20. Juni 2014
Tatütata statt Blablabla – Verdächtig gutes Personalmarketing der Polizei Sachsen
Lesezeit: 6 Min.
Karriere-WebsitesPersonalmarketingRecruiting
Da war meine Ex-Ehefrau also mal wieder in Dresden. Wenn wir verreisten, brachten wir uns gegenseitig immer eine Kleinigkeit mit. Diesmal war es unter anderem eine Postkarte. Drauf stand “Karriere mit Schuss”. Beim Wort “Karriere” leuchteten meine Augen. Das kann jetzt nur was mit Recruiting zu tun haben, dachte ich. Sucht da jemand einen Barkeeper für seine Cocktailbar (schließlich lag die Karte in einer solchen aus)? Nein, viel besser. Es ist die Polizei Sachsen, die da mit diesem “Personalmarketing á la Postkarten” auf ihre Karriere-Perspektiven aufmerksam macht. Und entgegen der peinlichen Nummer der Polizei NRW aus letztem Jahr machen die das richtig gut. Und konsequent.
Wer erinnert sich nicht an den Lacher des letzten Jahres? Die Polizei NRW, die sich rappend und singend zum Gespött der Nation machte, ist wohl jedem noch geläufig. Nun ja, immerhin gab es nicht nur die Goldene Runkelrübe, sondern auch noch den Silbernen Sellerie! So viel Auszeichnungen räumt nur selten ein Recruiting-Video ab :-). Trotzdem. Gebranntes Kind scheut das Feuer. Und seit dem beobachte ich die Personalmarketing-Aktivitäten der einzelnen Länderpolizeibehörden mit Argwohn. Und war natürlich zunächst skeptisch, als ich diese Karte der Polizei Sachsen in Händen hielt.

Tatsächlich aber wurde ich positiv überrascht, als ich die Website verdaechtig-gute-jobs aufrief. Gleich in doppelter Hinsicht. Zum einen von der Website an sich und den dort dargebotenen Inhalten, zum anderen davon, dass die Seite auch mobil sehr gut funktioniert. Damit ist die Polizei Sachsen in Sachen Mobile Recruiting weiter als so manches DAX-Unternehmen. Laut neuesten Studien behandeln die nämlich Mobile Recruiting sehr stiefmütterlich und kommunizieren komplett an der Zielgruppe vorbei.

Verdächtig gute Jobs – verdächtig gutes Personalmarketing
Und noch eine Sache fiel positiv auf. Während viele nämlich die Kneipenpostkarten auch auf der Rückseite so mit Informationen zukleistern, dass der eigentliche Zweck der Postkarte – nämlich sie zu verschicken und damit eine noch größere Reichweite zu erzielen – ad absurdum geführt wird. Nicht so hier: Auch die Karte punktet mit absoluter Gebrauchstauglichkeit und lässt sich ohne Weiteres als das nutzen, was sie ist: Eine Postkarte.
Aber wie gesagt, auch die Website hat es in sich. Im Mittelpunkt der Karriere-Website steht dieses Video, welches seit Anfang Mai in Sachsens Kinos gezeigt wird. Ich war aufs Schlimmste gefasst und wurde positiv überrascht:
Tatsächlich zeigt dieses Video wunderbar in zweieinhalb Minuten, wie vielfältig der Job eines Polizisten sein kann. Und das Ganze nicht peinlich, mit Schauspielern besetzt und an den Haaren herbei gezogen, sondern mit “echten” Mitarbeitern der Polizei, die einen “echten” Einsatz nachstellen. Ganz so blutrünstig und realistisch, wie es der ein oder andere fordert, ist das Video nicht, aber es gibt innerhalb weniger Minuten sehr gut die Bandbreite – oder die sprichwörtlichen “1.000 Möglichkeiten” des Berufs wieder. Interessanter finde ich persönlich noch das Making-of, da hier nämlich auch die Mitarbeiter zu Wort kommen und man so einen noch viel besseren Eindruck von den Einsatzmöglichkeiten bei der Polizei Sachsen bekommt.
Hier können sich andere Landespolizeibehörden, allen voran die Polizei NRW, eine megagroße Scheibe von abschneiden und für zukünftige Nachwuchskampagnen lernen.
Nun ist es ja schon super, wenn man mit der originellen Methode Personalmarketing á la Postkarten auf sich aufmerksam macht. 48.000 dieser Karten mit insgesamt drei verschiedenen Motiven wurden im Freistaat Sachsen verteilt, die bei der Zielgruppe durchweg gut ankommen.


Auch die Videos überzeugen. Was aber ist mit der Karriere-Website selber? Gerade hier wissen ja viele Behörden sich nicht mit Ruhm zu bekleckern. Welche andere begleitenden Maßnahmen gibt es sonst noch? Und wie sind die Reaktionen darauf?
Verdächtig gute Karriere-Website
Die Website selber ist derzeit neben der Karriere-Website der Bundespolizei wohl das Beste, was in Sachen polizeilichem Personalmarketing geht. Ein klar strukturierter, nutzerfreundlicher, aufs Wesentliche reduzierter One-Pager. Wirklich toll umgesetzt!

