Warum die teuerste Personalmarketing-Kampagne nicht messbar ist und was Sie aus den Fehlern der Bundeswehr lernen können

Lesezeit: 8 Min. Employer BrandingPersonalmarketingRecruitingStellenanzeigen

Überall grün. Außer hinter den Ohren” – der Spruch nebst zugehörigem Plakat ist Ihren Augen bestimmt auch schon untergekommen. Das ist der neueste Wurf aus der “Mach-was-wirklich-zählt”-Plakatserie, der Employer Brand Kampagne der Bundeswehr. Millionenbeträge für eine Plakatkampagne, finanziert durch Steuergelder. Finanziert  von Ihnen und mir. Da darf man sich dann schon mal die Frage stellen, wie erfolgreich die teuerste Plakat-Kampagne in der Geschichte des Personalmarketings eigentlich ist.

Jüngst hatte ich eine Anfrage, ob ich bei der Argumentation Pro-Karriere-Button weiterhelfen könne. Klar konnte ich, wollte aber dreisterweise ein Honorar für meine Dienstleistung. Das wiederum war man nicht bereit zu zahlen. Stattdessen will man nun eine Studie in Auftrag geben und Bewerber fragen. Bewerber zu fragen, ist an sich keine schlechte Idee. Seine Zielgruppe befragen, um ein Verständnis für diese zu erlangen, kann man eigentlich gar nicht oft genug. Aber wäre diese Befragung hilfreich, wenn es darum ginge, einen Karriere-Button in der Hauptnavigation einzufordern? Vielleicht. Aber welche Führungskraft kann sich schon dem Charme harter Fakten und Zahlen entziehen? Im geschilderten Fall hieß es weiter, man könne als Argumentationsgrundlage zwar die Zugriffe auf die Karriereseite messen (hat man in der Vergangenheit natürlich nicht gemacht), aber die würden ja verfälscht, weil man ja in Zukunft auf diversen Jobmessen unterwegs sei und die Zugriffe aus diesem Grunde selbstverständlich zunähmen. “Web Analytics” by Bauchgefühl also.

Der Erfolg der teuersten Kampagne in der Geschichte des Personalmarketings ist nicht messbar

Dieses “Gefühl”, dass Klickzahlen aufgrund irgendwelcher Kampagnen ansteigen (und die dann als Erfolg gefeiert werden), ist indes ein bisschen wenig, allerdings kein Einzelfall, wie das Beispiel Bundeswehr eindrucksvoll zeigt. Warum das Beispiel Bundeswehr? Nun, ganz einfach: Weil das wohl die teuerste Plakatkampagne in der Geschichte des Personalmarketings ist. Eine Kampagne, dessen Erfolg uns interessieren sollte, ist es doch unser Geld, welches da verpulvert wird. Ein einstelliger Millionenbetrag dürfte das mal wieder sein (den größten Posten der (2015) mit 12,5 Millionen Euro veranschlagten Kampagne “Mach was wirklich zählt”, machten mit 4,3 Millionen Euro die Plakate aus, nun ist noch mal nachgelegt worden). “Überall grün. Außer hinter den Ohren” ist dank Plakatkartell Ströer präsent an Ein- und Ausfallstraßen, an Kreuzungen, an Bahnhöfen und das quer durch die Republik. Auch in Magazinen unterschiedler Coleur verfolgt einen die Kampagne. Jeder wird von dieser Kampagne penetriert, es gibt kein Entkommen. Aufmerksamkeit hat “Mach, was wirklich zählt” also. Aber reicht das?

Keine signifikante Verbesserung durch Mach, was wirklich zählt-Kampagne

Denn möglicherweise sind diese Millionen an Steuergeldern für die Tonne. Möglicherweise. Denn über den Erfolg dieser Kampagne (und auch der vorherigen, ebenfalls millionenschweren) gibt es keine verlässliche Aussage. Auf der Website der ausführenden Agentur heißt es, dass “die Bewerbungsabsicht bei der Bundeswehr deutlich stieg (+75%) und auch das Image der Bundeswehr besserte sich bei denjenigen, die die Kampagne gesehen haben (+22%)“. Dass die Bewerbungsabsicht deutlich stieg, mag als Erfolg gewertet werden, ist aber letztendlich reine Augenwischerei. Entscheidend für die Besetzung der Stellen ist ja nicht die Absicht, sondern der tatsächliche Bewerbungseingang. Und der hat sich gemäß einer Anfrage bei der Bundeswehr seitens der Website fragdenstaat kaum geändert. Auf die Anfrage, inwieweit sich “die Anzahl der eingegangen Bewerbungen sowie die Anzahl der rekrutierten Mitarbeiter seit dem Start der Imagekampagne “Mach’, was wirklich zählt”“, verändert habe, werden folgende Zahlen vom Beauftragten für die Kommunikation der Arbeitgebermarke Bundeswehr genannt:

  • 2014: ca. 132.000 Bewerbungen eingegangen. Ca. 26.000 Personen wurden im gleichen Zeitraum für eine militärische oder eine zivile Stelle bei der Bundeswehr eingeplant bzw. eingestellt.
  • 2015: ca. 133.000 Bewerbungen eingegangen. Ca. 27.400 Personen wurden im gleichen Zeitraum für eine militärische oder eine zivile Stelle bei der Bundeswehr eingeplant bzw. eingestellt.
  • 2016: ca. 134.000 Bewerbungen eingegangen. Ca. 28.800 Personen wurden im gleichen Zeitraum für eine militärische oder eine zivile Stelle bei der Bundeswehr eingeplant bzw. eingestellt.

