Haben wir Ihr Interesse geweckt? Schluss mit der austauschbaren Bewerbungsaufforderung!

Lesezeit: 8 Min. Karriere-WebsitesPersonalmarketingRecruitingStellenanzeigen

Haben wir Ihr Interesse geweckt?” so oder so ähnlich lauten die meisten Abgesänge in Stellenanzeigen. Zunächst einmal ist es ja grundsätzlich gut, wenn überhaupt ein solcher “Abgesang”, also so eine Bewerbungsaufforderung vorhanden ist. Schließlich gibt es genügend Stellenanzeigen, wo es nicht mal die gibt. Einerseits. Andererseits: Meistens ist die Stellenanzeige so dröge formuliert, dass man diese Frage ohnehin nur mit “nein” beantworten kann. Wie aber könnte man – angenommen eine Stellenanzeige würde wirklich Lust auf eine Bewerbung machen – diese Bewerbungsaufforderung stattdessen formulieren und warum? Oder ist eine solche Aufforderung zur Bewerbung gar komplett überflüssig?

Stellenanzeige als Instrument der Selbstselektion verstehen

Eine Stellenanzeige, das kann ich gar nicht oft genug betonen, ist ein Instrument der Selbstselektion. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass sie das wichtigste Selbstselektions-Instrument im Recruiting, ja gar, das wichtigste Instrument im Recruiting ist. Warum? Nun ja, auch wenn die Stellenanzeige immer wieder totgesagt wird und das “Post & Pray” (also das Schalten der Stellenanzeige und abschließende Beten, dass sich bitte, bitte, bitte jemand bewerben möge) laut diverser Propheten der Vergangenheit angehört, die Stellenanzeige erfreut sich allerbester Gesundheit und ist nach wie vor in den meisten Fällen der erste Kontaktpunkt – für Bewerber zum Unternehmen, für Unternehmen zum Bewerber.

Interesse geweckt? Austauschbare Bewerbungsaufforderung

Stellenanzeigen sind zumeist beliebig und austauschbar

Leider verstehen die wenigsten Unternehmen die Wirkung einer guten Stellenanzeige, wie ließe sich sonst die schlechte Qualität, wie ließe sich sonst die Austauschbarkeit und Beliebigkeit der meisten Stellenanzeigen erklären? So untersuchten etwa die Marktforscher von index über 11 Millionen Jobinserate von 620.000 Unternehmen und fanden heraus, dass die Anforderung “Teamfähigkeit” in über 7,3 Millionen Stellenanzeigen zu finden war, “Selbstständigkeit wurde über 5,7 Millionen Mal erwähnt, die “Kommunikationsfähigkeit” rund 4 Millionen Mal gefordert und “Zuverlässigkeit” über 3,9 Millionen Mal, gefolgt von “Flexibilität (mehr als 3,2 Millionen Nennungen). Ein wunderbarer Beleg für die Beliebigkeit von Formulierungen. Denn warum jemand “teamfähig”, “selbstständig”, “kommunikationsfähig”, “zuverlässig” oder “flexibel” sein soll und was das im Kontext der Stelle bedeutet, können die wenigsten erraten. Meine Empfehlung daher:

Ersparen Sie potenziellen Mitarbeitern Rätselraten, sprechen Sie Klartext!

Erklären Sie, warum der neue Mitarbeiter teamfähig sein soll und was das im Kontext der Stelle bedeutet, erklären Sie, was Sie sich im Kontext unter selbstständig vorstellen, was unter kommunikationsfähig usw. Grundsätzlich lautet meine Empfehlung immer, Aufgaben und Anforderungen in einen Kontext zu bringen. Umso klarer wird’s!

Mit klar formulierten Stellenanzeigen steigt der Recruiting-Erfolg

Würde die Stellenanzeige als das, was sie ist – nämlich ein Instrument der Selbstselektion und eine Einladung zur Bewerbung – verstanden werden, wäre die Bewerber-Welt ein großes Stück besser und Ihr Recruiting erfolgreicher.

  • Würde die Aufgabenbeschreibung entsprechend (und mit klarem Fokus aufs Wesentliche) formuliert, dass dem Rezipienten klar wird, was genau er in dem neuen Job tut,
  • würden Anforderungsprofile so durchdacht und verfasst, dass wirklich nur die RELEVANTEN Kern-Qualifikationen genannt werden (Berufserfahrung etwa sagt ebenso bedingt etwas bezüglich der Eignung aus, wie Abschlussnoten),
  • würde das WARUM ersichtlich,
  • würden auch die im Kontext der Stelle möglicherweise eher negativ zu bewertenden Eigenschaften genannt werden (etwa Schichtarbeit, laute oder schmutzige Arbeitsbedingungen, Stress etc.)…

… ja, würde genau das passieren, dann würde die Chance exponentiell steigen, dass sich die PASSENDEN bewerben (und nicht möglichst viele und dann erst im Vorstellungsgespräch die negativen Aspekte auf den Tisch gelegt werden, woraufhin viele Kandidaten wütend das Gespräch verlassen, weil sie sich nie beworben hätten, wenn sie gewusst hätten, was auf sie zukommt und ihrem Frust auf kununu und via Mundpropaganda Ausdruck verleihen, was Ihre Recruiting-Bemühungen zusätzlich erschwert) und das Recruiting wertvolle Ressourcen anderweitig einsetzen könnte (etwa, weil Sie sich das Sichten solcher unpassenden Kandidaten und die für die Tonne geführten Gespräche hätten vermeiden können).

