04. Oktober 2013
Ist Facebook Scheißdreck? Oder: Fans von Fans von Fans
Lesezeit: 5 Min. Archiv
Zugegeben, meine anfängliche Begeisterung für Facebook (das war 2008) ist in den letzten Monaten stark im Schwinden. Wahrscheinlich bin ich als Generation Xer einfach zu alt für den Kram. Außerdem wird man ja mit den Jahren ab- und aufgeklärter und hinterfragt so einiges. Aber wenn jemand sagt “Facebook ist Scheißdreck“, so hat er zwar in einigen Punkten nicht ganz unrecht, macht es sich aber vielleicht zu einfach.
Dieser jemand ist niemand geringeres als Günter Grass (der mit der Blechtrommel und dem Karpfen). Dieser spiegelt mit seinen 85 Jahren alles andere als die Generation Facebook wider und ist auch nicht dort vertreten. Aber er habe viele Kinder und Enkel, da bekäme er einiges mit. Nun ja, bei etwas mitzureden, mit dem man sich nicht wirklich ernsthaft beschäftigt hat, ist ja das eine. Da kann man mal vorschnell so eine Äußerung von sich geben (so wie ich jetzt :-D). Wenn er aber sagt, “er wundere sich darüber, dass nach den Erkenntnissen aus der NSA-Affäre sich nicht Millionen Menschen von „Facebook und all dem Scheißdreck“ distanzierten, so ergeben sich durchaus Überschneidungen in unseren Meinungen.
Facebook ist Scheißdreck
Wahrscheinlich geht mir der ganze Facebook-Hype auch einfach nur deswegen auf die Nerven, weil dank Facebook & Co. eine anständige, zwischenmenschliche Kommunikation mittlerweile kaum noch möglich ist :-).
Morgens nach dem Aufstehen geht der erste Blick nicht mehr liebevoll zur Partnerin (oder umgekehrt), sondern man widmet sich als erstes Facebook auf dem Smartphone. Wenn man unterwegs ist, etwas essen, in der Kneipe oder im Club, ist man mehr auf seine Facebook-App als auf seine Umwelt konzentriert. Klar, miteinander reden wird überbewertet. Chatten ist vieeel cooler! Da kann man auch so lustige Smileys anfügen. Das kann man im wahren Leben nicht. Bei Facebook gibt’s da auch so gaaanz lustige. Und wem die nicht reichen, der kann besonders hübsche Exemplare im Sticker-Store erstehen. Schon ausprobiert?
Grund für mich, diese leidige App schon vor Monaten vom Smartphone zu entfernen. Danach fühlte ich mich deutlich besser. Leider konnte ich die beste Ehefrau von allen noch nicht davon überzeugen, gleiches zu tun. Aber was nicht ist, kann noch werden. Blöd ist das Ganze, wenn das sonstige soziale Umfeld meint, auch nicht auf Facebook verzichten zu wollen und man raus ist aus der Kommunikation. E-Mail und SMS sind ja sooo old school und man kann gucken, wo man bleibt. Wie auch immer, ich will das Ganze jetzt hier nicht weiter vertiefen.
Facebook ist einfach zu toll, das möchte ich niemanden madig machen. Und Günter Grass wird ohnehin wahrscheinlich nicht mehr lange machen. Schätze ich mal (bevor sich jetzt jemand aufregt: Das ist der natürliche Lauf der Dinge. Bei dem einen früher, bei dem anderen später). Das Tolle bei Facebook sind ja auch die Seiten. Da kann man viele feine Sachen machen, z. B. eine Karriereseite einrichten, wo man dann als Arbeitgeber Einblicke in seine Unternehmenskultur geben, sich authentisch (!) präsentieren und Sympathiepunkte beim Bewerber sammeln kann. Das kann auf jeden Fall was bringen. Hängt von verschiedenen Aspekten ab, die ich jetzt hier nicht vertiefen möchte.
Fans von Fans von Fans von…
Solch eine Seite wollte ich nun heute mal wieder anlegen. Ich weiß sehr wohl, dass es Richtlinien gibt, wenn man solche Seiten anlegt. So z. B.
