Ryanair Stellenanzeige punktet mit Authentizität und Augenzwinkern

Lesezeit: 5 Min. PersonalmarketingStellenanzeigen

120.000 Online-Stellenanzeigen von über 500 Arbeitgebern deutschlandweit wurden im Rahmen der Analyse “Der Club der Gleichen – Edition Stellenanzeigen” analysiert. 120-mal so viel wie seinerzeit in der Studie der Hochschule RheinMain in Kooperation mit personalmarketing2null. Das Ergebnis ist aber im Grunde ähnlich. Fazit: Viel Worthülsen und Einheitsbrei. Insofern macht mein Herz natürlich Freudensprünge, wenn es eine Anzeige sieht, wie sie derzeit die Runde durch die Medienwelt macht. Ryanair-CEO Michael O’Leary (MOL) sucht da nämlich nach einem Mitarbeiter. Und die Stellenanzeige hat es in sich.

“Keine Frage: Stellenanzeigen müssen messbar und responsiv sein. Viel wichtiger ist aber differenzierender Inhalt als Beitrag zu einer unverwechselbaren Arbeitgeberpositionierung.”

Vielmehr als das. Stellenanzeigen müssen Laune machen, müssen ein Feuer im Bewerber entfachen, damit er sich bewirbt. Allerdings nicht so:

Controller die durchs Feuer gehen

Sondern durch Echtheit. Leidenschaft. Begeisterung. Humor. Und vor allem durch Authentizität. Wie schreibt Brigitte Herrmann so schön in Ihrem wunderbaren Buch “Die Auswahl – was im Recruiting alles schief läuft”:

„Was fehlt, sind klare Aussagen und Botschaften mit Herzblut, die Interessenten zielgruppenorientiert erreichen. Nicht selten sind diese 08/15 Anzeigen mit ein Grund für Fehlbesetzungen.“

Schnell noch zwei Beispiele, wie man Stellenanzeigen lebendiger und “echter” formulieren kann, bevor ich zurück zu Ryanair komme.

Erstes Beispiel: Mein auf Seminaren und Vorträgen immer wieder gerne gezeigtes Beispiel einer Zahnarztpraxis. Bis auf den Stellentitel (den wird so niemand googeln und somit auch nicht finden – was aber an dieser Stelle fast egal ist, wurde die Anzeige doch in der Zeitung geschaltet und landete nur über die Kooperation des Zeitungsverlags mit StepStone im Internet). Da es um den Text geht, erspare ich mir an dieser Stelle die Anzeige, die finden Sie hier im Original.

Workaholic Dental Maniac*

Ob Frau oder Mann – wer ist bereit Woche für Woche 40 harte Stunden zu knüppeln (oder auch mehr – falls die Hände zu langsam sind!!!)…
und dabei ständig neue kleine Nüsschen zu knacken… Arbeit und Kundenschelte in ständigem Wechsel zu ertragen… und das Ganze unter Dauerkritik wohlmeinender Team-Kollegen und Chefs.

  • ohne ständiges Besserwissen in Kunststofftechnik und Verblendtechnik ist Scheitern vorprogrammiert.
  • Das Ganze für müde Kohle und manchmal ein paar gute Worte.

Wer’s nötig hat:
(Kontaktdaten)

*Teilzeit möglich! | Die Kollegen: Frauen bevorzugt! | Die Kolleginnen: Männer bevorzugt!

Da ist alles drin, was eine authentische Ansprache ausmacht. Natürlich wird sich da nicht jeder beworben haben. Aber hey, noch mal und zum mitschreiben: Es geht nicht darum, möglichst viele Bewerber zu bekommen. Sondern die Passenden! Sie wissen schon, Cultural Fit und so… Ein anderes Beispiel:

Barkeeper (m/w) als Aushilfe

Die Bar ist deine Leidenschaft und du liebst es, Getränke sowie Cocktails zuzubereiten?

