22. März 2013
Mehr Effizienz bei Personalauswahl und Recruiting mit zeitversetzten Videointerviews
Lesezeit: 8 Min. Recruiting
Haben Sie sich eigentlich schon einmal Gedanken darüber gemacht, was Sie so Jahr für Jahr an Kosten für Bewerbungen und Reisekosten raushauen? Mal ganz ehrlich? Gut, ich vermute mal, Sie wissen es nicht so wirklich. Vielleicht gibt es in Ihrem Unternehmen ja nicht einmal so etwas wie Personalcontrolling. Wird ja auch völlig überbewertet, das Thema. Aber mal ganz ehrlich, haben Sie in etwa eine Ahnung, wie viel Tausend Euro Jahr für Jahr dran glauben müssen, nur weil Sie für eine erste Vorauswahl einen Bewerber – sagen wir von Hamburg nach München herankarren? Machen wir doch einfach mal eine einfache Rechnung auf…
Nehmen wir mal an, Sie sind ein Unternehmen, welches regelmäßig auf der Suche nach Personal ist. Sagen wir mal Praktikanten. Oder Trainees. Oder was auch immer, spielt keine Rolle. Nehmen wir ferner an, Sie benötigen 20 dieser Vertreter (die Zahl ist bewusst niedrig gewählt). Nehmen wir weiter an, Sie laden 100 Bewerber ein, um diese Stellen zu besetzten. Und nehmen wir schlussendlich an, jeder dieser Bewerber hat einen einfachen Anreiseweg von im Durchschnitt 200 km. Dann ergibt sich eine einfache (Achtung! Milchmädchen-)Rechnung:
Anzahl Bewerber x Reisekosten = Belastung Kostenstelle. Oder, um es verständlicher zu machen:
100 x 400 x 0,30 = 12.000. Euro
Peanuts, sagen Sie? Gerne verrate ich Ihnen meine Bankverbindung. Aber, natürlich, Sie haben Recht. In Wirklichkeit liegen die Kosten viel höher. Je nach Unternehmen vielleicht bei 100.000. Oder 500.000. Nur, weil Sie Ihren Bewerber fürs Erstgespräch mal live und in Farbe vor sich sehen wollen (und jetzt rechnen Sie das mal hoch für sämtliche Unternehmen in Deutschland. Nur mal so für Spaß…)
Ganz schön viel Kohle nicht wahr? Während sich zwar mittlerweile bei vielen Unternehmen herumgesprochen hat (Porsche Deutschland oder ein Großteil der ARD-Anstalten gehören scheinbar nicht dazu), welche enormen Einsparpotenziale online basierte Recruitingprozesse haben (da zählt durchaus schon der Bewerbungseingang via E-Mail hinzu), ist das beim Thema Bewerberinterviews noch lange nicht angekommen. Und diese Einsparpotenziale betreffen genau wie beim E-Recruiting auch, nicht nur die Kosten, es geht auch um den Faktor Zeit. Ganz zu schweigen von der erhöhten Effizienz. Erreichen kann ich die genannten Aspekte mit dem Einsatz von zeitversetzten Videointerviews.
Was aber ist unter einem “zeitversetzten Videointerview” eigentlich zu verstehen? Bei diesem Tool handelt es sich um eine webbasierte HR-Software, mit der strukturierte Interviews orts- und zeitunabhängig per Webcam durchgeführt und anschließend ausgewertet werden können.
So funktionieren zeitversetzte Videointerviews für die Personalauswahl
- Schritt – Anlegen des Interviewprojektes
Hier legen Sie die Fragen, Bewertungkriterien sowie die Vorbereitungs- und Antwortzeiten, die Sie Ihren Kandidaten einräumen wollen, fest. Anschließend werden Ihre Kandidaten automatisch per E-Mail zum Videointerview eingeladen. - Schritt – Bewerber beantworten Ihre Fragen
Die eingeladenen Kandidaten loggen sich in das Tool ein und beantworten die Fragen selbstständig via Webcam. Wann und wo sie das Videointerview innerhalb einer vorgegebenen Interviewfrist durchführen möchten, entscheiden diese selbst. Die Kandidaten entscheiden zudem, wann und wo sie das Videointerview durchführen möchten. Der Vorteil: Die Antworten werden aufgezeichnet und so können Sie diese dann wenn Sie so wollen bis zum Erbrechen immer und wieder anschauen. - Schritt 3 – Sie bewerten und entscheiden
Im Anschluss bewerten Sie dann mit Ihren Kollegen anhand der vorher festgelegten Kriterien die aufgezeichneten Antworten der einzelnen Kandidaten. Nun können Sie sicher entscheiden, wen Sie wirklich zu sich ins Unternehmen einladen möchten.
