27. September 2012
Personalmarketing mit Social Media – alles nur fauler Zauber?
Lesezeit: 11 Min. PersonalmarketingSocial Media
Laut einer (jetzt nicht mehr ganz so) aktuellen Studie von BITKOM ist Social Media nun endlich (!) in den deutschen Unternehmen angekommen! Bereits 47 % setzen Social Media für ihre Zwecke ein. Was auch immer das heißen mag. Heißt das, dass man einen Eintrag bei Wikipedia eingepflegt hat? Oder ein Produkt- oder besser noch Recruiting-Video bei Youtube hochgeladen? Oder ein Xing-Unternehmensprofil angelegt? Einen Twitter-Account eingerichtet? Ein Bild der Unternehmenszentrale auf Pinterest gepinnt? Oder vielleicht doch noch eine weitere der wie Pilze aus dem Boden sprießenden Karriere-Pages da erstellt, wo ja vermeintlich die Zielgruppe unterwegs ist, auf Facebook? Sollten sich also all die Aktivitäten darauf beziehen, ein Profil irgendwo eingerichtet und selber schon mal einen Tweet abgesetzt zu haben, so mag es vielleicht wirklich so sein, dass Social Media in deutschen Unternehmen angekommen ist. Aber seien wir doch mal grundehrlich und horchen ganz tief in uns herein: Hinterfragen wir unsere Aktivitäten einmal ernsthaft und lassen den Social Media Schwanzvergleich einmal außen vor. Dann sieht die Realität wohl doch eher ganz anders aus…
Ja, es ist richtig. Immer mehr Unternehmen positionieren sich im Social Web mit einer Arbeitgeberpräsenz und angeblich ist Social Media Personalmarketing ja nun in den deutschen Unternehmen angekommen und Alltag (Wie bitte?). Beliebtester Tummelplatz: Facebook. Für viele mittlerweile synonym für Social Media an sich, hat es, warum auch immer, eine magische Anziehungskraft auf Unternehmen. Wir müssen da sein, wo die Zielgruppe ist, heißt es dann immer. Nun denn. Um es mal mit den Worten eines anderen Bloggers zu zitieren: Nur weil unter den 900 Millionen Nutzern (in Deutschland sind es immerhin nahezu 25 Millionen) auf Facebook insbesondere die begehrte Zielgruppe der 18- bis 34jährigen vertreten ist, ist dies kein zwingender Grund, dort als Arbeitgeber vertreten zu sein. Denn auf einem nicht minder beliebten Portal wie Youporn (verlinke ich jetzt mal aus Jugendschutzaspekten nicht :-)), sind die Unternehmen ja auch nicht. Aber ohne Frage mehr als genug Menschen aus verschiedensten Zielgruppen (im Zweifelsfall würde man dort sogar eher den berufserfahrenen Spezialisten finden, als auf Facebook). Das wäre doch mal charmant: Pro-aktives Recruiting auf Youporn!
Aber wir sind ja beim weltgrößten sozialen Netzwerk stehen geblieben. Und so sind gerade in den letzten Tagen wieder diverse Karriere- und Ausbildungspages an den Start gegangen. Selbst so konservative Unternehmen wie McKinsey sind nun dabei (hier hat man sich wahrscheinlich gedacht, nun gut, wenn PwC und Deloitte, Roland Berger und KPMG schon vertreten sind, dann müssen wir dort auch sein. Das ist übrigens in der Tat das am häufigsten genannte “Argument”, warum man denn bei Facebook dabei sein will: weil es doch die anderen auch sind), ferner die DZ Bank, der Automobilzulieferer ElringKlinger (gleich zweimal!), MTU AeroEngines (dito!), die Bäckerei Junge und viele viele mehr. Das an sich ist ja erst mal schön und gut. Und meinetwegen auch richtig. Ich möchte an dieser Stelle auch gar nicht über die Qualität der Auftritte reden, ja nicht mal über das Engagement derjenigen schreiben, die sich mehr oder weniger tagein, tagaus mit der avisierten Zielgruppe beschäftigen und Animateuren gleich sich darum bemühen, die Community (wenn sie denn vorhanden ist) zu unterhalten bzw. für sich zu gewinnen, sie mitzureißen. Dass so etwas nicht mit einer iPad-Verlosung funktionieren wird (auch nicht mit der eines iPhone 5), sollte mittlerweile klar sein (ich weiß, ist es nicht, dafür gibt es genug Beispiele, die diesen Rat nicht befolgen, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und ich bin einfach so naiv und glaube immer nur an das Gute im Menschen).