Bingo! Dann könnte die Tätigkeit des Barkeepers genau für dich passen. ;-)

Aber aufgepasst! Du musst schon einige Erfahrungen als Barmitarbeiter mitbringen und auch beim professionellen Shaken von Cocktails deine ersten Erfahrungen gesammelt haben. Ach, und wenn du die Bar des Herzblut St. Pauli kennst, dann weißt du ja, dass dort kein Platz für Showbarkeeper und Künstler ist. Hier sind handwerkliches Geschick, Schnelligkeit, Koordinationsfähigkeit und extreme Belastbarkeit gefragt. Das ist garantiert KEIN Job für Schöngeister und Weicheier.

Wenn du die tägliche Herausforderung liebst, jeden Tag sehr vielen Gästen zu beweisen, dass Cocktails (auch in großen Mengen zubereitet) außergewöhnlich inspirierende Getränke sind, dann bist du bei uns genau richtig.

Übrigens… bei uns arbeitest du mit hochwertigen Ingredienzien und Markenspirituosen (A-Brands). Pre-Mixes sind für uns ein absolutes No-Go!

Na, ist das eine Herausforderung für dich?

Auch hier keine Worthülsen, sondern ehrliche Worte. So muss das. Die Studienautoren hätten ihre helle Freude, da bin ich mir sicher!

Der schlimmste Job Irlands

Und so dachte sich das wohl auch Michael O’Leary, seines Zeichens CEO der besten und schnell wachsendsten Airline der Welt, die nun bald auch von Frankfurt aus startet (also richtig Frankfurt, nicht Frankfurt-Hahn, was mit Frankfurt ungefähr so viel zu tun hat, wie München mit Augsburg).

“Dubs fans, Man U supporters and cyclists will not only be automatically excluded from the process, but will be tracked down, tortured and shot.”

Auf die von den oben genannten Herausgebern des Club der Gleichen ob ihrer Gleichförmigkeit kritisierten Unternehmensbeschreibung verzichtet der RyanAir-Chef und beschränkt sich auf die Aussage, dass es wohl der schlimmste Job in Irland sei. Versieht dies allerdings mit einem Fragezeichen und spielt damit wohl darauf an, dass so mancher das wohl auch von seiner Airline denkt.

ASSISTANT TO RYANAIR’s CEO

Gesucht wird ein ehrgeiziger, qualifizierter Buchhalter mit Köpfchen, um den missverstandenen, aber geliebten CEO zu unterstützen und eine Bandbreite an Aufgaben zu managen, nämlich:

  • Treasury und Portfolioverwaltung
  • Investitionsanalyse
  • Tax & Returns
  • Projektmanagement und Immobilienentwicklung
  • Spezielle Projektarbeit
  • Harte Arbeit
  • MOL (= Michael O’Leary, sprich den Chef!) verwöhnen

Die Anforderungen:

  • Dickes Fell
  • Engelsgeduld
  • Abneigung gegen Unsinn
  • Eigene Sammlung von Kinderreimen / Gutenachtgeschichten
  • Fähigkeit, ohne Schlaf zu arbeiten oder in Kontakt mit der Außenwelt zu bleiben
  • (Ego) Massage-Qualifikationen

Hinweis: Dubs Fans, Man U Fans und Radfahrer werden nicht nur automatisch aus dem Prozess ausgeschlossen, sondern verfolgt, gefoltert und erschossen.

Diese Position ist eine große Chance für einen ehrgeizigen, selbst motivierten qualifizierten Buchhalter, in einer anspruchsvollen und interessanten Rolle zu arbeiten. Für erfolgreiche Kandidaten gibt es tolle Möglichkeiten, die eigene Karriere voranzutreiben und fürs Management-Team von Ryanair empfohlen zu werden. 

Wer sich bewerben mag, sollte sich beeilen – noch bis 18. November werden geeignete Bewerbungen angenommen. Bewerbungen entweder per E-Mail an mcmahonn@ryanair.com oder via Formular und LinkedIn-Profil.

