15. April 2019
HR-Software: E-Recruiting ohne Relevanz in Deutschlands Personalabteilungen
Lesezeit: 5 Min. HRRecruiting
Man könnte meinen, vor dem Hintergrund eines immer enger werdenden Arbeitsmarktes – sinkendes Erwerbspersonenpotenzial, steigende Fachkräftenachfrage, steigende Vakanzzeiten – wären Recruiting und Personalmarketing Chefsache. Vor allem aber: Wären Top-Priorität in deutschen Personalabteilungen (was gibt es Wichtigeres, als sein Unternehmen mit den passenden Mitarbeitern am Leben zu erhalten?). Ein Blick auf eine interessante Studie zeigt (wieder einmal): ist es nicht. Dem deutschen Personaler liegt vor allem Software für administrative Themen am Herzen. Klar, E-Recruiting-Software wird in Zeiten eines so gerne kolportierten “Fachkräftemangels” total überbewertet.
Nun kann man ja von E-Recruiting-Software (aka Online-Recruiting aka Bewerbermanagementsystem aka Bewerbermanagement-Software aka Applicant Tracking System aka ATS) halten, was man will. In der Regel – zumindest wenn es darum geht, Bewerber zu gewinnen – nicht allzuviel, stellen diese Systeme doch einen wichtigen Baustein einer erfolgreichen Bewerbervermeidungsstrategie dar und sind auf das Verwalten von Bewerberdaten ausgelegt. Dennoch: Was eine Studie da hervorbringt, sollte die Alarmglocken bei allen am Recruiting Beteiligten schrillen lassen und zeigt auf der anderen Seite auch wunderbar (wieder einmal), wie es um den Stellenwert des Recruiting in deutschen Unternehmen bestellt ist.
“Fachkräftemangel” Ursache von mangelnder Transparenz und Schnelligkeit im Recruiting-Prozess
Durchgeführt wurde die Studie von der Software-Vergleichs-Plattform Capterra. Um einen tieferen Einblick in die Methoden, Herausforderungen und Trends in der Personalverwaltung in KMU zu gewinnen, befragte Capterra in seiner Studie HR Software-Trends in deutschen KMU 250 Teilnehmer aus Personalabteilungen. Klar, auch diese Studie ist – wie eigentlich alle, die am Markt erhältlich sind – nicht repräsentativ. Dennoch zeigt sie einen interessanten Trend – und bestätigt meine leidvollen Erfahrungen. Leidvolle Erfahrungen, die nicht nur mich, sondern vor allem Ihre Bewerber und in der Folge Sie als Arbeitgeber treffen. Dank entsprechender Software standardisierte, effiziente und vor allem transparente Recruiting-Prozesse sind in deutschen Unternehmen Mangelware und neben Ideenmangel ein wesentlicher Faktor in puncto “Fachkräftemangel”. Denn hier zeigt sich nicht der Mangel an Fachkräften, sondern
- der Mangel an Transparenz und Schnelligkeit und
- der Mangel an Bereitschaft, in entsprechende Software zu investieren, respektive
- sich mit entsprechenden Technologien auseinanderzusetzen.
Kern-Erkenntnisse der Studie HR-Software-Trends
- Excel rules! 28 Prozent der befragten Unternehmen nutzen keine spezielle HR-Software zur Personalverwaltung und arbeiten mit manuellen Methoden wie Excel-Tabellen, E-Mails oder ganz ohne digitale Hilfsmittel. DSGVO? Nie gehört.
- Nur 11 Prozent der eingesetzten Software ist aus der Cloud. Klar, Cloud ist per se böse und Cloud kommt von klauen ;) Lieber auf Dinosaurier-Software mit umständlicher Installation, unflexiblen Prozessen und horrenden Kosten vertrauen, als auf schlanke, flexible, effiziente und Kosten sparende Lösungen aus der Cloud (weit verbreitete Ansicht vieler IT-Verantwortlichen in Unternehmen, die auch lieber auf den Internet Explorer oder Windows 7 setzen, anstatt auf zeitgemäße und sichere Betriebssysteme respektive Browser).
- Der Hauptgrund für die Zurückhaltung bei den Nicht-Nutzern von Software ist die Angst vor hohen Kosten. Genau. Nehmen wir das Beispiel E-Recruiting-Software: Der Einsatz von Bewerbermanagement-Software ist deutlich kostenintensiver, sorgt für ineffiziente Prozesse und langwierigere Bewerbungsverfahren, als eine Stelle über ein halbes Jahr unbesetzt zu lassen und Projekte nicht annehmen zu können und damit die Existenz des Unternehmens zu gefährden. Nicht.
