19. September 2013
In der mobilen Sackgasse? Ergebnisse der Mobile Recruiting-Studie 2013
Lesezeit: 8 Min. Karriere-WebsitesRecruiting
Mit Spannung habe ich sie erwaret, die Ergebnisse der Mobile Recruiting Studie 2013, die nach 2009 und 2011 von der Hochschule Rhein-Main (Wiesbaden) unter der Regie von E-Recruiting-Papst Dr. Wolfgang Jäger und Mobile-Recruiting-Koryphäe Dr. Stephan Böhm durchgeführt wurde. Gestern nun flatterte mir die E-Mail mit dem Link zu den Ergebnissen ins Haus (weiter unten im Text finden Sie den auch). Hier nun meine Zusammenfassung der Studie.
Zunächst einmal hat mich die (mangelnde) Resonanz überrascht. Waren es 2009 noch 367 Personen, die sich beteiligt hatten (gut, da hatte die Studie noch Pioniercharakter) und 2011 immerhin 159 Teilnehmer, so waren es dieses Jahr schlappe 108 (von 195 aufgerufenen Fragebögen), die den Fragebogen bis zum Ende ausgefüllt haben. Sind also Deutschlands Personaler dieses Themas jetzt schon so überdrüssig? Klar, wenn man zum dritten Mal zu einer Sache befragt wird, stellt sich irgendwann eine gewisse Müdigkeit ein. Das sehe ich einerseits ein. Andererseits muss man sich aber auch mal anschauen, auf welchem Level wir heute in Sachen Mobile Recruiting sind. Da hilft ein Blick auf die Untersuchung der Wollmilchsäue, aber auch ein Blick auf so manche Karriere-Website oder auch Recruiting-App holt uns schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Denn das Thema ist mitnichten Schnee von gestern. Eher aktueller denn je, wenn man sich die Entwicklung der mobilen Internetnutzung in Deutschland anschaut:
Ich persönlich sehe das aber eher ein wenig mit Sorge, weist dies doch fatale Parallelen zur “Social-Media-Müdigkeit” in Sachen Personalmarketing auf. Auch hier stelle ich fest, dass das Interesse und auch die Aktivitäten bei den Unternehmen nachlassen. Auch Konferenzen und Seminare haben mit dieser Müdigkeit zu kämpfen. Schaut man sich aber mal auf den Arbeitgeberpräsenzen Deutschlands um, so ist schnell festzustellen, dass da noch gaaaaanz viel Luft nach oben ist. Aber das soll jetzt nicht das Thema sein. Hier geht’s schließlich um die Mobile Recruiting-Studie und ihre Ergebnisse (Anmerkung am Rande: Die mangelnde Resonanz könnte evtl. auch auf den Umfang der Fragen zurückzuführen sein).
Ganz interessant bspw., welche mobilen Anwendungen bzw. Technologien im Rahmen der Bewerberansprache bekannt sind. Voll und ganz bekannt sind bspw.
- Social Media für mobile Endgeräte – 64 Prozent
- Mobile Tagging (QR-Codes) – 62 Prozent
- Mobile Web – 59 Prozent (was verstehen Sie darunter? Die mobile Karriere-Website?)
- SMS (!) – 55 Prozent
- Mobile Apps – 45,5 Prozent
Bei den Themen Augmented Reality und Mobile Gamification überwiegt sogar die Zahl derer, die die Anwendung gar nicht kennen vor denen, den diese Anwendungen bekannt sind. So haben bspw. 39 Prozent noch nie etwas von Augmented Reality gehört. Das macht gar nichts, es gibt ja auch immer noch genügend, die nicht wissen, was ein Blog ist (Sie lesen geraden eins) respektive, dass man ihn nicht “Block” schreibt. Aber auch dieses nur am Rande. Zu wissen, was etwas ist, ist das eine. Es selber einzusetzen oder zu beherrschen, das andere. So überraschen folgende Zahlen über die eingesetzten Technologien nicht wirklich:
Spannend finde ich persönlich, wie die Attraktivität der verschiedenen Umsetzungsmöglichkeiten einer mobilen Bewerbung aus Unternehmenssicht eingeschätzt wird. Hier liegen “Kontaktaufnahme über einen Anruf-Button direkt über das mobile Endgerät”, “Bewerbung über den Verweis auf ein existierendes Xing- oder LinkedIn-Profil” und die “Kontaktaufnahme über eine vorformulierte E-Mail zum Versand über das mobile Endgerät” mit jeweils rund 30 Prozent gleich auf. Die Bewerbung über ein “Bewerbungsformular zum Ausfüllen direkt am mobilen Endgerät” sammelt immerhin noch 22 Prozent ein. Wohlgemerkt, das wurde aus Sicht der Unternehmen gefragt. Nicht aus der der Bewerber. Deren Perspektive zu wissen ja nicht sooo uninteressant wäre. Aber weiter im Text.
