29. April 2014
Stellenanzeigen: Von Eyetracking-Studien fürs Recruiter-Leben lernen
Lesezeit: 5 Min. RecruitingStellenanzeigen
Stellenanzeigen sind ja eigentlich tot. Mause. Zumindest wird dies seit Jahren postuliert. Das Zeitalter des Post & Pray (neudeutsch für Stellenanzeige schalten und beten, dass Bewerber kommen) ist ebenfalls vorbei. Es wird kritisiert, dass sich Stellenanzeigen nicht weiterentwickeln und auf dem Stand von vor 100 Jahren stehen geblieben sind. Letzteres muss man wohl in vielen Fällen bestätigen. Dass bei Stellenanzeigen viel Optimierungspotenzial ist, zeigen ja auch immer wieder die Nominierungen für die Goldene Runkelrübe. Aber wenn einfachste Regeln beachtet werden würden, hätten Ihre Bewerber und in der Folge dann Sie (eigentlich eher umgekehrt – Stichwort Henne – Ei) ein wesentlich leichteres Recruiter-Leben. Schauen wir uns doch mal, worauf ich hinaus will…
Wir schreiben heute das Jahr 2014 und trotzdem sehen Online-Stellenanzeigen heute noch so aus, wie ihre Print-Kollegen vor zwanzig und mehr Jahren. Oft zumindest. Dass aber vielmehr möglich ist (respektive sein sollte) zeigen uns die Versuche diverser Jobbörsen. Ein erster zaghafter Versuch ging damals in einer Kooperation von Jobware und Kienbaum unter dem Namen Stellenanzeige2.0 respektive JobAd_2.0 (klar, das Format wollte ja international vermarktet werden ;-)) online. Die neueste Variante ging zuletzt auf den Seiten der Landeshauptstadt München live.
Interaktiv & kreativ = die bessere Stellenanzeige?
Ob diese Form dem Bewerber wirklich einen Mehrwert bietet? Theoretisch ja, aber entscheiden Sie selbst. Schön, wenn man mehr Informationen bereitstellen will. Blöd, wenn man diverse Klicks machen muss, um zu diversen Informationen zu gelangen. Idee gut, Usability schlecht. Aber das schrieb ich schon beim ersten Wurf und auch die darauf folgende Variante, die AREVA-Memory-Stellenanzeige, änderte daran nichts.
Wenn ein Stellenbörsen-Anbieter die interaktive Stellenanzeige für sich entdeckt, dürfen die anderen natürlich nicht nachstehen. Also versuchte sich Stepstone mit der StellenanzeigePlus und versprach mit der Gleichung
Mehr Inhalt + Mehr Employer Branding = Mehr passende Kandidaten.
Monster kopierte das Ganze einfach und nannte deren Modell dann Employer Branding Stellenanzeige (ich komme gleich darauf zurück). Und wo wir gerade beim Kopieren sind: Auch eine der ersten Varianten der Stellenanzeige2.0 wurde kopiert, nämlich von den Schweizern.
In diesem Fall stimmt also nicht der Slogan: “Wir haben’s erfunden“. Hier müsste es eher “wir haben’s nachgemacht” heißen. Nichts gegen kopieren, vor allem dann, wenn es besser ist, als das Original.
Und das kann man bei der konsequenten Weiterentwicklung definitiv behaupten. Nicht ohne Grund wurde die Stellenanzeige mit dem HR Excellence Award ausgezeichnet. Die Stellenanzeige ist im Grunde genommen als One-Pager konzipiert, bei Klick auf einen der Reiter gelangt man dann zu den jeweiligen Infos. Hier einmal sämtliche Inhalte auf einen Blick:
Die Stellenanzeige überzeugt im Übrigen als einzige (!) der genannten auch mobil.
Auch andere Anbieter haben sich mit interaktiven Formaten versucht, z. B. die Kollegen von Westpress, die gleich ein ganzes Bündel von kreativen interaktiven Stellenanzeigen anbieten. Sie fragen sich wahrscheinlich, was das alles mit der Überschrift zu tun hat und wann ich auf den Punkt komme. Das verrate ich Ihnen gerne. In diesem Artikel geht es darum, welche Stellenanzeigen bei Bewerbern besonders gut ankommen (fragt man diejenigen, die die oben genannten Stellenanzeigen-Typen einsetzen, wird man wahrscheinlich überall so was wie “Super-Resonanz”, “die Bewerber waren begeistert” etc. hören. Ist im Zweifelsfall auch verständlich, denn natürlich machen solche Stellenanzeigen-Typen neugierig und natürlich sind sie wohl auch besser, als das, was Sie bisher angeboten haben. Aber: Entscheidend ist immer noch der Inhalt. Wenn Sie in solche Stellenanzeigen, seien sie noch so innova-, krea- und interak-tiv, dieselben langweiligen Textwüsten reinpacken (was leider eher die Regel als die Ausnahme darstellt), waren all die Bemühungen für die Katz.
