15. Februar 2017
Frechmutige Personalwerbung: Die Ideen des Herrn Harms
Lesezeit: 5 Min. PersonalmarketingRecruiting
Ich bin ja der Meinung, dass das, was gerne als Fachkräftemangel bezeichnet wird, letztendlich nur Ausdruck von Ideenmangel und Bequemlichkeit ist. Ich weiß, das ist starker Tobak. Aber ein Blick auf die Websites vieler Unternehmen und das “Nicht-Bemühen” um Fachkräfte (oder “Nicht-Vorhandensein” von Personalmarketing) zeigt ein deutliches und nicht zu leugnendes Bild, wie man auch am Beispiel der Banken eindrucksvoll sehen kann. Nun kann man also auf den Fachkräftemangel schimpfen und in Lethargie verharren (ist die einfache Lösung) oder aber Ideenreichtum im Personalmarketing beweisen (vielleicht nicht ganz so einfach, macht aber Spaß). So wie Marten Harms von der Kreispolizeibehörde Mettmann.
Gerade ist ja die Neuauflage des Personalmanagement-Bestsellers “Einstellungssache: Personalgewinnung mit Frechmut und Können” erschienen, unter anderem auch mit (m)einem komplett überarbeiteten Artikel zum Thema Karriere-Websites, die ja bekanntlich das Zuhause im Personalmarketing und das Herzstück im Recruiting darstellen. Eine gehörige Portion Frechmut beweist auch bereits seit Jahren Polizeihauptkommissar Marten Harms aus Mettmann (“Neanderthal”). Leider bin ich erst im Zuge einer Vortrags-Recherche auf den guten Mann respektive seine vielfältigen Ideen gestoßen. Spätestens in der dritten Auflage seines Personalmarketing-Buchs sollte Jörg Buckmann ihm aber Platz für ein Kapitel einräumen. Verdient hätte er es auf jeden Fall.
Frechmutiges Personalmarketing der Polizei Mettmann
“Ein Beruf für Sie und Ihn!” so der Slogan auf einem Werbemittel der Polizei Hessen (datiert vermutlich aus den 90ern und fiel mir neulich in die Hände. Zu beachten: Die Ansprache beider Geschlechter :))
Besonders kreativ ist das nicht. Dachte sich wohl seinerzeit auch die Polizei NRW und lancierte vor einigen Jahren ein Video, welches in die Recruiting-Geschichte eingegangen ist. Und wer erinnert sich nicht gerne zurück an den Rap und vor allen Dingen den Refrain, der den Kultsong “Hip Hop Hooray” von Naughty by Nature aufgriff? “Hey Torben, go Torben, heyyyyy hoooo!“, heißt es hier etwas holprig. Geht aber auch anders, wie letztes Jahr bei der Personaler Late Night eindrucksvoll von der Theater-A-Band bewiesen (ab 1 Minute 10).
Das Video ist längst Vergangenheit, die Wunden geleckt. Mittlerweile hat die Polizei NRW andere Wege eingeschlagen und der aktuelle Arbeitgeber-Auftritt “Genau mein Fall” ist durchaus gelungen. Nun könnte man sich ausschließlich auf einer solchen landesweit lancierten Kampagne ausruhen und darauf warten, dass Bewerber für den Polizeiberuf eintrudeln. Oder man wird zusätzlich aktiv. So wie Herr Harms von der Kreispolizeibehörde Mettmann.
Polizeihauptkommissar Marten Harms ist dort sogenannter “Personalwerber”, über die jede Polizeibehörde verfügt. Diese regional eingesetzten Personalwerber sind aber nicht nur für die Gewinnung von Bewerbern zuständig, sie sind auch für für die Bindung und Betreuung von Bewerbern im laufenden Verfahren und im späteren dreijährigen Studium verantwortlich. Ein wesentlicher Eckpfeiler der Arbeit eines Personalwerbers ist dabei die grundsätzliche Information der Zielgruppe. Dabei geht es primär darum, wesentliche, transparente und ungeschönte Berufsinformationen sowohl auf Messen als auch bei speziellen Info-Runden und in individuellen Gesprächen zu vermitteln.
Während also die klassische Personalwerbung eigentlich die Ansprache potenzieller Bewerber mittels Stellen- oder Imageanzeigen sowie Personalmarketing-Kampagnen umfasst, geht die Tätigkeit des Personalwerbers bei der Polizei noch weiter.