Mobile Karriere-Website und mobil optimierter Stellenanzeige eher Mangelware
Gefragt wurde nämlich auch, ob die Unternehmen über eine mobile Karriere-Website verfügen (diese Frage zu beantworten würde voraussetzen, wie man eine solche definiert). Interessant respektive erschreckend finde ich immer solche Antworten à la “weiß nicht”. Ja, geht’s noch? Da setzt ein Unternehmen bereits mobile Technologien ein, man weiß aber nicht, welche? Oder liegt es an der Definition? Wie auch immer. Laut Studie verfügen 26 Prozent über eine mobile Karriere-Website. Die würde ich schon mal gerne sehen :-). Denn schaut man sich auf den Websites diverser Unternehmen um, so kommt mir selbst eine Zahl von 26 Prozent recht hoch vor.
Was ist so mit das wichtigste, was einen Jobsuchenden interessiert? Na? Richtig! Ein Stellenmarkt. Dieser möglichst leicht zu erreichen und gut zu bedienen. Ergo steht natürlich bei einer mobil optimierten Karriere-Website dieser im Fokus. Sollte zumindest nicht unbedingt ein Mauerblümchendasein fristen. Und wie ist da so der Stand der Dinge? Wie viele der Teilnehmer haben denn nun einen mobil optimierten Stellenmarkt? 20 Prozent sind’s. Und 57 Prozent wissen es mal wieder nicht :-).
Hier tappt der Bewerber also im Zweifelsfall in die mobile Sackgasse.
Interessant ist ja in diesem Zusammenhang auch mal zu erfahren, wie die Befragten denn nun die einzelnen Aspekte für das Mobile Recruiting einschätzen. Hier liegen mit 72 Prozent ganz klar die mobile Kariere-Website vorne, gefolgt mit 66 Prozent, die sich für den mobilen Stellenmarkt aussprechen. Apps liegen mit etwas über 20 Prozent weit abgeschlagen. Und das ist auch gut so.
Und wenn es um die Inhalte geht, die den (potenziellen) Kandidaten zur Verfügung gestellt werden, so bin ich doch etwas irritiert. An erster Stelle stehen – gleichauf – “Ansprechpartner und Kontaktmöglichkeiten” und “Allgemeine Unternehmens-/Arbeitgeberinformation”, dicht gefolgt von “Stellenangeboten”. Informationen zu Berufsbildern halten aber nur 33 Prozent für wichtig? Insbesondere vor dem Hintergrund der genannten Kernzielgruppen für das mobile Recruiting (Studenten/Absolventen 64 Prozent, Azubis 55 Prozent, Young Professionals 48 Prozent) finde ich das doch etwas befremdlich. Aber nun gut, gut informierte und damit in der Entscheidungsfindung besser versorgte Bewerber werden auch einfach überbewertet…
Gefragt nach der Bedeutung der Inhalte für eine gezielte und zufriedenstellende Bewerberansprache im Rahmen des Mobile Recruitings, nennen 71 Prozent die Stellenangebote, 59 Prozent Ansprechpartner und Kontaktmöglichkeiten. Informationen zu Berufsbildern oder Jobinformationen werden eher nachrangig gesehen. Wie war das noch mal mit dem gut informierten Bewerber?
Je mehr Infos ich ihm zur Verfügung stelle, umso genauer kann dieser sich ein Bild über Job und Arbeitgeber machen. Umso besser wird im Zweifelsfall dann auch die Passgenauigkeit sein. Und jetzt kommen Sie mir nicht damit, dass er diese Infos dann auf der Desktop-Variante nachlesen kann. Klar, kann er. Aber warum wollen Sie ihm die Gelegenheit verweigern, dieses auch mobil zu tun? Leider ist dies kein Einzelfall. Für weitere Infos wird ein Bewerber dann auf die Desktop-Variante verwiesen und damit bewusst in die mobile Sackgasse geführt. Was sich aber rächen wird.
