12. Juni 2018
#deletefacebookcareerpagenow: Was das EuGH-Urteil für Facebook Karriereseiten bedeutet
Lesezeit: 6 Min. Recruiting
Als wären Deutschlands Recruiting- und Personalmarketing-Verantwortliche nicht schon genug durch die DSGVO und geschlechtsneutrale bzw. drittgeschlechtliche Stellenanzeigen gebeutelt, kommt nun der nächste Schlag: Ein EuGH-Urteil könnte das Ende jahrelanger Employer-Branding-Bemühungen auf Facebook bedeuten. Ob Sie nun gemäß der Initiative #deletefacebookcareerpagenow Ihre Facebook Karriereseite löschen müssen, oder nicht, erfahren Sie in diesem Artikel.
“Der Betreiber einer Facebook-Fanpage ist gemeinsam mit Facebook für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Besucher seiner Seite verantwortlich“. So lautet es nüchtern in der Pressemitteilung des EuGH (Europäischer Gerichtshof) vom 5. Juni 2018 zum Urteil in der Rechtssache C-210/16. Damit hat ein jahrelanger Rechtsstreit ein vorläufiges Ende gefunden, der nun die Betreiber von Facebook Fanpages – und damit natürlich auch Facebook Karriereseiten – in die Pflicht nimmt.
Was war geschehen? 2011 hatte das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz (ULD) Schleswig-Holstein Unternehmen per Untersagungsverfügung verboten, sich mittels einer Fanpage auf Facebook zu präsentieren und damit für erhebliche Rechtsunsicherheit bei Unternehmen nicht nur in Schleswig-Holstein gesorgt. Nach Auffassung der Behörde seien die Unternehmen für die Datenverarbeitung bei Facebook verantwortlich. Wie das funktionieren soll, weiß natürlich keiner, haben doch die Betreiber einer Fanpage nicht wirklich eine Möglichkeit, auf die Datenverarbeitung von Facebook Einfluss zu nehmen.
Dennoch führte die Untersagungsverfügung dazu, dass Facebook-Seiten dicht machten. Seinerzeit berichtete ich auch über das erste Opfer dieses Datenschutzwahns unter Facebook-Karriereseiten in diesem Blog. Der IHK Schleswig-Holstein passte das Vorgehen der Datenschutzbehörde nicht und wehrte sich gerichtlich gegen das Verbot. Und bekam in erster Instanz 2014 auch Recht: Demnach sei die Nutzung von Facebook-Fanpages durch Unternehmen datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden. Aber wie das bei solchen Verfahren eben so ist: man streitet sich durch die Instanzen. Und so ging das Ganze bis zum EuGH, wo es jetzt ein vorläufiges Ende gefunden hat.
Betreiber einer Facebook-Fanpage sind mitverantwortlich für die Verarbeitung personenbezogener Daten
Zwar sind Facebook-Seiten nicht verboten, allerdings sind zwei Dinge nun nicht ganz ohne:
- Betreiber einer Facebook-Fanpage sind mitverantwortlich für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten
- Die Datenschutzbehörde des Mitgliedstaats, in dem dieser Betreiber seinen Sitz hat, kann gegen ihn als auch gegen die in diesem Mitgliedstaat niedergelassene Tochtergesellschaft von Facebook vorgehen (dazu unten mehr)
Welche Auswirkungen das Vorgehen einer Datenschutzbehörde gegen Facebook hat, kann man sehr schön derzeit in den Medien verfolgen. Faktisch keine. Übrigens auch nicht auf die Mitgliedszahlen. Den Nutzern scheint’s also egal, was mit ihren Daten passiert. Da aber das Unternehmen mitverantwortlich ist, kann es denen nun bei Datenschutzverstößen an den Kragen gehen. Der Facebookseitenbetreiber als Bauernopfer der sozialen Netzwerke sozusagen.
Der Betreiber einer Fanpage ist dem EuGH-Urteil zufolge beteiligt an der Entscheidung über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten der Besucherinnen und Besucher seiner Fanpage. Er gestaltet das Informations- und Kommunikationsangebot der Seite selbst und trägt damit zur Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Besucher seiner Fanpage bei. Da Facebook ebenfalls die Zwecke und Mittel der Verarbeitung bestimmt, haben Facebook und Betreiber von Facebook-Fanpages die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit gemeinsam wahrzunehmen. Guckst du!
Natürlich ist ja kein Mensch dazu gezwungen, Facebook und ähnliche Dienste zu nutzen. Aber das interessiert Gerichte nicht. In dem Zusammenhang finde ich die Tatsache interessant, dass eine Datenschutzbehörde – analog zu Schleswig Holstein seinerzeit nun in jedem Mitglieds- bzw. Bundesstaat also – bei Datenschutzverstößen gegen Unternehmen vorgehen kann. Wobei es natürlich problematisch ist, diese Verstöße nachzuvollziehen, denn die wirkliche Datenhoheit haben der EuGH-Entscheidung zum Trotz, nicht die Unternehmen, sondern Facebook.
