Schneckenzüchter im Handbuch der Lebensgeschichten – whatchado wird zum Youtube der Berufsorientierung – Podcast-Episode 20: Auf einen Ingwertee mit Jubin Honarfar

Lesezeit: 9 Min. Employer Branding

Für meinen 20. Podcast bin ich mal wieder nach Wien gereist. Nach Eva Planötscher-Stroh (Recruiting im Freibad) und Ali Mahlodji (Und was machst du so?) habe ich mich mit Jubin Honarfar, einem der Gründer von whatchado, getroffen. Mit ihm habe ich gesprochen über die Parallelen zwischen Beziehung und Arbeitsleben, über Berufsorientierung, Employer Blending, Jobtitel, die keiner findet und vieles mehr- aber vor allem über die Vision des Handbuchs der Lebensgeschichten, die whatchado seit Beginn verfolgt. Und die nun mit einem Geniestreich noch greifbarer wird Ab sofort öffnet sich die Plattform für Berufsorientierung auch für fremden Content. Warum, erzählt Jubin im Podcast und habe ich hier zusammengefasst.

Vom Studienabbrecher zum Diplomaten

Draußen tobte ein ungemütliches Schneetreiben, drinnen saßen wir bei einem Ingwertee und tauschten uns über spannende Themen aus. Ich hatte mir also quasi einen Südländer vors Mikro geholt, damit mir wieder warm wird. Jubin, CEO und “Diplomat” von und bei whatchado, konnte weder seinen Kindheitstraum Astronaut, noch den als Profi-Fußballer verwirklichen. Vielmehr entschied er sich für ein Medizinstudium. Drei Jahre hat er durchgehalten, bevor er selbiges abbrach. Wer nichts wird, wird Wirt, dachte sich Jubin, hängte ein BWL-Studium dran und brachte selbiges auch erfolgreich zum Abschluss, um anschließend dann mit Freunden whatchado zu gründen. Die Vision: Ein Handbuch der Lebensgeschichten zu gestalten, in dem jeder Beruf verewigt wird. Die größte Berufsorientierungsplattform sollte entstehen. Denn eigentlich geht es uns doch allen gleich: verlassen wir die Schule oder die Uni, wissen wir kaum, wo wir landen. Was uns im Berufsleben erwartet, kann uns kaum einer vermitteln. Arbeitgeber auf ihren Karriere-Websites bspw. schaffen es bis dato nur in seltenen Fällen. Und so stolpert man sich dann durch verschiedene Jobs und Unternehmen, immer auf der Suche nach dem “Perfect Match”. Allerdings tun Unternehmen so einiges, selbiges sich und Bewerbern zu erschweren. Dazu aber weiter unten mehr.

Das Handbuch der Lebensgeschichten…

Auch eine Auswertung der Videos auf whatchado ergibt, dass 80 Prozent der Menschen den aktuell ausgeübten Job so nicht geplant haben. Genau diese Videos aber sind es, die den Nutzern Orientierung geben sollen. Anhand der erzählten Storys und des whatchado-Matchings können sie für sich herausfinden, welcher Job für sie passt – und welcher nicht. Mittlerweile (Stand heute) gibt es 6.945 Videos von Menschen, die über ihren Job sprechen, 274 Arbeitgeber und Bildungseinrichtungen haben sich auf whatchado verewigt und über 231 Berufsprofile vermitteln spannende Informationen zu den einzelnen Jobs. Darunter auch so prominente Gesichter wie Österreichs Bundespräsident Alexander van der Bellen, Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus, der ja auch hier in Wiesbaden sein Unwesen treibt oder Gorillaforscherin Jane Goodall (Gorillas im Nebel). Darüber hinaus Astronauten, Bestatter, Briefträger, Chirurgen, Detektive, Feuerwehrmänner, Grundschullehrer, Hacker, Köche, Lokführer, Mikrobiologen, Rapper, Schornsteinfeger, Tierpfleger, Uhrmacher, Verwaltungsfachangestellte, Wirtschaftsprüfer, Zahnärzte und viele viele mehr.

Als whatchado damals angetreten war, die Welt zu retten, war der Gedanke, eine Plattform zu schaffen, auf der jeder seinen eigenen Content, seine eigene Lebensgeschichte hochladen kann. Dass sich das Ganze (erst einmal) in eine andere Richtung drehen würde und man auf einmal für Unternehmen Content produzieren würde (und man damit sogar Geld verdienen könnte), damit hatte keiner der jungen Gründer gerechnet. Und so ist whatchado mittlerweile nicht nur Plattform in Sachen Berufsorientierung, sondern auch noch das informativste Employer-Branding-Portal. Und weltweit übrigens das einzige seiner Art.

