. Ich kann es gar nicht oft genug betonen. Meinen Sie denn, Hoteliers oder Kneipiers sind glücklich, wenn sie auf einmal ihr Hotel oder ihre Kaschemme (wahrscheinlich sogar zu Recht) schlecht bewertet sehen?
Und was die Sache mit Glassdoor angeht: Glassdoor ist natürlich nicht nur der hässliche Amerikaner, sondern auch noch ein weiteres ernstzunehmendes hässliches Arbeitgeberbewertungsportal. Und die haben’s ohnehin nicht leicht (gilt generell für Bewertungsportale). kununu und Glassdoor können ganze Arien davon singen. Und deutsche Personaler bekommen ohnehin Schnappatmung und verfallen in Schockstarre, wenn auf einmal nicht mehr sie die Unternehmenshoheit haben und sich Beiträge über ihre Unternehmen verselbständigen. Wie ich oben schon schrieb, hat auf einmal der Nutzer, haben Bewerber und Mitarbeiter das Zepter in der Hand. Und das, ja das gefällt natürlich nicht jedem. Und so wird auch schon über die ersten rechtlichen Schritte gegen Glassdoor gemunkelt, weil man es gar nicht lustig findet, dass da Profile angelegt werden, die Unternehmen dort aber dort gar nicht auftauchen möchten und schon gar nicht, dass ihre Gehälter veröffentlicht werden. Könnte ja gegen sie verwendet werden. Oder der Bewerber von einer Bewerbung absehen, weil er für den Hungerlohn nicht arbeiten möchte. Böse, böse Transparenz!
Das freilich ist nichts Neues, weder für Arbeitgeberbewertungsportale im Allgemeinen, noch für Glassdoor im Speziellen (Spannend ist dieses Thema bei Glassdoor insofern, weil es trotz zum Bersten gefüllter Kriegskasse noch keine deutsche Niederlassung gibt und tatsächlich das ganze Handling vom wunderschönen Sausalitos bzw. vom mittleren Westen aus erfolgt. Wirklich hübsche Ecke, sollten Sie mal in San Francisco sein, schnell einmal über die Golden Gate Bridge, schon sind Sie da. Mehr oder weniger zumindest).
Für Bewertungsportale Business as usual eben.
Nichtsdestotrotz hat Glassdoor natürlich längst reagiert und entsprechende Schritte eingeleitet. Klar ist, dass wo gehobelt wird, auch Späne fallen. Ein Website-Launch erfolgt nie fehlerfrei. Immer gibt es irgendwo Kleinigkeiten, die im Laufe der Live-Phase erst entdeckt werden und die dann beseitigt werden. Gefüllte Kriegskasse hin oder her. Sollten auch die wissen, die gerade so laut Buh schreien.
Übrigens, die Stellenanzeige, die Stein des Anstoßes war, findet man nun nicht mehr bei Glassdoor.
Wohl aber bei Arca24.
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