Eine Bestandsaufnahme von Arbeitgeber-Bewertungen im Internet

Lesezeit: 9 Min. Employer BrandingHRPersonalmarketingRecruiting

Wer diesen Blog liest, weiß, dass ich ein großer Fan von Arbeitgeberbewertungsplattformen bin. Insofern freue ich mich natürlich auch, dass demnächst dank Glassdoor Leben in die Bude kommt und Quasi-Monopolist kununu einen Ansporn hat, sich ein wenig mehr für seine Kunden anzustrengen. Inspiriert durch einen Artikel zum Thema Hotelbewertungen im Internet habe ich mir einmal erlaubt, mal wieder einen Blick auf die Aktivitäten deutscher Arbeitgeber auf kununu zu werfen. Und dabei habe ich Spannendes zutage gefördert.

Zunächst einmal: Arbeitgeberbewertungsportale bieten Unternehmen hervorragende Potenziale in Sachen Employer Branding. Wer das Ganze als “Arbeitgeber-Pranger” sieht, hat das Prinzip nicht (ganz) verstanden. Klar, der Mensch neigt prinzipiell eher dazu, negative Erfahrungen mitzuteilen, als die schönen Dinge kund zu tun. Aber auch dieses Verhalten lässt sich durchaus steuern. Sowohl von Hotels, Bars und Kneipen, in dem sie per Flyer, Aushang oder Aufkleber auf der Tür den Gast zu einer Bewertung auf den gängigen Portalen auffordern, als auch von Arbeitgebern. Hierfür hat kununu jetzt bspw. seine kununu-Toolbox neu aufgelegt. Hier finden Sie dann jede Menge Inspiration, wie Sie Ihre Mitarbeiter und Bewerber zur Abgabe einer Bewertung motivieren können. Eine ganz charmante Idee an sich.

In dem oben genannten Artikel zu Hotelbewertungen ist von Problemen die Rede, “die diese rasante, den touristischen Markt massiv verändernde Entwicklung aufwirft – etwa die Rückständigkeit vieler Hoteliers.” Viele Hoteliers unterschätzen das Thema Digitalisierung jedoch nach wie vor. Und was für viele Hoteliers gilt, gilt für viele Arbeitgeber respektive die Mitarbeiter, die für das Thema Personalbeschaffung zuständig sind. Deutlich wird das z. B. in den letzten IAB-Berichten. Die ganze Bandbreite an Maßnahmen, die das Internet in Sachen Personalmarketing und Recruiting bietet, wird nur von einem My (gemessen an der Gesamtheit deutscher Unternehmen) der Unternehmen genutzt. So ist alleine das Veröffentlichen von Stellenanzeigen auf der Unternehmens-Website noch längst kein Standard.

Arbeitgeberbewertungsportale dank Google weit vorne

Und so ist es natürlich auch noch ein langer Weg, bis die Relevanz für Arbeitgeberbewertungsportale in die Hirne der Verantwortlichen sickert. Doch halt! Relevanz? Welche Relevanz? Sind Arbeitgeberbewertungsportale wirklich in der breiten Masse angekommen? Auch wenn uns das ein oder andere Studienergebnis etwas anderes suggerieren will, lautet die klare Antwort: Nein. Weder auf Personaler- noch auf Bewerber-Seite sind diese Portale im Bewusstsein verankert. Da Bewerber allerdings zunehmend direkt nach Stellenangeboten respektive Informationen über Arbeitgeber googeln, drängen diese Portale eher unbewusst in das Bewusstsein der Suchenden vor.

Google Nutzung von Bewerbern - Quelle Careerbuilder

Dank hervorragender Suchmaschinenoptimierung (bei den Arbeitgeberbewertungsportalen, nicht bei Karriere-Websites :-)) landet der Bewerber oftmals nämlich eher auf den Unternehmensprofilen solcher Portale als auf den Unternehmens-Websites selbst. Allerdings haben deutsche Personaler das Thema Google gar nicht auf dem Schirm. Laut 360 Grad Studie Recruiting 2014 betreiben gut 73 Prozent der befragten Personaler weder Suchmaschinenoptimierung noch Suchmaschinenmarketing. Da haben wir es wieder, dieses verflixte Neuland Internet

Aber ich schweife ein wenig ab. Schließlich geht es ja um die Potenziale von Arbeitgeberbewertungsportalen. Und die werden leider von Unternehmen gar nicht bzw. nur ansatzweise genutzt, wie ein Blick auf den Quasi-Monopolisten kununu eindrucksvoll beweist. Schaut man sich nämlich mal die Top 200 der meist bewerteten Unternehmen an, so sieht man recht schnell, dass da ganz viel Luft nach oben ist. Verdammt viel sogar.