Aber Achtung:  Bewerbungen werden sind nur auf dem genannten Weg möglich. Bewerber, die sich telefonisch, direkt oder über bestehende Mitarbeiter bewerben, werden disqualifiziert. Und, Ryanair ist dafür bekannt, sich aufs nötige zu beschränken und das gilt wohl auch für den Recruiting-Prozess: Aufgrund der hohen Anzahl an Bewerbungen, die Ryanair erhält, wird nur mit den Kandidaten Kontakt aufgenommen, die auch für ein Vorstellungsgepräch ausgewählt wurden. Ein Zwischenbescheid oder eine Absage sind also obsolet. Nicht die beste Candidate Experience, aber wenigstens ehrlich.

Ehrlich wie auch diese Stellenanzeige. Ich wünschte, es würde mehr davon geben.

Kommentare (2)

personalmarketing2null

Hallo Dennis, danke für dein ehrliches Feedback! Ich glaube, wir müssen schon etwas differenzieren zwischen Weichspülern und Arbeitsplätzen. Wobei - eine Gemeinsamkeit gibt's eben doch: Letztere werden oftmals "weichgespült" dargestellt, um eben nur ja keine Bewerber zu verschrecken. Oft werden falsche Erwartungshaltungen geweckt, was wiederum dazu führt, dass sich Frust und Unlust breit machen. Was im weiteren dazu führt, dass bspw. Ausbildungen abgebrochen werden oder gekündigt wird. Und dann ist der Job wieder vakant. Die ganze Recruiting-Maschinerie muss wieder von Anfang gestartet werden, wieder wird weichgespült geworben, um nur ja keine Bewerber zu verprellen... usw. Wäre es da nicht besser, (auch) Schwächen zu benennen und dann lieber nur noch Bewerbungen zu bekommen, die genau passen? Ich bleibe dabei. Ehrlich wehrt am längsten! Und mal ganz ehrlich: Wer Weichspüler kauft, ist selber schuld :) Schöne Grüße und noch mal vielen Dank fürs Feedback! Henner

Dennis

Hallo! Also ganz ehrlich glaube ich, es ist vermutlich so wie in jeder anderen Werbung: Klar sind ehrliche Worte schön, sind aber meist kein "Verkaufsargument". Schließlich würde auch keiner einen Weichspüler kaufen von dem es heißt "Unser Weichspüler zerstört die Fasern ihrer Wäsche, ist nicht gut für Ihre Waschmaschine, verschmutzt das Wasser mit zahlreichen Chemikalien - die eigentlich nicht sein müssten und ist dadurch insgesamt viel zu teuer und sein Geld nicht wert. Kaufen Sie ihn gerne trotzdem!" Das wäre mindestens genauso ehrlich, wie die oben angesprochenen Beispiele an "ehrlichen" Stellenausschreibungen. Aber: Wollen wir das? Und wollen wir eher mit negativen Ansagen Punkten? Im Marketing ist man immer bemüht genau solche Negativpunkte zu vermeiden und das auch zu recht: Für einen schlechten Punkt muss ich 10 gute einbringen, um das wieder auszubügeln. Insofern ist "es ist zwar alles doof aber kommen Sie trotzdem gern zu uns - geteiltes Leid ist halbes Leid" leider eben auch keine Option. ;) Beste Grüße (und ja, eine ganz ehrliche Aussage) Dennis
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Moin! Ich bin Henner Knabenreich. Seit 2010 schreibe ich hier über Personalmarketing, Recruiting und Employer Branding. Stets mit einem Augenzwinkern oder den Finger in die Wunde legend. Auf die Recruiting- und Bewerberwelt nehme ich auch als Autor, als Personalmarketing-Coach, als Initiator von Events wie der HR-NIGHT oder als Speaker maßgeblich Einfluss auf die HR-Welt. Sie möchten mich für einen erfrischenden Vortrag buchen, haben Interesse an einem Karriere-Website-Coaching, suchen einen Partner oder Berater für die Umsetzung Ihrer Karriere-Website oder wollen mit bewerberzentrierten Stellenanzeigen punkten? Ob per E-Mail, XING oder LinkedIn - sprechen Sie mich an, ich freue mich auf Sie!
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