10. November 2015
Mach, was wirklich zählt. Schöne heile Welt beim Arbeitgeber Bundeswehr
Lesezeit: 6 Min. Employer BrandingPersonalmarketingRecruiting
Sie. Dienten. Deutschland. Und waren eine starke Truppe. Die Bundeswehr. Ja, und nun hat man ihr ein neues Gewand übergestülpt. Mit Alpenpanorama, blauem Himmel und grünen Wäldern. Und jeder Menge Frauen. Denn die Bundeswehr hat eine neue Arbeitgebermarke. Hurra! Da hat eine Kreativ-Agentur mal wieder richtig schön in den rosaroten Farbtopf gegriffen. Die graue Realität bleibt bei “Mach, was wirklich zählt” aber leider außen vor. Denn Waffen gibt’s in der neuen Kampagne kaum zu sehen. Noch fällt ein einziger Schuss.
11 Millionen zahlen Sie und ich (also wir Steuerzahler) für diese neue Image-Kampagne der Bundeswehr. Verteidigungsminister von der Leyen hat ja die Parole ausgegeben, dass die Bundeswehr der attraktivste Arbeitgeber (respektive die attraktivste Arbeitgeberin) Deutschlands werden soll – und Bäm! – da isser! Zumindest bei den Schülern. “Die Bundeswehr ist bereits jetzt ein attraktiver Arbeitgeber. Dies belegt das Schülerbarometer 2014. Die Bundeswehr ist der zweitbeliebteste Arbeitgeber unter den Schülerinnen und Schülern der Klassen 8 bis 13.”
Arbeitgeberkampagne soll Attraktivität des Soldatenberufs abbilden
Eine starke Truppe ist die Bundeswehr seit Abschaffung der Wehrpflicht schon lange nicht mehr und auch das markige “Wir! Dienen! Deutschland!” passt nicht mehr in den neuen Kuschel-Kurs der Bundeswehr. Der Soldatenberuf soll attraktiver werden, damit die Truppe bei der Anwerbung von Fachkräften im Wettbewerb mit Wirtschaftsunternehmen besser bestehen kann. Da haben der Einsatz von Waffen, Auslandseinsätze, bei dem auch durchaus mal das ein oder andere Menschenleben auf der Strecke bleibt, einfach keinen Platz in dieser auf Harmonie bedachten Kampagne. Oder, wie es Bendler-Blogger Sascha Stoltenow treffend beschreibt, hier gibt es Personalwerbung mit ohne Schuss.
Das neue Motto lautet nun “Mach, was wirklich zählt” und soll die Sinnhaftigkeit der Bundeswehr in den Fokus rücken. Mit verschiedenen mehr oder weniger provokanten Sprüchen, wie “Wahre Stärke findest du nicht zwischen zwei Hanteln“,”Grünzeug ist auch gesund für deine Karriere“, “Bei uns geht es ums Weiterkommen. Nicht nur ums stillstehen.” und “Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein kannst” wirbt die Bundeswehr auf über 30.000 Plakaten, fünf Millionen Postkarten sowie Riesenpostern in elf deutschen Städten um den Nachwuchs.
Ist ja Fachkräftemangel, ne?
Ein Gehirn findet man bei der Bundeswehr auch nicht zwischen zwei Hanteln. #DomainGate pic.twitter.com/f1dopVehsg
— pascal (@keineHobbies) 4. November 2015
“Junge Menschen fragen heute immer mehr nach dem Sinn ihrer Arbeit und was ihnen diese neben einem Einkommen eigentlich bringt. Darauf haben wir in der Bundeswehr starke Antworten“, wird Dirk Feldhaus, Beauftragter für die Kommunikation der Arbeitgebermarke Bundeswehr, auf der Bundeswehr-Website zitiert. Und weiter “die Bundeswehr bietet als Arbeitgeber vielfältige und attraktive Möglichkeiten.” Natürlich ist bei einer solchen Employer-Branding-Kampagne bzw. der dazugehörigen Microsite, die jungen Menschen für das Berufsbild des Soldaten begeistern soll, kein Platz für Waffen und Töten.
Natürlich, denn jeder vierte Freiwillige bricht seinen Wehrdienst vorzeitig ab. Der raue Ton auf dem Kasernenhof, der Drill und die geforderte Disziplin machen es vielen schwer, ihre Grundausbildung zu Ende zu bringen. Vom geforderten Gehorsam, den manche als Schikane erleben und den strengen Hierarchien, die immer wieder auch als Machtmissbrauch erlebt werden, ganz zu schweigen.
Kein Platz für die Realität
Allenfalls ist in den Videos mal die Rede von “Munition” – dies aber in Form von “Altlasten” aus vergangenen Weltkriegen, die geborgen werden. Oder von “Luftkampf” und “Auslandseinsatz”. Wie dieser aussehen könnte, bleibt außen vor. Dafür hat man aber im Job “definitiv viel Spaß”. Und freut sich daran, dass man “fast jeden Tag die Sonne sieht”. Schöne heile Welt der Bundeswehr.
