19. Februar 2025
Bundestagswahl 2025: Auswirkungen der Parteiprogramme aufs Recruiting
Lesezeit: 8 Min. Recruiting
In wenigen Tagen eilen (verantwortungsbewusste) Bürger an die Wahlurnen, um über die Politik der nächsten vier Jahre zu entscheiden. Ich selbst habe meine Stimme bereits Anfang Februar per Briefwahl abgegeben. Die kommende Bundestagswahl wird aber nicht nur für jeden einzelnen Bürger entscheidende Auswirkungen haben, sondern auch die Zukunft und Innovationsfähigkeit deutscher Unternehmen maßgeblich beeinflussen – insbesondere im Hinblick auf Fachkräftegewinnung – aka Recruiting – und Diversity.
Analyse der Parteiprogramme in Bezug auf Recruiting und Arbeitgeberattraktivität
Ich habe mir daher einmal die Mühe gemacht und die Parteiprogramme von CDU/CSU, AfD, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, Volt, Die Linke und BSW im Hinblick auf Recruiting und Arbeitgeberattraktivität ausgewertet. Während einige Parteien klar eine Recruiting-freundliche Politik verfolgen, gefährden andere mit ihren rückwärtsgewandten Programmen den Unternehmenserfolg und fördern die Spaltung der Gesellschaft. Aber ich will nicht vorgreifen.
Wie bin ich vorgegangen? Um ehrlich zu sein, war ich nicht allein, sondern habe mithilfe von ChatGPT und Claude die Parteiprogramme analysiert. Klar, denn wer will schon acht Wahlprogramme im Umfang von 45 bis 177 Seiten von Hand durchforsten? Berücksichtigt habe ich in meiner Analyse folgende Punkte:
- Zuwanderungspolitik und internationale Fachkräfte
- Nachhaltigkeits- und Klimaschutzpolitik
- Soziale Verantwortung und Gemeinwohlorientierung
- Vielfalt und Inklusion
- Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt/Gleichstellung
- Regulierung des Arbeitsmarktes
- Bildungs- und Qualifizierungspolitik
Ziel der Analyse war es, eine fundierte und möglichst ausgewogene Analyse zu liefern, die Ihnen dabei helfen soll, die möglichen Auswirkungen der verschiedenen Parteiprogramme auf die Fachkräftegewinnung und Diversity-Bemühungen zu verstehen und die richtige Wahl zu treffen, die weder das Recruiting noch die Arbeitgeberattraktivität schwächt. Dabei treffen nicht alle Parteien Aussagen zu den genannten Punkten.
Hier die Ergebnisse der Analyse:
CDU/CSU: Qualifizierte Zuwanderung und Förderung von Frauen am Arbeitsmarkt
Die einst christlich geprägte Union betont die Notwendigkeit qualifizierter Zuwanderung und setzt sich für ein Punktesystem ein, das Zuwanderer nach Kriterien wie Qualifikation und Berufserfahrung bewertet, um gezielt Fachkräfte auszuwählen. Sie sieht in teilzeitbeschäftigten Frauen ein großes Potenzial für den Arbeitsmarkt und plant Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um Frauen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Eine angestrebte strikte Migrationskontrolle kann abschreckend auf internationale Fachkräfte und eine bestehende, vielfältige Belegschaft wirken. Klimaschutz spielt für die Christdemokraten eine eher untergeordnete Rolle.
AfD: Einwanderungsbegrenzung, Remigration und Frauen zurück an den Herd
Die AfD fordert eine starke Begrenzung der Zuwanderung, verwendet den Begriff “Remigration“, der auf die Rückführung von Migranten abzielt, und vertritt eine restriktive Haltung in der Zuwanderungspolitik. Diese Politik stellt eine ernsthafte Herausforderung für die Gewinnung von Fachkräften und den Erhalt einer vielfältigen Belegschaft dar. Das Programm enthält keine spezifischen Aussagen zur Förderung der Teilnahme weiblicher Fachkräfte am Arbeitsmarkt. Die Partei setzt auf die Nutzung inländischer Potenziale, betont traditionelle Familienwerte und lehnt die Vermischung von qualifizierter Zuwanderung und humanitärem Schutz ab. Die Leugnung des menschengemachten Klimawandels, die Ablehnung der aktuellen Klimapolitik und die Fokussierung auf fossile Energieträger könnten sich zudem negativ auf die Arbeitgeberattraktivität auswirken und das Recruiting zusätzlich erschweren.