Engagement wird ausgebremst
Wobei, ich muss mich im vorher beschriebenen ein wenig korrigieren. Denn das Thema Engagement ist für die Beweisführung meiner Aussage, dass Social Media in Unternehmen letztendlich alles nur fauler Zauber und Makulatur ist, zwingend notwendig. Denn es gibt sie da draußen, die Menschen, für die das Betreuen der Social Media Präsenzen eben mehr ist als ein nine to five-Job, die Social Media quasi leben, die ihre Fans wertschätzen und von diesen wiederum wertgeschätzt werden (und damit bspw. auch am Wochenende posten. Immerhin die Zeit, die laut diverser Erhebungen die erfolgreichste auf Facebook ist). Und es gibt sie auch: Diejenigen, die sich im Unternehmen stark machen für ein Social Media Engagement. Und genau diese Menschen sind es dann, die ausgebremst werden: Vom Vorgesetzten, von der Chefetage, von Betriebsrat, von der Unternehmenskommunikation, von der IT als Wächter des heiligen Grals.
So wurde mir mehrfach von für die Social Media Personalmarketing-Aktivitäten Personalverantwortlichen berichtet, dass der Betriebsrat gerne Steine in den Weg gelegt hat. Während sich bspw. die Facebook-Seite eines großen deutschen Chemiekonzerns dank neuer Community-Managerin langsam aus dem Dornröschen-Schlaf erhoben hatte und diese für Leben auf der Seite sorgte und sich dabei die Frechheit rausnahm, auch am Wochenende zu posten, blockierte der Betriebsrat das Vorgehen und die Mitarbeiterin wurde dringend ermahnt, bitte nicht außerhalb der Arbeitszeiten zu posten. Was denn das für ein Bild nach außen abgäbe, da würden Bewerber doch den Eindruck bekommen, man würde auch am Wochenende arbeiten. Dass im Gegenteil gerade solch ein Engagement bei den Fans da draußen ankommt, haben die Verantwortlichen bis heute nicht verstanden. Schließlich ist insbesondere Facebook kein nine-to-five-Engagement, sondern immer noch das weltweit größte private soziale Netzwerk, dessen Regeln man sich als Unternehmen zu unterwerfen hat und nicht umgekehrt.
Was viele ebenfalls nicht verstanden haben ist die Tatsache, dass es sich bei solch einem Engagement nicht um eine Spielerei oder ein Freizeitvergnügen handelt. Oftmals ist die Personalabteilung tatsächlich der einzige Bereich im Unternehmen, der die Social Media Aktivitäten voran treibt. Und nicht selten wird man dort als Spinner belächelt, der seine Arbeitszeit sinnlos auf Facebook verbringt. Die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungsbereichen, die interessante Inhalte für die Seite bereitstellen könnten, ist nicht selten absolute Fehlanzeige. Das ist die traurige Realität. Leider.
In vielen Unternehmen ist es auch gang und gäbe, dass Posts – sei es auf Facebook, Twitter oder in Blogs – erst einen Freigabeprozess durchlaufen müssen. Auch dies ist leider weder ein Scherz, noch ein Einzelfall. So erinnere ich mich an einen Fall, bei dem ein Interview begleitend zu einer Facebook-Aktion durchgeführt werden sollte. Der Abstimmungsprozess dauerte so lange, dass die Aktion schon vorbei war, als das Interview dann freigegeben wurde. Auch gibt es allen Ernstes Fälle, bei denen die Unternehmenskommunikation erst jeden einzelnen Post auf Facebook freigeben will, bis er denn veröffentlicht werden darf. Gut, manche Unternehmen wollen eben nicht akzeptieren, dass die Kommunikation auf anderen und schnelleren Kanälen läuft als bisher und so haben viele Unternehmen bis heute nicht die Potenziale des Social Web erkannt.
Auch anderswo werden Mitarbeiter gegängelt und durch demotivierende Aktionen zum Aufgeben gezwungen. So gibt es Fälle, bei denen Mitarbeitern, die für die jeweiligen Karriere-Auftritte der Unternehmen zuständig waren, untersagt wurde, weiterhin zu posten. Oder dieses nur in ganz bestimmten Zeitfenstern zu tun. Abgesehen davon, dass einem diese engagierten ihr Herzblut und ihre Leidenschaft einsetzenden Mitarbeiter wirklich Leid tun können und die Unternehmen für solch ein Vorgehen abgestraft gehören, ist das Ganze einfach nur töricht, kontraproduktiv und nicht nachzuvollziehen.