Bewerbungsaufforderung auch für die Selbstselektion nutzen

Aber auch der “Abgesang”, Ihr “Interesse geweckt?”, also die Bewerbungsaufforderung kann (und sollte) für diese Selbstselektion genutzt werden. Doch dazu später. Ich habe mir erlaubt, anhand verschiedener Google-Abfragen zu ermitteln, wie oft “Haben wir Ihr Interesse geweckt” und andere vergleichbare leere Floskeln (etwa in der “schreibfaulsten” und am wenigsten wertschätzenden Variante “Interesse geweckt?”) in Stellenanzeigen und/oder auf Karriere-Websites verwendet werden. Es verwundert nicht, dass ich je nach Suchabfrage zwischen 15.000 und 1,3 Millionen Einträge gefunden habe. Das zeigt einmal mehr die Einfallslosigkeit (oder Gleichgültigkeit?), die im Kontext Bewerberkommunikation herrscht und ist darüber hinaus ein weiterer Beleg dafür, dass ein Großteil dessen, was in den Medien gerne als “Fachkräftemangel” kolportiert wird, eher in den Unternehmen zu finden ist, als draußen.

Die Stellenanzeige als Einladung zur Bewerbung

Grundsätzlich sollte eine Stellenanzeige immer als Aufforderung, als Einladung zur Bewerbung verstanden werden. Dies erreichen Sie neben all den oben genannten Aspekten (und durch eine zielgruppengerechte, kontextuelle Darstellung der Benefits) durch eine freundliche, aktivierende Bewerbungsaufforderung.

Machen wir kurz einen Selbsttest. Fragen Sie sich:

Ist eine der folgenden Floskeln – “Interesse?” oder “Interesse geweckt?” oder “Haben wir Ihr Interesse geweckt?” –
eine freundliche, aktivierende Bewerbungsaufforderung, die Lust auf die Bewerbung macht?

Ich denke, die Antwort liegt auf der Hand. Was tun, sprach Zeus also zum wiederholten Male. Im Grunde gibt es zwei Ansätze, wobei ich Ihnen Ansatz 2 eher ans Herz legen würde – siehe auch Stichwort Selbstselektion.

Die wertschätzende Bewerbungsaufforderung verzichtet auf ein “Haben wir Ihr Interesse geweckt?”

Schauen wir uns einmal Ansatz 1 an. Hier geht es zunächst einmal um eine sympathischere, grundsätzlich wertschätzende Bewerbungsaufforderung, die sich vom Einheitsbrei des “Haben wir dein Interesse geweckt?” abhebt. Das sind etwa Formulierungen wie:

  • Gefällt Ihnen unsere Art zu arbeiten? Und Sie können sich das auch für sich vorstellen? Dann freuen wir uns auf Ihre Bewerbung.
  • Hört sich nach Ihrem Traumjob an? Lassen Sie es uns gemeinsam herausfinden. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!
  • Bewerben Sie sich am besten noch heute bei uns und freuen Sie sich auf wirklich spannende Aufgaben und ein nettes und bestens eingespieltes Team!
  • Nur noch ein Klick und Ihre Bewerbung für diese herausfordernde Aufgabe mit viel Entwicklungspotenzial ist bei mir im Postkasten.
  • Möchtest auch du einen Beitrag leisten und dich für das Thema Nachhaltigkeit einsetzen? Dann mach den ersten Schritt und sende uns deine Bewerbungsunterlagen
  • usw.

Hier legt der Fokus also generell auf einer freundlicheren, möglicherweise motivierenden Ansprache. Diese Aufforderung zur Bewerbung ist definitiv eher als Einladung zur Bewerbung zu verstehen als das mantraartig wiederholte “Interesse geweckt?”.

Die Bewerbungsaufforderung als letzter Motivationsschub

Nun ist die Stellenanzeige wie oben geschrieben ja ein, wenn nicht sogar DAS wichtigste Instrument der Selbstselektion im Recruiting. Da stellt sich die Frage, warum man die Bewerbungsaufforderung nicht auch dafür nutzen sollte. Um a) einen letzten Motivationsschub zu geben und b) noch ein letztes Mal die Passung abzuprüfen. Hier lassen sich noch mal verschiedene Themen unterbringen, etwa die

  • Highlights des Jobs,
  • wesentliche Anforderungen,
  • eher unerfreuliche Arbeitsbedingungen
  • das WARUM oder auch
  • kulturelle Themen.