So finden sich leicht zugängliche und verständlich aufbereitete Infos zu den Einstellungsvoraussetzungen, ein Hinweis zu Förderungsmöglichkeiten, eine Gegenüberstellung von Ausbildung und Studium, Infos zu den Einsatzmöglichkeiten mit einer kurzen Beschreibung der einzelnen Tätigkeitsbereiche (Streifendienst, Verkehrspolizei, Kriminalpolizei, Bereitschaftspolizei,, Diensthundestaffeln, Wasserschutzpolizei, Hubschrauberstaffel etc.), zu den Karriereperspektiven und sogar die Besoldung wird schamlos auf der Website thematisiert.

Selbstverständlich fehlt auch weder der mehrfache Hinweis auf die Online-Bewerbung, noch auf die recht junge Facebook-Karriereseite, die allerdings auch schon für den ersten Aufreger sorgte. Wobei die Diskussion schon ein wenig an den Haaren herbei gezogen war und viel Lärm um nichts gemacht wurde.
Einblicke in die tägliche Arbeit im Fokus
Apropos viel Lärm um nichts – warum das alles? Kinospot, Karriere-Website, Postkarten, Plakate, Facebook-Seite? Na, ist doch klar: Es liegt am Fachkräftemangel. Oder nennen wir es FKK – Fachkräfteknappheit. Denn auch bei der Polizei Sachsen muss man feststellen, dass nicht nur die absoluten Bewerberzahlen für eine Ausbildung oder ein Studium sinken, sondern auch die Zahl derer, die überhaupt zum Auswahlverfahren zugelassen werden können. Und obwohl in Sachsen auch das Bewerbungsverfahren jede Anstrengung abnimmt und die jungen Leute sich die Termine für die Tests selbst aussuchen und buchen können, stellt man fest, dass am ersten Tag des Auswahlverfahrens viele gebuchte Plätze leer bleiben. Warum dies so ist, weiß man dort nicht. Was man aber weiß: Viele Leute wissen nicht ausreichend über den Polizeiberuf und seine Möglichkeiten Bescheid. Die Berichterstattung in Funk und Fernsehen trägt zudem zur Verzerrung des realen Berufsalltags bei und so ist es der Polizei Sachsen laut Silvaine Reiche, ihres Zeichens Leiterin des Auswahlteams, ein Anliegen, die alltägliche Arbeit in den Fokus zu rücken und Polizisten vorzustellen, denen die Freude am Beruf ins Gesicht geschrieben steht. Was ihr meines Erachtens zumindest von außen betrachtet, wirklich sehr gut gelingt.
Denn derzeit kann man was den Erfolg der Kampagne angeht, zu diesem Zeitpunkt natürlich noch keine valide Angaben machen. Schließlich ist die Kampagne mal gerade vor ein paar Wochen gestartet. Aber erste Zahlen zeigen, dass man auf der richtigen Fährte ist: So lässt sich seit Start der Kampagne gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von 226 auf 313 Bewerbungseingänge feststellen. Auch die Facebook-Seite ist ein echter Erfolg. So beziehen sich zumindest viele Bewerber bei ihren Angaben zur Bewerbung auf die Facebook-Seite und Dialog wird dort entgegen vielen anderen Karriereseiten groß geschrieben.

Apropos Facebook: Auch hier war es der Polizei Sachsen wichtig, authentisch aufzutreten. Und so hat man die Betreuung der Seite in die Hände einer jungen Nachwuchskraft als ersten Facebook-Kommissar Sachsens gelegt. Dialog auf Augenhöhe also. So findet der Nutzer wirklich umfangreiche Infos über die Ausbildung bei der Polizei Sachsen. Ein Blick lohnt! Ein ganz klares “Daumen hoch”! Auch die Kampagne der Berliner Polizei, die einen Tag für 24 Stunden sämtliche Einsätze in der Timeline widerspiegelte, beobachtet man in Leipzig mit Interesse. Was auch immer dabei herauskommt, die Polizei Sachsen hebt sich wohlwollend von den anderen Behörden ab und zeigt schon jetzt, dass man auch mit authentischen Personalmarketing für Aufmerksamkeit sorgen kann – ohne sich wie die Kollegen aus NRW zum Horst zu machen. Wobei es in Sachen Personalwerbung bei der Polizei NRW durchaus auch positive Beispiele gibt, wie die Ideen des Herrn Harms beweisen.
Budgetkürzung: Stadtpolizei Zürich fahndet mit Witz nach Bewerbern | buckmannbloggt.
M.loh
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