Mit zwei Ausnahmen. Die eine betrifft die bis ins letzte Detail zu justierende Ausspielung von Facebook-Anzeigen an die pfeilgenau fokussierte Zielgruppe. Die andere den für jedermann und jederfrau (und anders) einsehbaren Dialog zwischen “Fan” und Seitenbetreiber”. Da dort oft mit Klarnamen agiert wird (wenn es nach Facebook ginge, sogar immer), ist es da mit dem Schutz personenbezogener Daten also nicht weit her. Aber das nur am Rande.
Während man in Schleswig-Holstein frohlockt, dass kein Gericht das Verbot von Facebook-Fanpages bestätigt hat und somit auch keine rechtlichen Probleme drohen würden, sehen Social-Media-Rechts-Experten die Sache etwas anders. So schreibt Rechtsanwalt Thomas Schwenke in seinem Artikel “EUGH Urteil: Müssen nun alle Facebook-Seiten geschlossen werden?“, dass das Gerichtsurteil “zu einer der wichtigsten im Hinblick auf das Datenschutzrecht werden und das Internet in der heutigen Form radikal verändern könne”. Schließlich, so Schwenke weiter, gehe es zwar in diesem Fall um Facebook, letztendlich könne “die Entscheidung auf alle Online-Dienste, soziale Netzwerke, Social Plugins, Tracking- und Remarketing-Tools oder eingebettete Inhalte, wie z.B. YouTube-Videos angewandt werden“.
Volles Risiko oder Facebook Karriereseite löschen?
Und das wäre fatal. Denn das könnte nicht nur die Schließung aller Facebook Karriereseiten, sondern auch Instagram- und Twitter-Karrierechannel bedeuten. Während also so mancher Personaler insgeheim frohlockt, sich endlich wieder um wichtigere und effizientere Dinge kümmern zu können, sehen andere ihre jahrelangen Employer-Branding-Bemühungen in Gefahr. Auch in der personalblogger-Community poppte die Frage auf, wie denn nun die Beteiligten mit der neuen Rechtslagen umgehen würden.
Eine gute Frage, die eigentlich nur zwei Antworten zulässt.
1. Sie machen Ihre Karriere-Page dicht
Sie machen Ihre Karriere-Page dicht. Und freuen sich, dass Sie endlich wieder Zeit für wichtige Dinge haben. Zum Beispiel das Erstellen von auf die Zielgruppe und deren Bedürfnisse einzahlenden, wertschätzenden Stellenanzeigen. Oder das Testen und Tracken Ihrer Personalmarketing-Maßnahmen. Oder das Optimieren Ihres Recruiting-Prozesses – der im Übrigen auch die Bewerberkorrespondenz umfasst. Sie sollten sich also fragen, ob der Aufwand für das Betreiben Ihrer Karriere-Page wirklich im Verhältnis zu dem steht, was unterm Strich bei rumkommt. Übrigens: Dicht machen heißt nicht gleich löschen. Sie können eine Seite auch erst einmal deaktivieren und schauen, wie sich die Dinge entwickeln. Vielleicht ist das ja doch nur viel Lärm um nichts.
2. Sie gehen volles Risiko und machen weiter, wie bisher.
Sie machen weiter, wie bisher. Vielleicht verpassen Sie Ihrer Karriereseite wenigstens noch eine ordentliche Datenschutzerklärung. Die sollten Sie zwar sowieso haben, aber spätestens seit DSGVO geht Ihnen die jetzt locker von der Hand. Fahren Sie volles Risiko, sollten Sie sich aber bewusst über mögliche Konsequenzen sein. Z. B. Post windiger Abmahnanwälte oder aber frustrierter Mitbewerber. Kann alles passieren. Mehr dazu hier.
Wie geht es weiter?
Wie es nun weitergeht? Abschließend entscheiden wird jetzt das Bundesverwaltungsgericht und die Untersagungsverfügung des Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein nach den Kriterien des EuGH bewerten müssen. Ich persönlich denke aber, dass Facebook-Seitenbetreiber doch weitermachen können, wie bisher, hätten doch sonst sogar Bundesbehörden wie das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (zu dessen Themen natürlich auch der Schutz von Verbrauchern gehört) oder das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (unter dessen Aufgabe das Datenschutzrecht fällt) und sogar die für den Datenschutz zuständige EU-Kommisarin Věra Jourová, die allesamt Facebook bzw. Twitter als Medium nutzen, das Nachsehen. Auch die Grünen wollen ihre Fanpage behalten. Deshalb verlangen sie von Facebook die Aufnahme von Gesprächen darüber, welche Pflichten das Unternehmen bezüglich des Datenschutzes hat. Bis diese geklärt sind, solle Facebook die alleinige Verantwortung dafür übernehmen, andernfalls wolle man klagen. Klappt bestimmt. Vielleicht machen Sie’s wie die?