Stellenanzeigen: Von Referenten, Wiederkäuern und einem Freifahrtschein, der keiner ist

Lesezeit: 8 Min. PersonalmarketingRecruitingStellenanzeigen

Immer wieder höre und lese ich, dass das Zeitalter des “Post & Pray” vorbei ist (also Stellenanzeige schalten und sich bequem zurück lehnen, bis sich der lästige Bittsteller Bewerber, der es gar nicht abwarten kann, sich auf gesichtslose und inhaltsleere Stellenanzeigen zu bewerben, meldet). All diesen Unkenrufen zum Trotz (denen ich in der Regel aus gutem Grund widerspreche) muss ich den Verkündern dieser Botschaft wider Willen entgegen kommend erwidern: Ja, ihr habt Recht. Zumindest so lange Stellen so ausgeschrieben werden, wie im Folgenden. Z. B. für Referenten. Oder Wiederkäuer. Oder Schweine.

Eine der für die Goldene Runkelrübe nominierten Stellenanzeigen ist die für einen “Referenten”. So steht es da im Stellentitel. Mehr nicht.* Was aber macht eigentlich so ein Referent? Da stellen wir uns ganz dumm und machen, was wir immer machen: wir fragen Frau Google oder Mister Wikipedia. Eine(r) von beiden muss es schließlich wissen. Apropos Google: Wussten Sie eigentlich, dass ein Großteil der Bewerber direkt nach Stellenangeboten googelt, also sich den Weg über die Stellenbörse spart? Laut einer Careerbuilder-Studie sind das sogar 85 Prozent.

Bewerber nutzen verschiedene Kanäle zur Jobsuche - vor allem aber Suchmaschinen. Quelle - Careerbuilder

Aber bevor ich schon zu Beginn abschweife – was ist eigentlich ein Referent?

Hier mal eine Auflistung dessen, was Wikipedia sagt (einige Erklärungen habe ich schon mal per se ausgeschlossen):

Referent oder Referent?

Sie sehen also die Bandbreite ist groß. In den meisten Fällen können wir uns glaube ich darauf einigen, dass es sich bei den in den Stellenangeboten ausgeschriebenen Referentenpositionen um “höhere Sachbearbeiter, meist mit absolviertem Studium” handelt. So weit, so gut. Demzufolge spricht auch nichts dagegen, Referentenpositionen auszuschreiben. Konsultiert man die ein oder andere Jobbörse, so werden einem Referentenjobs jeglicher Couleur angeboten. Hier eine kleine (!) Auswahl:

  • Referent Qualitäts- und Prozessreporting,
  • Referent Marktforschung,
  • Referent Zoll/Exportkontrolle,
  • Referent Erdgasplanung,
  • Referent Kennziffer 2014/322-96/C (die ist wirklich so ausgeschrieben!),
  • Referent Talentmanagement,
  • Referent für politische Bildung und Öffentlichkeitsarbeit,
  • Referent im Direktorium,
  • Senior(!)-Referent im Meldewesen,
  • Referent Konzernrechnungslegung,
  • Kreditreferent,
  • PR-Referent,
  • Referent Interne Kommunikation,
  • Junior(!)-Referent der Geschäftsführung,
  • Referent Capital Markets,
  • Projektreferent Rollout-Monitoring,
  • Referent Ambulante Versorgung,
  • Referent CTO,
  • Rheinland-Pfalz: Referent (was macht eigentlich ein Rheinland-Pfalz-Referent?),
  • Referent Compliance Management,
  • Referent Human Resources – Mitarbeiterbetreuung (warum schreibt man nicht Personalreferent, anstatt Referent Human Resources?),
  • Referent für den Bereich Haushalt und Finanzen,
  • Referent Preismanagement für den Bereich Kalkulation und Beschaffung,
  • Referent Accounting EMEA,
  • Referent für unseren Bereich Risk Decision,
  • Referent Marketingkommunikation Media Relations-befristet,
  • Referent Europäische Korridoraktivitäten Fahrplan,
  • Referent Business Development,
  • Programmreferent (!) für das Entsendeprogramm,
  • Senior(!)referent Lean Management,
  • QA Referent Auditing und CMO Surveillance,
  • Referent Personalentwicklung,
  • Referent Bauunterhalt,
  • Referent Qualitäts- und Prozessreporting,
  • Referent Market Insights,
  • Referent Spenderbindung,
  • Referent Zählerfernauslesung/Meter-Data-Management,
  • Bundesjugendreferent
  • usw. usw.