- Die Hälfte aller Nutzer von HR-Software sind an einer alternativen Lösung interessiert. Das wiederum verwundert nicht unbedingt (siehe oben). Denn das, was in deutschen Unternehmen als HR-Software (im Kontext von Recruiting natürlich Bewerbermanagement-Software) eingesetzt wird, beschert den Recruiting-Verantwortlichen eher Frust, als dass es Lust macht, damit zu arbeiten.
- Für 62 % der Unternehmen ist es wichtig, dass die verwendete Software aus Deutschland stammt. Nicht sonderlich verwunderlich, baumelt doch über den Unternehmen das Damoklesschwert der DSGVO-Abmahn-Anwälte.
E-Recruiting-Software ohne Relevanz in deutschen Personalabteilungen
Soweit die allgemeinen Kernergebnisse der Studie. Taucht man noch tiefer ein in die Materie, werden einem aber noch gravierendere Aspekte vor Augen geführt. Denn obwohl die Teilnehmer der Studie auf die Frage, was die größte Schwierigkeit in Personalabteilungen ist, die eindeutige Mehrheit das Finden von qualifizierten Mitarbeitern anführt, fristet E-Recruiting-Software eher ein Mauerblümchendasein:
Nur 9 Prozent der befragten Unternehmen setzen HR-Software für Recruiting und Bewerberverwaltung ein. Klar, ist ja viel zu teuer und Software für die Lohn- und Gehaltsabrechnung und Personalverwaltungs-Software ist für die Überlebensfähigkeit eines Unternehmens viel wichtiger ;).
Auch an anderer Stelle zeigt sich der geringe Stellenwert von Recruiting (oder sollte ich sagen: das mangelnde Bewusstsein für das strategisch überlebenswichtige Thema Recruiting?). Danach befragt, in welche Software Unternehmen denn investieren würden, antworten auch hier nur 9 Prozent mit E-Recruiting-Software. Was läuft hier falsch? Wie kann es sein, dass Unternehmen in Zeiten eines doch so gerne schlagzeilenträchtig kolportierten Fachkräftemangels immer noch auf digitale Tools aus den Gründerzeiten des Internets setzen (okay, ich gebe zu: Excel wurde 1987 erstmals gelauncht und ist damit sogar älter als das Internet)? Wenn sie denn überhaupt auf digitale Tools setzen?
Schnelligkeit und Transparenz ohne E-Recruiting-Software nicht möglich
Nicht nur in Zeiten eines engen Bewerbermarktes, indem sich der Bewerber unter Hunderten “seinen” Arbeitgeber aussuchen kann, sind Schnelligkeit und Transparenz das A & O des Bewerbungserfolges. Schnelligkeit und Transparenz sind ohne eine entsprechende Software wiederum kaum möglich. Und dennoch: Das Bewusstsein dafür scheint nach wie vor gering ausgeprägt. Denn wie sonst ließe sich erklären, dass trotz des einhelligen Urteils, die Mitarbeiterbeschaffung sei die größte Herausforderung, Software für Personalverwaltung an erster Stelle steht?
Wieder einmal lässt sich erkennen, dass vom dringend benötigten “Gestalter-Mindset” in deutschen Personalabteilungen herzlich wenig zu sehen ist. Verwalter beherrschen das Bild. Solange das aber der Fall ist, wird sich am empfundenen Fachkräftemangel nichts ändern. Unternehmen tun also gut daran, ihre Mitarbeiter entsprechend fit zu machen für die Digitalisierung und einen immer schärfer geführten Wettbewerb um die begehrten Fachkräfte. Ferner ist es dringend erforderlich, entsprechende Ressourcen auf- bzw. auszubauen, Recruiting strategisch zu positionieren, Ressourcen auf bzw. auszubauen und in entsprechende Maßnahmen zu investieren. Merke: Eine unbesetzte Stelle kommt ein Unternehmen deutlich teurer zu stehen, als die Investition in entsprechende Maßnahmen, diese zu besetzen. Und eine dieser Maßnahmen ist eben auch der Einsatz von E-Recruitng-Software. Worauf es dabei ankommt, hatte ich bereits an anderer Stelle beschrieben. Also, legen Sie los, bevor es zu spät ist!
Lars Hahn
Axel Haitzer
Mario