28. Oktober 2013
Arbeitgeberbewertungsportale verändern das Personalmarketing
Lesezeit: 8 Min. Employer BrandingPersonalmarketingRecruiting
Gerade las ich einen Artikel auf Spiegel online. Eigentlich war mein Plan, Spiegel online nicht mehr zu meinen täglich konsultierten Nachrichtenquellen zu zählen. Das, was dort an Artikeln geboten wird, hat doch mit gutem Journalismus herzlich wenig zu tun. Nun, ja. Angewohnheiten sind halt schwierig abzulegen. In dem Artikel “Dönerbude schlägt Fernsehturm: Wie Internettipps den Tourismus verändern” geht es um die Bedeutung von Online-Bewertungsportalen, die dem “klassischen” Reiseführer den Rang ablaufen. Stellt sich die Frage, ob das für Arbeitgeberbewertungsplattformen auch gilt und welche Bedeutung diese für das Personalmarketing bzw. ein wie auch immer geartetes Employer Branding haben…
Im oben erwähnten Spiegel-Artikel steht zu lesen, dass Bewertungsportale den Tourismus verändern. Laut dort genanntem Experten Florian Bauhuber “tummeln sich dort Tausende Hobbykritiker und geben ihre Reiseerfahrungen und Insidertipps weiter.” Und weiter “Dadurch verändern sich touristische Attraktionspunkte”. Stellt sich die Frage, ob kununu & Co. auch das Personalmarketing verändern.
kununu & Co. verändern das Personalmarketing
Die Antwort lautet kurz und knapp: Ja.
Der mündige Bürger (respektive Arbeitnehmer, respektive Mitarbeiter, respektive Ex-Mitarbeiter, respektive Bewerber) hat nun die Möglichkeit, seinen (Ex-) Arbeitgeber (oder auch potenziellen) zu bewerten. Analog “klassischer” Bewertungsplattformen wie bspw. Qype (jetzt Yelp) oder auch holidaycheck. Schaut man sich an, auf welche Art und Weise Bewerber Infos über zukünftige Arbeitgeber in Erfahrung bringen, so steht da an erster Stelle natürlich Google. Entscheidend ist daher, mit Informationen zu Jobs und Karriere bei Google ganz weit vorne zu liegen. Das schaffen sogar die meisten Unternehmen. Ganz anders sieht es aus, wenn es um die “Details” geht. Dazu gleich mehr. Zurück zum Artikel.
“Die Plätze abseits der klassischen Sehenswürdigkeiten rücken durch das Netz immer mehr ins Blickfeld der Besucher. Es gibt keine “hoheitliche” Instanz mehr, die über die “Must-Sees” entscheidet – so wie es früher gedruckte Reiseführer und Touristeninformationen taten. […] Nun habe jedermann die technischen Möglichkeiten, die eigene Abenteuerlust auszuleben.”
Analog den klassischen Reiseführern gibt es keine “hoheitliche” Instanz mehr, die über die Informationen für Bewerber entscheidet. Abseits gedruckter Bewerber- oder Imagebroschüren gibt es nun die technischen Möglichkeiten, Arbeitgeber zu bewerten bzw. sich an diesen Beurteilungen zu orientieren. Das Ganze als “Spinnerei” oder als fürs Unternehmen “irrelevant” abzutun, wäre grob fahrlässig. Denn dank einer unglaublichen Präsenz bei Google sind Arbeitgeberbewertungen für jedermann (und -frau) aufzufinden und nachzulesen. Googeln Sie mal für Spaß bspw. nach Ihrem Unternehmensnamen im Kontext “Arbeiten bei…” oder “Arbeitsklima + …”, “Gehalt + …” etc. pp. Wenn Sie das “Glück” haben, noch nicht bei kununu & Co. bewertet worden zu sein, so wird man Sie vielleicht nicht unter den Top 5 Suchergebnissen finden. Anderenfalls werden die Suchtreffer zu Ihrem Unternehmen wohl in den meisten Fällen weit abgeschlagen hinter denen im Kontext von Arbeitgeberbewertungsportalen liegen (weshalb das Thema SEO auch so wichtig ist). Ob die nun Jobvoting, Bizzwatch oder kununu heißen. Wobei, das muss fairerweise gesagt werden, die Bedeutung von kununu unvergleichlich größer ist, als die aller anderen zusammen.
