31. Oktober 2014
Studie von Burda Media: Soziale Netzwerke als Recruiting-Instrument?
Lesezeit: 6 Min. Social Media
Nachdem ich eben noch schnell mein “Wer hier bloggt“-Profil gepimpt habe und meinen Klapprechner schließen wollte, stolperte ich gerade noch über die “Studie” “Die Deutschen und soziale Netzwerke“. Wie heißt es so schön? Traue keiner Studie, die du nicht selbst bezahlt hast (die Studie wurde von Burda Media in Auftrag gegeben – das sind die, die den (gefühlten) Ausverkauf von Xing und kununu fleißig voran treiben). Nichtsdestotrotz will ich Ihnen die Ergebnisse nicht vorenthalten, schließlich enthält sie einige zwar frei interpretierbare, aber dennoch auch irgendwie spannende Ergebnisse. Also, Ring frei für Deutschlands beliebteste und unbeliebteste soziale Netzwerke!
Hubert Burda Media (also Eigentümer von Xing) ist Auftraggeber dieser “Studie”. Die Untersuchung mit dem Titel „Wert eines Profils in sozialen Netzwerken“ besteht aus zwei Teilen: Einerseits wurde mit Hilfe technischer Prüfungen, User-Tests, Überprüfung der Nutzererfahrung sowie Vergleichbarkeitsmessungen ein Fragenkatalog beantwortet. Durchgeführt wurde das Ganze im September 2014 vom TÜV Nord. Andererseits wurde durch eine “repräsentative” Studie des Statistikportals Statista (1.001 Nacht Befragte, durchgeführt im Juni 2014) der Wert eines Profils auf Facebook, Xing, LinkedIn und Google+ aus Sicht von Bestandsnutzern ermittelt.
Ohne Facebook geht es nicht
Welch Überraschung, ist Facebook da ganz weit vorne. Was mich aber wirklich überrascht, ist die Nutzung von Google+. Wirklich so viele? Und dann mit einem aussagekräftigen Profil? Dass Facebook die Nummer 1 in der privaten Kontaktpflege darstellt und für berufliche Themen eine sehr untergeordnete Rolle spielt, überrascht wiederum nicht.
Dafür wird Facebook als höchst unseriös empfunden. Xing und LinkedIn hingegen gelten als seriös. Sollte man ja auch von einem Businessnetzwerk erwarten, oder? Was das das Thema Nutzerzufriedenheit angeht, so höre ich in puncto Xing allerdings momentan viel Gegenteiliges. Das sind aber natürlich nur Einzelfälle und ist keineswegs repräsentativ. Und dass der Kundensupport dort als wesentlich besser wahrgenommen wird, liegt wohl auch daran, weil es den bei Facebook nicht wirklich gibt. Auf das Thema Seriosität komme ich am Ende des Artikels noch einmal zurück.
Die Studie fragte dann im Übrigen allen Ernstes, wie viel Geld man einem Nutzer zahlen müsste, damit er sein Profil dicht macht. 58 Prozent der Befragten müssten Sie mindestens 500 Euro in die Hand geben, dann würden die ihren Account aufgeben. Bei Xing sind es 51 Prozent, bei LinkedIn 41 und bei Google+ 38 Prozent. Und: Jedem zehnten Xing-Nutzer müssten Sie sogar 50.000 Euro zahlen. Andere machen so was freiwillig und aus Überzeugung.
Aber abgesehen davon wäre das ein schönes Geschäftsmodell :-) Also: Ich biete Facebook, Xing, LinkedIn und Google+. Was bieten Sie mir?
Im Übrigen schon sehr bedenklich, wie abhängig sich die Leute von Facebook machen. Ich empfehle mal so zwischendurch zwei Bücher, die hoffentlich zu einem etwas überlegteren Umgang mit Facebook, Google & Co. mahnen. Keine Sach- und Fachbücher, sondern richtig gute Romane bzw. Thriller. Zum einen “Zero – Sie wissen, was du tust” von Marc Elsberg und “Der Circle” von Dave Eggers. Schöne neue Social-Media-Welt, sage ich da nur. Aber das wie immer nur am Rande.
Soziale Netzwerke als Recruiting-Instrument?
Konzentrieren wir uns noch aufs Finale Furioso. Es wurde nämlich nach dem Stellenwert der sozialen Netzwerke fürs Recruiting gefragt. Selbstverständlich liegt Xing bei der Qualität der Kandidaten gaaanz weit vorne. Aber jetzt wird’s interessant. 52 Prozent der Personaler schauen sich nämlich die Profile von Bewerbern auf Facebook an. Auf Facebook? Auf Facebook! Auf Facebook? Ja, wirklich, auf Facebook! Also, auf dem Facebook, diesem privaten sozialen Netzwerk? Ja, genau auf dem. Das musste ich erst mal sacken lassen. Nicht Xing (34 Prozent) oder LinkedIn (16 Prozent) sind die beliebtesten Netzwerke, wenn sich Personaler “Profile von Bewerbern anschauen”, sondern Facebook.
