Recruiting-Benchmark: Der traurige Status quo der Personalgewinnung

Lesezeit: 12 Min. HRPersonalmarketingRecruiting

Wie schaut es eigentlich mit der Praxis der Personalgewinnung in deutschen Unternehmen aus? Was bis dato eher Stochern im Nebel war, ist nun dank des Recruiting-Benchmarks 2022 erstmals greifbar. Die Erkenntnisse, die die Studie “Recruiting-Strukturen – Ein Benchmark” (so der offizielle Titel) zeigt, sind ein klarer Beleg dafür, dass das, was gerne als “Fachkräftemangel” durch die Medien gejagt wird (und als Top-Ausrede dient, wenn es um unbesetzte Stellen geht), in Wahrheit seinen Ursprung in den Unternehmen selbst hat. Aber: Auch wenn es schlimm um (den Stellenwert der) Personalgewinnung in Deutschland bestellt ist – jede Krise bietet eine Chance. So schlummern in den Erkenntnissen des Benchmarks enorme Potenziale, die Sie in zukünftigen Budgetverhandlungen für sich nutzen können und sollten!

Mitarbeiter verzweifelt “gesucht”

Unternehmen wollen wachsen, komme, was wolle und aller Ressourcenbegrenztheit zum Trotz. Und so wird so viel Personal gesucht, wie nicht einmal vor Corona. Wahnsinn. Übrigens zeigt sich sehr schön am sogenannten “Fachkräftemangel”, dass Ressourcen endlich sind. Wobei das streng genommen nicht ganz richtig ist, denn die Menschen sind ja da. Reichlich sogar. Nur sind die möglicherweise falsch eingesetzt. Oder werden ihre Potenziale unterschätzt.

Wenn Stellen unbesetzt bleiben, liegt es meistens am Unternehmen selbst

In der Regel liegt es ohnehin am Arbeitgeber selbst, wenn Stellen unbesetzt bleiben.

  • Warum sollte man bei einem Unternehmen arbeiten, dessen Arbeitsbedingungen, vorsichtig formuliert, nicht “ideal” sind?
  • Warum sollte man bei einem Unternehmen arbeiten, das Menschen mit Füßen tritt (ja, auch der mangelhafte Bewerbungsprozess gehört dazu – und damit meine ich nicht nur den “Schrecken der Bewerber” Successfactors oder mit heißer Nadel zusammengestrickte Eigen-Gewächse unter den Bewerbermanagement-Systemen, sondern die internen Prozesse)?
  • Warum sollte man bei einem Unternehmen arbeiten, dass nicht als Arbeitgeber in Erscheinung tritt (oder eben eher mangelhaft, siehe Signaltheorie)?
  • Warum sollte man bei einem Unternehmen arbeiten, wenn doch ein Wettbewerber ein besseres Angebot bereithält (damit sind nicht die austauschbaren Benefits gemeint)?
  • Warum sollte ich bei einem Unternehmen arbeiten, das sein “WARUM” nicht kennt?

Abgesehen davon: Ein Recht auf gute Mitarbeiter gibt es genauso wenig wie das auf Kunden. Aber das nur am Rande.

Was nun langfristig stattfinden wird, ist eine Allokation der Ressourcen: Es werden die Arbeitgeber profitieren, die was für Ihre Mitarbeiter tun und Ihr Recruiting auf solide Füße stellen. “Survival of the fittest” quasi. Der Recruiting-Benchmark kann hierbei wertvolle Angaben liefern, seine Recruiting-Organisation besser aufzustellen.

Recruiting-Benchmark war bis dato Mangelware

Eigentlich erschreckend: Da wird landauf, landab über den “Fachkräftemangel” lamentiert – den es in der Form, siehe oben, nicht wirklich gibt. Das, was als solcher wahrgenommen wird, sind primär mangelnde Bemühungen, sich um (aktuelle und potenzielle) Mitarbeiter zu bemühen und ein guter Arbeitgeber zu sein. Wer Menschen als Produktionsfaktoren oder gar als “Human Ressourcen” bezeichnet, hat es nicht anders verdient, keine (passenden) Mitarbeiter zu finden. Wobei “finden” ist nicht der korrekte Terminus, denn das würde ja voraussetzen, dass Unternehmen wirklich suchen. Und das … nun ja, ich verzettele mich hier, zurück zum Thema.