Und damit das Diktat unseres Verteidigungsministers auch umgesetzt wird (zeigen, dass die Bundeswehr ein attraktiver Arbeitgeber ist und man dort Kind und Waffe Karriere miteinander vereinbaren kann), kommen auch ganz viele weibliche Soldaten, also Soldatinnen (der größter Traum es schon immer war, zur Bundeswehr zu gehen), zu Wort.
Man ist so überzeugt von dieser Kampagne, dass es sogar kostenlose T-Shirts gab.
In einer Auflage von 10.000 Stück wurden diese an den Mann respektive die Frau gebracht (alles auf Kosten des Steuerzahlers wohlgemerkt), die Nachfrage war aber so groß, dass die Shirts binnen weniger Stunden vergriffen waren (es soll aber wohl eine Neuauflage geben).
Keine Frage, die Kampagne ist toll umgesetzt. Die Videos vermitteln in nicht einmal zwei Minuten wirklich tolle Einblicke in den Alltag eines Jet-Piloten, hoppla, einer Jet-Pilotin, eines IT-Spezialisten oder auch einer Gebirgsjägerin bei der Bundeswehr.
Auch die ergänzenden Infos sind klasse aufbereitet. In modernster und kreativ-verspielter Parallax-Technologie werden die Daten und Fakten zu den einzelnen Berufen dargestellt. Alles tip-top! Aber. Und Sie wissen ja, alle Sätze vor aber sind gelogen, was nun wirklich das Bild trübt, ist die Tatsache, dass viele Dinge einfach ausgeklammert werden. In der Bundeswehr dienen Soldaten. Und diese haben nun mal auch die Aufgabe, die unschönen Jobs zu erledigen, die nun mal dazu gehören. Wer erinnert sich nicht an die Einsätze in Afghanistan, bei denen viele Menschen umkamen – Bundeswehrsoldaten eingeschlossen. Nicht wenige haben von diesen (und anderen) Einsätzen posttraumatische Belastungsstörungen mit nach Hause und in die Familie gebracht. Hilfe erhalten diese Menschen von offiziellen Stellen kaum. Vielleicht sollte man von 10 Millionen Werbe-Etat ein bissl was umschichten?
Es ist eben nicht Friede, Freude, Eierkuchen bei der Bundeswehr. Das ist es eigentlich bei keinem Arbeitgeber. Wenn ich also widrige Arbeitsbedingungen habe, so sollte ich diese auch thematisieren. Was bringt es, die Realität in einer Kampagne auszuklammern, wenn mit selbiger man dann im Arbeitsalltag konfrontiert wird? Der Bewerber/Mitarbeiter ist im Zweifelsfall schneller weg, als man bis drei zählen kann und die Suche geht wieder von vorne los.
Ein halbwegs gebildeter Mensch mit gesundem Menschenverstand weiß, dass es bei der Bundeswehr hart zur Sache geht. Fraglich ist aber, ob jeder potenzielle Bewerber diesen gesunden Menschenverstand mitbringt und die Schönfärberei einer manipulierten Arbeitgebermarkenkreation hinterfragt. Natürlich nicht. Er glaubt, was er in der Werbung sieht. Und wundert sich dann am Schluss, dass die Berge gar nicht so hoch, der Himmel nicht so blau, die Wälder so grün sind, wenn sich über all das der blutige Schleier des Krieges legt.
Ach, da lob’ ich mir doch die Kampagne des Österreichischen Bundesheers:
Natürlich nicht.
Wie wird Markenstratege Klaus-Dieter Koch in dem unbedingt lesenswerten Artikel “Schmeißt die Typen einfach raus” so treffend zitiert? Ziel einer (Arbeitgeber-)markenkampagne muss es sein, den “Abstand zwischen Versprechen und Leistung möglichst klein zu halten“. Weiter sagt er, “Zeigen Sie Ecken und Kanten. Das wird von Talent gesucht, das zieht Talent an.” Ecken und Kanten sucht man bei der neuen Kampagne der Bundeswehr vergeblich. “Bei keinem einzigen der auf der Microsite vorgestellten Berufsbilder, wird ein Schuss abgefeuert. Vielleicht will man ja vermeiden, die vermutlich noch etwas scheuen Nachwuchskräfte zu verschrecken.”, schreibt der Bendler-Blogger. Ja, darum geht es wohl. Die Nachwuchskräfte nicht zu verschrecken. Da geht aber der Schuss (der ja nicht abgegeben wird) nach hinten los.
Employer Branding für die Tonne
Insofern passt das Bild eigentlich ganz gut, welches ich im eben auf dem Weg zum Büro geschossen habe.
Employer Branding für die Tonne eben…
Domi
Nicolas Scheidtweiler
Bundeswehr Personalmarketing: die Gegenkampagne - saatkorn.
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Carina
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