Hübsche Wortschöpfungen dabei, oder? Ich könnte jetzt den ganzen Tag so weitermachen. Vielleicht schreibe ich demnächst mal ein Buch über die fantasievollsten Jobtitel. Mal sehen. Eins wenigstens ist an diesen Stellentiteln durchaus positiv zu bewerten: Es wird nicht einfach nur ein Referent gesucht. Nein, man versucht einem Bewerber zusätzliche Orientierung zu geben und streut noch ein paar Schlüsselbegriffe ein. Und sucht eben einen Referenten Ambulante Versorgung. Oder einen Referenten Zählerfernauslesung/Meter-Data-Management. Oder einen Programmreferent für das Entsendeprogramm (hier gefällt mir besonders gut, dass die Stelle vom “Deutsches Youth For Understanding Komitee” ausgeschrieben wurde. Das gibt es wirklich! Aber irgendwie widersprechen sich der Stellentitel und der der ausschreibenden Organisation. Oder verstehen Sie, wen die eigentlich suchen?). Weil, klar: Wenn ein Bewerber einen Job sucht, googelt der genau nach diesen Begriffen. Möchte ich Referent Zählerfernauslesung werden, so google ich genau diese Begriffskombination. Oder schaue in der Stellenbörse. Natürlich nicht!

An dieser Stelle daher mal ein fettes Lob an die Kollegen in all den Jobbörsen, die die allzu leichtfertige Handhabung von Stellentiteln durch Personaler bei der Rubrizierung irgendwie wieder gerade rücken, das in den Brunnen gefallene Kind hochholen, trocken legen und der “richtigen” Kategorie zuordnen müssen. Dass das nicht immer glatt läuft, ist klar. So war dann auch der Referent Reservierung Spezial seinerzeit unter Jobs im Finanzwesen verschlagwortet als “Referent Steuern” zu finden (kann natürlich auch sein, dass der ausschreibende Personaler gar nicht wusste, um was es sich handelte und nach bestem Wissen und Gewissen handelte. Dann allerdings hätte ihn die Tatsache stutzig machen sollen, dass da ein Aktuar gesucht wurde. Also ein Versicherungsmathematiker. Der wiederum aber nichts mit Steuern zu tun hat).

Eins muss Ihnen nämlich unbedingt mal bewusst werden: Eine Online-Stellenanzeige unterscheidet sich maßgeblich von einer Print-Stellenanzeige – zumindest was die Auffindbarkeit angeht. Und die Auffindbarkeit ist das wichtigste Kriterium einer Stellenanzeige überhaupt!

Auffindbarkeit ist der wichtigste Aspekt einer Online-Stellenanzeige - Quelle stellenanzeigen.de

Wird Ihre Stellenanzeige nämlich nicht gefunden, nützt Ihnen die tollste Präsentation und bewerberwertschätzende Ansprache nichts.

Während Sie nämlich in einer Zeitung oder einem sonstigen Printprodukt die gesamte Anzeige auf einen Blick sehen (und hier der optische Eindruck zählt), ist es bei der Online-Stellenanzeige der Jobtitel. Denn wenn Sie nach Stellenanzeigen googeln oder eben in einer Stellenbörse suchen, wird Ihnen (zumindest im Idealfall) zunächst einmal der Stellentitel angezeigt. Zuzüglich Einsatzort und Veröffentlichungsdatum. Ggf. versucht sich die Jobbörse noch weitere Infos aus der Offerte zu ziehen. Also müssen Sie den Jobtitel so gestalten, dass er auch von einem Bewerber gefunden werden kann (und nicht von Ihnen, respektive einem mit den unternehmensinternen Begrifflichkeiten Vertrauten). Eigentlich ganz klar, oder?

Suchergebnisse nach Stellenangebot Referent auf Jobware und Google

Referent Klima, Boden, Luft

Ein paar Beispiele: Der Flughafen München sucht einen “Referenten Klima, Boden, Luft (Senior)”. Ernsthaft. Wer aber sucht offensiv genau nach dieser Stellenbezeichnung?

Stellenangebot Referent Klima, Boden, Luft Senior - Flughafen München

Wie wäre es stattdessen mit “Referent Klimaschutz”, ggf. mit dem Zusatz München. Schließlich soll der Bewerber ein “einschlägiges Hochschul- oder Fachhochschulstudium mit Schwerpunkt Klimaschutz” aufweisen und der Job ist in München. Und was haben eigentlich und Bildmotiv und der Claim “DenkSportler” mit der Stelle zu tun? Hm. Als Referent in die Luft gehen? Als Senior für ein gutes Klima in dem offensichtlich recht jungen Team sorgen und für Bodenhaftung sorgen? Mal eine ganz andere Frage, die gerade bei mir aufpoppt: Verstößt so ein Bildmotiv eigentlich gegen das AGG, werden da nicht eindeutig ältere Mitarbeiter benachteiligt (sehen Sie einen?) – und soll daher der Nachschub “(Senior)” quasi einen Versuch darstellen, dass AGG auszuhebeln? Ansonsten hätte man die Stelle ja auch gleich als Senior-Referent ausschreiben können. Hätte, hätte, Fahrradkette.