Bis dato keine umfassenden Einblicke in deutschlandweite Personalgewinnungs-“Bemühungen”

Tatsächlich gab es bis dato keinerlei Informationen darüber, wie es um das Recruiting, wie es um die Personalgewinnungs-“Bemühungen” deutscher Unternehmen bestellt ist. Betonung auf bis dato. Denn dank 1.373 mit der Personalgewinnung betrauten Menschen, DGFP (Deutsche Gesellschaft für Personalführung), Peter M. Wald (HTWK Leipzig, HR Innovation Day) und der Wollmilchsau (Jan Kirchner und Team, Jobspreader) ist das nun anders. Denn seit Kurzem liegen die Ergebnisse dieser bis dato größten Datenauswertung der Recruiting-Praxis in deutschen Unternehmen endlich auf dem Tisch. Die Ergebnisse sind im Großen und Ganzen wenig schmeichelhaft und liefern ein schönes Abbild dessen, was in Sachen Recruiting in Deutschland schiefläuft. Aber bevor wir zum Eingemachten kommen –

Was ist eigentlich dieser Recruiting-Benchmark?

Der Recruiting-Benchmark ist eine vergleichende Analyse des Recruitings von Unternehmen. Fokus bei dieser Erhebung lag auf folgenden Aspekten:

  • Organisationsstruktur: Wie ist das Recruiting aufgestellt?
  • Recruitingprozess: Wie sind die Prozesse, wer ist involviert?
  • Zielgruppenbildung und Volumina der gesuchten/eingestellten Zielgruppen: Wer wird schwerpunktmäßig gesucht, welchen Stellenwert nimmt welche Zielgruppe im Rahmen der Personalgewinnung ein?
  • Personalgewinnungs-Methoden und -Kanäle: Welche Suchwege werden beschritten?
  • Personalschlüssel: Wie ist das Recruiting ressourcentechnisch aufgestellt?
  • Angewandte Kennzahlen zur Steuerung des Recruitings: Welche Kennzahlen sind bekannt und werden angewandt?

Berücksichtigt wurde dabei auch die Unternehmensgröße der Befragten.

Employer-Branding-Stellenmarkt boomt

Es ist verrückt: Wie eine Stellenmarkt-Auswertung der größten Stellenanzeigen-Datenbank Europas, index Anzeigendaten ergab, hatten Unternehmen im ersten Halbjahr 2022 deutschlandweit mehr als 5,4 Millionen Stellen ausgeschrieben. Im gleichen Zeitraum letzten Jahres waren es 4,1 Millionen Stellen, im ersten Corona-Jahr lag die Zahl bei 3,5 Millionen veröffentlichen Stellenanzeigen. Vor Corona buhlten 4,7 Millionen Stellenanzeigen um die Gunst potenzieller Mitarbeiter. Damit wurden im ersten Halbjahr 2022 gut 15 Prozent mehr Stellen ausgeschrieben als noch vor Beginn der Pandemie-Ära.

Immer mehr Unternehmen veröffentlichen Stellenanzeigen im Bereich Employer Branding/Personalmarketing

Dieser Trend zeigt sich auch im Bereich Employer Branding/Personalmarketing. Hier schrieben im ersten Halbjahr immer mehr Unternehmen immer mehr Stellen aus.

Recruiting-Benchmark: Der traurige Status quo der Personalgewinnung 1 Entwicklung Stellen Employer Branding Personalmarketing Quelle

Waren es im Januar noch 456 Unternehmen und 784 zu besetzende Positionen, so stiegen die Zahlen bis Mai auf 593 Unternehmen und 923 Positionen an. Es herrscht also ein großer Bedarf an Employer Branding- und Personalmarketing-Experten (das ist auch dringend erforderlich, auch das zeigen die Erkenntnisse der Recruiting-Benchmark-Studie). Dass ein verstärktes Bewusstsein in den Unternehmen bezüglich Employer Branding und Personalmarketing und dem übergeordneten Begriff Recruiting zukommt, ist an sich erfreulich. Stellen die Unternehmen doch zunehmend fest, dass ein “Weiter so! im Recruiting” nicht funktioniert.

