14. August 2019
Googles Jobsuche bekommt Gegenwind: 23 Jobbörsen legen Beschwerde ein
Lesezeit: 7 Min. Recruiting
Googles Jobsuche wird längst nicht von allen so begeistert willkommen geheißen, wie von der HR-Szene. Also sagen wir so: Die HR-Szene MÜSSTE Google for Jobs willkommen heißen, hat aber in der Masse noch nicht einmal mitbekommen, welche einzigartigen Vorteile Googles Jobsuche bietet. Während Google also von den Karriereseiten der Unternehmen eigentlich massiven Rückenwind erwarten könnte, erfährt es massiven Gegenwind von anderer Seite: 23 Jobbörsen – darunter u. a. Jobware, kimeta und Joblift – haben gemäß eines Reuters-Berichts Beschwerde bei der EU eingereicht. Man fühlt sich massiv benachteiligt, weil man aus den Suchergebnissen von Google verdrängt werde. Interessant: Die Unternehmen, die bisher dank SEO und SEA von Google massiv profitierten, legen nun also Beschwerde ein. Ziemlich scheinheilig, wie mir scheint…
Was genau ist geschehen? In einem Brief, der gestern an die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager verschickt wurde und hier online einzusehen ist, verlangen 23 europäische Jobbörsenbetreiber von ihr, Google anzuweisen, Googles Jobsuche einzustellen. Bereits in meinem Artikel zum Markteintritt von Google in Deutschland verwies ich darauf, dass man in Brüssel prüfe, ob sich Google seinen Marktteilnehmern gegenüber “unfair” verhalte.
23 Jobbörsen legen Beschwerde wegen Google for Jobs ein
Die 23 Anbieter, darunter u. a. Experteer, Jobware, Adzuna, kimeta, und Joblift, aber auch Portale aus Ländern, in denen das Feature noch gar nicht verfügbar ist, fühlen sich nicht nur unfair behandelt, ihrer Meinung sei die Dominanz der aggregierten Jobsuche (die blaue Box wird prominent unterhalb der Google Ads, aber immer oberhalb der organischen Suchergebnisse dargestellt, was natürlich dazu führt, dass indeed, StepStone und alle anderen, die nicht die Chance nutzen, bei Googles Jobsuche zu erscheinen, an organischer Reichweite verlieren) sogar illegal, da Google seine Stellung ausnutzt, um Nutzer für sein spezialisiertes Suchangebot zu gewinnen, ohne dass diese die sonst üblichen Marketinginvestitionen tätigen müssen (eine Argumentation, der ich nicht ganz folgen kann, da ja jeder herzlich dazu eingeladen ist, an der Google-for-Jobs-Party teilzunehmen – siehe dazu auch weiter unten).
Beschwerden gibt es aber auch, weil die Stellenanzeigen gemäß eines einheitlichen Datenschemas aufgebaut werden müssen. Viele Anbieter könnten diesen Aufwand nicht leisten (auch hier kann ich der Argumentation nicht folgen, hält sich der technische Aufwand im Verhältnis wirklich in Grenzen – insbesondere für technisch versierte Webentwickler ist das Ganze kein Hexenwerk).
Zunehmende Bedeutung von Google Ads im Personalmarketing
“The search-engine violates antitrust rules by downgrading results for companies that compete with its own services.”
Dass diese Jobbörsen – allen voran Axel Springer-Tochter StepStone – Beschwerde einlegen, ist auf der einen Seite nachvollziehbar, fühlen sie sich doch in ihrer teilweise marktbeherrschenden Stellung bedroht. So ist bspw. StepStone die Cashcow im Springer-Konzern und dessen Erlöse ermöglichen überhaupt ein Überleben der Bildzeitung. Auch spürt man bereits erste Auswirkungen, die organische Sichtbarkeit und auch der Traffic mussten erste Federn lassen. Kompensiert wurde das Ganze etwa durch Google Ads, die prominent oberhalb der Jobsuche platziert werden. Ein Platz, den sich die “Google-for-Jobs-Verweigerer” im Kampf um die besten Plätze mit anderen Stellenbörsen teilen. Denn, so das Kalkül, die Sichtbarkeit der “blauen Jobs-Box” ist zwar hoch, die Anzeigen oberhalb gelangen aber noch schneller ins Sichtfeld des Nutzers und haben somit eine höhere Relevanz für so manchen Jobsuchenden. Insofern nehmen diese Google Ads auch im Personalmarketing eine zunehmende Bedeutung ein und bieten Unternehmen mehr Reichweite bei potenziellen Bewerbern.