Mobile Recruiting strategisch verankert
Nun denn. Werfen wir noch rasch einen Blick auf die Themen Strategie, Zufriedenheit, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren. Positiv überrascht hat mich die Tatsache, dass 47 Prozent der Befragten die mobilen Anwendungen zur Interaktion mit Bewerbern im Kontext einer langfristigen (Mobile-Recruiting-)Strategie einsetzen. Scheinbar also mal nicht wilder Aktionismus. Fein. Als Erfolgsfaktor beim Einsatz mobiler Anwendungen zur Bewerberansprache steht eine hohe Nutzerfreundlichkeit mit 88 Prozent an erster Stelle. Hoffentlich wird das dann auch entsprechend umgesetzt :-). Einer hohen Qualität der zur Verfügung gestellten Inhalte und Funktionen messen im Übrigen nur 57 Prozent eine hohe Bedeutung bei. Hm… Und wie sieht es mit der Zufriedenheit aus?
Hier finde ich die Stimmen der Befragten ganz interessant. “Der Markt entwickelt sich erst”, heißt es da. Ja, klar. “Es lässt sich hierüber noch keine genaue und valide Auskunft geben” und “Da wir noch kein Monitoring eingesetzt haben, sind uns die Nutzungszahlen nicht bekannt” zeigen mal wieder schön, dass das Thema Web-Analyse noch nicht bei den Unternehmen angekommen ist. Wie aber soll ich über den Erfolg einer (mobilen) Karriere-Website urteilen, wenn ich keine Zugriffe etc. auswerte? Gerade einmal 11 Prozent der Befragten äußern sich als sehr zufrieden mit ihren Mobile-Recruiting-Aktivitäten. Woran das wohl liegt?
Immerhin ist man bei 63 Prozent der Befragten einig darüber, dass mobile Recruiting zukünftig an Bedeutung gewinnen wird (das waren 2009 35 und 2011 37 Prozent. Also eine klare Verbesserung) . 48 Prozent sind der Meinung, dass Unternehmen bereits Kompetenzen für Mobile Recruiting aufgebaut haben sollten bzw. jetzt damit beginnen sollten (2009 22, 2011 24 Prozent. Auch hier spürt man das steigende Bewusstsein). Auf jeden Fall, klar.
Kommen wir noch rasch zum Fazit der Autoren der Studie. Hier heißt es
“Insgesamt ist das Mobile Recruiting aktuell von einer Etablierung im Sinne einer “Mobile First-Strategie” noch ein Stück weit entfernt. Zunächst gilt es beim Mobile Recruiting, die “mobile Sackgasse” zu vermeiden. Zwar sind im Vergleich zur Vorstudie generell Steigerungen beim Mobile Recruiting-Einsatz der Unternehmen erkennbar, jedoch zeigen sich bei einer nicht isolierten, sondern an einem durchgängigen Mobile Recruiting-Prozess orientierten Betrachtung deutliche Handlungsfelder. Stellt man den Mobile Recruiting-Einsatz anhand idealtypischer Instrumente gegenüber, führt das Vorgehen oft noch zu Brüchen in der mobilen “Candidate Experience” und bildet damit die Gefahr einer “mobilen Sackgasse”. Ein jeweiliges Angebot nimmt hier von Stufe zu Stufe ab und zwischen jeder dieser Stufen entsteht eine “mobile Sackgasse”. Hierdurch wird letztlich noch kein konsistentes, mobiles Nutzungserlebnis ermöglicht. Darüber hinaus fördern die Unternehmen die Brüche sogar noch häufig selbst durch einen unpassenden Technologieeinsatz bei der Umsetzung ihrer Mobile Recruiting-Aktivitäten. Abschließend findet aktuell noch keine vollständige Abbildung wesentlicher Prozessschritte des Recruitings auf den mobilen Kanal statt.”
Alle Ergebnisse der Mobile Recruiting-Studie der Hochschule RheinMain finden Sie hier. Und hier eine schön aufbereitete Infografik, warum das Thema Mobile Recruiting so wichtig ist.
Mobile Recruiting: Bewerber, die auf Smartphones starren
Recruiting – mobile oder nicht mobile – das ist die Frage. - Talentmanagement Blog
Mobile Recruiting 2013: Eine empirische Untersuchung zur Bewerberansprache über mobile Endgeräte | Crosswater Job Guide
Wie kommen wir aus der mobilen Recruiting Sackgasse? : Personalmarketingblog