09. Juli 2020
Klimaschutz: Erfolgsfaktor im Employer Branding und Recruiting
Lesezeit: 9 Min. Employer BrandingPersonalmarketing
Schon 2012 schrieb ich über den Einfluss, den nachhaltiges, umweltbewusstes Handeln von Arbeitgebern auf Bewerberentscheidungen nehmen kann und was das fürs Employer Branding bedeutet. Seinerzeit bezog ich mich auf das Greenpeace Nachhaltigkeitsbarometer. Im Rahmen meines Artikels “HR for Future” fragte ich mich, wie eine solche Umfrage wohl heute ausfallen würde. Die Antwort liefert nun nicht etwa Greenpeace, sondern die Studie “Jobfaktor Klima” der Königsteiner. Und die zeigt eindeutig: Arbeitgeber, die sich Umwelt- und Klimaschutz zu Herzen nehmen, stehen bei (potenziellen) Mitarbeitern hoch im Kurs. Und das nicht nur bei der Generation Greta. Ganz im Gegenteil.
Eigentlich stand das Thema Klimaschutz im Kontext Arbeitgeber-Attraktivität sogar auf der Agenda meiner HR for Future-Masterclass anlässlich der TalentPro, die ich gemeinsam mit dem Unternehmer Stefan Maier bestreiten wollte. Aber dann kam nicht Polly, sondern Corona. Nun, aufgeschoben ist nicht aufgehoben und ich freue mich, dass es nun weiteres spannendes Zahlenwerk gibt, welches meine Aussagen unterfüttert. Liefern tut uns dieses Zahlenwerk die Königsteiner Gruppe, die in Kooperation mit dem Marktforschungsinstitut respondi im April 2020 bundesweit 3.000 berufstätige Menschen im Alter von 18 bis 69 Jahren befragt hat.
Umweltbewusstsein der Unternehmen mit viel Luft nach oben
Die generelle Einschätzung des Umweltbewusstseins der Deutschen fällt (für mich) überraschend positiv aus. Der Umfrage zufolge sind 58,2 Prozent der Befragten der Meinung, dass man hierzulande tendenziell umweltbewusst eingestellt sei. Allerdings zeigt sich auch, dass es gerade die despektierlich als “Generation Greta” bezeichnete junge Generation ist (in der Studie repräsentiert durch die 18- bis 29-Jährigen), die das Klimaproblem gerne stärker in den Fokus der handelnden Personen und Organisatoren setzen würde.
Mit Fridays for Future ein Zeichen für den Klimaschutz setzen
Positiv an dieser Stelle ist hervorzuheben, dass das Vorbild der „Friday-for-Future“-Schüler auch auf einen Teil der Arbeitnehmer abzufärben scheint. Denn immerhin fast ein Drittel der Befragten kann sich vorstellen, zukünftig durch einen freitäglichen Streik ein Zeichen pro Klimaschutz zu setzen. Bei den 18- bis 29-Jährigen liegt der entsprechende Anteil gar bei 39,2 Prozent. Schön wäre es, wenn Arbeitgeber da mitzögen und ihren Mitarbeitern diese Möglichkeit geben würden, wie das etwa diverse Stadtverwaltungen taten. Was in Sachen Streik für den Klimaschutz zu beachten ist, wird in diesem Artikel beleuchtet.
Befragt wurden die Teilnehmer auch, wie sich das Umweltbewusstsein der Unternehmen im täglichen Handeln äußert. Demnach achten die Arbeitgeber insbesondere auf umweltbewusste und nachhaltige Arbeitsbedingungen, gefolgt von entsprechenden Produktionsbedingungen. Offenbar wurden Mitarbeiter von Fleischfabriken und Bekleidungsherstellern nicht befragt, die Ergebnisse dürften dort deutlich schlechter ausfallen.
Bei 45 Prozent ist das Thema Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein sogar in den Unternehmenswerten festgelegt und wird von 47 Prozent der Mitarbeiter und 51 Prozent der Unternehmensleitungen vorgelebt. Diese Unternehmen möchte ich nur allzu gerne mal kennenlernen…
Klimaschutz spielt eine große Rolle bei der Wahl des Arbeitgebers
Offenbar gibt es sie aber. Und Unternehmen tun gut daran, wenn sie so handeln. Nicht nur, weil sie durch ihr Handeln Verantwortung für die Gesellschaft und die Umwelt übernehmen, auch weil es bei Bewerbern und Mitarbeitern eine zunehmende Rolle spielt. Schon in meinem Artikel von 2012 (!) schrieb ich:
“Gerade Unternehmen, die nachhaltig agieren, haben große Chancen beim Bewerber.”
Da waren viele der heute für den Klimaschutz demonstrierenden mal gerade in der Grundschule und das Bewusstsein längst nicht so ausgeprägt wie heute. Für gut zwei Drittel (61,6 Prozent) ist das Thema Klimaschutz bei einer Entscheidung für oder wider einen Arbeitgeber nämlich durchaus wichtig oder sogar sehr wichtig. Einem Viertel ist es egal (26,5 Prozent). Lediglich 11,9 Prozent der Befragten empfinden das Thema eher als unwichtig.
