04. November 2014
Betriebliches Gesundheitsmanagement und Arbeitsplatzgestaltung als Employer Branding-Baustein
Lesezeit: 10 Min. Employer BrandingHR
Wie wir alle wissen (zumindest, die, die es wirklich wissen), lässt sich eine Arbeitgebermarke nicht innerhalb von wenigen Wochen oder Monaten kreieren. Vielmehr wächst sie über einen langen Zeitraum und ist immer im Kontext der Unternehmensmarke zu sehen. Außerdem fängt Employer Branding von innen an. Und genau wie in einem gesunden Körper ein gesunder Geist steckt (oder war es umgekehrt), funktioniert ein „gesunder“ Arbeitgeber nur mit gesunden Mitarbeitern. Denn Employer Branding ist mehr als nur nach außen gerichtet. Sie kommunizieren zwar das Arbeitgeberversprechen, entscheidend als Basis sind aber (wie im richtigen Leben auch) die inneren Werte. Wie diese Basis gelegt wird und welche Auswirkungen diese inneren Werte haben, zeigt sehr schön das Beispiel AbbVie aus Wiesbaden.
Äbb – wie? Werden Sie jetzt fragen. Nein, AbbVie, werde ich sagen. Im Übrigen geht es Ihnen da wie vielen da draußen. AbbVie kennen wie viele Hidden Champions nur die Eingefleischten im Markt. Sie wollen als Arbeitgeber mehr als nur die erreichen, nämlich die, die Sie noch nicht auf dem Schirm haben und diese dann für sich begeistern. Aber zurück im Text. Wer oder was ist eigentlich AbbVie?
AbbVie ist aus dem Unternehmen Abbott entstanden, das 1888 gegründet wurde. Am 1. Januar 2013 wurde dann das neue BioPharma Unternehmen gegründet. Abbvie Deutschland hat seinen Hauptsitz in Wiesbaden, seinen Forschungs- & Produktionsstandort in Ludwigshafen und eine Repräsentanz in Berlin. Ich hatte das Glück, während des Wiesbadener Wirtschaftsdialogs – einer Veranstaltung der Wirtschaftsförderung Wiesbaden – Einblicke ins Unternehmen zu bekommen. Ich war begeistert von der Atmosphäre und den Räumlichkeiten, durch die Mitarbeiter die Besucher führten.
Moderne Bürokonzepte fördern das Wohlbefinden der Mitarbeiter
Tatsächlich wirken sich solch moderne Bürokonzepte konkret auf die Leistungen von Mitarbeitern aus, wie verschiedene Studien belegen. So sind in (herkömmlichen) Großraumbüros bspw. die Fehlzeiten signifikant höher als in kleineren Büros. Auch kann die Leistungsfähigkeit durch Büro-Lärm stark sinken und die Produktivität der Mitarbeiter lässt aufgrund negativer Auswirkungen auf Psyche und Gesundheit nach. Generell hat es Auswirkungen auf die Arbeitsleistung, wenn die Kollegen laute Privatgespräche führen, während man selbst unter Zeitdruck an wichtigen Präsentationen arbeitet oder an Excel-Listen rumschraubt. Sicherlich ist das nicht überall so, aber der ein oder andere hat das bestimmt schon erlebt. Dass man so etwas in den neuen Räumlichkeiten von AbbVie erlebt, dürfte allerdings kaum passieren, weil bei der Konzeption der Arbeitsplätze bspw. schallschluckende Materialien verbaut wurden und auf neueste ergonomische Aspekte geachtet wurde. Auch haben Mitarbeiter die Möglichkeit, sich für Besprechungen in Think Tanks zurückzuziehen.
Ohnehin tut man dort viel für das Wohlbefinden der Mitarbeiter. Denn natürlich hat man dort erkannt, dass nur ein gesunder und zufriedener Mitarbeiter sich wohlfühlt – was sich natürlich wiederum auf seine Arbeitsleistung aber auch auf die Reputation des Arbeitgebers auswirkt.
Kurz: hier möchte man gerne arbeiten. Grund genug also, einmal nachzuhaken, welche Maßnahmen AbbVie ergreift und wie diese von den Mitarbeitern angenommen werden bzw. welche Auswirkungen diese haben. Dazu habe ich Manfred Koch, seines Zeichens HR Director Germany, befragt.