Kaum Engagement auf kununu

Hierzu ein paar Zahlen (Stand 2. Dezember 2014, der Vergleichszeitraum ist August 2013 bis Dezember 2014):

  • kununu wirbt mit 727.000 Bewertungen bei 182.000 Arbeitgebern
  • Das macht je Arbeitgeber rund 4 Bewertungen
  • Das Unternehmen mit den meisten Bewertungen ist die Deutsche Telekom mit 1.346 Bewertungen (aufgelaufen seit Bestehen des Profils im Juni 2007)
  • Die Deutsche Telekom hat derzeit ca. 229.000 Mitarbeiter, davon 68.000 Mitarbeiter in Deutschland, davon ca. 9.100 Studenten und Azubis
  • Seit Bestehen des Unternehmensprofils wurde es über 669.000 mal aufgerufen.
  • Das Unternehmen Siemens ist das Unternehmen mit den zweitmeisten Bewertungen (1.098 Bewertungen seit Oktober 2007)
  • Siemens beschäftigt weltweit 362.000 Mitarbeiter. 118.000 in Deutschland.
  • Im Verhältnis zum Vorjahr hat Siemens 58 Prozent Zuwachs an Bewertungen bekommen. In absoluten Zahlen: 406. 406 Bewertungen mehr innerhalb von über 12 Monaten. Bei 118.000 Mitarbeitern. Macht pro Mitarbeiter 0,003 Bewertungen.
  • Allerdings wurde das Profil seit Bestehen bereits über 994.000 mal aufgerufen. D. h. auch wenn das Verhältnis der Erfahrungsberichte zur Anzahl der Mitarbeiter eher lächerlich wirkt, so ist die Aufmerksamkeit für das Profil sehr wohl vorhanden.
  • Das Unternehmen mit den wenigsten der meisten Bewertungen (wir reden ja von den Top 200) ist Detecon mit 127 Bewertungen (aufgelaufen seit Januar 2008). 127 Bewertungen in fast sieben Jahren. Davon 37 neue Bewertungen innerhalb der letzten Monate. Entspricht einer Steigerung von 41 Prozent.
  • Reagiert wurde nur auf 4 Erfahrungsberichte. Aufgerufen wurde das Profil bereits 122.000 mal.
  • Den höchsten Zuwachs an Bewertungen von August 2013 bis Dezember 2014 hat das Unternehmen Goldbeck Bau mit 381 Prozent. In absoluten Zahlen: 301. Goldbeck beschäftigt 3.650 Mitarbeiter. Mehr als jeder 10. hat also bereits das Unternehmen bewertet.
  • Und mehr als 168.000 mal wurde das Profil aufgerufen. Auf Erfahrungsberichte wurde trotz 382 Einträgen nur zweimal eingegangen. Und das ist lange her.
  • Den geringsten Zuwachs an Bewertungen verzeichnet das Unternehmen Tectum mit 3,85 Prozent.
  • Aufgerufen wurde das Profil allerdings über 96.000 mal. Mag vielleicht an dem Ruf liegen, den das Unternehmen in der Branche genießt.

Spannend finde ich im Übrigen, dass (nicht nur von mir) hoch gehypte Unternehmen wie SMA Solar Technology und Medtronic innerhalb der letzten Monate nahezu stagniert haben (15 bzw. 12 Prozent Wachstum). Offenbar ist hier die Luft oder auch die Lust raus. Und mal ganz ehrlich, Hand aufs Herz: Auch die Zuwachszahlen bei den großen Unternehmen sind in Bezug auf die Mitarbeiterzahl eher traurig. Traurig auch, weil wenig aussagekräftig, sind die Bewertungen an sich, die entweder im Rahmen der Focus-Bewertung oder im Rahmen einer Express-Bewertung zustande gekommen sind.

Mehr als traurig im Übrigen auch das “Engagement” der Unternehmen. Denn es ist ja nicht damit getan, um jeden Preis der Welt Bewertungen zu sammeln (egal ob positiv oder negativ). Entscheidend ist hier ja nun, die entsprechende Wertschätzung zu zeigen und “danke” zu sagen. Und die Bewertungen zu kommentieren. Was Sie ja schon vor einiger Zeit von meinem Friseur lernen konnten.