Und was macht eigentlich ein Referent Europäische Korridoraktivitäten Fahrplan? Irgendwas mit Fahrplänen wahrscheinlich. Das Ganze im Europäischen Korridor, klar. Aber sucht jemand danach? Und ist eigentlich der potenziellen Zielgruppe klar, was die Bahn eigentlich von einem will? Bzw. für wen der Job gedacht ist?

Referent Europäische Korridoraktivitäten

Nun, auf jeden Fall ist das wahrscheinlicher als in den folgenden Fällen, wo wieder die Jobbörsen gefragt sind, den jeweiligen Job der richtigen Kategorie zuzuordnen.

Warum wird eine Stelle als “Referent”, die im Bereich Artenschutz und Landschaftspflege angesiedelt ist, nicht als “Referent Artenschutz und Landschaftspflege” ausgeschrieben? Das würde die Auffindbarkeit signifikant erhöhen…

Stellenanzeige Referent Artenschutz, Landschaftspflege

Warum wird eine Stelle als “Referent” ausgeschrieben, wenn es hierbei um die Förderung von Nachwuchswissenschaftlern geht? Wie wäre es mit “Referent Nachwuchsförderung” oder “Referent Forschungsförderung” oder dergleichen. Auch hier wäre die Wahrscheinlichkeit deutlich größer, dass sie von jemandem gefunden wird, der sich damit auskennt, als würde man die Stelle nur als Referent ausschreiben.

Referent Nachwuchsförderung

Semantische Suchtechnologie ist kein Freifahrtschein!

Wer, bitteschön, soll eine Stelle wie “Referent/-in in der Abteilung 4, Referat 41” oder “Referentin/Referent im Referat 14” finden? Nun ist es natürlich gut, dass semantische Suchtechnologie auch Einzug in die Jobsuchmaschinen respektive Jobbörsen gehalten hat. Diese Technologie extrahiert grob in die Tüte gesprochen Informationen aus einer Vielzahl von Textzeilen, indem wesentliche sprachlichen Beziehungen zwischen Wörtern und deren Bedeutung analysiert werden. Weil die semantische Job-Suchtechnologie nicht nur nach dem eigentlichen Inhalt, sondern auch nach dessen Bedeutung sucht (und dadurch auch verwandte Wörter anzeigt), werden “intelligentere” Resultate geliefert. Hier werden dann bspw. nicht nur Suchergebnisse für Referent, sondern auch für Sachbearbeiter oder verwandte Jobs angezeigt. Sucht man bspw. nach Geschäftsführer, so werden dann auch Begriffe wie CEO, Geschäftsführer, Technischer Leiter, General Manager etc. in die Ausgabe der Suchergebnisse mit einbezogen. Auf diese Weise werden die Effizienz und Effektivität der Jobsuche deutlich erhöht.

Und das ist auch gut so: Ansonsten würden Bewerber und Unternehmen nämlich in die Röhre schauen. Bewerber, weil sie auf ihre intuitiv und nach ihrer Ausbildung und Erfahrung gestellten Suchanfragen keine Jobs angezeigt bekämen und Unternehmen, weil sie keine Bewerber bekämen. Dieses Wunderwerk der Technik ist allerdings kein Freifahrtschein für Unternehmen! Denn sich jetzt ausschließlich auf diese Technologie zu verlassen und bequem zurückzulehnen, auf die Jobbörsen zu setzen und weiter mit austauschbaren oder wenig aussagekräftigen Stellentiteln zu operieren, wäre allerdings der falsche Weg. Besser wäre es, sich zu überlegen, was für eine Stelle man für wen ausschreibt (wie heißt es so schön? Und das gilt für alle Maßnahmen der Personalkommunikation: It’s the Zielgruppe, stupid! Oder, um es auf den Punkt zu bringen: It’s the motherfucking Zielgruppe, stupid!). Und wie diese dann heißen könnte. Und dies dann zu kommunizieren. Und auf kreative Ergüsse à la “Sprudelnder Agenturgeschäftunderwritingprofi” oder “Großeganzeseher” zu verzichten.