Sogar Betriebsvereinbarungen gibt es in einigen Unternehmen, wo bis ins Detail geregelt ist, wer denn Mitglied des Facebook- oder Blog-Redaktionsteams ist. Und die für den Unternehmensauftritt Verantwortlichen werden einen Teufel tun, neue Ideen umzusetzen, die intern ohnehin nur blockiert würden oder weitere Betriebsratssitzungen bedeuten würden. No joke! Da kann sich nur jedes Unternehmen glücklich schätzen, wo es solche Bremsen des Fortschritts nicht gibt :-).
Wie glaubwürdig ist ein Unternehmensauftritt in Social Media, wenn für Mitarbeiter Facebook & Co. gesperrt sind?
Um bei oben genanntem Beispiel zu bleiben: Auch bei einem meiner Ex-Brötchengeber gab es zu meiner Zeit eine Facebookseite, einen Twitterchannel und sogar einen Blog (der seit Monaten verwaist ist), der Zugang zu Facebook und Co. über das Unternehmensnetzwerk war aber tabu. Stellt man sich die Frage, wie glaubwürdig da so ein Auftritt erscheint. Wenn ich im Home-Office war, konnte ich die Präsenzen nur über meinen eigenen Rechner pflegen. Vom Firmenlaptop war der Zugang nämlich gesperrt.
Anderes, sehr prominentes Beispiel ist Porsche. Auch Porsche betreibt mittlerweile als letzter deutscher Autobauer eine eigene Karriereseite auf Facebook. Für die Mitarbeiter gilt aber (mit Ausnahme einiger weniger Privilegierter) ein absolutes Facebook-Verbot. Natürlich ist das kein Einzelfall. Im Gegenteil: Es ist sogar eher die Regel. Nach einer Studie von Robert Half erlauben mal gerade 10 Prozent der befragten Unternehmen den Zugang zum Internet während der Arbeitszeit! 54 Prozent verbieten die Nutzung sogar komplett. Nun ist ja die Bedeutung des Internet ohnehin noch lange bei vielen Unternehmen nicht angekommen, was man auch wunderbar anhand vieler nicht oder nur rudimentär vorhandener Karriere-Websites beobachten kann.
Abgesehen davon, dass hier also wertvolle Potenziale verschenkt (Stichwort Wissenstransfer) und Mitarbeiter gegängelt werden (Stichwort Mitarbeiter-DE-motivation) ist natürlich auch die Wirkung nach außen verheerend. Stellen Sie sich vor, Max Müller bewirbt sich unter anderem auch deswegen bei Ihnen, weil Sie so ein cooler Arbeitgeber sind mit eigener Facebookseite und Dialog im Social Web und anderem Gedöns und steigt dann bei Ihnen im Unternehmen ein, nur um dann festzustellen, dass die Realität eine ganz andere ist? Nutzung von Facebook? Während der Arbeitszeit?? Allerhöchstens in der Pause, per Smartphone und von einem öffentlichen Ort. Gut, dass es dann kununu gibt, um sich seinem Ärger Luft zu machen und andere vor diesem falsche Versprechungen signalisierendem Unternehmen zu warnen :-).
Schön sind auch die Termine bei Kunden, wo ich antrete um die Mitarbeiter im Umgang mit Social Media vertraut zu machen. Drei mal dürfen Sie raten, was passiert, wenn ich dann versuche Xing, Facebook, Twitter oder Youtube aufzurufen. Richtig! Es erscheint eine Fehlermeldung, dass die Seiten leider gesperrt sind. Wohlgemerkt, nicht selten handelt es sich dabei um Kunden, die bereits mit einer eigenen Karriereseite auf Facebook vertreten sind oder Xing als Businessnetzwerk nutzen :-).
Nicht dass Sie mich falsch verstehen. Ich weiß sehr wohl, dass es Leute gibt, die es schamlos ausnutzen und dann stundenlang auf Facebook & Co. rumdaddeln. Aber wie wäre es dann mal mit klaren Richtlinien (Stichwort Social Media Guide Lines. Die sind ein Muss! Dann klappt’s auch mit Social Media im Unternehmen) zum Umgang mit dem Internet und einer Unternehmenskultur, die auf Vertrauen basiert? Und wenn mir mal wieder die Generation Y ins Spiel bringen, der 2011 CISCO Connected World Technology Report hat noch mit ein paar spannenden Daten aufzuwarten. Wie wäre es bspw. damit?