Recruiting wird bei uns von Profis gemacht

Wobei Kommentar nicht gleich Kommentar ist, wie die folgenden zwei Beispiele verdeutlichen mögen. In dem einen Falle bemängelt ein Bewerber die Inhalte der Stellenanzeige. Offenbar war selbige nicht ordnungsgemäß formuliert. Was ja mal vorkommen kann. Allerdings nicht in diesem Unternehmen, wie die Stellungnahme auf die Arbeitgeber-Bewertung mehr als deutlich macht:

“[…] Wir wissen aber, dass unsere Stellenausschreibungen sehr sorgfältig formuliert werden und dass die geforderten Inhalte ganz eindeutig dort zu finden sind. So können wir uns schlicht nicht vorstellen, dass bei dieser Stellenausschreibung nicht auch die Fertigungsexpertise für eine Betriebswirtstelle in die Stellenausschreibung mit aufgenommen wurde.

Recruiting wird bei uns von Profis gemacht -und – sorry – denen passiert so etwas nicht!”

 

Recruiting wird bei uns von Profis gemacht - Arbeitgeber-Bewertungen auf kununu und Kommentare

Nun gut, immerhin reagiert man hier schneller, als auf einem Großteil deutscher Facebook-Karrierseiten: Die Bewertung kam am 25. Juli, der Kommentar folgte prompt. Wobei der durchaus etwas wertschätzender und freundlicher hätte ausfallen können. Aber vielleicht ist das Unternehmen ja wirklich so fehlerfrei, wie behauptet. Ach was sage ich: Natürlich ist es das! Auch wenn die Stellungnahmen teilweise nicht ganz so gelungen sind, so bezieht man wenigstens Stellung. Gehen Sie auf das Profil der Telekom, so finden Sie dort zwar aktuell 1.327 Erfahrungsberichte, aber null (0) Reaktionen.

Zurück zu dem Artikel über die Hotelbewertungen. Hier heißt es, dass sich in immer mehr Hotels ein Bewusstsein für die Notwendigkeit entwickelt, negative Kritik richtig aufzunehmen und zu beantworten. Ein Bewusstsein, was deutschen HRlern offensichtlich fehlt. Schade, denn da wird viel Potenzial verschenkt. Denn das, was für Hotels gilt, können sich Arbeitgeber genau so zunutze machen:

Eine gut gemanagte Reklamation kann positiv wirken. Die Gäste merken: Da kümmert sich jemand. Außerdem bekommen die Hoteliers und Veranstalter unentgeltlich Marktforschungsdaten, die ins Qualitätsmanagement einfließen können“, so der Artikel weiter. Ich übersetze mal: “Ein gut gemanagter Erfahrungsbericht kann positiv wirken. Die Bewerber merken: Da kümmert sich jemand. Im Zweifelsfall hat dieses dann solch eine Außenwirkung, dass so etwas dabei rauskommt:

Stellungnahmen auf kununu - beim Betrachter kommt es an

Außerdem bekommen Arbeitgeber und Führungskräfte unentgeltlich Marktforschungsdaten, die ins Qualitätsmanagement einfließen können. Denn auch wenn kununu keine Mitarbeiterbefragung ersetzt (Tipp: Schauen Sie sich mal das Tool Jobklima an!), so ist es dennoch ein Indikator für die aktuell herrschende (Mis)-Stimmung im Unternehmen und liefert wertvolle Rückschlüsse.

Schaut man sich mal das Engagement der Top 30 nach Anzahl der Erfahrungsberichte an, so wird schnell deutlich, dass ein Engagement wie oben eher die Ausnahme darstellt.

  • Nur 7 von 30 Unternehmen (23 Prozent) nutzen die Gelegenheit, regelmäßig auf Erfahrungsberichte Stellung zu nehmen.
  • Sieben tun dies hin und wieder (ein bis zwei Kommentare) und
  • 16 sehen hierin keine Notwendigkeit.

Besonders erschreckend (oder soll ich sagen “dämlich”?): Viele der Unternehmen, die durch mangelhaftes Engagement glänzen, sind teilweise Unternehmen, die für ein Unternehmensprofil viel Geld zahlen und/oder als “Top Company” oder “Open Company” ausgezeichnet wurden. Eine Open Company, die nicht in der Lage ist, echte Offenheit zu signalisieren, in dem es auf Erfahrungsberichte (gute wie schlechte) Stellung bezieht, hat den Namen Open Company nicht verdient. Aber darüber hatte ich ja schon mehrfach geschrieben.