…öffnet sich zum “Youtube der Berufsorientierung respektive des Employer Branding”

Die Vision hat whatchado aber nie aus den Augen verloren und ist seinem Ideal treu geblieben. Und so geht man in Wien nun den nächsten Schritt. Ab sofort haben Unternehmen die Möglichkeit, ihren eigenen Content hochzuladen. Denn, so Jubin, 7.000 Videos seien zwar viel, aber wenn sie selber all die Videos produzieren würden, um all die Geschichten einzufangen, so würde das wohl einige hundert Jahre dauern, bis das Buch gefüllt ist. Wobei sich die Frage stellt, ob es das Internet in der Form in einigen hundert Jahren noch gibt. Davon abgesehen gibt es viele Unternehmen, die schon eigenen Content produziert haben, von denen mehr User profitieren sollten, als bisher. Bspw. weil sie bisher nur für die Besucher einer Karriere-Website zugänglich waren und damit für viele unsichtbar bleiben. Und dann gibt es die Unternehmen, die einfach zu klein sind, um ein aufwendiges Video produzieren zu lassen.

Chancen für Schneckenzüchter und andere kleine Unternehmen, ihre Berufsbilder vorzustellen

Er bringt das Beispiel des Schneckenzüchters. Auch ein Beruf, den wohl kaum einer kennt. Solch ein kleiner Betrieb hat nun die Gelegenheit, sich das Smartphone zu schnappen, selber ein Video zu erstellen und es dann hochzuladen. Ziel ist es nun also, die Plattform weiter zu öffnen und der Community den Zugang zu weiteren Videos zu ermöglichen. Wenn man so will also eine Art Youtube für Berufsorientierung, respektive Employer Branding.

Bereits 2015 hatte whatchado versucht, seine Plattform getreu dem Motto “whatchadoityourself” für eigenproduzierten Content zu öffnen. Mit dem sogenannten Story Recorder hatten Nutzer die Möglichkeit, Inhalte zu erstellen und bei whatchado hochzuladen. Ein Versuch, der aus zwei Gründen floppte, wie mir Jubin freimütig erzählte: zum einen musste der Nutzer eine Software runterladen, die er nur auf dem Desktop nutzen konnte (was natürlich weder zweckmäßig, noch zeitgemäß war), zum anderen wurde das Feature vor allem von einer Vielzahl von Coaches genutzt, die ihre Dienstleistung anpreisen wollten, aber wenige zur Berufsorientierung beitragen konnten.

Nicht die Länge eines (Arbeitgeber-)Videos ist entscheidend, sondern dessen Qualität

Das soll nun anders werden und so wird natürlich nicht jedes Video zugelassen, sondern erst einmal einer Qualitätsprüfung unterzogen. Ein Video von 25 Sekunden Länge würde bspw. durchfallen, so Jubin. Innerhalb von 25 Sekunden Informationen zu vermitteln, die dazu beitragen einen Eindruck zu vermitteln, wie ein Arbeitgeber tickt und was einen dort im Unternehmen erwartet, ist schlicht nicht möglich. Etwas, was aber viele Arbeitgeber nicht verstanden haben, die irgendwo aufgeschnappt haben, ein Video dürfe nicht länger als eine Minute sein. Was natürlich absoluter Quatsch ist. Solange der Inhalt stimmt, kann ein Video durchaus auch länger sein. Entscheidend ist nämlich nicht die Länge des Videos, sondern der Inhalt und dessen Qualität. Ziel sollte es immer sein, dem potenziellen Bewerber ein Bild davon zu vermitteln, wer man als Arbeitgeber ist und was man dort im Unternehmen vorfindet. So hat ein potenzieller Bewerber die Möglichkeit zu entscheiden, passen er und das Unternehmen zusammen – oder nicht. Das haben leider viele Unternehmen bis heute nicht verstanden.

Nicht die Masse macht’s, sondern die Qualität. Das gilt auch bei Bewerbungen

Das Problem Quantität vs. Qualität trete nicht nur bei Recruiting-Videos auf, so Jubin. Der gemeine Personalist neige auch dazu, sich an hohen Klickzahlen für geschaltete Stellenanzeigen zu ergötzen. Dabei sollte uns allen bewusst sein, dass nicht die ausschlaggebend sind, auch nicht die Anzahl der Bewerbungen, sondern die Anzahl der passenden Bewerbungen. Anders gesagt: Es sollen sich nur die angesprochen fühlen, die auch zum Unternehmen passen. Gleiches gilt für Videos bzw. deren Reichweite. Es geht nicht darum, möglichst viele Viewer zu haben, sondern um die, die diesen Content auch zu schätzen wissen. So liegt die durchschnittliche Verweildauer auf whatchado bei 9 Minuten, im Schnitt werden Videos 3 Minuten geschaut, was ca. drei Vierteln der gesamten Dauer eines typischen whatchado-Videos entspricht. Ein Wert, der sich sehen lassen kann.