Zwar erzielt die gesamte Außenwerbung 165,1 Mio. Kontakte in der Kernzielgruppe 17-35 Jahre. Der Bewerbungseingang und die Anzahl der Bewerber blieb aber nahezu gleich! Kann man da von Erfolg sprechen? Wohl kaum. Zumal die Bundeswehr gar nicht ermitteln kann, wie viele dieser Bewerbungen überhaupt über die Kampagne kamen. Ganz einfach, weil eine faktenbasierte Auswertungsmöglichkeit nicht gegeben ist.

Womit wir auch schon beim Thema wären, geht es hier ja um die Erfolgsmessung von (Offline) Personalmarketing-Maßnahmen. Denn mal Hand aufs Herz, wäre es nicht schön, wenn man diese Erfolgsmessung by Bauchgefühl auch mit echten Zahlen belegen könnte? Und wirklich nachvollziehen könnte, wie viel Traffic wirklich über die Kampagne auf die Karriere-Website kommt? Und wie viel Bewerbungen dank einer Kampagne eintrudeln? Offenbar scheint das aber weder die Bundeswehr, noch die Bundesregierung zu interessieren.

Sie als aufgeklärter Personalmarketing-Verantwortlicher hingegen haben natürlich ein Interesse. Schließlich wollen Sie Ihre Erfolge auch belegen, auch um eine hieb- und stichfeste Argumentationsgrundlage für die nächste Budgetrunde zu haben.

Kein Call-to-Action, keine messbare Ziel-URL

Welchen Fehler macht die Bundeswehr? Schauen Sie sich einfach mal die Plakate oder das aktuelle Motiv an.

Bundeswehr-Kampagne - Überall grün. Ausser hinter den Ohren. mit fehlender Call to Action

Abgesehen davon, dass der Call to Action viel zu klein ausfällt – bzw. es diesen eigentlich gar nicht gibt, haben alle Motive eine Gemeinsamkeit: bei allen wird als Ziel auf die Seite bundeswehrkarriere.de verwiesen. Egal, ob da mit markigen Sprüchen Cyberspezialisten oder Führungskräfte, egal, ob da ziviles oder militärisches Personal gesucht wird, immer führt den Interessenten der Link auf die Startseite der Karriere-Website der Bundeswehr.

Differenzierung? Landingpages für einzelne Zielgruppen? Fehlanzeige. Wozu auch, soll sich der Bewerber doch bitte schön von der Startseite zum gewünschten Bereich durchklicken. Wenn der wirklich interessiert ist, macht der das auch. Eine Denke, die nicht nur bei der Bundeswehr, sondern auch noch in vielen deutschen Recruiting-Abteilungen vorherrscht. Weil sich kaum einer mit dem Thema Online-Marketing auseinandersetzen will. Wie aber soll da eine verlässliche Messung möglich sein? Klar, wahrscheinlich wird man einen Anstieg der Zugriffe auf der Website verzeichnen. Aber woher diese zusätzlichen Zugriffe kommen, kann eben nur vermutet werden.

Und natürlich, 1.000 Bewerbungen innerhalb eines Jahres mehr bei Kosten von 3,4 Millionen und 165,1 Millionen Kontakten in der Kernzielgruppe, das ist schon ein beachtlicher Erfolg ;) Maßnahmen, wie bspw. Performance Personalmarketing, dürften deutlich erfolgreicher sein. Und wäre ein Arbeitgeber wie die Bundeswehr nicht prädestiniert für digitale Mitarbeiterempfehlungsprogramme? Aber das nur am Rande.

Wollten Sie also wirklich wissen, wie erfolgreich Ihre Kampagne ist, müssten Sie sich etwas anderes einfallen lassen, als von Ihrem Flyer/Ihrem Plakat/Ihrer Postkarte/Ihrem was-auch-immer auf die Karriere-Startseite zu verweisen. Zugegeben, auf Ihre Karriereseite zu verweisen ist allemal besser, als auf die Unternehmens-Startseite. Da sind Sie schon ganz weit vorne. Aber trotzdem können Sie damit keinen Blumentopf gewinnen. Hilfreicher und sinnvoller wäre es bspw., wenn Sie für bestimmte Kampagnen einzelne Landing-Pages einrichten würden.