Bemerkenswerter in diesem Zusammenhang: Es ist nicht etwa die Generation Greta, für die der Klimaschutz Einfluss auf die Wahl des Arbeitgebers hat. Im Gegenteil: Mit zunehmendem Alter steigt die Bedeutung an. Das lässt sich wahrscheinlich damit erklären, dass es Berufsstartern zunächst einmal darum geht, überhaupt die Hürde des Berufseinstiegs zu nehmen. Ihnen ist es also zunächst einmal egal, ob sie bei Unternehmen wie Tönnies, McDonalds, RWE, Eon, Shell oder wie sie alle heißen, arbeiten. Hauptsache Kohle kommt rein. Die Orientierung an Nachhaltigkeit steht also in unmittelbarer Konkurrenz mit der Sorge um die Ausbildungs- und Arbeitsplatzsuche. Drückt der Schuh hier sehr stark, so wird die Bedeutung von nachhaltiger Entwicklung im eigenen Umfeld deutlich geringer. Durch die Corona-Pandemie wird das Ganze sogar noch verstärkt.
Klimaschutz als Erfolgsfaktor im Employer Branding
Die Studie zeigt aber auch, dass Klimaschutz und umweltbewusstes Handeln seitens der Unternehmen über alle Altersklassen hinweg ein wichtiges Attraktivitätsmerkmal von Arbeitgebern ist. Für die eingangs erwähnten Studienteilnehmer, denen das Thema Umweltbewusstsein wichtig ist, steht es auf der Prioritätenliste sogar ganz weit oben. Für mehr als die Hälfte (51 Prozent) sind Umweltschutz und nachhaltiges Handeln sogar einer der drei wichtigsten Anreize bei der Entscheidung für oder gegen einen Arbeitgeber. Für 70 Prozent der Mitarbeiter ist das Umweltbewusstsein ihres Unternehmens mindestens genauso wichtig oder sogar wichtiger als etwa die eigenen Aufstiegschancen. Für 83 Prozent wird dieser Aspekt sogar genauso wichtig oder sogar wichtiger eingeschätzt wie der Unternehmenserfolg ihres Arbeitgebers.
Nun ist es ja das eine, umweltbewusst zu handeln. Nur ist es wenig zielführend, nicht darüber zu sprechen oder die Informationen gut zu verstecken. Das ist in etwa so, als hätte man eine tolle Karriere-Website oder eine Wahnsinns-Stellenanzeige, die aber gut vor den Blicken potenzieller, williger Mitarbeiter versteckt wird. Eine geschickte Taktik der Bewerbervermeidungsstragie, die in Deutschland weitverbreitet ist.
Während viele Unternehmen die Themen Umweltschutz und nachhaltiges Handeln zwar auf ihren Produktseiten und in ihrer Werbung gerne aufmerksamkeitsstark präsentieren, wird das Ganze Employer-Branding-seitig eher stiefmütterlich behandelt. Schon seit Jahren weise ich bei Projekten auf die Wichtigkeit dieser Thematik hin, erhört werden diese Empfehlungen hingegen nur selten. Diese Erfahrungen schlagen sich auch in der Job-Faktor Klima-Studie nieder.
Bewerber wünschen sich Informationen über Nachhaltigkeit und Klimaschutz, bekommen sie aber nicht
Das Interesse an solchen Informationen ist bei Bewerbern nämlich durchaus vorhanden. Über 60 Prozent aller Befragten geben an, dass derartige Inhalte in Stellenanzeigen oder auf Karriereseiten einen besonderen Anreiz für sie darstellen würden, wenn sie sich mit einem neuen Arbeitgeber beschäftigen bzw. auf Jobsuche sind.
Informationen in Stellenanzeigen und auf Karriere-Websites Mangelware
Das Problem: Diese Informationen gibt es kaum. Auf die Frage, ob ihnen das Thema Nachhaltigkeit/Umweltbewusstsein schon einmal auf Karriereseiten aufgefallen ist, antworten gut zwei Drittel (63,1 Prozent) mit “Nein”. Lediglich 9,5 Prozent sind der Meinung, dass ihnen entsprechende Hinweise schon einmal aufgefallen seien.
Bei Stellenanzeigen, also dem “Touchpoint Nr. 1” mit potenziellen Bewerbern sieht es nicht besser aus. 57,8 Prozent ist ein entsprechender Hinweis noch nie begegnet, lediglich 9 Prozent ist ein Hinweis auf Klimaschutz/Nachhaltigkeit schon mehrfach aufgefallen. Dabei berichtete StepStone bereits Ende 2019 über ein im Verhältnis zum Vorjahr doppelt so hohes Interesse nach Begriffen wie „Umwelt“, „Klimaschutz“, „Sustainability“ und „Nachhaltigkeit“ bei der Jobsuche. Ob Bewerber bei ihrer Suche fündig wurden?
