7 Tage, 7 Städte: Die Bahn und Deutschlands größtes Bewerbungsgespräch

Lesezeit: 5 Min. Employer BrandingPersonalmarketingRecruiting

BÄM! Das gab es so in dieser Form noch nie. Oder sagen wir so: In der Form schon, denn Bewerbercastings hat die Lufthansa ja bereits vorgemacht. Aber diese Größenordnung, die ist neu. An sieben Tagen gibt die Bahn in Deutschlands größtem Bewerbungsgespräch nicht nur dem jungen Nachwuchs eine Chance. Wer in der Zeit vom 5. bis 11. November in Hamburg, Berlin, Frankfurt/Main, Mannheim, Nürnberg, München oder Köln zwischen 6 und 22 Uhr vor Ort vorstellig wird, hat gute Chancen auf einen Job bei der Bahn!

Und so heißt es auf der Website:

“Deutschlands größtes Bewerbungsgespräch bietet Dir die Chance, noch in diesem Jahr den Job zu wechseln! Vom 05.11.2017 – 11.11.2017 bieten wir Dir in sieben Städten die Möglichkeit, Dein Vorstellungsgespräch mit uns zu führen. Wir sind zwischen 06:00 Uhr und 22:00 Uhr für Dich da.

Werde vom Bewerber zum Kollegen an einem von sieben Standorten deutschlandweit und das in ICE-Geschwindigkeit.

Informiere Dich jetzt über die Berufe in Deiner Nähe und sende uns noch heute eine E-Mail Bewerbung mit Deinem Lebenslauf.

Wir suchen Berufserfahrene, Quereinsteiger, Von-vorne-Beginner und Senkrechtstarter, die Interesse daran haben die Deutsche Bahn jeden Tag ein bisschen besser zu machen.”

Beworben wird die Aktion an den Bahnhöfen selbst, aber auch über Printmedien, wie dieses Fundstück dokumentiert.

Riesen Aufwand, oder? Klar, der Fachkräftemangel treibt die Unternehmen zu denkwürdigen Aktionen. Bewerbercasting hier, Pop-Up-Karrierezentrum da, Kreuzfahrtverlosung dort, bei Anruf Ausbildung da. Und die Bahn hat ein Riesen Problem: Alleine 12.000 (in Worten zwölftausend!) Mitarbeiter will man dieses Jahr einstellen. Da ist die neue Employer Branding-Kampagne, auch wenn sie mit dem Deutschen Personalwirtschaftspreis ausgezeichnet wurde, nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch das “Du” in der Bewerberansprache wird wohl nicht dazu führen, dass die Jobs besetzt werden. Zumal der Bewerber, sobald er in den Bewerbungsprozess einsteigt, auf einmal wieder mit dem “Sie” konfrontiert wird. Aber das hatten wir ja schon. Außerdem ist die Bahn da beileibe kein Einzelfall.

1.000 Mitarbeiter in sieben Tagen

Wer beim Bewerbungsmarathon dabei sein will, kann sich mit Angaben zur Person und ohne Anschreiben per E-Mail bewerben. Eine E-Mail ohne Lebenslauf wird allerdings nicht akzeptiert. Wenn dann die Qualifikationen stimmen, flattert eine Einladung zum Bewerbertag ins Haus. Möglich ist es aber wohl auch, spontan vorbeizukommen und sich erst einmal über die Möglichkeiten zu informieren (hm, ob ich da mal Mäuschen spiele?). Ob man dann aber eins der 3.000 Bewerbungsgespräche ergattert, steht auf einem anderen Blatt. Genau wie beim Karrierezentrum auch, fällt die Entscheidung, ob man weiter ist, direkt vor Ort. Lediglich bei Lokführern oder Fahrdienstleitern ist eine betriebsärztliche Untersuchung notwendig.

Hunderte Bewerber werden gleichzeitig zu Deutschlands größtem Bewerbungsgespräch geladen. Für das Recruiting-Spektakel werden riesige Flächen in Hauptbahnhöfen freigeräumt, außerdem Säle in Hotels und Eventlocations angemietet. Ziel der Bahn ist es, in diesen sieben Tagen 1000 neue Mitarbeiter zu finden.

Wenn die Bahn so einen Wahnsinnsaufwand betreibt, kann ich es mir natürlich nicht nehmen lassen, auf die Bahn-Homepage zu schauen. Mit mehreren Millionen Besuchern pro Monat wäre die ja prädestiniert, auch Deutschlands größtes Bewerbungsgespräch zu bewerben – oder? Und siehe da: Bingo!

Die Bahn ruft auch auf ihrer Homepage zu Deutschlands groeßten Bewerbungsgespraech auf - Leider nicht, hierbei handelt es sich um eine Fotomontage - Bildmaterial: bahn.de

Ein großer, prominenter Banner weist auf das Event hin! Klasse! Endlich. Gut gemacht, Deutsche Bahn! Ist ja auch das nächstliegende: Da, wo sich Millionen Nutzer = potenzielle Bewerber bzw. Multiplikatoren tummeln, einen nicht zu übersehenden Teaser zu platzieren, der die Kollegen von morgen auf den Mega-Bewerbungsmarathon aufmerksam macht. Denn: JEDER BESUCHER IHRER WEBSITE IST EIN POTENZIELLER BEWERBER. Allerdings liegt es an Ihnen, ihn dazu zu machen!

