14. November 2018
Einseitige Bewerberansprache: Wer da sucht, hat nichts zu bieten?
Lesezeit: 8 Min. Employer BrandingRecruiting
Klar, es ist gut und richtig, wenn Unternehmen darauf aufmerksam machen, wenn sie Fachkräfte aka Mitarbeiter suchen. Damit tun diese schon wesentlich mehr, als so viele andere, die immer noch darauf hoffen, dass sich potenzielle Kandidaten auf welchem Weg auch immer zu den Unternehmen verirren. Was machen diese Unternehmen? Sie suchen. Also sie suchen nicht wirklich, denn dann würden sie welche finden. Aber sie schreiben, dass sie suchen. Etwa “Pflegekräfte gesucht”. Oder “Lackierer gesucht”. Oder, sehr originell und konkret, denn dann weiß jeder, was gemeint ist: “Fachkräfte gesucht”. Toppen lässt sich das nur durch „Mitarbeiter gesucht!“. Was all diese Unternehmen falsch machen, erfahren Sie in diesem Artikel.
Wie heißt es so schön? „Suchet, so werdet ihr finden“. In Bezug auf den aktuellen Arbeitsmarkt stimmt das aber nur noch bedingt und ist stark abhängig vom wirklichen Engagement der Unternehmen. Und so heißt es ja bei Matthäus (nicht Loddar!) (von mir leicht abgewandelt) weiter:
„Denn wer da bietet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.“
Übersetzt auf den Arbeitgeber respektive das so genannte Employer Branding heißt das also zeige, was Du Deinem (künftigen) Mitarbeiter zu bieten hast und begegne ihm mit Wertschätzung. Wer also sucht, der muss auch bieten. Offenbar ist bei vielen Unternehmen immer noch nicht angekommen, dass wir mittlerweile in vielen Fällen einen nahezu leer gefischten Arbeitsmarkt haben. Gerade erst wurden die neuesten Arbeitsmarktzahlen verkündet. Und die lassen (zumindest für Menschen, die mit Personalbeschaffung aka Recruiting zu tun haben) eine düstere Zukunft erahnen: Mittlerweile liegt die Arbeitslosenquote unter 5 Prozent! Eigentlich sind solche Zahlen, die vor einigen Jahren niemand für möglich gehalten hätte, natürlich unglaublich erfreulich. Auf der anderen Seite bedeutet sie aber für viele Unternehmen auch eine echte Herausforderung, denn das Potenzial an potenziellen Kandidaten wird immer geringer – und die Nachfrage nach Arbeitskräften steigt weiter.
Potenzial an geeigneten Kandidaten wird immer geringer
Allerdings gibt es auch hier gute Nachrichten: Weil nämlich ein Großteil der Arbeitgeber in unserer schönen Republik ihre Mitarbeiter Dienst nach Vorschrift schieben lässt, ihnen keine Entfaltungsmöglichkeiten bietet, sie von “Führungskräften”, die diesen Namen nicht verdienen, drangsalieren lässt und dem vermeintlich wertvollsten Gut – aka die Mitarbeiter – keinerlei oder zu wenig Wertschätzung entgegenbringt, sind viele Mitarbeiter offen für neue Jobs: Mehr als fünf Millionen Arbeitnehmer haben ihren Job bereits innerlich gekündigt und besitzen keinerlei emotionale Bindung zum Unternehmen.
Allerdings, der Mensch ist ein Gewohnheitstier, harren viele in ihren Jobs in innerlich gekündigter Stellung aus und schädigen auf diese Weise ihren Arbeitgeber (klar, selbiger hat sie ja vorher auch geschädigt, da ist das nur legitim :)) und in dessen Folge die Volkswirtschaft: Gallup schätzt den volkswirtschaftlichen Schaden, den die innere Kündigung von Mitarbeitern auslöst, auf bis zu 103 Milliarden Euro. Aber das nur am Rande. Die gute Nachricht also: Zu den ca. 20 Prozent, die aktiv auf Jobsuche sind, kommen noch viele Millionen, die durchaus offen sind für einen Tapetenwechsel. Es fehlt für diese Menschen aber oftmals der entsprechende Anreiz, dann den Schritt zu machen und sich zu bewerben.