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Missbräuchliche Begriffe: Seitennamen dürfen keine beleidigenden Begriffe oder Ausdrücke enthalten.
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Inkorrekte Großschreibung: Seitennamen müssen richtige, grammatikalisch korrekte Großschreibung verwenden.
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Symbole: Seitennamen dürfen keine Symbole wie „!“, „®“ oder „TM“ enthalten. Sie müssen logische und richtige Satzzeichen enthalten. Wiederholte und unnötige Satzzeichen sind nicht gestattet.
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Zu ausführliche Beschreibungen: Seitennamen dürfen weder übermäßig lang sein, noch Slogans oder überflüssige Beschreibungen enthalten. Ergänze diese Informationen im „Info“-Bereich deiner Seite.
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Variationen des Wortes „Facebook“: Seitennamen dürfen keine Variationen des Wortes „Facebook“ enthalten.
Mehr oder weniger habe ich das ja auch alles bedacht. Klar der Seitenname “Karriere-Fanpages – Kritische Betrachtung des Für und Widers einer Arbeitgeberpräsenz auf Facebook” ist definitiv zu lang. Versucht habe ich es trotzdem. Facebook war bockig und hat mir stattdessen einen anderen Namen vorgeschlagen. Den wollte ich aber nicht und habe wiederum Facebook etwas anderes vorgeschlagen: “Kritische Betrachtung einer Arbeitgeberpräsenz auf Facebook“. Wollte Facebook auch nicht. Ich bekam folgende Rückmeldung “Unser automatisches System gestattet den Namen „Kritische Betrachtung einer Arbeitgeberpräsenz auf Facebook“ nicht. Wir haben „Fans von Kritische Betrachtung einer Arbeitgeberpräsenz auf Facebook“ vorgeschlagen. Gefiel mir auch nicht und ich machte Facebook ein Friedensangebot: “Für und Wider einer Arbeitgeberpräsenz auf Facebook“. Facebook bockte: “Unser automatisches System gestattet den Namen „Für und Wider einer Arbeitgeberpräsenz auf Facebook“ nicht. Wir haben „Fans von Für und Wider einer Arbeitgeberpräsenz auf Facebook“ vorgeschlagen.” Mittlerweile entmutigt, gab ich klein bei. Ich hatte allerdings die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der heißt Facebook und gab mir folgendes zu verstehen: “Unser automatisches System gestattet den Namen „Fans von Für und Wider einer Arbeitgeberpräsenz auf Facebook“ nicht. Wir haben „Fans von Fans von Für und Wider einer Arbeitgeberpräsenz auf Facebook“ vorgeschlagen.”
Ich fühlte mich verarscht. Hätte ich dem Vorschlag zugestimmt, so wäre wahrscheinlich wieder eine Meldung erschienen, in etwa so: “Unser automatisches System gestattet den Namen „Fans von Fans von Für und Wider einer Arbeitgeberpräsenz auf Facebook“ nicht. Wir haben „Fans von Fans von Fans von Für und Wider einer Arbeitgeberpräsenz auf Facebook“ vorgeschlagen. Da mir das langsam zu blöd wurde, habe ich mich komplett umentschieden und Facebook überlistet. Aber so was von.
Um noch mal den Spruch von Günter Grass aufzunehmen: In diesem Moment dachte ich mir so, Mann der Grass hat so Recht. Tippt seine Manuskripte auf seiner alten Olivetti (Schreibmaschine – das ist so ein Gerät mit Tastatur ohne Monitor und mit Papiereinzug und Farbband, wo “just in time” bei jedem Tastenanschlag der Buchstabe sofort auf dem Papier erscheint), hat kein Smartphone, keinen Computer und auf Facebook ist er sowieso nicht. Dem bleibt dieser Scheißdreck erspart… Und für alle Zukunftsverweigerer unter uns:
In diesem Sinne, ein schönes Wochenende!
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Claudia Borgwardt