Unternehmen verschenken massiv (kostenlose) Reichweite im Recruiting
Mehr Reichweite für Unternehmen indes bietet Google auch mit seiner Aufbereitung der Jobs in den Suchergebnissen. Allerdings, das haben diverse Studien belegt, werden diese Möglichkeiten von Unternehmen bisher kaum genutzt. Selbst DAX-Unternehmen, bei denen eigentlich eine sinnvollere Verteilung des Personalmarketing- bzw. Recruiting-Budgets zu erwarten wäre, glänzen mit Nichtstun. Und das, obwohl man ansonsten doch jedem sinnlosen Trend hinterher hechtet, etwa Karriereseiten auf Facebook oder Instagram oder Aktivitäten auf Snapchat und ähnlichen sinnentleerten und Menschen zu Zombies mutieren lassenden Plattformen. Und: Man verpulvert das Budget lieber an oftmals überteuerte Jobbörsen (deren Erfolge man nicht auswertet), anstatt auf Googles kostenlosen Dienst zu setzen (der eine Auswertung ermöglicht, die mit so wenig Aufwand bis dato nicht möglich war).
Googles Job-Box erreicht nicht nur Jobsuchende, sondern latent Wechselwillige
Während die Unternehmen also den Trend verpennen, haben viele Jobbörsen die Potenziale der “Job Search Experience” längst erkannt und profitieren von massiven Traffic-Zuwächsen. So hat das Google Jobs-Widget in den USA alleine in diesem Juni 120 Millionen Klicks von Nutzern verzeichnet – was in etwa dem Doppelten von August 2017 entspricht. Und damit auch die zunehmende Bedeutung von Google for Jobs unterstreicht, dessen Ergebnisse ja nicht nur dem aktiv Suchenden angezeigt werden, sondern immer dann, wenn es im Kontext der Suchanfrage und des bisherigen Suchverhaltens passt. Somit können sogar die Nutzer erreicht werden, die gar nicht auf Jobsuche, aber durchaus offen für einen Jobwechsel sind.
Insbesondere Nischen-Jobboards, die bis vor Kurzem keiner kannte, erhalten dank Googles Jobsuche auf einmal Aufmerksamkeit. Und auch die mit Google kooperierenden Partner freuen sich über mehr Reichweite. In dem Reuters-Artikel bspw. wird dargestellt, dass das Stellenportal Monster dank Googles Jobsuche wieder deutlich an Reichweite zunehmen konnte. Auch andere Marktteilnehmer berichten von starkem Traffic-Anstieg und einer verbesserten Conversion-Rate. So heißt es etwa beim Kooperationspartner XING: „Google gibt uns eine größere Sichtbarkeit. Zudem profitieren unsere Firmenkunden von der Zusammenarbeit“.
Der Anbieter von E-Recruiting-Software iCIMS, der Karriere-Websites für rund 4.000 Arbeitgeber betreibt, ermittelt Google als entscheidenden Traffic-Lieferanten und Bewerber, die via Googles “Job Search Experience” auf die Website kommen, werden mit einer dreimal höheren Wahrscheinlichkeit eingestellt, als Bewerber aus anderen Quellen.