Nun werden Sie wahrscheinlich sagen, was soll ich denn mit dem neumodischen Firlefanz? Wir haben immer schon Lebenslaufanalyse und Telefoninterviews gemacht. Außerdem lasse ich meinen Bauch entscheiden. Und das kann ich nur, wenn ich den Bewerber vor mir sitzen habe. Klar, das haben wir immer schon so gemacht ist einfach ein unschlagbares Argument. Da kann ich nicht gegenhalten. Aber vielleicht ist es dennoch ganz interessant, wie zuverlässig diese Art der Bewerberauswahl ist. Denn das ist sie in der Tat. Genauer gesagt, sind zeitversetzte Videointerviews sogar zuverlässiger und objektiver als die Analyse von Bewerbungsunterlagen.
Dass es für Unternehmen erfolgskritischer denn je ist, die richtigen Bewerber im Auswahlprozess zu erkennen und auszuwählen, soll noch einmal das Beispiel Telekom am Ende des Artikels verdeutlichen. Letztendlich ist im “War for Talents” jede Fehlentscheidung problematisch. Jeder Schritt im Auswahlprozess – ob Lebenslaufanalyse oder Bewerbungsgespräch – muss nicht nur eine zuverlässige und eindeutige Entscheidung ermöglichen, es reicht auch nicht aus, sich auf nur eine Auswahlvariante zu beschränken. Was einem der gesunde Menschenverstand schon sagt, untermauern auch verschiedene Untersuchungen. Aber bevor ich abschweife, zurück zum Thema “Zuverlässigkeit”. Denn wie zuverlässig und objektiv sind denn nun eigentlich solche zeitversetzten Videointerviews – im Vergleich bspw. zur klassischen Lebenslaufanalyse?
Hierzu liefert eine Untersuchung von viasto interessante Aufschlüsse. Die Ergebnisse hatte ich ja bereits in meinem Artikel zum HR Barcamp angekündigt, hier sind sie nun:
Attraktivität von Kandidaten verfälscht kompetenzbezogene Bewertung nicht
In der Studie wurden Lebenslaufanalyse und Videointerview direkt qualitativ verglichen. Interessant: Hier zeigte sich, dass die Bewertenden, die anhand der Videointerviews bezüglich der Kandidateneignung einer Meinung waren, die Bewerbungsunterlagen hingegen sehr unterschiedlich bewerteten. Ob der Bewerber in diesem Falle als positiv bewertet wurde, hing weniger von der tatsächlichen Eignung ab als viel mehr von der Tatsache, welcher Bewerter die Unterlagen in die Hände bekam. Und das ist schon bedenklich. Schließlich sollte es keinen Unterschied machen, ob Herr Müller oder Frau Schmidt aus der HR-Abteilung den Bewerber beurteilen – das Urteil sollte immer das Gleiche sein.
Interessant auch: Während man sich bei der klassischen Lebenslaufanalyse bezüglich der Bewertung schnell mal von der Attraktivität des Bewerbers auf dem Foto beeinflussen lässt (welches ja trotz AGG immer noch brav beigelegt wird)…
… wurden beim Videointerview die Bewertungen unabhängig vom Aussehen des Bewerbers vorgenommen.
Durch klar definierte Bewertungsskalen, die unter den Videosequenzen zur Bewertung genutzt werden, wird eine objektive Eignungsbeurteilung gewährleistet, die sich unbeeindruckt gegenüber irrelevanten Einflüssen wie der Attraktivität der Bewerber zeigen. Vorbei also die Zeiten, wo die charmante Blondine einfach aufgrund ihres Aussehens den Zuschlag bekam und der hornbebrillte Nerd den Kürzeren zog :-) (gut, zugegeben, die Zeiten sind aufgrund der anonymen Bewerbung ja ohnehin vorbei. Haha.).
Die Untersuchung bestätigt außerdem, dass auf Basis der zeitversetzten Videointerviews sehr differenziert zwischen verschiedenen Fähigkeiten und Eigenschaften des Bewerbers wie z. B. Leistungsmotivation, Gewissenhaftigkeit, Interessen oder Teamfähigkeit unterschieden werden kann. Auch Fremdsprachen- und Präsentationskompetenzen werden direkt und zuverlässig beobachtbar.