Fachkräftemangel = Ressourcenmangel x Ideenmangel
Diesen Anreiz, lieber Leser, liebe Leserin, liebx Lesx, können Sie aber schaffen, ach was schreibe ich – MÜSSEN Sie schaffen. Wie oben schon geschrieben, darauf aufmerksam zu machen, dass Sie suchen, ist gut. Allerdings machen das zig Tausend andere Unternehmen da draußen auch. Manche sprechen gar von einem Fachkräftemangel. Mag sein, dass es eine Knappheit an Bewerbern gibt. Oder eine Knappheit an Bewerbern, die sich nicht mit nicht-marktkonformen Gehältern abspeisen lassen oder auch mit nicht-prekären Arbeitsverhältnissen. Das will ich nicht in Abrede stellen. Allerdings hat es jeder Arbeitgeber da draußen selber in der Hand, was er daraus macht. Fachkräftemangel, bzw. das, was viele als solchen empfinden, ist in den meisten Fällen nichts weiter, als Ideen- gepaart mit Ressourcenmangel.
Den Ressourcenmangel kann ich beseitigen, denn wenn ich als Unternehmen überleben und wachsen will, muss ich Ressourcen schaffen, diesem Mangel zu begegnen. Ich schaffe sie nicht, in dem ich Mitarbeitern noch mehr Aufgaben aufhalse und unbezahlte Überstunden schieben lasse, ich schaffe sie, in dem ich entsprechende Stellen schaffe, die diesem Wachstum Rechnung tragen sollen (wobei an dieser Stelle eine weitere Frage aufpoppt, nämlich: Müssen Unternehmen um jeden Preis wachsen? Wachstum ist endlich, das sollte uns allen klar sein. Ressourcen sind endlich. Dazu gehören übrigens auch “Arbeitskräfte”). Ermitteln Sie einfach mal, was es kostet, eine Stelle nicht zu besetzen. Schnell wird klar, dass das nicht nur teuer wird, sondern auch strategisch unklug ist.
Anreize schaffen
Stellen Sie sich mal vor, Sie wären auf Jobsuche. Oder zumindest empfänglich für einen neuen Job, weil gerade heute wieder Ihr Chef ihre Ideen nicht zu würdigen wusste und die Digitalisierung als Teufelszeug gebrandmarkt hat oder die Einführung eines Bewerbermanagement-Tools als zu teuer beschieden hat oder was auch immer. Oder weil Sie erkannt haben, dass der Laden, in dem Sie arbeiten, wenn er weiter so macht, wie bisher („Das machen wir schon seit Jahren so, das ändern wir auch nicht“), mit Karacho gegen die Wand fahren wird. Zum Beispiel, weil das Thema Recruiting und Personalmarketing nur so nebenher läuft (dessen strategische Bedeutung hat bisher offenbar nur ein Bruchteil der Unternehmen verstanden). Und nun stellen Sie sich weiter vor, Sie treten den Heimweg an, sitzen in der Bahn, gehen zu Fuß oder fahren mit dem Auto. Und über Ihrem Sitzplatz in der Bahn, an einem Bauzaun, im Schaufenster oder einem vor Ihnen fahrenden Auto fänden Sie einen Hinweis, wie bspw. “Mitarbeiter gesucht”. Vielleicht noch ergänzt um eine Telefonnummer. Oder E-Mail-Adresse, meinetwegen (wobei beides schon mehr wäre, als nur die Such-Aussage an sich).
Würden Sie jetzt sofort alles stehen und liegen lassen und sich bewerben? Wohl kaum. Warum auch. Abgesehen davon, dass Sie, wenn Sie denn wollten, theoretisch eine Vielzahl an potenziellen “Arbeitgebern” hätten, aus denen Sie wählen könnten, fehlt hier ein entscheidender Anreiz. Nämlich der, warum man sich bewerben sollte.