Einer aktuellen Pressemeldung zufolge verbucht kununu aktuell “465.000 Erfahrungsberichte zu rund 140.000 Unternehmen und gilt durch seine Frequenz von 1,5 Millionen Besuchern monatlich als optimale Bühne für Arbeitgeber-Portraits. Mehr als 800 Unternehmen nutzen kununu bereits, um ihre Stärken als Arbeitgeber zu präsentieren – Tendenz weiter steigend: Im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet das Tochter-Unternehmen von XING ein Kunden-Wachstum von 60%.”
Auch wenn der ein oder andere Skeptiker meint, dass das ja hochgerechnet nicht einmal 4 Bewertungen je Unternehmen bedeuten würde, so sei der Hinweis erlaubt, dass nicht allein die Anzahl der Bewertungen entscheidend ist. Vielmehr sollten Sie auch darauf achten, wie oft das Profil aufgerufen wurde. Und wenn Sie dann feststellen, dass der Beitrag zu “Mobbing im Unternehmen” schon 80.000 mal aufgerufen wurde, ja dann, spätestens dann sollten Sie sich schleunigst Gedanken machen. Doch dazu weiter unten mehr.
Natürlich nimmt die Bedeutung von kununu auch aufgrund der “Traumhochzeit” mit Xing drastisch zu. In der letzten Zeit xununute es das ein oder andere Mal:
- Februar 2011: Integration von Arbeitgeberbewertungen in Xing-Unternehmensprofilen (Standard und Plus; auf Wunsch)
- Januar 2013: Übernahme von kununu durch Xing (“xununu”)
- Februar 2013: “Zwangs”-Integration von Arbeitgeberbewertungen in alle Xing-Unternehmensprofile
- Mai 2013: Express-Bewertung-Button auf Xing
- Juli 2013: Integration der kununu-Bewertungen in Xing-Stellenanzeigen (und Sichtbarkeit dieser Stellenanzeigen dank Verknüpfung mit kimeta auch über Xing hinaus)
- …
Nun mögen Sie von dieser “Zwangs”-Politik halten, was Sie wollen – was des einen Freud, ist des anderen Leid – darüber hatte ich schon geschrieben – Fakt ist: Die Bedeutung von kununu nimmt zu und rückt dank Express-Bewertung und ins Stellenangebot integriertem Job-Angebot zunehmend ins Sichtfeld auch derer, die noch nicht einmal von der Existenz kununus wussten. Wie ich oben schon schrieb: Der Bewerber wird mündig. Schon länger haben wir ja einen Bewerbermarkt – der Bewerber kann sich seinen Arbeitgeber aussuchen (natürlich nicht immer und überall und in jeder Branche. Aber immer öfter!). Und nicht umgekehrt. Durch kununu & Co. wird dieser Druck auf Unternehmen noch erhöht. Ein Grund, panisch zu werden? Für Unternehmen, in denen Zustände herrschen, die diese Befürchtung gerechtfertigt erscheinen lassen, bestimmt. Für alle anderen: ein klares Nein.
Arbeitgeberbewertungsportale verändern das Personalmarketing, keine Frage. Und genau das müssen Sie sich als Unternehmen zu Nutze machen!
- In dem Sie gezielt auf Bewertungen eingehen. Zu diesem Thema lesen Sie bitte auch diesen Artikel bzw. weiter unten :-)
- In dem Sie gezielt Ihre Mitarbeiter auf kununu aufmerksam machen. kununu bietet hier seit Kurzem die “kununu-Toolbox” (mehr zu den Hintergründen finden Sie beim Schweizer Personalmarketing-Kultblogger Buckmann. Der hat sogar direkt bei den kunununianern nachgefragt!).
Aber Vorsicht! Nicht für jedes Unternehmen ist so ein Vorgehen geeignet. Durch einen solchen Aufruf kann das Ganze durchaus auch einen gegenteiligen Effekt haben! Also horchen Sie gut in Ihr Unternehmen und nehmen Sie die Stimmung auf. Wenn diese überwiegend negativ ist, so würde ich da Vorsicht walten lassen. - Indem Sie zu diesen Bewertungen stehen und gezielt auf Ihre Bewertungen aufmerksam machen – z. B. in dem Sie Ihr kununu-Profil auf Ihrer Karriere-Website verlinken. Einige Beispiele, wie Unternehmen ihre kununu-Bewertungen in ihre Personalmarketing-Maßnahmen mit einbeziehen, finden Sie im lesenswerten Artikel “Werben mit kununu“.
Auswahlentscheidung wird durch Bewertungsportale extrem beeinflusst
Kommen wir noch einmal zum Spiegelartikel zurück. “Bewertungsportale hätten in den vergangenen Jahren enorm zugelegt“, heißt es dort. Und weiter: “Jeder Internetnutzer kann sich die Kritiken anschauen, die andere Privatleute über Restaurants, Bars oder Sehenswürdigkeiten geschrieben haben. Die Auswahlentscheidung wird extrem beeinflusst“.