Herr Koch, AbbVie betreibt umfangreiches betriebliches Gesundheitsmanagement. Was war die Intention für diese Maßnahmen?
Schon bei Abbott war der Ansatz als Gesundheitsunternehmen, nicht nur für Patienten da zu sein, sondern auch eine besondere Verantwortung für die Mitarbeiter zu übernehmen und sich mit einem entwickelten Gesundheitsmanagement zu differenzieren. Mit der Gründung von AbbVie hat dieses Thema noch einmal verstärkt Fahrt aufgenommen: Als forschendes BioPharma Unternehmen sind wir noch stärker auf hervorragend ausgebildete und engagierte Talente angewiesen. Wir wollen unseren Mitarbeitern attraktive Arbeitsverhältnisse mit spannenden und herausfordernden Tätigkeiten bieten, die die Gesundheit und Lebensqualität von Patienten verbessern.
Wie sehen diese Maßnahmen konkret aus. Können Sie meinen Lesern Beispiele geben?
Unsere Gesundheitsangebote sind sehr vielfältig und reichen von der betriebsärztlichen Versorgung über Gesundheitskampagnen bis hin zu Sport-, Bewegungs- und Entspannungsangeboten. Sie stehen grundsätzlich allen Mitarbeitern zur Verfügung und sind Teil unseres Verständnis vom betrieblichen Gesundheitsmanagement als Teil des strategisches Unternehmensziels „Great & Healthy Place to Work“. Dazu gehören bspw. eine umfassende betriebsärztliche Versorgung mit Schwerpunkt auf der Rehabilitation und Wiedereingliederung erkrankter Beschäftigter. Ferner bieten wir regelmäßige Gesundheitskampagnen an. Über die Durchführung der vorgeschlagenen Maßnahmen wird im Arbeitskreis Gesundheit entschieden, dort werden die Ergebnisse auch vorgestellt und bewertet. Dazu gehören dann Angebote wie Nichtraucher-Seminare, Augengesundheit, Hautkrebsscreening, Übergewicht, „Obst statt Kekse“, Treppe statt Aufzug – hier werden statt des Aufzugs die Treppen genutzt, das stärkt das Herz-Kreis-Laufsystem, aber auch Entspannungsräume mit kostenfreien Massagesesseln und Business Yoga gehören dazu. Außerdem bieten wir ein umfangreiches Sportprogramm an.
Uns ist bewusst, dass Menschen aktiver und leistungsfähiger sind, wenn sie sich wohlfühlen. Das gilt im privaten Umfeld ebenso wie im beruflichen. Darum bieten wir Arbeitsbedingungen, die Mitarbeiter in ihrer Flexibilität und Kreativität unterstützen, den offenen Austausch fördern und gleichzeitig konzentriertes Arbeiten ermöglichen.
Wie wurden die Maßnahmen erarbeitet und wer war daran beteiligt?
Der effektive Kickoff erfolgte quasi in 2008 mit dem Strategiepapier „Mitarbeiterfürsorge, Familienfreundlichkeit und soziale Verantwortung“. Als Steuerungsgremium für das BGM fungiert unser Arbeitskreis Gesundheit. Das Gremium setzt sich neben den beiden Geschäftsführern und mir als HR Director noch aus den Betriebsärzten, Vertretern des Betriebsrats, dem Schwerbehinderten-Vertreter, sowie je einem Vertreter von Arbeitssicherheit und der Unternehmenskommunikation zusammen.
Unter anderem wurde in diesem Rahmen 2012 eine umfassende Gesundheitsumfrage mit Schwerpunkt auf der arbeitsbezogenen Gesundheit, psychischen Belastungen und der Work-Life-Balance durchgeführt. Eine Wiederholung der Gesundheitsumfrage ist in zweijährigem Rhythmus geplant und fand gerade im September wieder statt. In Workshops mit den Mitarbeitern wurden viele Vorschläge für erweiterte Gesundheitsangebote generiert, die in einem umfassenden Prozess auf Abteilungs-, Bereichs- und Unternehmensebene durch HR konsolidiert wurde. Diese bilden die Basis für viele Programme, die in den letzten Monaten eingeführt wurden. Da es natürlich auch wichtig ist, nicht nur „Gutes zu tun, sondern auch darüber zu reden“, haben wir ein Kommunikationskonzept aufgesetzt, um die vielen ins Leben gerufenen Programme und die dahinter stehende Konzeption an alle Mitarbeiter zu bringen. Die Führungskräfte waren dabei der wesentliche Schlüssel zum Erfolg.