Unverkennbar schlummern in Bezug auf Themen wie Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein große Potenziale in Sachen Employer Branding und Recruiting! Denn die Mitarbeiter von morgen wünschen sich solche Informationen auf Karriereseiten und in Stellenanzeigen durchaus. Klar, schließlich wirken Arbeitgeber auf potenzielle Bewerber äußerst attraktiv, wie wir bereits oben und möglicherweise am eigenen Leib festgestellt haben. Insofern überrascht es nicht, dass auch hier nahezu zwei Drittel (59,1 Prozent, bei den 30- bis 39-Jährigen sogar 62,8 Prozent) entsprechende Hinweise begrüßen würden.
Sei ein guter und umweltbewusster Arbeitgeber und sprich drüber!
Nur am Rande sei erwähnt, dass bloße Hinweise auf Klimaschutz & Co. natürlich nicht ausreichen. Belegen Sie Ihre Behauptungen mit Fakten, was macht Ihr umweltbewusstes Handeln aus, was tun Sie konkret für den Klimaschutz? Belegen Sie das Ganze mit Inhalten, etwa Berichten von der neu angelegten Blumenwiese, der “Wald-Reinigungs-Aktion”, den Solarpanels auf dem Dach Ihrer Firmengebäude, dem Verzicht auf Fleisch in der Kantine, ihren Job-Rädern, Ihrer Bahncard-100-statt-Firmenwagen-Politik, Ihrer Bahnfahrt-statt-Flugreisen-Politik, Ihren Energie-Sparmaßnahmen, Ihrer wir-schaffen-Wasserflaschen-komplett-ab-und-setzen-auf-gefiltertes-Leitungswasser-Politik, Ihrer wir-wählen-unsere-Dienstleister-auch-nach-Aspekten-des-Klimaschutzes-aus-Politik und allem, was Sie so Gutes für die Umwelt tun.
Letztendlich funktioniert Employer Branding doch ganz einfach: Sei ein guter Arbeitgeber. In unserem Falle: Sei ein guter und umweltbewusster Arbeitgeber und sprich drüber. Greenwashing ist natürlich tabu, wird vom Bewerber enttarnt und geht garantiert nach hinten los.
Fakt ist: Es gibt noch viel zu tun. Im Vergleich zu meinem Blogartikel vor 8 Jahren hat sich zwar das Umweltbewusstsein der Menschen noch einmal rapide geändert und ist dank Fridays for Future auch bei denen angekommen, die sich bis dato nicht dafür interessierten. Mittlerweile sind es längst nicht mehr nur die Jugendlichen, die freitäglich auf die Straßen gehen. Es gibt Parents for Future, Teachers for Future, Science for Future, Entrepreneurs for Future… Nur bei HR for Future hakt’s noch etwas. Dabei hat HR viel Möglichkeiten, die Klima-/Umweltschutz-Thematik auf die Agenda zu setzen. Daher hier als Inspiration noch eine kleine Auswahl dessen, was die Befragten kritisieren und Ihnen hoffentlich Inspirationen vermittelt, daran zu arbeiten:
„E-Mails werden von meinen Arbeitgebern oft ausgedruckt, statt weitergeleitet.”
„Es findet keine Mülltrennung statt – ein No-Go für mich!“
„Wir sollten unsere Geschäftsreisen durch Videokonferenzen ersetzen, wo es möglich ist.“
„Wir haben einen extrem hohen Stromverbrauch durch Systeme, die ständig laufen.“
„Ich hätte die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, muss jedoch trotzdem täglich zur Arbeit, damit die Kollegen besser zusammenarbeiten. Dadurch kommen täglich 40 km Autofahrt zustande – unnötig.“
„Wir nutzen immer noch einen Laserdrucker mit Feinstaub.“
„Wir nutzen veraltete IT-Programme, die unsere Arbeitsschritte langwieriger machen als nötig und somit mehr Energie verbrauchen.“
„Wir führen zu viele sinnlose Besprechungen zwischen den Standorten. Hierzu müssen alle Mitarbeiter zu einem Standort fahren und das meistens mit einzelnen Autos.“
„Es laufen permanent Fernseher in den Fluren, das braucht kein Mensch.“
„Wir sollten diese bescheuerten Kopierer abschaffen, bei denen Pakete von Papierstapeln durchgeheizt werden.“
„Es werden immer noch Papierhandtücher auf den Toiletten verwendet. Trotz diverser Verbesserungsideen wird nicht darauf verzichtet.“
Wenn Sie mehr über die Studienergebnisse erfahren wollen und worauf Bewerber bspw. verzichten würden, um ihren ökologischen Fußabdruck auch im beruflichen Umfeld zu verbessern, hier geht’s direkt zum Download des Whitepapers “Job-Faktor Klima”. Lesen lohnt!
Mehr zum Thema HR for Future und wie Sie im Recruiting zu mehr Klimaschutz beitragen können, habe ich hier für Sie aufbereitet. Zum Handeln ist es nie zu spät. Und schnelles Handeln lohnt gleich doppelt: Sie tun was Gutes für die Umwelt, unsere Gesellschaft und unsere Nachkommen und haben einen positiven Effekt fürs Recruiting und Employer Branding. Worauf warten Sie?