Man kann es auch machen, wie die Bahn neulich. Da fehlten zwar die Anreize im klassischen Sinne, aber der Anreiz war dennoch da. Die Bahn bzw. das Recruiting-Team der Bahn hat einfach das Umfeld der Social Recruiting Days dazu genutzt, um potenzielle Kollegen fürs eigene Team zu gewinnen. Schließlich soll man ja da fischen, wo die Zielgruppe ist. Well done, Bahn. Wenn ihr es jetzt noch mal irgendwann hinbekommt, die Millionen Besucher und Nutzer eurer Website und DB-Navigator-App auf Karrierechancen aufmerksam zu machen (im Nu hättet ihr einige Tausend Bewerber und viele Mitarbeiter mehr), dann wärt ihr ganz weit vorne.
Du willst Recruiting jeden Tag neu denken? Willkommen, Du passt zu uns! Heute und morgen sind wir auf den Social Recruiting Days und freuen uns auf interessantes Networking und spannende Talks. #srd18 ##recruiter pic.twitter.com/4PSlcDP7Zh
— DB Karriere (@DBKarriere) 29. Oktober 2018
Mitarbeitervorteile benennen
Wäre es nicht deutlich zielführender, wenn die Unternehmen, die sich nun also wenigstens ansatzweise bemühen, um auf sich als Arbeitgeber aufmerksam zu machen, es richtig(er) und konsequent(er) täten? Was meinen Sie, wer wird wohl mehr Bewerbungen und Aufmerksamkeit generieren? Ein Unternehmen, welches einfach nur sucht oder aber eines, welches Anreize bietet (und diese kommuniziert), sich mit dem Angebot auseinanderzusetzen, in dem es passende Argumente aka Mitarbeitervorteile anführt?
Man kann eine Suche nach Servicekräften so gestalten:
“Wir stellen ein: Servicekräfte in Voll- und Teilzeit
Engagierte und motivierte Servicekräfte mit gastronomischer Ausbildung/Erfahrung.
Interesse geweckt?” Äh… nein!
Darf sich dann aber nicht wundern, wenn so ein Gesuch nicht von Erfolg gekrönt ist. Gerade in der Gastronomie, also einer der Branchen, in der von massivem Fachkräftemangel die Rede ist (warum wohl), muss man sich mehr einfallen lassen.
Man könnte beispielsweise mit „entspannter Atmosphäre, ehrlichem Service, echtem Küchenhandwerk und einem einzigartigen Team“ werben und so Sympathiepunkte gewinnen und Anreize schaffen. Oder aber “fairen Arbeitsbedinungen” oder “guter Bezahlung“.
Allerdings nur, wenn das auch den Tatsachen entspricht. Dass, wer Anreize schafft oder, um uns wieder Matthäus (nein, immer noch nicht Loddar) zuzuwenden, wer da bietet, eben auch empfängt, sollte eigentlich klar sein. Stichwort Gesunder Menschenverstand. Aber der ist eben unterschiedlich ausgeprägt.
Wer da bietet, der empfängt
Fassen wir also zusammen: Der Arbeitsmarkt hat sich gedreht. Bewerber sind am Drücker. Sind Sie auf der Suche nach Mitarbeitern, reicht ein reines Gesuch nicht mehr aus. „Bewerben“ Sie sich bei Ihren neuen Mitarbeitern, wuchern Sie mit den Pfunden, die Sie zu bieten haben. Das kann einiges sein: Das Gehalt (selbst wenn Sie nur Mindestlohn zahlen, eine Gehaltsangabe zeigt Transparenz, weckt Vertrauen und generiert in der Regel (mehr) Bewerbungen), die Angabe der Urlaubstage, ein Hinweis darauf, dass es keine Überstunden oder tolle Weiterbildungsmöglichkeiten gibt, wären da beispielsweise denkbar. Aber natürlich auch weiche Faktoren wie eine wertschätzende Unternehmenskultur, eine echte Work-Love-Balance, ein tolles Team und natürlich eine Arbeit, die Spaß macht und sinnvoll ist. Natürlich müssen Sie die Versprechen auch einhalten, schließlich wollen Sie ja, dass die Mitarbeiter bei Ihnen bleiben und sich nicht von Neuem auf die Suche machen müssen. Sie wissen ja, gute Arbeitgeber brauchen eigentlich kein Personalmarketing.
„Denn wer da bietet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.“ Eben.