13. April 2016
Schluss mit sexistischer Personalwerbung!
Lesezeit: 4 Min. PersonalmarketingStellenanzeigen
Schluss! Aus! Vorbei! Die Zeiten, wo mit dicken Hupen und langen Schläuchen, ausladenden Dekolletés, sich vor Landmaschinen räkelnden Amazonen und anderweitigen (halb-)nackten Tatsachen für Arbeitgeber Werbung gemacht werden durfte, sind Geschichte. Nicht etwa, weil die Unternehmen zur Vernunft gekommen sind. Nein, weil Justizminister Heiko Maas da höchstpersönlich einen Riegel vorschieben will. Der nämlich will sexistische Werbung verbieten. Natürlich ist auch die Personalwerbung davon betroffen.
Heiko Maas spricht Tacheles und will ein “modernes Geschlechterbild” in Deutschland etablieren (allerdings scheint mir, dass Herr Maas hier einer falschen Einschätzung von “modern” unterliegt. Offenbar sind ihm Sexting-Apps wie Tinder, Snapchat und Lovoo nicht zu Ohren gekommen, die schon eher ein “modernes Geschlechterbild” vermitteln).
Schluss mit sexistischer Personalwerbung
Und so will unser Bundesjustizminister mit einer Gesetzesänderung geschlechterdiskriminierende Werbung verbieten. Das zumindest berichtet das Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Der Entwurf von Maas sieht vor, dass künftig Plakate oder Anzeigen unzulässig sein könnten, die Frauen oder Männer auf Sexualobjekte reduzieren. Da kann die Feuerwehr Dormagen ihre dicken Hupen und langen Schläuche einpacken, die “Rapper” der Spardabank Südwest müssen sich warm anziehen und die Mitarbeiter der Volksbank Franken sowieso. American Apparel kann mit seinen nackten Mitarbeitern als Markenbotschafter so weiter machen wie bisher, so weit reicht der Arm von Heiko Maas dann nun wieder nicht (was schon fast ein wenig paradox ist, reicht doch Erdogans Arm auch ganz tief nach Deutschland, wenn es um Satire geht. Aber das ist ein anderes Thema und soll an dieser Stelle nicht vertieft werden).
Natürlich hätte dann auch so ein Fall wie der unten abgebildete in Deutschland keine Chance mehr.
Was dann wiederum hart für die Jungs (und Mädels?) von JvM wäre. Schließlich visualisiert die Anzeige ganz gut das, was seinerzeit einmal als (Text-)Stellenanzeige für viel Empörung nicht nur unter Kreativen (also richtig Kreativen) gesorgt und den Werberat auf den Plan gebracht hatte:
“Telefon. Die neue Praktikantin kommt zum Vorstellungsgespräch. Diesmal hab ich mir im Personalbüro eine tätowierte, bisexuelle Rothaarige bestellt. Unter einem Vorwand schicke ich meinen Texter aus dem Raum („Trag doch mal die neuen Cannes-Löwen in den Keller und stell sie zu den anderen.“) und schlüpfe in meinen bequemen Hausmantel. Eine halbe Stunde später befreie ich mich aus ihrer Umklammerung und lasse sie völligerschöpft und vor Erregung zitternd auf meinem weißen Designersofa zurück.”
Für Empörung sorgt übrigens auch der Vorstoß von Heiko Maas. Unter den Werbern selbst. Das aber nur am Rande. Auch nur am Rande, dass dieses Meisterwerk deutscher Personalwerbe-Kultur erstmals 2015 bei der zweiten Auflage von personalmarketing2null & friends in der Recruiting 69.0-Session der Hoer-Spieler vertont und gewürdigt wurde.
Derzeit ist es der Wettbewerbszentrale nur möglich, bei menschenverachtender Werbung einzuschreiten. Der Deutsche Werberat kann zudem eine Rüge aussprechen. Geht Ihnen also Personalwerbung gehörig auf den Sack (respektive die Eierstöcke, um mir hier nicht einen geschlechterdiskriminierenden Dünkel nachsagen zu lassen) bzw. wird Ihr zartes Empfinden durch nackte Tatsachen zu sehr gestört, können Sie tätig werden.
379 mal musste der Deutsche Werberat im vergangenen Jahr über von Bürgern oder Organisationen beanstandete Werbemaßnahmen entscheiden. Wie viel Beispiele an Personalwerbung dabei waren, ist mir leider nicht bekannt.
Kritisch sind auch geschlechterdiskriminierende Stellenbezeichnungen wie bspw. “Empfangsdame (m/w)” oder “Triebwagenführerin (w/m)” zu betrachten. Ganz besonders kritisch die Ausschreibung als Nachwuchsprofessorin. Ohne m, und ohne w. Stellt sich allerdings die Frage, was hier diskriminierender ist: Der Stellentitel an sich oder die Tatsache, dass Männer hier aufs massivste benachteiligt werden. Das ist nicht nur diskriminierend, das ist ein klarer Verstoß gegen das AGG. Skandal! Mario Barth, bitte übernehmen!
Schluss mit Werbung für Autos und sinnfreien Employer Branding Kampagnen
Auch Werbung für Autos, Urlaubsreisen und Süßigkeiten will die Bundesregierung schärfer regulieren: Auf Plakaten und im Kino – für alle Filme, die für Zuschauer unter 18 Jahren freigegeben sind – soll sie ab spätestens 2020 verboten werden. “Der entsprechende Gesetzentwurf wird in Kürze im Kabinett behandelt“, sagte Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU). Autofahren sei das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko. “Vor allem junge Fahranfänger sollen nicht den Eindruck bekommen, Auto fahren sei ein harmloser Spaß“, sagte Schmidt. Gleiches gelte für Süßigkeiten. Deutschland werde immer fetter.
Ein weiterer Dorn im Auge sind der Politik sinnfreie Employer Branding-Kampagnen. “Bewerber wollen Informationen über den Arbeitgeber, sie wollen authentische Einblicke ins Unternehmen und die Mitarbeiter kennen lernen. Und sie wollen einen einfachen, transparenten Bewerbungsprozess. Alles im Sinne einer positiven Candidate Experience. Eine heile Welt vorgaukelnde Kreativ-Kampagne hat da nichts zu suchen, im Gegenteil, so etwas forciert sogar den Fachkräftemangel!“, so ein Mitarbeiter des Ministeriums. Recht hat er!
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Anika Zeimke