Werfen wir nun noch mal einen Blick auf die Effizienz dieser Methode der Personalauswahl. In den meisten Fällen ist eine steigende Qualität der Auswahlmethode ja mit einer höheren Investition in Sachen Zeit und Geld verbunden. Zeitversetzte Videointerviews hingegen ermöglichen laut viasto nun “zum ersten Mal in der Geschichte der Bewerberauswahl eine Verbindung von zuverlässigen, beobachtungsbasierten Interviewbewertungen und der Effizienz von Online-Tests.” Fakt ist, dass mittels dieses Personalauswahlverfahrens viel Geld gespart werden kann. Denken Sie nur an meine Milchmädchenrechnung von oben. Aber auch das Verhältnis in Sachen Reliabilität vs. Kosten ist wohl unschlagbar.
Aber abgesehen von meiner Rechnung ist es tatsächlich so, dass die Lösung nicht nur eine günstige Alternative zu persönlichen Ersterstgesprächen darstellt. Erfahrungen zeigen darüber hinaus, dass anstatt vier Kandidaten nach Einsatz des zeitversetzten Videointerviews im Schnitt nur noch zwei Kandidaten zum persönlichen Gespräch eingeladen werden. Insofern werden also spätestens hier die Reisekosten um 50% gesenkt. Budget, was Sie freimachen können für eine zielgruppenorientierte und bewerberfreundliche Karriere-Website oder einen Mitarbeiterblog.
Natürlich bedingt das Ganze auch eine nicht unerhebliche Zeitersparnis. Zum einen bei der Vorbereitung/der Koordination des Gesprächs, natürlich der Reisezeit (gut, dass ist nicht Ihr Vorteil, sondern der des Bewerbers – dies drückt aber Wertschätzung gegenüber diesem aus und zeugt von – Achtung, Buzzword! – richtig verstandener Candidate Experience) ebenso wie der Zeit, die in persönliche Gespräche selbst investiert wird.
Zeitversetzte Videointerviews: Entdecken ungeahnter Talente
Und genau davon hat bspw. die Telekom profitiert. Denn der magentafarbene Riese hat zeitversetzte Videointerviews bereits erfolgreich eingesetzt. Dazu ein paar Daten:
- Die Telekom setzte neben CV-Screening anstatt des sonst üblichen Telefoninterviews auf das zeitversetztes Videointerview
- Aufgrund der Zeitersparnis, die ein zeitversetztes Videointerviews im Vergleich zum Telefoninterview aufweist, konnten mehr Bewerber zugelassen werden. So wurden nicht nur A-Bewerber zum zweiten Vorauswahlschritt eingeladen, sondern auch B-Bewerber
- 30 Bewerbern wurden auf Grundlage von CV-Screening und Videointerview zum Assessment Center eingeladen,
- 10 davon wurde ein Jobangebot gemacht.
Bemerkenswert: Von den zehn Bewerbern, die im Assessment Center überzeugten, wären zwei Bewerber allein aufgrund der Lebenslaufanalyse durchgefallen und nicht zum Interview und anschließendem AC eingeladen worden. - Ja, 20 Prozent der Kandidaten, die im Assessment Center überzeugten und mittlerweile erfolgreich für die Telekom arbeiten, wären ohne zeitversetzte Videointerviews sogar fälschlicherweise abgewiesen worden.
Ina Bourmer, Leiterin Recruiting bei der Telekom dazu: “Durch das Einsetzen einer innovativen Methode entdecken wir völlig neue überzeugende Kandidatenprofile, die in unseren bisherigen Auswahlprozessen durchs Raster gefallen wären.”
Zusammenfassend können wir also festhalten:
- Zeitversetzte Videointerviews sind im Verhältnis zu anderen Personalauswahlverfahren sehr kostengünstig
- Zeitversetzte Videointerviews sind im Verhältnis zu anderen Personalauswahlverfahren sehr zuverlässig
- Zeitversetzte Videointerviews sind sehr effizient
- Zeitversetzte Videointerviews ermöglichen das “Entdecken” sonst verborgener “Talente”
Alles in allem also alles Punkte, die für dieses Recruiting-Instrument sprechen. Und das gilt nicht nur für Großkonzerne, auch oder gerade der Mittelstand kann hier punkten. Mal schauen, wie lange es dauert, bis sich dieses Tool etabliert hat. Bei vielen Unternehmen ist ja noch nicht mal die E-Mail-Bewerbung angekommen. Warten wir also ab :-)
Mehr Infos zum Thema finden Sie in dieser Infografik:
Personalmarketing Wochenrückblick KW 17
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Sara Lindemann
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Christine Oertel
Maja Rissmann
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Jo Diercks
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