Harms ist bekannt für seine “frechmutigen” Ideen, die junge Menschen für den Einstieg in den Polizeiberuf begeistern. Zunächst mehrere Jahre im kriminalpolizeilichen operativen Ermittlungsdienst (Kapitaldelikte, Wirtschaftsdelikte, Terrorfahndung, Rauschgift usw.), ist Hauptkommissar Marten Harms nun bereits seit einigen Jahren als Pressesprecher und Personalwerber in der Kreispolizeibehörde Mettmann aktiv. Als Vater seines nunmehr 24-jährigen Sohnes hat er die gesamte Entwicklung der jugendlichen Zielgruppe quasi hautnah miterlebt. Die Möglichkeit zu bekommen, mit jungen Menschen in Kontakt zu stehen und zu bleiben und gleichzeitig Konzepte zur Personalwerbung zu entwickeln, hat ihn schon damals fasziniert und treibt ihn an, hat er mir verraten. Ideen abseits des Mainstreams umzusetzen macht ihm nach all den Jahren immer noch riesigen Spaß. Und das sieht man seinen Kampagnen auch an. Ein paar davon möchte ich hier vorstellen, können sie doch als Inspiration dienen.
Polizeiwagen für die Personalwerbung
Aufmerksam geworden bin ich auf ihn im Rahmen einer Recherche zu meinem Vortrag “David gegen Goliath” beim 2. Forum Personal-Perspektiven an der ADG Business School. Einkaufswagen im Personalmarketing? Mal im Ernst, haben Sie schon mal darüber nachgedacht, Einkaufswagen im Rahmen Ihrer Bewerberansprache einzusetzen?
Sollten Sie aber. Schließlich ist diese Form von Werbung im Schnitt 30 Minuten im Blickfeld des Einkaufswagenfahrers. Und nicht nur da. Denn auch die anderen Kunden nehmen die Werbung dauerhaft wahr. Die Werbefläche wird brav durch den Laden geschoben, Blickkontakte sind unvermeidbar und im Gegensatz zu Radio, TV oder Internet, ist die Werbung am Einkaufswagen nicht abschaltbar. Insofern eine geniale Idee!
Im Übrigen greift diese Werbung eine andere Idee von ihm auf. Bei der Polizei ist nämlich ein Einstieg auch für Quereinsteiger bzw. ein Studium ohne Abitur möglich. Somit können also neue Zielgruppen erschlossen werden. Diese Info gilt es natürlich an Frau Kommissarin respektive Herrn Kommissar (in spe) zu bringen.
Zwei Kollegen, die in ihrem vorherigen Leben KFZ-Mechaniker bzw. Dachdecker waren und jetzt mit Begeisterung Polizeidienst leisten, dienen als Testimonials für die Kampagne.
Ohnehin sind fahrbare Untersätze eine Spielwiese von Herrn Harms. Zu Recht. Denn ein fahrbarer Untersatz, egal welcher Art, bietet den Vorteil einer hohen Reichweite. Dass man hier seine Bewerber gut erreichen kann, beweisen die mit Personalwerbung “gebrandeten” Busse der ESWE oder seinerzeit Voith mit dem Wimmelbus. Vorteil der rollenden Werbung: Ein entsprechend auffällig gestaltetes Fahrzeug erzielt nicht nur Aufmerksamkeit, wenn es irgendwo abgestellt ist, sondern auch unterwegs. Und so kommen bei der Polizei Mettmann ein Piaggio-Dreirad (welches es sogar inklusive Bewerber-Hotline als “Model” geschafft hat) …
… der gute alte T-4-Bulli “Herr Kommissar” (ein ehenmaliger Streifenbulli, jetzt das Dienstfahrzeug von Herrn Harms) …
… oder sogar ein BMW i3 (“0% CO2 – 100% Polizei”) für die Personalwerbung zum Einsatz
Aber Herr Harms ist mit seinen Ideen nicht nur zu Land unterwegs, mit seiner Personalwerbung für die Polizei entert er sogar das kühle Nass. Zum Beispiel im Drachenboot mit den Neandercops – Polizisten aus allen Einsatzbereichen plus angehenden Polizeistudenten. Werbebotschaft frei nach dem Motto: Mit vereinten Kräften gemeinsame Ziele erreichen ohne Rücksicht auf den Dienstrang.
Selbst ein Segel ist eine tolle Werbefläche für die Nachwuchs-Suche…
Baden geht er mit seine Ideen nicht. Denn welche Idee er auch hat, sie erreicht immer potenzielle Bewerber. Klar, dass da nirgends die “Bewerber-Hotline” oder der Link zur Website fehlen darf. Klasse, was Herr Harms da auf die Beine stellt. Ein tolles Beispiel, wie man mit “um die Ecke gedachtem” Personalmarketing und in vielen Fällen wirklich überschaubarem Budget dem Fachkräftemangel eine lange Nase zeigen kann. Entscheidend ist eben die innere Haltung. Also, lassen Sie sich inspirieren!