27. Januar 2017
“Mama gesucht” – Eine Stellenanzeige sorgt für Aufruhr
Lesezeit: 6 Min. PersonalmarketingStellenanzeigen
Die einen suchen Superhelden, Ninjas, Gurus und Nerds – und die anderen eine Mama. Wobei sich wahrscheinlich die ein oder andere Mama als Superheldin sieht. Verständlich, bei dem Job, den Mütter so tagein, tagaus leisten. Von den Qualitäten einer Mutter ist ein Agenturchef aus München so dermaßen überzeugt, dass er ausschließlich nach einer solchen sucht und damit nicht nur dem AGG die Stirn bietet, sondern auch mit seinem Stellenangebot “Mama gesucht” für Aufruhr sorgt.
Das gute alte AGG. Gerade vor Kurzem noch feierte es Geburtstag – was natürlich auch hier im Blog gebührend gewürdigt wurde – und nun wird es zum wiederholten Male mit Füßen getreten. Wir erinnern uns:
“Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.”
Paragraph 1 regelt es eindeutig: “Benachteiligungen aus Gründen […] des Geschlechts sind zu verhindern.” So weit, so gut. Und nun kommt da eine Agentur daher und sucht ausdrücklich und explizit eine “Mama”. Wenn da nun wenigstens noch das allseits beliebte Anhängsel “(m/w)” stünde, wäre ja alles gut (natürlich nicht, weil Mama ist per se weiblich und da nützt all das ge-em-me und ge-we-e nix). So wie bei der Empfangsdame, Sie erinnern sich. Ohnehin plädiere ich ja für die geschlechtsneutrale Stellenausschreibung.
Mama gesucht – Teilzeit oder Freelancer
Zurück zum Stein des Anstoßes. In dem auf Facebook veröffentlichten Post heißt es allen Ernstes: “Mama gesucht – Teilzeit oder Freelancer“. Wobei sich mir schon die Frage stellt, was eine “Freelancer-Mama” eigentlich ist. Eine Frau, die auf freiberuflicher Basis ihren Mama-Pflichten nachkommt?
Was dann (dem ein oder anderen) übel aufstößt, sind die Anforderungen. Ich meine jetzt nicht die guten Deutsch-Kenntnisse, bei denen das Inserat selbst nicht mit gutem Beispiel voran geht, vielmehr ist es die Einstellungsvoraussetzung, “ein Kind zur Welt gebracht zu haben“.
Hier werden nicht nur Männer aufs Übelste diskrediert und mit Füßen getreten. Was ist mit einer Hebamme oder einem/einer Geburtshelfer(in), der oder die vielleicht schon Hunderte von Babys zur Welt gebracht hat, aber eben KEINE Mama ist? Was wäre beispielsweise mit Frauen, die zwar Kinder adoptiert, aber eben nicht zur Welt gebracht haben? Was ist mit Frauen, die als Leihmütter Kinder zur Welt gebracht haben, aber selbst nicht Mama sind? Auch diese potenziellen Bewerbergruppen werden durch diese Anzeige auf übelste Weise diskriminiert und benachteiligt.
Tatsächlich ist es so, dass gem. AGG eine unmittelbare Benachteiligung dann vorliegt, “wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.” Und die liegt hier ganz klar vor, erfahren Väter hier doch eben genau das: Eine weniger günstige Behandlung nämlich. Und warum? Weil, so heißt es im Stellenangebot:
“Mamas sind stressresistent, gut vernetzt, oft bestens ausgebildet und können mit Kindern sowie Kindsköpfen umgehen.”
Klar. Trifft natürlich alles nicht zu auf Väter bzw. Männer im Allgemeinen. Also offenbar auch nicht auf den Agenturchef. Apropos Kindskopf: Meint er sich selbst damit?
Wobei das mit dem AGG ja auch so eine Sache ist. Früher gab es das alles noch nicht. Da stand man als Frau noch seinen Mann. So antwortete die Saalkandidatin in der Wetten dass..?-Sendung vom Dezember 1981 auf die Frage, was sie denn beruflich mache: “Bankkaufmann bin ich“. Wohlgemerkt, eine Kandidatin.