- Für 33% der Befragten ist der Zugang zu Facebook und die freie Wahl der Arbeitsgeräte wichtiger als das Gehalt.
- Mehr als 40% würden weniger Geld für einen Job akzeptieren, wenn ihnen dafür der Zugang zu Social Media während der Arbeitszeit ermöglicht würde.
- 56% würden Jobangebote von Firmen, die Social Media Seiten sperren, ablehnen oder diese Richtlinien ignorieren.
All das sind Zahlen, die Sie einmal verinnerlichen sollten. Warum aber ist die Angst vor den neuen Medien so groß, warum werden die Mitarbeiter in Unternehmen so stark in ihrer Freiheit beschnitten? Vielleicht geben ja ein paar Ergebnisse aus der Enterprise 2.0-Studie der Hochschule Rhein-Main Aufschluss. Denn letztendlich geht es ja nicht nur um die Nutzung von Facebook & Co. für Marketing- oder Personalmarketingzwecke, sondern um ganze Prozesse innerhalb eines Unternehmens, die dank neuer Technologien deutlich verbessert und effizienter gestaltet werden könnten. Wenn man sich denn drauf einlassen würde…
Jaja, die Gefahr des Kontrollverlustes. Oder das Sinken der Produktivität wegen Surfen im Netz. Klar, gibt es Studien, die besagen, dass die Produktivität leidet. Andere wiederum weisen verschiedene positive Effekte nach. Und wer zählt eigentlich die ganzen Zigarettenpausen, die die Wirtschaft im Zweifelsfall mehr Produktivität kosten (auch infolge der Kosten die den Unternehmen durch die Extremraucher entstehen – Lungenkrebs- und Raucherbeinpatienten bspw., die durch andere Mitarbeiter wieder ersetzt werden müssen und die vielleicht einen wichtigen Know-how-Abfluss bedeuten würden ;-)).
Wie auch immer. Wir drehen uns im Kreis. Es ist wirklich toll, wenn sich Unternehmen im Social Web engagieren, auf ihre Arbeitgebermarke einzahlen und rekrutieren. Letztendlich ist und bleibt es immer Makulatur und fauler Zauber, wenn nicht alle an einem Strang ziehen, die Personalabteilung die Sonderlinge sind und das Ganze als Insellösung betrieben wird. Da dürfen sich dann die Unternehmen auch nicht wundern, wenn nach all der Euphorie die Begeisterung schwindet, weil nicht die erwünschten Resultate erzielt werden, die man doch vor Augen hatte.
Eine der 10 Thesen des BVDW zur Zukunft von Social Media lautet: Social Media verändert die Unternehmenskultur. Richtig müsste es vielmehr heißen, solange sich die Unternehmenskultur nicht auf Social Media einlässt, wird das auch nix mit einem nachhaltigen, erfolgreichen Auftritt im Social Web. Denn letztendlich setzt der Einsatz von Social Media voraus, dass sich die Unternehmen öffnen. Die Integration von Social Media ins Unternehmen ist mehr als das Einrichten irgendwelcher Profile, sie setzt vielmehr die Bereitschaft voraus, dass Unternehmen ihre Prozesse verändern und ihre Unternehmenskultur anpassen.
Letztendlich und wenn wir wirklich mal ganz ehrlich zu uns sind, steckt Social Media in deutschen Unternehmen nicht nur nicht in den Kinderschuhen, es hat in den meisten Fällen noch nicht einmal die dringend notwendige Befruchtung stattgefunden!
Insofern: So lange die Unternehmenskultur, die Akzeptanz für Social Media und Enterprise 2.0 nicht da ist, Mitarbeitern die Nutzung des Internet untersagt wird und einzelne Vertreter der Personalabteilung die einzigen sind, die das Social Media Engagement weiter voran treiben, ist und bleibt für mich allen hochgejubelten Fan- und Followerzahlen und Engagement-Raten zum Trotz, Personalmarketing und andere Aktivitäten via Social Media nur ein fauler Zauber. Arbeiten wir gemeinsam daran, dass sich das ändert!
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