Im ersten Moment herrschte bei mir Fassungslosigkeit und Unverständnis. Dann während ich diese Zeilen schreibe, kommt mir die Erkenntnis. Xing ist einfach lang-wei-lig und hat keine Action zu bieten. Wer zeigt sich auf Xing oder LinkedIn schon in Bikini oder Badehose oder volltrunkenem Zustand? Auf Facebook gibt es das frei Haus!
In diesen Kontext passt dann wiederum weniger, dass man auf Facebook (angeblich) weitaus aussagekräftigere Profile findet als auf LinkedIn (obwohl, hier kommen wieder Badehose und Bikini ins Spiel. Und die Vorlieben. Und die Freunde. Und der geistige Dünnschiss, den viele Nutzer auf dieser Plattform von sich geben). Und auch bessere Kandidaten (???). Ich glaube, da hat jemand die Frage nicht richtig verstanden. Abgesehen davon ist es natürlich ohnehin spannend, dass Personaler auf Facebook nach geeigneten Kandidaten fahnden. Tatsächlich gibt es Personalverantwortliche, die soziale Netzwerke nutzen, um sich über Bewerber zu informieren und sich dann teilweise davon auch in ihrer Entscheidung beeinflussen lassen. Sie natürlich nicht, ich weiß.
Aber auf Facebook? Zwar liegt Facebook (allerdings nur leicht) hinter Xing, aber weit vor LinkedIn. Nun klar, LinkedIn ist weniger bekannt als Facebook. Dass hierbei aber durchaus rechtliche Fallstricke lauern, interessiert wahrscheinlich niemanden so recht. Ha, welch Wortspiel. Da ich aber hier kein Spielverderber sein will und es Leute gibt, die sich mit so was auskennen, verweise ich lieber auf die Blogbeiträge der von mir überaus geschätzten Social Media-Rechtsexpertin Nina Diercks: Active Sourcing & Talent Relationship Management (TRM) rechtlich betrachtet – Part I und Active Sourcing & Talent Relationship Management (TRM) rechtlich betrachtet – Part II.
Xing, LinkedIn und die Datensicherheit
So, und nun noch mal zurück zum Thema Seriosität. Warum Xing hier so gut, und Facebook eher schlecht abschneidet, liegt auch an dem Aspekt der Datensicherheit. Wie heißt es so schön in der Pressemitteilung:
“In der Studie wurden auch negative Erfahrungen mit sozialen Netzwerken abgefragt, zum Beispiel aus den Bereichen Datensicherheit oder Kommunikation. Diese Ergebnisse wirken sich auch auf die Seriosität aus, die Nutzer den Netzwerkbetreibern zusprechen. Hier schneidet Xing am besten ab. 48 Prozent der Nutzer stufen Xing als eher (37) oder sehr (11) seriös ein, nur insgesamt 15 Prozent geben dem deutschen Berufsnetzwerk in dieser Kategorie schlechte Noten. […]
Bei den drei untersuchten Netzwerken mit Firmensitz in den USA bestehe laut TÜV große Rechtsunsicherheit für Kunden bezüglich Datenverwertung und Datenschutz. Der deutsche Anbieter Xing liefere hier, so der TÜV, eindeutige, nachvollziehbare Regelungen für seine Nutzer und eine klare Datenschutz-Zuständigkeit.
Als weiteren Unterschied machte der TÜV aus, dass Nutzer beispielsweise von Linkedin dazu aufgefordert würden, das eigene Postfach und Adressbuch nach Kontakten durchsuchen zu lassen, ohne ihnen ausreichend bewusst zu machen, dass sie im Begriff sind, eine Erlaubnis dazu zu erteilen. So animiere das Unternehmen zur Datenfreigabe und zum Versand von Netzwerk-Einladungen an Kontakte des eigenen Adressbuches.”
So, hier will ich noch mal rasch ansetzen. LinkedIn fordert dazu auf, das eigene Postfach und Adressbuch nach Kontakten durchsuchen zu lassen. Stimmt auffallend. Gerade wer sich derzeit auf LinkedIn tummelt (Tendenz steigend – je nach verwendetem Browser wird hier eine Google-Trends-Grafik dargestellt – witzigerweise nicht in Google-Chrome),
wird feststellen, dass einem exakt die Nutzer vorgeschlagen werden, die man auch in seinem Xing-Netzwerk hat. Exakt dieselben. Und das sogar, wenn man die Einstellungen bei Xing so gewählt hat, dass andere das Kontaktnetzwerk nicht sehen können. Deswegen werden Sie aktuell auch mit Einladungen zu LinkedIn zugespamt. Wenn doch aber Xing datenschutzrechtlich angeblich so sicher ist, wie kann es dann sein, dass diese Xing-Profile mir dann 1:1 auf LinkedIn als Vorschläge angezeigt werden? Klar, technisch ist das ohne Probleme machbar. Aber ist das auch datenschutzrechtlich und mit den vereinbar? Sollte wer im Glashaus sitzt mit Steinen werfen? :-)
Das wiederum wäre eine Frage, die der Social Media Recht Blog durchaus mal aufnehmen darf.
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Claudia Hilker
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Heiko Großmann