Im Folgenden werde ich einige der Kernergebnisse des Benchmarks vorstellen.

Recruiter in allen Phasen des Recruiting-Prozesses eingebunden

Wie der Recruiting-Benchmark zeigt, sind Recruiter mal mehr, mal weniger in allen Phasen des Recruiting-Prozesses eingebunden. Ob das immer so gut ist, könnte man an dieser Stelle möglicherweise infrage stellen. Da reicht beispielsweise ein Blick in die diversen Jobbörsen bzw. die dort veröffentlichten Stellenanzeigen, etwa Jobtitel oder Anforderungsprofil. Möglicherweise wären diese aber noch schlimmer, wenn Recruiting dort nicht intervenieren würde, wer weiß.

Recruiting hat Beratungsfunktion

Ohne Frage sollte Recruiting immer eine Beratungsfunktion einnehmen, nichtsdestotrotz weiß ein Recruiter wahrscheinlich nur in den seltensten Fällen, welche Kenntnisse etwa ein “Data Scientist als Fachfunktion (F4) im Bereich Audit Digital, AI & Data Analytics bei Corporate Audit” mitbringen muss. Das weiß (hoffentlich) der Fachbereich. Allerdings wüsste ein guter Recruiter, dass man mit diesem Titel zwar die Lacher auf seiner Seite hat, der Erfolg der Stellenbesetzung aber wahrscheinlich überschaubar wäre und würde einen anderen Stellentitel vorschlagen.

Grundsätzlich kann man das natürlich nicht über einen Kamm scheren, erfolgsentscheidend ist immer das entsprechende Mindset – sowohl aufseiten von Fachbereich als auch aufseiten von Recruiting. Wie in einer Beziehung gehören eben immer zwei dazu, wenn die Lage verzwickt ist.

Recruiting Benchmark 2022 - Phasen des Recruiting-Prozesses

Während ein Recruiter also in die meisten Phasen der Stellenbesetzung involviert ist, zeigt sich ein erstes Dilemma beim Stellenvolumen, um die sich ein Recruiter im Durchschnitt kümmern muss.

Ein Recruiter betreut durchschnittlich 27 Positionen. Gleichzeitig.

Die Verfasser des Recruiting-Benchmarks fragten, wie viele Stellen ein Recruiter gleichzeitig betreut. Die Antwort finde ich persönlich besorgniserregend und sehe das als ein Indiz meiner These, dass der “Fachkräftemangel” in den Unternehmen selbst sitzt.

Durchschnittlich betreut ein Recruiter 27 Stellen gleichzeitig - Recruiting Benchmark 2022

Wie gesagt, es handelt sich um einen Durchschnittswert. Natürlich hat ein Siemens mehr Stellen zu besetzen, als etwa ein mittelständischer Betrieb. Bei Durchschnittswerten gibt es immer Ausreißer nach oben und nach unten. Das ist nun mal das Wesen eines Durchschnittswertes. Und es unterscheidet sich auch das Stellenvolumen je Recruiter nach Mitarbeiteranzahl, eine weitere Erkenntnis des Recruiting-Benchmarks. Je mehr Mitarbeiter, desto mehr Stellen werden jährlich von einem Recruiter betreut. Allerdings kann das nicht auf die gleichzeitig betreuten Stellen übertragen werden. So oder so: Die Werte lassen nichts Gutes erahnen. Ein Beispiel mag das vielleicht verdeutlichen.

Mehr Recruiter können mehr Stellen besetzen

Neulich durfte ich erleben, wie man einer Recruiterin, die sich schon auf kompetente Unterstützung gefreut hatte, weil sie mit ihren Ressourcen längst am Rande ihrer Kapazitäten angelangt ist, eine bereits bewilligte Stelle gestrichen hat. Weil, so die Argumentation, man ja Geld sparen müsse (mehr zu dieser kurzsichtigen “Argumentation” weiter unten). Wenn man bedenkt, welchen Effizienzgewinn das fürs Unternehmen bedeutet hätte, wenn man sich mit geballter Power um mehr Stellen hätte kümmern können.