Zur Qualitätskontrolle zählt auch, dass berücksichtigt wird, wie Nutzer den Content annehmen. Wenn Inhalte nicht ankommen, zeigt sich das sehr schnell auch in den Zugriffszahlen. Damit whatchados Matching-Funktion auch bei Fremd-Content richtig funktionieren kann, müssen Unternehmen zwei Dinge berücksichtigen: Es darf nur eine Person je Berufsbild im Video erzählen (würde auch sonst schlecht zum Handbuch der Lebensgeschichten passen) und es muss die Frage nach der Einschränkung im Job beantwortet werden.

Arbeitgeber erschweren sich das Recruiting

Wieder ein Punkt, den viele Arbeitgeber bis heute nicht verstanden haben, die Unsummen in Employer-Blending-Maßnahmen stecken und nicht verstehen, warum sie nicht funktionieren bzw. warum der neu und teuer gewonnene Mitarbeiter das Unternehmen so schnell verlassen hat. Es geht darum, ihm ein realistisches Bild des Arbeitsplatzes zu vermitteln (man spricht dann neudeutsch von Realistic Job Preview), nicht ein rosarotes. Ehrlich währt am längsten, das ist und bleibt die Devise in (gutem) Personalmarketing. Es dürfen keine falschen Erwartungen geweckt werden. Der potenzielle Bewerber muss wissen, womit er im Unternehmen zu rechnen hat. Ob er sich dann bei Ihnen bewirbt, oder nicht, wird man sehen. Wenn nein, gut. Dann wird seine Entscheidung darauf beruhen, dass ihm der Job oder die Einschränkungen, die dieser mit sich bringt, nicht passt. Ihnen bleibt das Sichten der Bewerbung und ein enttäuschter Mitarbeiter erspart, der das Unternehmen frühzeitig verlässt. Und eine Bewertung, die Ihnen die Recruitingbemühungen um einen weiteren Faktor erschweren.

Erschweren tun sich die Unternehmen ihre Recruiting-Aktivitäten aber auch auf andere Weise. Nämlich durch neu geschaffene Jobtitel, die keiner versteht. Nicht nur der Bewerber versteht sie nicht (bzw. würde nie auf die Idee kommen, nach solchen Titeln zu suchen). Selbst einer KI, wie bspw. Googles Cloud Talent Solution, die auch in Google for Jobs und für Deutschland bisher exklusiv in yourfirm ihren Dienst tut, sind da die Hände gebunden. Auch die scheitert nämlich an Fantasiebezeichnungen wie Wildlife Control Operator (Förster) oder Vision Clearance Engineer (Fensterputzer).

3 Ratschläge für Personaler

Klar, dass ich Jubin ganz in whatchado-Manier nach drei Ratschlägen für sein 14-jähriges Ich gefragt habe. Naja, eher nach drei Ratschlägen für Personalisten. Hier sind sie:

  1. hör auf dein Bauchgefühl!
  2. sei mutig und probier dich aus!
  3. mach nicht jeden Schmarr’n mit, den es am Markt gibt, fokussier dich, spezialisier dich!

Wer wissen will, was sich hinter diesen Tipps verbirgt, welche Parallelen es zwischen Beziehung und Arbeitsleben gibt, ob Jubins Opa Arzt oder beim CIA war, warum Employer Branding scheitert, warum es die Grabenkämpfe zwischen HR und Marketing gibt (und wie man daraus als Sieger hervorgehen kann), was der Father’s Day mit whatchados Expansionsplänen Richtung USA zu tun hat (und ob es die überhaupt gibt), der sollte sich jetzt eine Stunde Auszeit nehmen und uns beiden im Podcast lauschen. Den gibt’s natürlich auch bei Spotify und iTunes.

Wer seine Arbeitgeber-Videos mit der Community teilen will und sich zusätzliche Reichweite wünscht (oder wer einfach nur am Handbuch der Lebensgeschichten mitschreiben will), der kann das hier tun. Und wer Bock hat auf einen heiter beschwingten Podcast in entspannter Atmosphäre, der kann mich gerne kontaktieren!

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Moin! Ich bin Henner Knabenreich. Seit 2010 schreibe ich hier über Personalmarketing, Recruiting und Employer Branding. Stets mit einem Augenzwinkern oder den Finger in die Wunde legend. Auf die Recruiting- und Bewerberwelt nehme ich auch als Autor, als Personalmarketing-Coach, als Initiator von Events wie der HR-NIGHT oder als Speaker maßgeblich Einfluss auf die HR-Welt. Sie möchten mich für einen erfrischenden Vortrag buchen, haben Interesse an einem Karriere-Website-Coaching, suchen einen Partner oder Berater für die Umsetzung Ihrer Karriere-Website oder wollen mit bewerberzentrierten Stellenanzeigen punkten? Ob per E-Mail, XING oder LinkedIn - sprechen Sie mich an, ich freue mich auf Sie!
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