Nicht zu vergessen: Die AfD gilt aufgrund ihrer völkisch-nationalistischen und menschenverachtenden Ideologie als verfassungsfeindlich. Der Verfassungsschutz stuft sie als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein, was eine intensive Beobachtung ermöglicht. Ein Parteiverbot wird diskutiert.
SPD: Chancengleichheit und Fachkräfteoffensive als Chance
Die SPD setzt sich für ein modernes Einwanderungsgesetz ein und will Hürden bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse abbauen. Das könnte die Anwerbung ausländischer Fachkräfte erleichtern. Zudem setzt sich die SPD für faire Arbeitsbedingungen und einen fairen Mindestlohn ein, was die Attraktivität von Arbeitgebern erhöhen könnte. Die SPD fördert die Gleichstellung von Frauen im Erwerbsleben und plant eine Fachkräfteoffensive, die auch Frauen in unfreiwilliger Teilzeit und Minijobs einbezieht. Auch ihr Engagement für Bildungsgerechtigkeit und lebenslanges Lernen könnte die Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte langfristig verbessern und sich positiv aufs Recruiting auswirken. Im Bereich Klimaschutz setzt die SPD auf sozial gerechte Maßnahmen, um die Energiewende zu fördern und den CO2-Ausstoß zu reduzieren.
Bündnis 90/Die Grünen: Klimaneutralität und Chancengleichheit
Die Grünen stehen für ein liberales Einwanderungsrecht und setzen sich für gleiche Rechte und Chancen für alle Menschen ein. Ihre Politik kommt insbesondere Unternehmen zugute, die auf den Aufbau und Erhalt einer vielfältigen Belegschaft setzen. Der starke Fokus der Grünen auf Klimaneutralität schafft zudem politische Rahmenbedingungen, die umweltbewusste Fachkräfte anziehen können. Sie betonen die Notwendigkeit der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt und unterstützen flexible Arbeitszeitmodelle sowie eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Alles Faktoren, die sich positiv auf die Arbeitgeberattraktivität und damit fürs Recruiting auswirken.
FDP: Flexibilität und Selbstbestimmung im Mittelpunkt
Die FDP plädiert für ein Einwanderungsgesetz mit Punktesystem und möchte Bürokratie bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse abbauen. Während dies die Anwerbung erleichtern könnte, bleibt die Partei bei Maßnahmen zur Förderung von Vielfalt eher vage. Die FDP fördert die wirtschaftliche Selbstbestimmung gut verdienender Frauen durch bessere steuerliche Regelungen und den Ausbau der Kinderbetreuung. Sie betont die Notwendigkeit flexibler Arbeitszeitmodelle, um Frauen eine gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Die Partei unterstützt die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf durch den Ausbau von Betriebskindergärten und die Förderung flexibler Arbeitszeiten. Klimaschutz spielt für die Liberalen eine eher untergeordnete Rolle.
Die Linke: Inklusion und faire Arbeitsbedingungen
Die Linke fordert offene Grenzen und setzt sich für eine inklusive Gesellschaft ein. Dieser Ansatz steht für den Erhalt und die Förderung von Vielfalt am Arbeitsplatz. Die Linke setzt sich zudem für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen ein, was die Arbeitgeberattraktivität stark erhöhen und die Recruiting-Bedingungen deutlich verbessern könnte. Auch ihr Fokus auf Bildung und soziale Sicherheit könnte sich positiv auf das Recruiting qualifizierter Fachkräfte auswirken. Sie setzt sich für die Gleichstellung von Frauen im Erwerbsleben ein, indem sie Arbeitszeitverkürzungen fördert und eine gerechte Verteilung von Care-Arbeit anstrebt. Die Linke betont die Notwendigkeit einer sozial gerechten Klimapolitik, die den Übergang zu erneuerbaren Energien fördert.
BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht): Regulierung und kulturelle Anpassung
Das BSW fordert eine stärkere Regulierung der Zuwanderung, betont aber gleichzeitig die Notwendigkeit, Fachkräfte zu gewinnen. Die Forderung nach mehr kultureller Anpassung könnte jedoch die Attraktivität Deutschlands für internationale Fachkräfte mindern und Diversity-Bemühungen von Unternehmen behindern. Die Partei setzt auf die Bereitstellung von Kinderbetreuungsplätzen und qualitativ hochwertiger Betreuung, um Frauen die Teilnahme am Arbeitsmarkt zu erleichtern. Wenig Gewicht legt die Partei auf Bildung und nachhaltige Energiepolitik, was sich langfristig ebenfalls negativ auf die Verfügbarkeit von Fachkräften und das Recruiting auswirken könnte.
Volt: Progressive Einwanderung und Gleichstellung
Volt setzt sich für eine progressive Einwanderungspolitik ein, befürwortet ein EU-weites Einwanderungssystem und unterstützt aktiv Diversität und Inklusion. Diese Position kann für Unternehmen, die auf internationale Fachkräfte und vielfältige Teams setzen, besonders vorteilhaft sein. Die ganzheitliche Klimaschutzpolitik schafft Rahmenbedingungen, die am Klimaschutz interessierte Bewerber anziehen können. Volt fördert Bildung und Digitalisierung, was die Qualifizierung von Fachkräften unterstützt und sich auch positiv auf die Arbeitgebermarke auswirken könnte. Die Partei fördert die Gleichstellung durch die Abschaffung des Ehegattensplittings und die Einführung individueller Elternzeitansprüche.
Hier finden Sie weitere Analysen zur Auswirkung der Parteiprogramme auf HR und Recruiting:
Deutschlandfunk: Wahlprogramme zur Arbeitsmarktpolitik
Personalwirtschaft: So wollen die Parteien die Arbeitswelt verändern
Fazit und Wahlempfehlung
Die Positionen der Parteien unterscheiden sich deutlich in ihren möglichen Auswirkungen auf Unternehmen. Während Parteien wie SPD, Grüne, Linke und Volt Konzepte vorlegen, die das Recruiting, eine vielfältige Belegschaft und die Arbeitgeberattraktivität fördern könnten, stellen insbesondere die Ansätze der AfD, aber auch anderer konservativer Parteien, eine ernsthafte Bedrohung für die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen dar.
Gerade in Branchen wie Erneuerbare-Energien und Klima, der Pflege, dem Hotel- und Gaststättengewerbe, der IT und vielen anderen Bereichen, in denen dringend Fachkräfte benötigt werden, sind offene und integrative Ansätze unverzichtbar.
Die restriktive Politik der AfD (und anderer konservativer Parteien) wird den Fachkräftemangel in diesen kritischen Bereichen dramatisch verschärfen und den Innovationsstandort Deutschland massiv gefährden.
Darüber hinaus erschwert das Erstarken rechtspopulistischer Kräfte nicht nur das Recruiting von Fachkräften, sondern gefährdet neben unserem gesellschaftlichen Zusammenleben und dem Betriebsklima in Unternehmen auch direkt unsere wirtschaftliche Zukunft.
Als verantwortungsbewusste Personaler und Unternehmer müssen wir uns mehr denn je klar gegen Fremdenfeindlichkeit und für eine weltoffene, vielfältige Unternehmenskultur positionieren.
Initiativen wie „Love HR, Hate Racism“, “Unternehmen gegen Rechts” und „made by Vielfalt“ sind hier schon gute Ansätze.
Meine dringende Empfehlung: Wählen Sie eine Partei, die für eine progressive Einwanderungspolitik, für eine zukunftsorientierte Klimapolitik und für Vielfalt in der Gesellschaft steht. Nur so können wir die zukünftigen Herausforderungen im Recruiting meistern und Deutschland als attraktiven und innovativen Wirtschaftsstandort erhalten.
Also, setzen wir gemeinsam ein Zeichen gegen Rechtspopulismus und für eine offene, nachhaltige Wirtschaft:
Stimmen wir am Sonntag für Offenheit, Vielfalt, Vernunft – und eine lebenswerte Zukunft.