Apropos Unternehmensprofil: Um einen Kommentar auf einen Erfahrungsbericht abgeben zu können, benötigen Sie kein Unternehmensprofil. Dies fällt oftmals hinten runter. Natürlich ist der Link für die Stellungnahme-Funktion gut versteckt. Aber er ist da. Und Sie sollten ihn nutzen: https://www.kununu.com/info/statement

Eins muss an dieser Stelle fairerweise noch erwähnt werden: Wie oben schon geschrieben, entspringen viele der auf kununu abgegebenen Bewertungen einer Express- oder Focus-Bewertung (zu erkennen an dem Express- bzw. Focus-Button rechts am Rand der Bewertung) und sind meistens wenig aussagekräftig, da in den meisten Fällen kein Erfahrungsbericht abgegeben wird.

Aufforderung zur Expressbewertung auf xununu

Hier kann ein Unternehmen also gar keine Stellungnahme abgeben. Bzw. ist dies wenig sinnvoll. An dieser Stelle konterkariert kununu seinen Ansatz also selbst. Aber natürlich muss die Braut hübsch gemacht werden. Seitdem FOCUS Media die Zügel von xununu in der Hand hält, ist vom ursprünglichen Gedanken leider nichts mehr übrig. Und leider haben diese Expressbewertungen auch Auswirkungen auf die Unternehmensreputation, wie nachfolgender Erfahrungsbericht eindrucksvoll untermauert.

Problematik Expressbewertung trifft auch die Unternehmen auf kununu

Übrigens, Holiday Check versieht Hotels, bei denen der Verdacht auf manipulierte Einträge besteht, mit einem Stempel. Dieser wird sogar ein- bis zweimal in der Woche eingesetzt. Finde ich super. Und fordere neben mehr Engagement seitens der Unternehmen so einen Stempel für kununu. Wobei Fälschungen bzw. Lobhudeleien ohnehin zu kurz gedacht sind: Zum einen muss man in der Tat massiv fälschen, um einen (negativen) Gesamteindruck zu korrigieren. Zum anderen würde man mit den unrealistisch positiven Bewertungen Bewerber anlocken, die dann, wenn sie mit der Realität konfrontiert werden, natürlich unzufrieden das Weite suchen. Und das natürlich schnell bei kununu mitteilen.

Kommentare (2)

Social Media Personalmarketing: An der Zielgruppe vorbei?

[…] Apropos Ziel 2 bzw. am Ziel vorbei: Viele Bemühungen der Unternehmen gehen komplett an der Zielgruppe vorbei. So sind beispielsweise 58 Prozent der Unternehmen auf Arbeitgeberbewertungsportalen präsent. Allerdings steht die Nutzung durch Bewerber selbst in keinem Verhältnis. Hatte dies seinerzeit schon eine Studie zum Stellenwert von Arbeitgeberbewertungsportalen und Arbeitgebersiegeln ermittelt, so bestätigt diese Ergebnisse auch die Social Media Personalmarketing Studie. So nutzen nur 5 Prozent der Studenten & Absolventen sowie 23 Prozent der Fach- und Führungskräfte kununu & Co. Es gibt allerdings durchaus gute Nachrichten für Arbeitgeber: Auch schlecht bewertete Unternehmen haben eine Chance – allerdings nur, wenn diese ernsthaft auf die Bewertungen eingehen und Stellung beziehen. Und daran hapert es ja bekanntlich. […]

Guck mal, wer das ist - Punkten beim Background Check durch Bewerber

[…] Engagement auf den Arbeitgeberbewertungsplattformen ist – sagen wir mal – mäßig. Zwar werden die Profile durchaus oft aufgerufen, aber […]
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Moin! Ich bin Henner Knabenreich. Als Recruiting-Aktivist und Arbeitgebermarkenauftrittsoptimierer helfe ich Unternehmen, mit einer wertschätzenden und menschenzentrierten Ansprache passende Mitarbeiter zu finden. Mein Fokus: Karriereseiten, Stellenanzeigen und eine Bewerbungsarchitektur, die aus Interessenten Bewerber macht. Mein Wissen teile ich auch als Speaker, Personalmarketing-Coach, Berater und als Fachbuchautor der weltweit ersten Bücher über Karriereseiten und Google for Jobs. Ich hinterfrage den Status quo, lege gern den Finger in die Wunde und sage, was ich denke – und nicht, was alle hören wollen. Sie möchten mich für einen erfrischenden Vortrag buchen, eine wirklich funktionierende Karriereseite aufbauen, suchen einen Sparringspartner für Employer Branding oder wollen mit bewerberzentrierten Stellenanzeigen punkten? Dann kontaktieren Sie mich gern per E-Mail oder LinkedIn – ich freue mich auf Sie!
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