Kommuniziert werden diese Maßnahmen u. a. auch durch unsere HR Demografie Toolbox. Hier finden unsere Mitarbeiter alle wichtigen Informationen für die Umsetzung.
Betriebliches Gesundheitsmanagement als Teil der Employer Branding-Strategie
Wie ist die Wirkung – intern, auf die Mitarbeiter, auf die Prozesse, Mitarbeiterzufriedenheit, Produktivität, Fluktuation etc. – extern, auf die Bewerber?
Wir haben in den letzten drei Jahren erreicht, dass das Betriebliche Gesundheitsmanagement zu einem allseits akzeptierten strategischen Element und Erfolgsfaktor geworden ist und entsprechend unterstützt und gefördert wird.
So kann das Projekt insgesamt als ein Meilenstein auf dem Weg zu einem strategisch sehr gut aufgestellten BGM bezeichnet werden – und so wird es auch durch unsere Mitarbeiter gesehen. Für unser herausragendes Engagement für die Gesundheit unserer Mitarbeiter sind wir im Jahr 2012 mit dem Exzellenz-Siegel des „Corporate Health Award“ ausgezeichnet worden. Damit zählen wir mit unserem betrieblichen Gesundheitsmanagement offiziell zu den Besten bundesweit, worauf wir natürlich sehr stolz sind.
Wir haben ein umfassendes System von Personalkennziffern, die wir regelmäßig tracken. Demnach haben sich bspw. sowohl Krankenstand als auch Fluktuation positiv verbessert. Daneben bewerten wir alle unsere Gesundheitsprogramme nach Nutzung, Zufriedenheit, Reichweite und Relevanz für die Mitarbeitergesundheit. Auch hier konnten wir bei unseren Mitarbeitern punkten.
Für qualitative Messungen insbesondere der generellen Mitarbeiterzufriedenheit nutzen wir die Great Place to Work Umfrage, wo wir tolle Ergebnisse bei der erstmaligen Teilnahme in 2013 aufzuweisen hatten und ganz weit vorne landeten. Inzwischen sind die Maßnahmen so etabliert und positiv besetzt, dass wir die Ergebnisse in Employer Branding Maßnahmen einbauen, um AbbVie auch bei Bewerbern in dem Sinne positiv bekannt zu machen. Hierbei hilft uns auch die Auszeichnung „Corporate Health Award“, die wir auch für dieses Jahr wieder anstreben und dann auch im Employer Branding aktiv einsetzen werden.
Betriebliches Gesundheitsmanagement ist schön und gut. Aber nur dann nachhaltig, wenn wirklich für alle Mitarbeiter die gleichen Gegebenheiten herrschen. Auch muss die Unternehmensführung zu 100% hinter solchen Maßnahmen stehen und die Unternehmenskultur so etwas ermöglichen. Wie ist das bei AbbVie?
In der Tat ist die 100%ige Unterstützung der beiden Geschäftsführer sowie des HR Directors elementar wichtig, sodass das Thema intern glaubwürdig gelebt und gefördert wird und in dem Sinne auch Einzug in die externe Positionierung in Form einer „Arbeitgebermarke“ finden kann. Wir nutzen das immer mehr und unsere Mitarbeiter sind die besten Botschafter dafür – denn sie erleben es bereits im Alltag.
Ohne jede Frage können Unternehmen mit durchdachtem betrieblichem Gesundheitsmanagement im „War for talents“ punkten. Die Potenziale werden offenbar noch längst nicht von allen Arbeitgebern erkannt. Welche Empfehlungen geben Sie einem Unternehmen, wie es sein betriebliches Gesundheitsmanagement optimieren kann und warum es diese Schritte unbedingt einleiten sollte?