So wird der Erfolg Ihrer Personalmarketing-Kampagne messbar

Aber abgesehen davon können Sie mit einem winzigen “Trick” (heutzutage heißt das glaube ich “Hack”, also nicht im Sinne von Hackfleisch, sondern im Sinne von “to hack”, englisch) herausfinden, wie erfolgreich Ihre Kampagne wirklich ist. Dieser Trick heißt Domain-Weiterleitung, kostet nur wenige Euro, ist kein Hexenwerk und wird von den Kollegen in der IT mit Sicherheit mit Kusshand gerne eingerichtet. Ein Beispiel: Anstatt den Bewerber auf bundeswehrkarriere.de zu verweisen, könnte die Bundeswehr für jede einzelne Kampagne einfach eine eigene URL einrichten, in diesem Fall z. B. überall-grün.de und diese kommunizieren (sowohl die, als auch ueberallgruen.de ist auch noch verfügbar ;)) und von dieser dann eine Weiterleitung auf bundeswehrkarriere.de einrichten. So einfach geht das. Das wäre schon ein großer Schritt, geht aber noch besser. Jetzt wird es etwas technisch, aber ohne ein gewissen Technikverständnis geht im Recruiting heute gar nichts. Es sei denn, Sie wollen sich von findigen Agenturen und Software-Anbietern übern Tisch ziehen lassen ;)

Damit das Ganze dann auch wirklich trackbar ist (zumindest via Google Analytics), kreieren Sie nun noch einen Kampagnenlink bzw. eine benutzerdefinierte Kampagne. In unserem Fall also die URL der Karriereseite, ergänzt um (mindestens) diese drei Parameter.

  • utm_source
  • utm_medium
  • utm_campaign

Jedem dieser Parameter weisen Sie nun einen eindeutigen Wert zu. Für unser überallgrün-Beipiel könnte das bspw. so aussehen:

  • utm_source = ueberallgruen; um Zugriffe zu kennzeichnen, die von der Plakatkampagne “Überall grün” stammen
  • utm_medium = plakat; um zu sehen, welche Zugriffe von der Plakat-Kampagne stammen
  • utm_campaign = kampagnejuni; um die Kampagne insgesamt zu kennzeichnen

Google stellt uns freundlicherweise ein hilfreiches Tool zur Verfügung, mit dem der Kampagnenlink rubbeldikatz erstellt ist. Der sähe dann so aus:

https://www.bundeswehrkarriere.de/?utm_source=ueberallgruen&utm_medium=plakat&utm_campaign=kampagnejuni

So. Und nun richten Sie eine Weiterleitung von überallgrün.de auf diese Kampagnnen-URL ein und fertig ist Ihre Auswertungsmöglichkeit. Auf diese Weise können Sie nun ganz bequem via Google Analytics den Erfolg Ihrer Offline-Maßnahme auswerten. Für das gewählte Medium, das gewählte Motiv, natürlich auch den Standort, wenn Sie in verschiedenen Städten werben. Klar, das bedeutet natürlich einen gewissen Aufwand. Aber auch verlässliche Ergebnisse. Und eine hieb- und stichfeste Argumentationsgrundlage. Aber verraten Sie das nicht der Bundeswehr ;)

Natürlich können Sie mithilfe solcher Kampagnenlinks auch den Erfolg anderer Maßnahmen auswerten, z. B. den Ihrer Stellenbörse. Klar, Sie können auch Ihre Bewerber fragen oder nerven. Zum Beispiel mit einem weiteren Feld in Ihrem ohnehin schon überladenen Online-Formular. Da erhalten Sie dann alles, aber keine verlässliche Angaben darüber, woher der Bewerber wirklich kommt. Und auch keine Argumente in der Argumentation, warum der Karriere-Button in die Hauptnavigation gehört und nicht in den Footer.


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Kommentare (1)

Simon

Haha. Nun fahre ich seit Tagen mit leicht überhöhter Fahrrad-Geschwindigkeit an diesen Plakaten vorbei und frage mich jedesmal, um was es ich dabei handeln soll, denn mir fällt dabei hauptsächlich der Tarn-Hintergrund auf :-) Die Bundeswehr hat sich da also versteckt.
Über den Autor
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Moin! Ich bin Henner Knabenreich. Seit 2010 schreibe ich hier über Personalmarketing, Recruiting und Employer Branding. Stets mit einem Augenzwinkern oder den Finger in die Wunde legend. Auf die Recruiting- und Bewerberwelt nehme ich auch als Autor, als Personalmarketing-Coach, als Initiator von Events wie der HR-NIGHT oder als Speaker maßgeblich Einfluss auf die HR-Welt. Sie möchten mich für einen erfrischenden Vortrag buchen, haben Interesse an einem Karriere-Website-Coaching, suchen einen Partner oder Berater für die Umsetzung Ihrer Karriere-Website oder wollen mit bewerberzentrierten Stellenanzeigen punkten? Ob per E-Mail, XING oder LinkedIn - sprechen Sie mich an, ich freue mich auf Sie!
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