Jede Jobbörse, jedes Unternehmen kann durch Googles Jobsuche profitieren
Nun ist es ja nicht so, dass Google irgendwelche Anbieter nicht von dem Feature profitieren ließe. Im Gegenteil: Jeder ist herzlich eingeladen, an der Revolution in der Stellensuche teilzunehmen. Jeder. Uneingeschränkt. Keiner wird ausgeschlossen. Logisch, denn Google for Jobs funktioniert nur mit externen Inhalten, aufgrund der Masse insbesondere von denen der Jobbörsen. Erst diese sind es, die Googles Jobsuche die Relevanz verschaffen, die sie so groß macht. Und selbst die Jobbörsen, die die Möglichkeiten nicht nutzen, erhalten dank des neuen Features mehr Sichtbarkeit als zuvor. In der blauen Leiste oberhalb der eigentlichen blauen Box werden unter “Stellenangebote suchen bei” die Jobbörsen gefeatured, die zur Suchanfrage passende Jobs aufweisen. Mit dieser Funktion geht Google auf frühere Kartellbeschwerden ein. Das aber reicht den Wehklagenden nicht aus.
Darüber hinaus seien einige Jobbörsen eben nur deshalb bei Google for Jobs vertreten, weil Google solch starken Druck ausübe und man also gar keine andere Wahl habe, als mitzumachen, so heißt es in dem Schreiben.
Theoretisch wäre es möglich, dass Unternehmen ab sofort auf Stellenbörsen verzichten, landen die Stellenangebote nun doch automatisch bei Google (vorausgesetzt, man beachtet die Aspekte, die in diversen meiner Artikel, in meinem Buch oder auf Googles Entwicklerseite ausführlich beschrieben werden). Wie einfach wäre es, die Jobs von der Karriere-Website dort zu platzieren. Einfacher, als das mit allen SEO-Maßnahmen, die lange brauchen, bis sie wirken, bisher möglich war. Da HR aber bekanntlich immer etwas länger braucht, um auf Marktveränderungen, Trends und Tools zu reagieren (15 – 20 Jahre), haben Jobbörsen also nichts zu befürchten. Abgesehen davon ist Googles Jobsuche natürlich noch längst nicht bei jedem angekommen und auch nicht jeder sucht aktiv via Google (aber, siehe oben: auch die, die nicht aktiv auf Jobsuche sind, werden mit der blauen Box – abhängig von Suchanfrage und Suchverhalten – konfrontiert).
Sollte die Beschwerde erfolgreich sein, haben andere Marktteilnehmer, Bewerber und Recruiter das Nachsehen
Umso mehr verwundert es daher, dass nun also verschiedene Anbieter von Jobbörsen eine solche Beschwerde eingereicht haben. Man macht sich wohl große Hoffnung, dass die bald aus dem Amt scheidende und nicht als besonders Google-freundlich eingestellte EU-Wettbewerbskommissarin nun noch schnell ein (weiteres) Exempel statuieren will (wie oft Frau Gestager wohl selbst Google konsultiert? ;)).
Dass andere Jobbörsen, Bewerber und vor allem aufgeweckte (!) Recruiter, die bisher von Googles Jobsuche profitierten, dann in die Röhre starren, ist den Klagenden dabei egal. Klar, denn sie wollen Profit erzielen, den Google ihnen nun streitig macht. Besonders scheinheilig dabei ist, dass sie damit die Plattform angehen, die ihnen diese Reichweite und ihre Bekanntheit dank SEO und SEA überhaupt erst möglich gemacht hat.
Eine offizielle Stellungnahme seitens der EU-Wettbewerbskommission und der Federal Trade Commission (quasi die Verbraucherschutzbehörde der USA), gibt es bis dato übrigens noch nicht.
Hier finden Sie das komplette Schreiben Call of e-recruitment services for intervention against Google’s favouring of Google for Jobs an die EU-Wettbewerbskommission.
Google for Jobs: Alles, was Sie über Googles Jobsuche wissen müssen
Google for Jobs: Beschwerde durch Job-Börsen-Anbieter | Innovative Trends
Sebastian