Auch hier wieder: der Fachkräftemangel sitzt in den Unternehmen selbst. Und zwar primär in den obersten Etagen, die leider kurzsichtig nur auf schnellen Profit bedacht sind und nicht das große Ganze im Blick haben. Klar, HR und Recruiting tragen ja auch (oberflächlich betrachtet) nicht zur Wertschöpfung bei. Das ist natürlich eine Milchmädchenrechnung, ein großer Irrtum. Zum Thema Rechnung weiter unten mehr.

Welche Zahlen liefert der Recruiting-Benchmark noch?

Meine Empfehlung!

Jobigo-Blogartikel

Employer Branding/Personalmarketing ohne Relevanz?

Ein besonders verstörender Wert des Recruiting-Benchmarks war für mich auch die Anzahl der Menschen, die im Employer Branding/Personalmarketing beschäftigt sind. Sicher, auch hier fehlt wieder eine gewisse Trennschärfe – was heißt Employer Branding, was Personalmarketing? Sind Employer Branding und Personalmarketing nicht Disziplinen im Recruiting? Ist Personalmarketing nicht Employer Branding? Alles eine Frage der Definition. Entscheidend ist die (Wo)Manpower, die dahintersteht. Und auch hier lassen die Zahlen nichts Gutes ahnen.

Mehr als ein Viertel der Unternehmen räumt Employer Branding & Personalmarketing keine nennenswerten Kapazitäten ein

Auf die Frage, wie viel Mitarbeiter im Personalmarketing & Employer Branding arbeiten, antworteten 43,7 Prozent der Teilnehmer, dass dort maximal 1 Vollzeitäquivalent (FTE, Full Time Equivalent) für eine entsprechende Position vorgesehen ist. 1 Vollzeitäquivalent. Und Vollzeitäquivalente sind nicht einmal reale Mitarbeiter, sondern lediglich das rechnerische Äquivalent, der Zeitwert der Arbeitsleistung einer Vollzeitarbeitskraft. Bei über einem Viertel gesteht man nicht einmal ein, wenigstens 0,5 FTE zur Verfügung zu stellen, um sich dieser Themen explizit anzunehmen. Fachkräftemangel? Ja. Bei den Entscheidern in den Unternehmen. Möglicherweise sind die oben genannten Aktivitäten ein Indiz dafür, dass sich das in naher Zukunft ändert.

Recruiting-Benchmark: Der traurige Status quo der Personalgewinnung 2 Employer Branding Personalmarketing fristet Mauerbluemchendasein in Unternehmen Recruiting Benchmark 2022

Recruiting mit der Gießkanne?

Gefragt wurde im Rahmen der “Recruiting-Strukturen” auch, welche Recruiting-Methoden regelmäßig angewandt werden – und zwar sowohl bei Fachkräften als auch bei Spezialisten. Nun könnte man schon über die Frage streiten, wer denn eigentlich als Fachkraft angesehen wird und wer als Spezialist. Ist eine Fachkraft nicht auch Spezialist, ist ein Spezialist nicht auch eine Fachkraft? Aber lassen wir die Haarspalterei. Ich glaube, wir sind uns einig, dass man für unterschiedliche Zielgruppen sinnvollerweise unterschiedliche Kanäle und Methoden nutzt.

Während wir uns möglicherweise einig sind – die Befragten des Recruiting-Benchmarks waren es nicht. Oder sagen wir so: Sie waren sich scheinbar einig darin, dass es ja wohl keinen großen Unterschied mache, ob man denn nun Fachkraft oder Spezialist suche – Hauptsache Gießkanne.

Recruiting per Gießkanne - Recruiting Benchmark 2022

Anders gesagt: Egal, ob Fachkräfte oder Spezialisten – die genutzten Methoden sind nahezu identisch. Fachkräftemangel? Ja. Aber in den Unternehmen.

Eine letzte Erkenntnis aus dem Recruiting-Benchmark möchte ich noch mit Ihnen teilen.

Wichtigste Kennzahl im Recruiting, die Cost of Vacancy, wird von den wenigsten eingesetzt

Positiv überrascht hat mich die Aussage, wie viele und welche Recruiting-Kennzahlen bekannt sind und teilweise sogar eingesetzt werden. Über die Wirkung oder Aussagekraft mancher Kennzahlen lässt sich trefflich streiten.