Ansonsten kann so eine Stellenausschreibung nämlich auch ganz schnell mal falsch verstanden werden. Offensichtlich werden hier Wiederkäuer oder Schweine gesucht. Oder wie würden Sie diese Anzeige interpretieren?

Wiederkäuer oder Schweine

Sie wollen, dass so etwas aufhört und die Unternehmen mehr Bewusstsein in der Kommunikation mit dem Bewerber entwickeln? Dann nutzen Sie die Gelegenheit und melden Sie sich jetzt noch schnell für die Jury der Goldenen Runkelrübe – dem Award für peinliches Personalmarketing – an!

*Bei der für die Goldene Runkelrübe nominierten Stellenanzeige handelt es sich im Übrigen um eine Position als Referent Social Media. Auf den ersten Blick wird dies leider nicht ersichtlich.

Kommentare (8)

Google for Jobs: Alles, was Sie über Googles Jobsuche wissen müssen

[…] aber weil es eben für ein und dieselbe Stelle durchaus abweichende Rollentitel geben kann oder weil man vielleicht etwas unpräzise war, das soll ja […]

Google for Jobs erobert Deutschland: Was Sie jetzt wissen müssen

[…] aber weil es eben für ein und dieselbe Stelle durchaus abweichende Rollentitel geben kann oder weil man vielleicht etwas unpräzise war, das soll ja […]

Exzellente Stellenanzeigen sind so rar, wie exzellenter Kaffee.

[…] Die Bezeichnung Personalreferent ist in etwa genauso spezifisch wie die des Referenten. Daher verweise ich hier auf den dazugehörigen Artikel. Auch hier gilt: Ein Jobtitel sollte […]

Stellentitel: Von Ninjas, Nerds und Superhelden

[…] Ressourcen-Manager„? Ganz besonders beliebt auch der „Referent“ (und dies nicht nur für Wiederkäuer und Schweine). Und wenn es ganz kreativ und außergewöhnlich werden soll, müssen eben (Super-)Helden, Ninjas […]

Ihre Bewerbung als Arbeitgeber: Der erste Eindruck zählt

[…] tun, einen eindeutigen Stellentitel zu verwenden, der die Aufgabe bzw. die Rolle klar beschreibt. Nur Mitarbeiter, Sachbearbeiter oder Referent ist also etwas dünn. Ninjas, Gurus, Superhelden und ähnlich kreative Ergüsse sind ebenfalls tabu. Verlassen Sie sich […]

Misch

Köstlich... Herzlichen Dank für diese tolle Zusammenfassung.

personalmarketing2null

Danke, Matthias! Auch für die interessante Ergänzung! Und, ja, auch ich bezweifle das ;-) Gruß nach Berlin!

Matthias Lissner

Mal wieder eine exzellente Auslese, Henner! :-) Einen Punkt sollte man meiner Meinung nach noch erwähnen: Ein Argument für kurze Anzeigentitel ist die Funktionsweise bzw. das Ranking verschiedener Suchmaschinen. Wenn Du davon ausgehst, dass das Ranking in den Suchergebnissen zu einem hohen Grad von der Treffergenauigkeit beim Titel der Stellenanzeige abhängt, und wenn man weiterhin berücksichtigt, dass die Mehrheit der Nutzer erfahrungsgemäß 1-2 Begriffe bei der Suche verwendet, dann haben kurze Jobtitel durchaus ihre Daseinsberechtigung, da sie eher einen exakten Treffer erzielen. Längere, informativere Anzeigentitel haben somit beim Ranking das zumindest teilweise das Nachsehen. Ob dies allerdings tatsächlich der Grund für die Titelwahl bei deinen Beispielen ist, wage ich dennoch zu bezweifeln. :-)
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Moin! Ich bin Henner Knabenreich. Seit 2010 schreibe ich hier über Personalmarketing, Recruiting und Employer Branding. Stets mit einem Augenzwinkern oder den Finger in die Wunde legend. Auf die Recruiting- und Bewerberwelt nehme ich auch als Autor, als Personalmarketing-Coach, als Initiator von Events wie der HR-NIGHT oder als Speaker maßgeblich Einfluss auf die HR-Welt. Sie möchten mich für einen erfrischenden Vortrag buchen, haben Interesse an einem Karriere-Website-Coaching, suchen einen Partner oder Berater für die Umsetzung Ihrer Karriere-Website oder wollen mit bewerberzentrierten Stellenanzeigen punkten? Ob per E-Mail, XING oder LinkedIn - sprechen Sie mich an, ich freue mich auf Sie!
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