Dieser zweite, von mir aus Gründen klar bevorzugte, Ansatz, kann dann bspw. für einen Verkäufer so aussehen

  • Sie haben Lust, unser kleines, aber feines Team zu unterstützen und unserer Kundschaft ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern? Sie gehen gern auf Menschen zu und mögen den quirligen Einzelhandel? Egal, ob Sie bereits einschlägige Erfahrung haben oder als Quereinsteiger was Neues ausprobieren wollen – wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Für einen Busfahrer so

  • Du verspürst den Wunsch nach Veränderung und hast Lust auf einen verantwortungsvollen und sicheren Job in einem in jeder Hinsicht vielfältigen Team? Du willst nachhaltige und umweltschonende Mobilität für Bielefeld und Umgebung mitgestalten und einen sinnvollen Beitrag für die Gesellschaft leisten? Dann zeig uns, was du kannst! Wir freuen wir uns auf deine Bewerbung!

Für einen Service-Menschen im SHK-Handwerk (aka Klempner) so

  • Du hast Lust, unsere bunt gemischte Truppe zu unterstützen und die Wohn- und Lebensqualität unserer Kunden zu verbessern? Du bist gern bereit, auch im (gut bezahlten) Notdienst unseren Kunden aus so manch unangenehmer Situation herauszuhelfen? Du lebst das Handwerk mit jeder Pore? Dann freuen wir uns auf deine Bewerbung!

Für einen HR-Businesspartner so

  • Du hast Lust, HR-Themen weiterzuentwickeln und schätzt die echte Nähe zum Mitarbeiter? Du bist offen für Neues und willst eigenverantwortlich gestalten? Das Gesamtpaket ist dir wichtiger als das Gehalt? Du brennst für das, was du tust und wagst dich aus der eigenen Komfortzone? Du willst unsere Zukunft aktiv mitgestalten? Dann freuen wir uns auf deine Bewerbung!

Ich denke, das Prinzip ist klar. Diese Form der Bewerbungsaufforderung ermöglicht dem Rezipienten noch einen letzten Check, “passt die Stelle zu mir, passe ich zur Stelle”, liefert einen letzten Motivationsschub, ist alles andere als austauschbar und zahlt positiv auf Candidate Experience und Arbeitgebermarke ein.

Streichen Sie “Haben wir Ihr Interesse geweckt?” aus Ihrem Recruiter-Wortschatz

Dem Ganzen setzen Sie die Krönung der Schöpfung auf, wenn Sie neben Nennung einer konkreten Ansprechperson (nebst Anschrift) auch noch kurz skizzieren, wie der anschließende Bewerbungsprozess aussieht. Und nun: Streichen Sie das “Interesse geweckt?” oder “Haben wir Ihr Interesse geweckt?” ein für alle Mal aus Ihrem Recruiter-Wortschatz.

Disclaimer: 

Grundsätzlich sollte klar sein, dass eine solche Bewerbungsaufforderung die Floskel-Formulierung nur dann wirklich sinnvoll ersetzt, wenn der Rest der Stellenanzeige – also Aufgabenbeschreibung und Anforderungsbeschreibung sowie die Darstellung des WARUM – überzeugt. Anders gesagt: Eine wertschätzende, auf die Stelle bezogene Bewerbungsaufforderung ersetzt keine schlechte Stellenanzeige.

Kommentare (0)
Über den Autor
Avatar-Foto
Moin! Ich bin Henner Knabenreich. Als Recruiting-Aktivist und Arbeitgebermarkenauftrittsoptimierer helfe ich Unternehmen, mit einer wertschätzenden und menschenzentrierten Ansprache passende Mitarbeiter zu finden. Mein Fokus: Karriereseiten, Stellenanzeigen und eine Bewerbungsarchitektur, die aus Interessenten Bewerber macht. Mein Wissen teile ich auch als Speaker, Personalmarketing-Coach, Berater und als Fachbuchautor der weltweit ersten Bücher über Karriereseiten und Google for Jobs. Ich hinterfrage den Status quo, lege gern den Finger in die Wunde und sage, was ich denke – und nicht, was alle hören wollen. Sie möchten mich für einen erfrischenden Vortrag buchen, eine wirklich funktionierende Karriereseite aufbauen, suchen einen Sparringspartner für Employer Branding oder wollen mit bewerberzentrierten Stellenanzeigen punkten? Dann kontaktieren Sie mich gern per E-Mail oder LinkedIn – ich freue mich auf Sie!
Ähnliche Artikel
Wie sinnvoll ist die WhatsApp-Bewerbung?

Wie sinnvoll ist die WhatsApp-Bewerbung?

Es wirkt schon fast anachronistisch, wenn ich heute, im Jahr 2024 über die Bewerbung per WhatsApp schreibe. Gut 10 Jahre

weiterlesen
Pay-per-Application: Die Bewerbung als neue Währungseinheit im Recruiting

Pay-per-Application: Die Bewerbung als neue Währungseinheit im Recruiting

Das ist mal ein echter Geniestreich und ein konsequenter Ansatz, den die Jobbörse Indeed im Rahmen der “Indeed FutureWorks” am

weiterlesen