Recruiting-Benchmark: Der traurige Status quo der Personalgewinnung 3 Cost of Vacancy wichtigste Kennzahl im Recruiting wird nicht genutzt Recruiting Benchmark 2022

So kann man sich die Frage stellen, wie sinnvoll es ist, eine “globale” Cost-per-Hire zu ermitteln. Wäre es nicht sinnvoller, auch dies zielgruppenbezogen zu erheben? Gleiches gilt für Channel Effectiveness oder Time-to-fill. Allerdings ist es auch interessant zu sehen, dass bestimmte Kennzahlen zwar bekannt sind, deren regelmäßige Nutzung offenbar aber nicht erfolgt – etwa die eben genannte Cost-per-Hire, die nur bei 47 Prozent der Befragten im Einsatz ist. Klar, ist ja egal, was es kostet, die Stelle zu besetzen. Wir haben’s ja, schön das Geld mit offenen Händen zum Fenster raus und etwa teure Stellenanzeigen einkaufen – ohne zu wissen, was dabei rauskommt! Was die Cost-per-Application angeht, liefert indeed demnächst externe Schützenhilfe und sorgt damit für eine nie da gewesene Transparenz und Fairness im Recruiting. Das wird spannend!

Königin der Recruiting-Kennzahlen “Cost of Vacancy” nur bei 6 Prozent im Einsatz

Irritiert bin ich aber, wenn ich mir die Werte beim KPI Cost of Vacancy anschaue. Unbestritten ist diese Kennzahl die wichtigste im Recruiting, quasi die Königin der Recruiting-Zahlen. Warum das, werden Sie nun vielleicht fragen. Ganz einfach:

Weil diese Kennzahl Sie dabei unterstützen kann, ein realistisches Recruiting-Budget einzufordern.

Nehmen wir einfach mal das Beispiel von oben, wo eine Recruiter-Stelle wieder gekippt wurde, weil vermeintlich kein Geld da war und man sparen müsse. Gehen wir einfach mal davon aus, dass dieser Recruiter pro Jahr 62 Stellen zu besetzen hätte (siehe Zahlen aus dem Recruiting-Benchmark oben). Nehmen wir weiter an, im Durchschnitt würde das Jahresgehalt der zu besetzenden Stellen im Durchschnitt bei 35.000 Euro liegen. Eine weitere Annahme, die wir treffen, die Time-to-fill, also die Vakanzzeit, beträgt 60 Tage (dass die in Wahrheit meistens deutlich höher liegt – geschenkt!). Der Beitrag, den diese Stelle zum Unternehmenserfolg leistet, setze ich mit 2 an. Ich arbeite bewusst mit so niedrigen Zahlen, um Ihnen keinen soooo großen Schrecken einzujagen, denn jede Wette: Sie werden sich so oder so erschrecken.

Noch einmal kurz die Formel zur Berechnung der Cost of Vacancy, alles Weitere finden Sie in meinem Artikel zur C. O. V., den ich übrigens bereits 2017 (!) veröffentlicht habe (und damit der Erste in Deutschland überhaupt war, der sich dieses Themas angenommen hat):

C. O. V. = Jahresgehalt / Arbeitstage * Faktor * Vakanzzeit * Anzahl der offenen Stellen

C. O. V. = 35.000 / 251 * 2 * 60 * 62

Die Cost-of-(all) Vacancy(s) (in der Regel, und in diesem Beispiel, haben Sie mehr als nur eine Stelle auszuschreiben!) liegt in diesem Rechenbeispiel bei 1.037.450,20 Euro. Noch einmal zum Mitschreiben:

Die Cost-of-all-Vacancys beträgt 1.037.450,20 Euro.

Setzen Sie diesen Wert ins Verhältnis zum Gehalt des Recruiters. Sie werden schnell feststellen, dass Sie einen Recruiter, der 50.000 Euro Jahresgehalt bezieht, für rund 21 Jahre beschäftigen hätten können.