Employer Branding-Anzeige oder Textwüste?
Tatsächlich kann man mittels so genannten “Eye Trackings” ermitteln, wie sich ein Nutzer auf einem Dokument orientiert, wo seine Augen am längsten verweilen oder am meisten herum irren. Das gilt primär für den Aufbau der Stellenanzeige, weniger für die textlichen Inhalte. Bereits im letzten Jahr präsentierte uns Jobware die Ergebnisse einer ersten Studie, deren Ergebnisse ich seinerzeit anschaulich für Sie aufbereitet hatte. Nun ist es bei solchen Studien in etwa so, wie bei den Stellenanzeigen selbst. Was der eine kann, das kann ich auch, dachte sich dann Monster und präsentierte vor einigen Wochen bahnbrechende Erkenntnisse. Auch Sie werden baff sein vor Erstaunen, wenn ich Ihnen die Ergebnisse gleich schonungslose ins Gesicht knalle. Sind Sie bereit?
Monster hat also in Kooperation mit der Goethe-Universität Frankfurt unter der wissenschaftlichen (!) Leitung von Dr. Andreas Eckhardt insgesamt 180 Teilnehmer zu ihrer Meinung einer (!) Stellenanzeige befragt. Respektive waren es zwei, sie unterschieden sich nur vom Aufbau und der Gestaltung. Der Inhalt war identisch. Zwei Kontrollgruppen von je 90 Teilnehmern wurden diese Stellenanzeigen vorgelegt. Die erste Gruppe bekam diese,
die zweite Gruppe bekam diese vorgelegt:
Und nun raten Sie mal, welche besser ankam… Sie werden nie drauf kommen. Aber es war tatsächlich die zweite Variante. Seltsam. Ich dachte immer, es seien langweilige, keinerlei Emotionen weckende Textwüsten. Tja, wie man sich doch irren kann. Und so überraschen uns die Studienergebnisse mit Aussagen wie diesen:
- In Bezug auf die Arbeitgeberwahrnehmung erwies sich die Employer-Branding-Anzeige der Standardanzeige als deutlich überlegen.
- Probanden, die auf einer Skala von eins (sehr gut) bis fünf (nicht gut) zunächst ihren Eindruck vom Unternehmen beschrieben hatten, vergaben nach dem Betrachten von Variante B bessere Noten als die Kontrollgruppe.
- Insgesamt wurden die Informationen in Anzeige B auch als verlässlicher und fehlerfreier wahrgenommen.
- Zu guter Letzt empfanden die Probanden das Unternehmen als sympathischer, innovativer und erfolgreicher.
So, und jetzt buchen Sie bitte alle die Employer-Branding-Anzeige bei Monster :-). Ist natürlich Käse. Sie können auch Ihre herkömmliche Stellenanzeige pimpen und bei Bewerbern punkten. Das tun Sie natürlich primär mit Mehrwert bietenden Inhalten. Aber natürlich gilt das auch für die Gestaltung von Stellenanzeigen. Und hier liefert eine andere Eyetracking-Studie wertvolle Erkenntnisse. Nämlich die von Jobware. Wirklich neue Erkenntnisse liefert die im Verhältnis zum Vorjahr nicht. Eine größere Probandengruppe (230 vs. 30), eine Ausweitung der Fachrichtungen und eine größere Auswahl an Stellenanzeigen (150 vs. 36) untermauern aber die Ergebnisse. Alle Probanden waren waren zum Zeitpunkt der Untersuchung auf Stellensuche bzw. latent wechselwillig. Sie kamen insbesondere aus den Gruppen Wirtschaftswissenschaften, Ingenieurwesen und Informationstechnik, zu etwa gleichen Teilen waren sie Absolventen und Studenten.
Zu jeweils fünf Stellenanzeigen fand zudem eine unterstützende “Recall”-Befragung statt. Hier wurde ermittelt, ob sich die Probanden an den Unternehmenstitel erinnern und welche Stelle in welcher Branche ausgeschrieben wurde. Auch wurden die Probanden zur optischen Anmutung dieser Stellenanzeigen und ihrem spontanen Interesse, sich weiter damit beschäftigen zu wollen, befragt.
Welche Erkenntnisse die Studie noch hervorbrachte, ob Frauen Stellenanzeigen anders lesen als Männer und BWLer anders als ITler, lesen Sie in Kürze in meinem 375. Blogartikel!
Stellenanzeigen: Frauen lesen anders. Ingenieure auch.
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Judith
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