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Vorbei sind die guten alten Zeiten, das AGG regiert das Personalmarketing. Und doch setzt sich der ein oder andere drüber hinweg. Denn es ist nicht nur eine Agentur aus München, es ist beispielsweise auch ein Personaldienstleister aus Hamburg, der explizit Mütter adressiert…
An dieser Stelle bleibt die Frage, was eine “Mutter in Teilzeit im Fußballstadion” eigentlich macht, leider unbeantwortet. Insbesondere eine männliche. Denn “egal ob jung oder alt, männlich oder weiblich – Du bist gefragt! Also leg los und ergattere dir jetzt einen der beliebten Jobs im Stadion.” heißt es auf der Website. Eine männliche Mutter?
Auch wenn die Katholische Kirche keine Mutter sucht – mit ihrer Stellenanzeige für einen “katholischen Personalsachbearbeiter” verstößt sie klar gegen das AGG.
Komischerweise regt sich da wiederum niemand so sehr auf, wie über oben genannte Stellenanzeige. Denn auch hier liegt ganz klar eine Diskriminierung vor. Was ist bspw. mit Leuten, die zwar “christliche Werte” leben, aber keine Katholiken sind? Denn was ein Personalsachbearbeiter macht, stellt für die Kirche wohl kaum eine “nach der Art der Tätigkeit gerechtfertigte berufliche Anforderung dar“. Ist der Katholischen Kirche aber egal und so hat sie sich getreu des Pippi-Langstrumpf-Mottos “Ich mach’ mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt” sogar ihr eigenes Arbeitsrecht geschaffen. Ob das vor dem Hintergrund des gerne kolportierten “Fachkräftemangels” so sinnvoll ist?
Aber zurück nach Freising, zum Ursprung allen Übels. Die “Mama gesucht”-Anzeige ist nicht der erste Aufreger aus gleichem Hause. Dort zeigt man sich auch verantwortlich für die stark am guten Geschmack vorbeischrammenden Hack-Fleisch-Azubi-Kampagne.
Sorgen Sie für einen Skandal
Eins muss man den Kollegen aus Freising aber lassen: Sie schaffen es mit ihren Kampagnen immer wieder in die Presse und ernten damit jede Menge Aufmerksamkeit. Bundesweit. Und das quasi mit null Euro Budget. Es ist ihnen schlichtweg egal, was andere denken. “Das ist mir total schnuppe. Dann soll mich doch jemand verklagen, weil ich eine Mutter einstellen will. Mama ist eine Berufsbezeichnung.“, wird Michi Kasper in der Süddeutschen zitiert. Aha. Mama eine Berufsbezeichnung. Stimmt, hier ist ja auch die passende Stellenanzeige für die moderne Mutter…
Aber was bedeutet das nun für Sie? Sorgen Sie einfach für einen Skandal. Dann haben Sie die Aufmerksamkeit, die Sie als Arbeitgeber immer schon wollten. Und jede Menge Bewerber:
- Werben Sie mit nackten Tatsachen. Egal ob männlich oder weiblich, so was sorgt immer für einen Aufreger. Inspiration hier.
- Werben Sie mit Kinderarbeit. Nach dem Motto “Früh übt sich”. Oder “Talent schmieden schon von Kindesbeinen an”.
- Lassen Sie Ihre Mitarbeiter rappen.
- Stellen Sie männliche Azubis auf eine Leiter, die von weiblichen Azubis gehalten wird und werben Sie für Karrierechancen.
- Lassen Sie sich was einfallen!
30 Bewerbungen gab es laut Agentur-Chef auf die Anzeige, viele davon “top-qualifiziert”. Na denn. Auslöser der Anzeige war wohl die Tatsache, dass es in Freising ein riesiges Personalproblem gebe und gleichzeitig so viele hoch qualifizierte Frauen zu Hause säßen. Zugegeben, ich kenne Freising nicht. Aber wenn ich in München bin, fallen mir immer die ganzen Latte-Macchiatto-Mütter auf. Warum nicht einfach in die von den Mamis mit ihren Kinderwagen ach so gern frequentierten Kneipen, Bars und Cafés gehen und dort entsprechende Postkarten mit Kurz-Bewerbung auslegen? Hätte ich charmant gefunden. Wobei das natürlich nicht die AGG-Problematik löst. Aber das ist ohnehin ein andere Baustelle.
Ach ja, Jobs für Mamas habe ich leider nicht im Angebot, dafür aber …
Update Recruiting 17.01 - die Recruiting Topics im Januar 2017
Cathrin
Jo Diercks