Bahn verschenkt Potenzial

In diesem Fall funktioniert das leider nicht.: Bei dem oben gezeigten Screenshot handelt es sich nämlich um eine Fotomontage.

„Arbeitgeber müssen sich bei der Personalgewinnung immer mehr ins Zeug legen, das gilt auch für die Bahn.“

So wird DB-Personalvorstand Ulrich Weber zitiert, der gegenüber der WELT AM SONNTAG die Aktion begründet.

Stimmt auffallend, lieber Herr Weber. Sie müssen sich ins Zeug legen. Und das tun Sie mit Ihrer Employer Branding-Kampagne wirklich sehr gut! Aber, um sich bei der Personalgewinnung ins Zeug zu legen, reichen manchmal ganz kleine Stellschrauben. Nämlich potenzielle Bewerber mit entsprechend platzierten Hinweisen zu triggern, Impulse zu geben. Das ist oftmals schon die halbe Miete! Sie sagen selber, dass niemand in Zeiten, in denen alles online mit einem Klick bestellt werden kann, lange warten will.

„Je schneller der Bewerbungsprozess, desto besser für den Kandidaten. Niemand will in Zeiten, in denen alles online mit einem Klick bestellt werden kann, lange warten.“

Genau das ist der Punkt: Mit einem Klick! Führen Sie Ihre Bewerber MIT EINEM KLICK direkt zur Seite, wo Deutschlands größtes Bewerbungsgespräch beworben wird. Ich weiß, dass Sie und Ihre Mitarbeiter davon überzeugt sind, dass das Jobcasting ein voller Erfolg wird. Das glaube ich im Übrigen auch. Schließlich sind ja nur eine Woche, nachdem die Bewerber-Website freigeschaltet wurde, mehr als tausend Anmeldungen eingegangen. Das ist wirklich toll! Aber glauben Sie mir: Wenn Sie Ihre Jobs prominenter bewerben würden, würden Ihre Bewerberzahlen explodieren.

Und erlauben Sie mir noch drei Anmerkungen: Ihre Bewerbermanagement-Software. Ich kann Ihnen nur empfehlen, auf eine andere Lösung zu setzen. Zumindest aber sollten Sie von umständlichen Anmeldeprozessen absehen. Sie verlieren potenzielle Bewerber!

Nutzen Sie Mittel und Medien, die ohnehin vorhanden sind. So haben Sie bspw. auf Facebook 546.000 Fans und 533.000 Abonnenten. Wäre es da nicht konsequent, diese Masse auch dafür zu nutzen, um auf Deutschlands größtes Bewerbungsgespräch aufmerksam zu machen? Immerhin, meine Idee, auch den Reiseplan und das Kundenmagazin fürs Personalmarketing zu nutzen, setzen Sie bereits seit einigen Jahren um. Gut so! Aber – auch wenn es eigentlich als Aprilscherz gedacht war: Wie wäre es mit Lautsprecherdurchsagen in den Zügen? So, wie Sie den gastronomischen Service bewerben, könnten Sie auch Bewerbertage bewerben. Aber vielleicht tun sie das schon längst? Morgen werde ich es wissen, da fahre ich mal wieder mit der Bahn.

Herzliche Grüße,
Ihr Henner Knabenreich

Kommentare (0)
Über den Autor
Avatar-Foto
Moin! Ich bin Henner Knabenreich. Seit 2010 schreibe ich hier über Personalmarketing, Recruiting und Employer Branding. Stets mit einem Augenzwinkern oder den Finger in die Wunde legend. Auf die Recruiting- und Bewerberwelt nehme ich auch als Autor, als Personalmarketing-Coach, als Initiator von Events wie der HR-NIGHT oder als Speaker maßgeblich Einfluss auf die HR-Welt. Sie möchten mich für einen erfrischenden Vortrag buchen, haben Interesse an einem Karriere-Website-Coaching, suchen einen Partner oder Berater für die Umsetzung Ihrer Karriere-Website oder wollen mit bewerberzentrierten Stellenanzeigen punkten? Ob per E-Mail, XING oder LinkedIn - sprechen Sie mich an, ich freue mich auf Sie!
Ähnliche Artikel
Das mentale Modell im Kontext von Karriereseiten und Recruiting

Das mentale Modell im Kontext von Karriereseiten und Recruiting

Heute möchte ich Sie einmal mit dem mentalen Modell vertraut machen. Genauer gesagt: mit dem mentalen Modell im Kontext von

weiterlesen
Von einsteigenden Studienaussteigenden, Studienabbrechenden und Schulabgehenden

Von einsteigenden Studienaussteigenden, Studienabbrechenden und Schulabgehenden

Das Partizip Präsens erfährt im Zuge des Genderwahns einen wahren Boom. Führte es bis dato eher ein Mauerblümchendasein, entdecken immer

weiterlesen