Nicht einmal 6 Prozent der Befragten setzen die Kennzahl ein, nicht einmal 50 Prozent haben überhaupt davon gehört und würden sie gerne einsetzen (was hindert sie daran?). Allen anderen ist die Cost of Vacancy egal? Wenn Sie diese Kennzahl nicht anwenden, haben Sie verloren. Wenn Sie sie kennen, sind Sie gut aufgestellt bei Verhandlungen des Recruiting-Budgets. Wenn Sie die Verantwortlichen nicht überzeugen können, sollten Sie über einen Stellenwechsel nachdenken ;-).

Fazit zur Recruiting-Benchmark-Studie

Der Recruiting-Benchmark liefert erstmals Transparenz über die Personalgewinnung in Deutschland. Die Erkenntnisse sind alles andere als schmeichelhaft und zeigen, dass viele der Ursachen dessen, was allgemein als “Fachkräftemangel” bekannt ist, in den Unternehmen selbst verortet ist. Abgesehen vom geringen Stellenwert des Recruitings an sich, liefert die Recruiting-Benchmarking-Studie viele Beweise dafür, dass es auch in den Recruiting-Abteilungen selbst nicht rund läuft. Auch wenn die in dieser Form erstmals erhobene Studie selbst einige formale Schwächen hat, bietet sie doch diverse Hebel, diese Defizite anzugehen und es besser zu machen.

Hier finden Sie alle Erkenntnisse der “Recruiting-Benchmark-Studie: Kennzahlen und Organisationstrukturen in HR” zum Download.

Kommentare (4)

Hilfe, Bewerber! - Der launige Recruiting-Podcast ist live

[…] Menschen zurückzuführen ist. Wir werfen einen Blick auf verschiedene Studien, wie etwa dem Recruiting-Benchmark, und versuchen mögliche Lösungen für das Recruiting-Dilemma aufzuzeigen. Wir zeigen auf, dass […]

Von einsteigenden Studienaussteigenden, Studienabbrechenden und Schulabgehenden

[…] für andere Themen Stellen zu schaffen, etwa im Recruiting und Employer Branding – siehe Recruiting-Benchmark – werde ich an dieser Stelle nicht […]

Rick

„Wobei das streng genommen nicht ganz richtig ist, denn die Menschen sind ja da. Reichlich sogar. Nur sind die möglicherweise falsch eingesetzt. Oder werden ihre Potenziale unterschätzt.“ Nicht nur streng genommen. Es ist ein Fakt. Man sollte aber einfach auch mal klar sagen, dass einige nicht wollen oder können, weil es an basic Qualifikationen und teils auch der Einstellung fehlt. Es ist nicht immer der Arbeitgeber oder der Staat schuld. Der Staat trägt dann schuld, wenn Menschen arbeiten möchten aber nicht dürfen.

Marc Mertens

Servus Henner, deinen Ausführungen ist in der Tat nur sehr wenig beizufügen. Ich frage mich manchmal, wieviel Kraft und Energie es dich als "Personalmarketier X" kostet, wenn man immer wieder auf Basics hinweisen muss bei Kunden? Wann haben Entscheidungstragende eigentlich den Fokus auf Menschen als Kunden und Mitarbeitende verloren? Die Kunst ist zu wissen, ob man immer KPI oder Data-driven als Selbstzweck nutzen mag oder sich auf eine effiziente Auswahl besser beschränkt. Jetzt fehlt eigentlich nur noch eine Studie oder Übersicht der aktuellen Benefits für die Bewerbenden, mit Sektorangabe und Vergleich entlang der Schmankerl, gell? 😉 😀
Über den Autor
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Moin! Ich bin Henner Knabenreich. Seit 2010 schreibe ich hier über Personalmarketing, Recruiting und Employer Branding. Stets mit einem Augenzwinkern oder den Finger in die Wunde legend. Auf die Recruiting- und Bewerberwelt nehme ich auch als Autor, als Personalmarketing-Coach, als Initiator von Events wie der HR-NIGHT oder als Speaker maßgeblich Einfluss auf die HR-Welt. Sie möchten mich für einen erfrischenden Vortrag buchen, haben Interesse an einem Karriere-Website-Coaching, suchen einen Partner oder Berater für die Umsetzung Ihrer Karriere-Website oder wollen mit bewerberzentrierten Stellenanzeigen punkten? Ob per E-Mail, XING oder LinkedIn - sprechen Sie mich an, ich freue mich auf Sie!
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