Jedes Unternehmen hat seine eigenen Voraussetzungen. Diese hängen z. B. mit dem Geschäftszweck, der Mitarbeiterstruktur, den Zugangsmöglichkeiten zum Arbeitsmarkt für Talente, spezifischen Arbeits-bedingungen, der Unternehmenskultur und vielem mehr zusammen. Übergreifend gilt aber für alle Unternehmen, dass der demografische Wandel und die Knappheit an qualifizierten Ressourcen nicht aufzuhalten ist. Daher muss jedes Unternehmen den eigenen Weg finden, sich so aufzustellen, dass die vorhandenen Mitarbeiter zielgerichtet unterstützt werden können – auch mit passenden Maßnahmen der Gesundheitsförderung – neue Talente gewonnen werden können und die Geschäftsziele insgesamt erreicht werden.
Meine Empfehlung: Machen Sie sich zum einen bewusst, was den Mitarbeitern am wichtigsten ist. Also, auf was achten diese, was schätzen sie Wert etc. und zum anderen sollten Sie aber auch abgeleitet von strategischen Geschäftszielen definieren, was das Unternehmen und seine Mitarbeiter in der Zukunft benötigen, um erfolgreich die geschäftlichen Aufgaben bewältigen zu können. Ich halte in diesem Sinne eine firmenspezifische Differenzierung für anstrebenswert. Welche Bedeutung dabei das jeweilige betriebliche Gesundheitsmanagement einnimmt, ist individuell zu entscheiden. Es ist heute mit Blick auf die demografischen Entwicklungen aber so wichtig, dass griffige Basiskonzepte aus meiner Sicht ein Muss sind.
Eine letzte Frage: Die neuen Büroräume hier in Wiesbaden laden ja förmlich zum Arbeiten ein. Wer da keine Lust hat, ist selber schuld :-) Können Sie uns noch ein wenig zu den Hintergründen erzählen?
Das Ganze läuft unter dem Oberbegriff „Smart Working“. Wir leiten hier vier Grundprinzipien für das Leben und Arbeiten bei AbbVie Deutschland ab (speziell am Standort Wiesbaden mit dem neuen Bürokonzept):
- Flexibles Arbeiten. Unter dem Prinzip „Arbeiten unabhängig von Zeit und Raum“ fördern wir hier eine Arbeitskultur, die ein Höchstmaß an Flexibilität sichert. Das Unternehmen trägt somit unterschiedlichen Familien- und Beschäftigungsformen Rechnung.
- Vernetztes Arbeiten: Wir schaffen kreative Möglichkeiten für die Kommunikation der Mitarbeiter untereinander – auch unabhängig der dienstlichen Beschäftigung.
- Inspiriertes Arbeiten: Vor dem Hintergrund von Inspiration und Kreativität als wichtige Antriebskräfte für Innovationen bricht AbbVie Deutschland mit den herkömmlichen Konzeptionen von Bürolandschaften.
- Ausgeglichenes Arbeiten: Wir setzen uns für ein ausgewogenes Verhältnis von Arbeit und Privatleben ein und bieten hierfür zum Beispiel das schon bekannte betriebliche Gesundheitsmanagement, ein Eltern-Kind-Büro und den „Quiet Space“ für kurze Erholungsphasen auch während der Arbeit.
All diese Aspekte sind in die Gestaltung der neuen Arbeitsplätze mit eingeflossen.
Und die erwecken wirklich Lust, dort zu arbeiten. Herr Koch, vielen Dank für das Gespräch!
Alles in allem hat AbbVie also die Zeichen der Zeit erkannt. Ein spannender Arbeitgeber, den man als Bewerber auf dem Schirm haben sollte. Bei aller Euphorie, ein kleiner Wermutstropfen bleibt: Dass AbbVie so viel für seine Mitarbeiter tut, ist bis dato für viele Bewerber nicht zu erkennen. Denn auch wenn es intern heißt „Tue Gutes und rede darüber“, so gilt das nicht für die Außenkommunikation. Weder auf der Karriere-Website noch in den Stellenangeboten spürt man den Spirit, der in dem Unternehmen weht. Aber auch das, so hat mir Herr Koch versprochen, wird sich ändern!
Übrigens: In diesem Artikel habe ich beschrieben, wie Sie auch mit kleinem Budget viele BGM-Maßnahmen umsetzen können. Lassen Sie sich inspirieren!