Bingo! Genau das ist der Punkt. “Die Auswahlentscheidung wird extrem beeinflusst!”. Im Übrigen ist nicht zwingend gesagt, dass Sie – nur weil dort viele negative Bewertungen stehen – ein unattraktiver Arbeitgeber sind. Immerhin 95 Prozent der Nutzer vermuten Zensur, wenn sie nur gute Bewertungen sehen. Wenn Sie aber gar nicht auf diese Bewertungen eingehen, so sieht das Ganze schon etwas anders. Nehmen Sie Stellung, lassen Sie das Ganze nicht unkommentiert stehen! Sie punkten beim Bewerber, glauben Sie mir! Vor allem, wenn Sie sowohl negative als auch positive Bewertungen kommentieren. So etwas nennt sich Wertschätzung. Darüber hinaus stellt der offene Umgang mit Kritik eine sehr gute Möglichkeit dar, eine negative Meinung zu neutralisieren und aus Kritikern letztendlich “Fans” und damit Bewerber zu machen.
Weiter heißt es im Spiegel-Artikel, dass Bewertungen “wegen ihrer Marktmacht immer wieder im Verdacht stehen, von Beteiligten gefälscht zu sein.” Und weiter: “Yelp setze Software ein, um Kommentare herauszufiltern.” Das Arbeitgeberbewertungsportal kununu setzt zwei Kontrollmechanismen ein: Technische Filter sowie ein eigenes Team prüfen die eingehenden Bewertungen und verhindern beispielsweise, dass eine Person mehrere Erfahrungsberichte zu einem Unternehmen abgeben kann. Interessant auch der Hinweis im Artikel, dass in Deutschland die Entwicklung der Bewertungsportale noch am Anfang steht. Deutsche Geschäfte und Hotels (analog Arbeitgeber) fordern ihre Kunden (analog Bewerber/Mitarbeiter) nur vereinzelt auf, Kritiken zu schreiben. “Da sind wir in Deutschland noch sehr jungfräulich”. Das ist Ihre Chance als Arbeitgeber!
Auch wird der Umgang mit Bewertungen nur sehr stiefmütterlich gehandhabt – bzw. findet dieser kaum statt. Sowohl auf den “klassischen” Bewertungsplattformen als auch auf Arbeitgeberbewertungsportalen. Dass ein Unternehmen auf Qype Stellung bezieht, findet man selten. Ein schönes Beispiel (schauen Sie sich auch mal an, wie das Profil gestaltet ist – es wird sofort ersichtlich, mit wem man es zu tun hat. Aber das ist schon wieder ein anderes Thema), wie man es aber machen kann, finden Sie hier oder auf dem Profil meines Friseurs :-).
Auf kununu sieht es im Übrigen nicht besser aus. Eine Untersuchung, die ich vor einigen Monaten einmal auf kununu-Unternehmensprofilen durchgeführt habe, kam zu einem erschütternden Ergebnis. Was glauben Sie wie viele der unter den Top 200-Unternehmen (nach Anzahl der Bewertungen) gelisteten Arbeitgeber Stellung zu den Bewertungen beziehen? Gerade einmal 21 sind’s, davon nur sieben, die regelmäßig kommentieren und der Absender klar zu erkennen ist. So viel dann zum Thema Employer Branding. Stichwort: Essenz einer Arbeitgebermarke ist das Vertrauen. Als Open Company sollten deshalb meiner Meinung nach nicht die Unternehmen deklariert werden, die ein Unternehmensprofil integrieren, sondern die, die ihren Bewertern gegenüber eines zeigen. Nämlich Wertschätzung. Die wiederum baut Vertrauen auf. Und so schließt sich dann der Kreis.
Um noch einmal auf die Überschrift zurück zu kommen. Arbeitgeberbewertungsportale verändern das Personalmarketing. Nicht nur in der Form, dass Bewerber auch die Inhalte solcher Portale in ihre Auswahlentscheidung mit einfließen lassen bzw. aktiv an der Meinungsbildung über einen Arbeitgeber beteiligt sind. Auch der “Personalmarketeer” oder Recruiter ist gefordert. Nämlich im Umgang mit Bewerbern. Empathie und Know-how im Umgang mit solchen Plattformen sind gefragt. Wobei wir da wieder bei den Anforderungen an den “Next Generation Recruiter” wären. Aber das ist ein anderes Thema.
Best Practices in Candidate Experience – jacando blog
Veronika
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Christian Dicke